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Aufhebungsvertrag und Sperrzeit
Lesen Sie hier, worauf Sie als Arbeitgeber und als Arbeitnehmer beim Thema Arbeitslosengeld und Sperrzeit achten sollten, bevor Sie einen Aufhebungsvertrag vereinbaren
Im einzelnen finden Sie Informationen dazu, warum ein Aufhebungsvertrag im Allgemeinen eine Sperrzeit nach sich zieht, wie lange diese dauert und in welchen Fällen die Arbeitsagentur Aufhebungsverträge akzeptiert, ohne dass dies mit einer Sperrzeit bzw. mit Nachteilen beim Bezug von Arbeitslosengeld verbunden wäre.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Warum führt ein Aufhebungsvertrag zur Sperrzeit?
- Unter welchen Voraussetzungen wird eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe verhängt?
- Wie lange dauert eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe?
- Wann erkennt die Arbeitsagentur einen „wichtigen Grund“ für einen Aufhebungsvertrag an?
- Liegt ein wichtiger Grund für einen Aufhebungsvertrag vor, wenn mit ihm eine vom Arbeitgeber angedrohte Kündigung vermieden wird?
- Warum können Aufhebungsverträge auch dann zur Sperrzeit führen, wenn damit eine betriebs- oder personenbedingte Kündigung vermieden wird?
- Wie können Sie das Risiko einer Sperrzeit durch aufhebungsvertragliche Regelungen gering halten?
- Warum ist das Sperrzeitrisiko bei einem Aufhebungsvertrag für leitende Angestellte und Geschäftsführer geringer?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Aufhebungsvertrag und Sperrzeit?
- Was können wir für Sie tun?
Warum führt ein Aufhebungsvertrag zur Sperrzeit?
§ 159 Abs.1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) schreibt als allgemeine Regel vor, dass der Arbeitslosengeldanspruch für die Dauer einer Sperrzeit ruht,
- wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat,
- ohne einen wichtigen Grund dafür zu haben.
Ein versicherungswidriges Verhalten ist z.B. die grundlose Ablehnung eines Arbeitsangebots, ein Verstoß gegen die Meldepflicht oder die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses (§ 159 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB III). Und da man mit einem Aufhebungsvertrag sein Arbeitsverhältnis auflöst, verhängt die Arbeitsagentur bei Aufhebungsverträgen in der Regel eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
Unter welchen Voraussetzungen wird eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe verhängt?
Eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe kann die Arbeitsagentur gemäß § 159 Abs.1 Satz 1 und Satz 2 Nr.1 SGB III nur verhängen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind:
- Der Arbeitslose hat sein Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben.
- Durch dieses Verhalten hat er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt.
- Für das versicherungswidrige Verhalten gemäß Punkt 1.) und 2.) hat der Arbeitslose keinen wichtigen Grund.
Diese drei Voraussetzungen einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe liegen bei einem Aufhebungsvertrag im Allgemeinen vor, denn mit seiner Zustimmung zum Aufhebungsvertrag führt der Arbeitnehmer die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses herbei. Anders als bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber, die als einseitige Vertragsbeendigung auch ohne das Einverständnis des gekündigten Arbeitnehmers wirksam wird, setzt ein Aufhebungsvertrag immer die ausdrückliche (schriftliche) Zustimmung des Arbeitnehmers voraus.
BEISPIEL: Der Arbeitgeber möchte die Belegschaft aus wirtschaftlichen Gründen um 50 Arbeitnehmer reduzieren. Es sollen aber keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Daher bietet der Arbeitgeber Aufhebungsverträge mit hohen Abfindungen an, die etwa 1,5 Gehälter pro Beschäftigungsjahr betragen. Ein zehn Jahre beschäftigter Arbeitnehmer unterschreibt, nachdem er die Abfindung auf 20 Monatsgehälter heraufgehandelt hat. Nach Ablauf der im Aufhebungsvertrag festgelegten Restlaufzeit des Arbeitsvertrags, die der viermonatigen gesetzlichen Kündigungsfrist entspricht, möchte er gerne Arbeitslosengeld beziehen.
In diesem Fall tritt eine Sperrzeit ein.
Denn erstens hat der Arbeitnehmer durch den Aufhebungsvertrag sein Beschäftigungsverhältnis gelöst. Zweitens hat er dadurch die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, weil der Arbeitgeber ja keine Kündigungen aussprechen wollte, so dass der Arbeitnehmer ohne den Aufhebungsvertrag immer noch beschäftigt wäre (außerdem konnte er nicht auf eine sichere Folgebeschäftigung vertrauen). Drittens ist auch eine hohe Abfindung von 20 Monatsgehältern kein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe.
