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Sperrzeit bei Aufhebungsverträgen
15.08.2006. Nach der bisherigen Praxis der Arbeitsverwaltung und der Sozialgerichte musste man im Allgemeinen mit einer Sperrzeit rechnen, wenn man einen Aufhebungsvertrag vereinbarte, und zwar auch wenn der Arbeitgeber eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung in Aussicht gestellt hatte, die aufgrund des Aufhebungsvertrags überflüssig wurde.
Denn die Arbeitsverwaltung und die Sozialgerichte verlangten zusätzlich vom Arbeitnehmer den Nachweis, dass das Abwarten der (rechtmäßigen!) Kündigung für ihn "unzumutbar" gewesen wäre.
Das konnten Arbeitnehmer aber nur selten nachweisen, so z.B. dann, wenn ihnen eine Kündigung berufliche Nachteile gebracht hätte, wie es bei leitenden Angestellten oder Managern der Fall sein mag.
Diese Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht (BSG) vor gut einem Monat mit einer Grundsatzentscheidung aufgegeben: BSG, Urteil vom 12.07.2006, B 11a AL 47/05 R.
- Sperrzeit bei drohender rechtmäßiger betriebsbedingter Kündigung nur dann nicht, wenn ein Abwarten der Kündigung unzumutbar wäre?
- Der Streitfall: Arbeitgeber droht eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung an, die der Arbeitnehmer durch einen Aufhebungsvertrag vermeidet
- Bundessozialgericht: Droht der Arbeitgeber eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung an, führt ein Aufhebungsvertrag mit Abfindungsregelung im Allgemeinen nicht zur Sperrzeit
- Riskiert man künftig keine Sperrzeit mehr bei Aufhebungsverträgen?
Sperrzeit bei drohender rechtmäßiger betriebsbedingter Kündigung nur dann nicht, wenn ein Abwarten der Kündigung unzumutbar wäre?
Nach der lange Jahre "geltenden" Rechtsprechung des Bundessozialgerichts konnte sich ein Arbeitnehmer, der sein Beschäftigungsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag löste, auf einen wichtigen Grund (nur dann) berufen,
- wenn ihm der Arbeitgeber mit einer objektiv rechtmäßigen Kündigung drohte und
- wenn ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten war.
In der Praxis verlangte die Arbeitsverwaltung daher vom Arbeitslosen nicht nur den Nachweis einer bei Verzicht auf den Aufhebungsvertrag drohenden rechtmäßigen Arbeitgeberkündigung, sondern außerdem auch den Nachweis konkreter außergewöhnlicher Gründe dafür, daß das Abwarten einer (zunächst einmal ja nur "drohenden") Arbeitgeberkündigung die Arbeitsmarktaussichten des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigen würde (wie es zum Beispiel bei leitenden Angestellten oft der Fall ist).
Da ein solcher Nachweis schwer zu führen ist, hatte ein Aufhebungsvertrag praktisch immer die Verhängung einer Sperrzeit durch die Agenturen für Arbeit zur Folge.
Von dieser Rechtsprechung ist das BSG bereits mit seinem Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 69/04 R deutlich abgerückt (wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 05/08 Keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag eines leitenden Angestellten). Dieses Urteil wurde nunmehr durch das Urteil vom 12.07.2006, B 11a AL 47/05 R, bestätigt.
Der Streitfall: Arbeitgeber droht eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung an, die der Arbeitnehmer durch einen Aufhebungsvertrag vermeidet
Dem Urteil des Bundessozialgerichts lag folgender Fall zugrunde:
Der klagende Arbeitnehmer vereinbarte im Jahre 2003 im Alter von 61 Jahren und nach einer über siebenjährigen Betriebszugehörigkeit mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, wurde daraufhin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Der Aufhebungsvertrag enthielt eine Abfindungsregelung und sah ein Beendigungsdatum vor, das die vom Arbeitgeber im Falle einer Kündigung zu beachtenden Kündigungsfrist einhielt.