Weitere Fälle, in denen die Arbeitsagentur eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe verhängt, sind
- die Eigenkündigung des Arbeitnehmers und
- der Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund eines Vertragsverstoßes, der eine vom Arbeitgeber ausgesprochene fristlose oder ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zur Folge hat.
Wie lange dauert eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe?
Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe dauert im Allgemeinen zwölf Wochen (§ 159 Abs.3 Satz 1 SGB III).
Allerdings ist hier Vorsicht geboten, denn die Sperrzeit kann auch länger als zwölf Wochen dauern, wenn der Arbeitslosengeldanspruch für eine längere Zeit als zwölf Monate besteht. Dann vermindert eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe den Arbeitslosengeldanspruch im Endeffekt um ein Viertel der gesamten Anspruchsdauer (§ 148 Abs.1 Nr.4 SGB III).
BEISPIEL: Ein 58jähriger Arbeitnehmer vereinbart nach zehnjähriger Beschäftigung einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungssumme, die etwa einem Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr entspricht. Eine Kündigung für den Fall, dass kein Aufhebungsvertrag zustande kommt, hat der Arbeitgeber nicht angedroht.
In diesem Fall hat der Arbeitnehmer gemäß § 147 Abs.2 SGB III einen Arbeitslosengeldanspruch von satten 24 Monaten, weil er 58 Jahre alt und länger als vier Jahre beschäftigt ist. Und da er sein Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund per Aufhebungsvertrag gelöst und dadurch seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt hat, tritt gemäß § 159 Abs.1 Satz 2 Nr.1, Abs.3 Satz 1 SGB III eine zwölfwöchige Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ein. Das wiederum hat gemäß § 148 Abs.1 Nr.4 SGB III zur Folge, dass die Gesamtdauer des Arbeitslosengeldanspruchs um sechs Monate bzw. um 26 Wochen verkürzt wird. Davon werden zwölf Wochen zu Beginn des Bezugszeitraums in Form der Sperrzeit gestrichen und weitere 14 Wochen zum Ende hin, d.h. der Arbeitslosengeldbezug endet 14 Wochen früher als er ohne Sperrzeit geendet hätte.
Länger beschäftigte ältere Arbeitnehmer, denen mehr als zwölf Monate Arbeitslosengeld zusteht, sollten daher bei Aufhebungsverträgen besonders genau aufpassen. Sie müssen damit rechnen, dass eine Sperrzeit zu einem Arbeitslosengeldverlust von deutlich über zwölf Wochen führt.
Wann erkennt die Arbeitsagentur einen „wichtigen Grund“ für einen Aufhebungsvertrag an?
Die Rechtsprechung der Sozialgerichte und die daran orientierte Verwaltungspraxis der Arbeitsagenturen erkennen in vielen Situationen zugunsten des Arbeitnehmers bzw. Arbeitslosen an, dass eine Arbeitsaufgabe durch Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag gerechtfertigt ist. Einen guten Überblick über diese Fälle findet man in den von der Bundesagentur veröffentlichten Fachlichen Weisungen Arbeitslosengeld § 159 SGB III (Stand Dezember 2021), mit denen die Gesetzesanwendung durch die Sachbearbeiter der Arbeitsagenturen vereinheitlicht werden soll.
In den Fachlichen Weisungen Arbeitslosengeld § 159 SGB III (Stand Dezember 2021) werden unter anderem folgende Fälle als wichtiger Grund für eine Arbeitsaufgabe anerkannt (Punkt 159.1.2.1, S.13 ff.):
- Die vom Arbeitnehmer bzw. Arbeitslosen erwartete oder verlangte Arbeit verstößt gegen gesetzliche Bestimmungen, tarifrechtliche Regelungen oder gegen "die guten Sitten".
- Die Bezahlung ist sittenwidrig gering, d.h. sie liegt mindestens 20 Prozent unter dem Tariflohn oder der ortsüblichen Bezahlung.
- Der Arbeitgeber ist insolvent geworden.
- Der Arbeitnehmer bzw. Arbeitslose wird am Arbeitsplatz gemobbt oder sexuell belästigt.
- Die Beschäftigung wird zur Begründung, Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aufgegeben.
Liegt ein wichtiger Grund für einen Aufhebungsvertrag vor, wenn mit ihm eine vom Arbeitgeber angedrohte Kündigung vermieden wird?
Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und der Praxis der Arbeitsagenturen liegt ein wichtiger Grund für einen Aufhebungsvertrag auch dann vor, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung androht und der Arbeitnehmer mit dem Aufhebungsvertrag die Kündigung vermeidet. Dieses Vorgehen wird aber nur dann als wichtiger Grund anerkannt, wenn folgende (weitere) Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Arbeitgeber hat eine fristgemäße Kündigung "mit Bestimmtheit" in Aussicht gestellt.
- Die angedrohte fristgemäße Kündigung des Arbeitgebers würde auf betriebliche oder personenbezogene (z.B. krankheitsbedingte) Gründe gestützt (eine angedrohte verhaltensbedingte Kündigung wird nicht anerkannt).
- Der Aufhebungsvertrag beendet das Beschäftigungsverhältnis zu demselben Zeitpunkt, in dem es auch aufgrund der angedrohten Arbeitgeberkündigung geendet hätte (wird der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses für einige Wochen oder Monate von der Arbeit freigestellt, schadet das nicht, wenn er bis dahin seinen Lohn bekommt).
- Die angedrohte fristgemäße Kündigung des Arbeitgebers würde die Kündigungsfrist einhalten.
- Der Arbeitnehmer ist nicht ordentlich unkündbar.
Unter diesen fünf Voraussetzungen erkennen die Sozialgerichte und die Arbeitsagenturen einen wichtigen Grund für einen Aufhebungsvertrag an, wenn außerdem eine der folgenden weiteren Bedingungen erfüllt ist:
- ENTWEDER: Die vom Arbeitgeber angedrohte (aber nicht ausgesprochene) Kündigung wäre rechtmäßig bzw. wirksam und der Arbeitnehmer vermeidet durch den Aufhebungsvertrag Nachteile, die er im Falle der Kündigung erlitten hätte. Diese Nachteile können in einer Rufschädigung bei Führungskräften bestehen oder in dem Verlust einer (höheren) Abfindung (d.h. von mehr als 0,5 Gehältern pro Beschäftigungsjahr), zu der der Arbeitgeber nur im Falle eines Aufhebungsvertrags bereit war.
- ODER: Der Arbeitgeber zahlt gemäß Aufhebungsvertrag eine maßvolle Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern pro Jahr des Arbeitsverhältnisses, was der Regelabfindung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) entspricht (die früher von den Arbeitsagenturen verlangte Mindestabfindung von 0,25 Gehälter pro Beschäftigungsjahr ist nicht mehr maßgeblich). Bei einer solchen Abfindungshöhe kommt es auf die Rechtmäßigkeit der angedrohten Arbeitgeberkündigung nicht an.
Mit diesen Grundsätzen haben die Sozialgerichte und die Bundesagentur den Spielraum für sperrzeitlose Aufhebungsverträge in den letzten Jahren erheblich erweitert. Besonders wichtig ist die zuletzt genannte Vorgehensweise, bei der eine Abfindung von maximal 0,5 Gehältern pro Jahr vereinbart wird. Denn in einem solchen Fall muss der Arbeitnehmer die Arbeitsagentur nicht davon überzeugen, dass die vom Arbeitgeber angedrohte Kündigung rechtens gewesen wäre. Ein solcher Nachweis ist kompliziert und kann an vielen Punkten scheitern. Daher sollten sich Arbeitnehmer nur in seltenen (eindeutigen) Ausnahmefällen darauf verlassen, dass ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung von über 0,5 Gehältern pro Jahr keine Sperrzeit nach sich zieht.
Die weitere Voraussetzung, dass dem Arbeitnehmer bzw. Arbeitslosen das Abwarten der angedrohten (rechtmäßigen) Kündigung "nicht zuzumuten gewesen wäre", hat das Bundessozialgericht (BSG) schon vor langer Zeit zugunsten des Arbeitnehmers bzw. Arbeitslosen aufgegeben (Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 69/04 R, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 05/08 Keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag eines leitenden Angestellten, Urteil vom 12.07.2006, B 11a 47/05 R, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 06/10 Sperrzeit bei Aufhebungsverträgen).
TIPP: Als Arbeitnehmer können Sie für die Verhandlung eines Aufhebungsvertrags Ihre Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen, wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen einen Aufhebungsvertrag anbietet und dabei für die Fall der Nicht-Annahme eine Kündigung in Aussicht stellt. Denn dann liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ein Rechtsschutzfall vor.