Die Arbeitsagentur verhängte daraufhin eine Sperrzeit unter Verweis auf § 144 Abs.1 Satz 2 Nr.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) (heute: § 159 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB III). Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Klage, d.h. er wollte Arbeitslosengeld auch für die Dauer der Sperrzeit bzw. eine gerichtliche Aufhebung der Sperrzeit.
Da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen erfolgte und es ohne den Abschluß des Aufhebungsvertrags zu einer rechtmäßigen (!) Kündigung gegenüber dem Kläger zum gleichen Zeitpunkt gekommen wäre, gaben Sozialgericht und Landessozialgericht der Klage statt. Sozial- und Landessozialgericht haben dabei maßgeblich auf die Zeugenaussage der Personalleiterin des ehemaligen Arbeitgebers abgestellt, wonach der Arbeitsplatz des Klägers auf Grund einer Neustrukturierung des Arbeitsprozesses weggefallen war und anderweitige Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen nicht bestanden.
Daher bestand zwar nach den Feststellungen von Sozial- und Landessozialgericht im Prinzip Kündigungsschutz, doch wäre dieser durch Vorliegen der Gründe für eine berechtigte Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ausgehebelt worden, falls der Arbeitgeber - statt des Aufhebungsvertrags - eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hätte.
Bundessozialgericht: Droht der Arbeitgeber eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung an, führt ein Aufhebungsvertrag mit Abfindungsregelung im Allgemeinen nicht zur Sperrzeit
Das BSG hat sich der Meinung des Sozial- und des Landessozialgerichts angeschlossen und dem Kläger recht gegeben.
Dabei stellt das Bundessozialgericht im Ausgangspunkt klar, daß es unter dem Aspekt des Zwecks der Sperrzeit und des durch das Grundgesetz vorgeschriebenen Übermaßverbotes rechtlich unzulässig wäre, "das Eigeninteresse des Versicherten an einer für ihn günstigen Gestaltung der Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unberücksichtigt zu lassen, wenn ein Interesse der Versichertengemeinschaft an einem Abwarten der Kündigung nicht ersichtlich ist".
Unter Verweis auf sein Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 69/04 R, heißt es hier weiter, daß bei einer drohenden rechtmäßigen Arbeitgeberkündigung im Regelfall ein wichtiger Grund für den Abschluß eines Aufhebungsvertrags vorliegt, ohne daß es auf weitere, vom Arbeitnehmer darzulegende Umstände ankommt.
Ein zusätzlicher Nachweis des Arbeitslosen, daß er ein besonderes Interesse an der Auflösungsvereinbarung hat, also drohende berufliche Nachteile vermeiden möchte, ist in Abweichung von der bisherigen Rechtspraxis regelmäßig nicht erforderlich, so das BSG.
Fazit: Wer mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag mit Abfindungsregelung vereinbart und anschließend Arbeitslosengeld beantragt, muß künftig mit einer Sperrzeit nicht mehr rechnen,
- wenn er gegenüber der Arbeitsagentur (und bei endgültiger Leistungsverweigerung gegenüber dem Sozialgericht) den Nachweis führen kann, daß der Arbeitgeber, wäre es nicht zum Aufhebungsvertrag gekommen, eine rechtmäßige Kündigung aus betrieblichen Gründen ausgesprochen hätte,
- und wenn die das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der für den Arbeitgeber geltenden regulären Kündigungsfrist zum selben Zeitpunkt beendet hätte.
Darüber hinaus stellt das Bundessozialgericht eine noch weitergehende künftige Änderung seiner Rechtsprechung in Aussicht, und zwar für die seit dem 01.01.2004 abgeschlossenen Aufhebungsverträge. Hierzu heißt es im Leitsatz 2.) der Entscheidung:
"Der Senat erwägt, für Streitfälle ab dem 1.1.2004 unter Heranziehung der Grundsätze des § 1a KSchG auf eine ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arbeitgeberkündigung zu verzichten, wenn die Abfindungshöhe die in § 1a Abs.2 KSchG vorgesehene Grenze nicht überschreitet."