Ein Rechtsschutzversicherungsfall tritt nicht erst dann ein, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung tatsächlich ausspricht. Nähere Informationen finden Sie unter Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Rechtsschutzversicherung.
Warum können Aufhebungsverträge auch dann zur Sperrzeit führen, wenn damit eine betriebs- oder personenbedingte Kündigung vermieden wird?
Als Arbeitgeber sollten Sie keinen Aufhebungsvertrag vorschlagen, ohne dass Sie einen "Plan B" haben, nämlich den Ausspruch einer Kündigung für den Fall, dass man sich nicht einig wird. Das kann eine betriebs- oder personenbedingte Kündigung (z.B. wegen häufiger Krankheiten) sein, aber auch eine verhaltensbedingte Kündigung. Über die Zulässigkeit bzw. "Darstellbarkeit" einer solchen Kündigung (als Plan B) sollten Sie als Arbeitgeber Bescheid wissen, wenn Sie mit einem Arbeitnehmer über einen Aufhebungsvertrag sprechen.
Als Arbeitnehmer wiederum sollten Sie daran denken, dass Sie den Aufhebungsvertrag bei der Arbeitsagentur vorlegen müssen, wenn Sie Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen wollen bzw. müssen. Daher sollte der Aufhebungsvertrag und/oder eine ergänzende Vereinbarung möglichst eindeutige und rechtlich "wasserdichte" Regelungen enthalten, die sicherstellen, dass Sie eine Sperrzeit nicht befürchten müssen.
Das bedeutet vor allem, dass im Aufhebungsvertrag nicht vereinbart sein sollte, dass mit ihm eine verhaltensbedingte Kündigung vermieden werden soll, denn dann ist für die Arbeitsagentur klar, dass Sie als Arbeitnehmer durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben haben (§ 159 Abs.1 Satz 1 und Satz 2 Nr.1 SGB III).
Aber auch dann, wenn im Aufhebungsvertrag festgelegt ist, dass mit ihm eine betriebs- oder personenbedingte Kündigung vermieden werden soll, ist eine Sperrzeit nicht sicher ausgeschlossen. Das ist zum einen der Fall, wenn die von der Arbeitsagentur akzeptierte "maßvolle" Abfindung von 0,5 Gehältern pro Beschäftigungsjahr überschritten wird. Aber auch dann, wenn diese Grenze eingehalten wird, muss eine Kündigung zumindest vom Arbeitgeber "mit Bestimmtheit" in Aussicht gestellt worden sein, was von der Arbeitsagentur überprüft wird und im ungünstigen Fall zu einem Sperrzeitbescheid führen kann.
Dagegen kann man zwar Widerspruch einlegen, doch nimmt das Zeit in Anspruch. Wenn die Arbeitsagentur bei der Sperrzeitentscheidung bleibt, ergeht ein Widerspruchsbescheid und man muss eine sozialgerichtliche Klage erheben. Das alles kostet zwar nicht allzu viel Geld, aber dafür Nerven und Zeit.
Wie können Sie das Risiko einer Sperrzeit durch aufhebungsvertragliche Regelungen gering halten?
Die Vermeidung einer Sperrzeit ist natürlich erst einmal aus Arbeitnehmersicht wichtig. Aber obwohl Arbeitgeber von einer Sperrzeit nicht direkt betroffen sind, sollte man mit ausscheidenden Arbeitnehmern gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, diese sozialrechtlichen Nachteile zu vermeiden.
Denn die - möglichen - Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld sind immer ein Thema bei der Ausgestaltung von Ausscheidensvereinbarungen mit Abfindungszahlungen, und diese Nachteile möchten ausscheidende Arbeitnehmer verständlicher Weise nicht tragen.
Im Wesentlichen kommen drei Möglichkeiten in Betracht, um sich gegen die o.g. Sperrzeitrisiken bei einem Aufhebungsvertrag abzusichern:
- Das Arbeitsverhältnis hat recht lange bestanden, zum Beispiel 20 Jahre oder länger, so dass man einen Aufhebungsvertrag mit einer Regelabfindung von nicht mehr als 0,5 Gehältern pro Beschäftigungsjahr vereinbart. Eine solche Abfindung ist aufgrund der langen Beschäftigung für den Arbeitnehmer attraktiv, auch wenn sie "nur" 0,5 Gehälter pro Jahr beträgt. In den Aufhebungsvertrag ist die Klarstellung aufzunehmen, dass er zur Vermeidung einer ansonsten unausweichlichen betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers abgeschlossen wurde. Außerdem müssen natürlich die arbeitgeberseitig zu beachtenden Kündigungsfristen eingehalten werden.