Sollte das Bundessozialgericht diese Ankündigung wahr machen, könnte man ab dem 01.01.2004 bei drohender arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen immer (!) einen Aufhebungsvertrag mit Abfindungsregelung vereinbaren, d.h. es käme noch nicht einmal mehr auf die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung an, sondern nur noch darauf, daß eine (vielleicht rechtswidrige bzw. unwirksame) Arbeitgeberkündigung konkret in Aussicht stand.
Allerdings muß sich die Abfindungsregelung dann in den Grenzen des § 1a KSchG halten, d.h. sie darf nicht höher als ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr betragen.
Riskiert man künftig keine Sperrzeit mehr bei Aufhebungsverträgen?
Das Urteil des Bundessozialgerichts bedeutet ebensowenig sein Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 69/04 R, daß man künftig "einfach so" Aufhebungsverträge abschließen könnte, ohne eine Sperrzeit zu riskieren. Beim Abschluß eines Aufhebungsvertrags ist daher nach wie vor Vorsicht geboten, da eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe droht.
Erstens sind die oben genannten Einschränkungen zu beachten: Es ist der Nachweis zu führen, dass der Arbeitgeber, wäre es nicht zum Aufhebungsvertrag gekommen, eine rechtmäßige Kündigung aus betrieblichen Gründen ausgesprochen hätte, die das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der vom Arbeitgeber zu beachtenden regulären Kündigungsfrist nicht zu einem späteren Zeitpunkt beendet hätte.
Zweitens ist der Weg vom Bundessozialgericht bis zu der örtlich zuständigen Arbeitsagentur (und auch zu dem örtlich zuständigen Sozialgericht!) weit, d.h. es ist nicht auszuschließen, daß Arbeitsagenturen und Sozialgerichte auch weiterhin im Falle eines Aufhebungsvertrags mit Abfindungsregelung, der einer mutmaßlich rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung zuvorkommt, die Frage prüfen, ob ein Verzicht auf den Aufhebungsvertrag bzw. das Abwarten der Kündigung für den Arbeitnehmer "zumutbar" gewesen wäre.
Will man daher unter Berufung auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Falle einer drohenden (rechtmäßigen) betriebsbedingten Kündigung einen Aufhebungsvertrag abschließen, muß man sich auf mühselige Beweisführungen vor der Arbeitsagentur und unter Umständen auch vor dem Sozialgericht einstellen. Konkret heißt das: Man muß möglicherweise jahrelang um seinen Arbeitslosengeldanspruch kämpfen, obwohl man im Recht ist.
Auch für Arbeitgeber besteht Grund zur Vorsicht: Ein Aufhebungsvertrag, der auf den ersten Blick "unbürokratisch" erscheint, kann später mit erheblichem zeitlichem und bürokratischem Mehraufwand verbunden sein, wenn man lange schriftliche Darlegungen gegenüber der Arbeitsagentur machen muß oder gar als Zeuge in einem sozialgerichtlichen Klageverfahren geladen wird.
Der sicherste Weg zur Vermeidung einer Sperrzeit ist daher in vielen Fällen nach wie vor das Abwarten einer vom Arbeitgeber geplanten Kündigung mit anschließender Kündigungsschutzklage, die dann im Wege des Prozeßvergleichs gegen Abfindungszahlung erledigt wird.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundessozialgericht, Urteil vom 12.07.2006, B 11a AL 47/05 R
- Bundessozialgericht, Urteil vom 17.11.2005, B 11a/11 AL 69/04 R
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitslosengeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Sperrzeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Sperrzeit, Sperrfrist
- Arbeitsrecht aktuell: 05/08 Keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag eines leitenden Angestellten
Letzte Überarbeitung: 1. März 2015
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