- Das Arbeitsverhältnis war von kurzer Dauer, so dass die Abfindung mehr als 0,5 Gehälter pro Beschäftigungsjahr beträgt. Eine Sperrzeit lässt sich durch den Ausspruch einer Kündigung und durch eine anschließende Kündigungsschutzklage mit einem gerichtlichen Abfindungsvergleich vermeiden. Dann spielt die Höhe der Abfindung keine Rolle.
- Man nimmt in den Aufhebungsvertrag eine Klausel auf, der zufolge sich der Arbeitgeber verpflichtet, die finanziellen Nachteile einer möglicherweise gegen den Arbeitnehmer verhängten Sperrzeit auszugleichen. In einer solchen Klausel sollte die Pflicht des Arbeitnehmers begrenzt werden, sich gegen einen möglichen Sperrzeitbescheid rechtlich zur Wehr zu setzen, indem z.B. geregelt ist, dass der Arbeitnehmer (nur) verpflichtet ist, Widerspruch gegen einen Sperrzeitbescheid einzulegen (d.h. es gibt keine Pflicht zur Erhebung einer sozialgerichtlichen Klage). Der vom Arbeitgeber bei einer Sperrzeit zu leistende Ausgleich sollte auf einen bestimmten Euro-Betrag festgelegt werden, z.B. auf eine zusätzliche Abfindung von 7.500,00 EUR.
Warum ist das Sperrzeitrisiko bei einem Aufhebungsvertrag für leitende Angestellte und Geschäftsführer geringer?
Wer als leitender Angestellter länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern tätig ist hat Kündigungsschutz nach dem KSchG und kann daher gegen eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers klagen.
Allerdings können Arbeitgeber dann die rechtliche Notbremse ziehen: Zeichnet sich ab, dass der Prozess verloren geht, können Arbeitgeber einen Antrag auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung stellen, und zwar ohne die sonst erforderliche sachliche Begründung (§ 14 Abs.2 Satz 2 KSchG in Verb. mit § 9 Abs.1 Satz 2 KSchG).
Im Ergebnis heißt das, dass leitende Angestellte ihr Arbeitsverhältnis nicht gegen den Willen des Arbeitgebers retten können. Deshalb fragt sich, ob eine Sperrzeit angemessen ist, wenn ein leitender Angestellter sein Arbeitsverhältnis per Aufhebungsvertrag beendet.
Diese Frage hat das BSG mit nein beantwortet: Ein leitender Angestellter kann einen Aufhebungsvertrag mit Abfindungsregelung abschließen, ohne eine Sperrzeit befürchten zu müssen, wenn ihm anderenfalls eine ordentliche Arbeitgeberkündigung aus nicht verhaltensbedingten Gründen zum gleichen Zeitpunkt droht (BSG, Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 69/04 R, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 05/08 Keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag eines leitenden Angestellten).
Denn auch dann, wenn eine solche Kündigung gegen § 1 KSchG verstoßen würde und daher rechtswidrig wäre, kann der gekündigte Angestellte den Verlust der Beschäftigung infolge eines Auflösungsantrags nicht verhindern.
ACHTUNG: Viele Führungskräfte werden im Betrieb als leitende Angestellte bezeichnet, sind aber keine leitenden Angestellten im Rechtssinne. Dann tragen sie bei Aufhebungsverträgen dieselben Sperrzeitrisiken wie andere Arbeitnehmer auch.
Was für leitende Angestellte gilt, gilt auch für angestellte Geschäftsführer einer GmbH, die auf der Grundlage eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sind und daher in der Arbeitslosenversicherung versichert sind. Sie haben im Unterschied zu leitenden Angestellten von vornherein keinen Kündigungsschutz und können daher ihr Anstellungsverhältnis per Aufhebungsvertrag beenden, ohne eine Sperrzeit befürchten zu müssen (vorausgesetzt, der Aufhebungsvertrag führt nicht zu einer früheren Beendigung des Anstellungsverhältnisses als eine ordentliche Kündigung durch die Gesellschaft).
Wo finden Sie mehr zum Thema Aufhebungsvertrag und Sperrzeit?
Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Aufhebungsvertrag und Sperrzeit interessieren könnten, finden Sie hier:
- Bundesagentur für Arbeit: Fachliche Weisungen Arbeitslosengeld, Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III, § 159 SGB III, Ruhen bei Sperrzeit (Stand Dezember 2021)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Arbeitslosengeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Abwicklungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitslosengeld I
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Anfechtung, Widerruf
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Rechtsschutzversicherung
- Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsverhältnis
- Handbuch Arbeitsrecht: Gebot fairen Verhandelns
- Handbuch Arbeitsrecht: Geschäftsführer (GmbH)
- Handbuch Arbeitsrecht: Leitender Angestellter
- Handbuch Arbeitsrecht: Sperrzeit, Sperrfrist
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Übersicht Handbuch Arbeitsrecht
Checklisten und Musterschreiben, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Aufhebungsvertrag und Sperrzeit interessieren könnten, finden Sie hier:
- Musterschreiben: Mustervertrag Aufhebungsvertrag
- Musterschreiben: Mustervertrag Aufhebungsvertrag Geschäftsführer
- Musterschreiben: Mustervertrag Aufhebungsvertrag nach Kündigung (Abwicklungsvertrag)
- Tipps und Tricks: Was tun bei Kündigung?
- Tipps und Tricks: Aufhebungsvertrag - Checkliste
Beiträge unseres Anwaltsteams zu aktuellen Gerichtsentscheidungen im Zusammenhang mit dem Thema Aufhebungsvertrag und Sperrzeit finden Sie hier:
- Update Arbeitsrecht 21/2022 Hessisches LAG: Grober Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten durch Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats
- Arbeitsrecht aktuell: 18/229 Freistellung und Arbeitslosengeld
- Arbeitsrecht aktuell: 18/099 LAG Hannover: Kein Widerrufsrecht für Arbeitnehmer aus § 312g BGB
- Arbeitsrecht aktuell: 14/165 Aufhebungsvertrag, Sperrzeit und wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe
- Arbeitsrecht aktuell: 11/214 Sperrzeit nach Aufhebungsvertrag wie nach verhaltensbedingter Kündigung: Bei Pflichtverletzungen droht immer eine Sperrzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 10/253 Rechtsschutzversicherung muss im Zustimmungsverfahren den Rechtsanwalt eines schwerbehinderten Arbeitnehmers bezahlen.
- Arbeitsrecht aktuell: 07/73 Keine Sperrzeit bei Aufhebungsverträgen mit „maßvoller“ Abfindung
- Arbeitsrecht aktuell: 06/10 Sperrzeit bei Aufhebungsverträgen
- Arbeitsrecht aktuell: 05/08 Keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag eines leitenden Angestellten
- Arbeitsrecht aktuell: 03/08 Abwicklungsverträge führen zu Sperrzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 02/03 Aufhebungsvertrag und Sperrzeit
Letzte Überarbeitung: 21. Oktober 2022
Was können wir für Sie tun?
Wenn Sie als Arbeitgeber, Geschäftsführer oder Arbeitnehmer vor der Entscheidung stehen, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, oder wenn Ihnen bereits ein konkretes Angebot vorliegt, das Sie anwaltlich überprüfen lassen wollen, beraten wir Sie jederzeit gerne, insbesondere im Hinblick auf mögliche Sperrzeitfolgen. Sollte Ihnen bereits ein konkreter Vertragsentwurf vorliegen, z.B. unter Verweis auf einen Sozialplan, bewerten wir ein solches Angebot kurzfristig unter Berücksichtigung rechtlicher und wirtschaftlicher Aspekte und unterstützen Sie bei der rechtssicheren Gestaltung des Aufhebungsvertrags bis zur Unterschriftenreife. Je nach Lage des Falles bzw. entsprechend Ihren Wünschen treten wir entweder nach außen nicht in Erscheinung oder aber wir verhandeln in Ihrem Namen mit der Gegenseite. Für eine möglichst rasche und effektive Beratung benötigen wir folgende Unterlagen:
Eine Bitte an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Falls Sie während der Gespräche über einen Aufhebungsvertrag eine Kündigung erhalten haben sollten, beachten Sie bitte die Dreiwochenfrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Sie beginnt mit Erhalt eines Kündigungsschreibens. Bitte nehmen Sie vor Ablauf dieser Frist Kontakt zu uns auf, wenn wir Sie rechtlich unterstützen sollen. |
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
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