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Abfindung und Arbeitslosengeld
Lesen Sie hier, welche Auswirkungen Abfindungen auf das Arbeitslosengeld haben und wann Ihnen eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe droht.
Im Einzelnen finden Sie Hinweise zu der Frage, warum ein Abwicklungsvertrag im Allgemeinen zur Sperrzeit führt, unter welchen Umständen Sie durch einen gerichtlichen Abfindungsvergleich eine Sperrzeit vermeiden können und wann eine Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet wird.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Welche Auswirkungen haben Abfindungen auf das Arbeitslosengeld?
- Wann droht eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe?
- Wann führt ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung ausnahmsweise nicht zu einer Sperrzeit?
- Verhindert ein gerichtlicher Abfindungsvergleich eine Sperrzeit?
- Kann man durch einen Abwicklungsvertrag eine Sperrzeit verhindern?
- Welche Folgen hat eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe?
- Wann wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet?
- Welche Rolle spielen Alter und Dauer der Beschäftigung für die Anrechnung?
- Worauf sollten Arbeitnehmer bei Abfindungsvereinbarungen achten, um eine Sperrzeit und eine Anrechnung der Abfindung zu vermeiden?
- Worauf sollten Arbeitgeber bei Abfindungsvereinbarungen achten, um eine Sperrzeit und eine Anrechnung der Abfindung zu vermeiden?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Abfindung und Arbeitslosengeld?
- Was können wir für Sie tun?
Welche Auswirkungen haben Abfindungen auf das Arbeitslosengeld?
Wer als Arbeitnehmer wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhält, hat dadurch möglicherweise Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld. Hier muss man zwei Fragen auseinanderhalten:
Erstens: Unter welchen Umständen droht eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe?
Zweitens: Unter welchen Umständen und in welcher Weise wird eine Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet (unabhängig von der Frage einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe)?
Wann droht eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe?
Die Antwort auf die Frage, wann eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe droht, ergibt sich aus § 159 Abs.1 Satz 1 Nr.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Danach tritt eine Sperrzeit von in der Regel zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitnehmer bzw. der Arbeitslose
- das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat (oder durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber gegeben hat) und
- dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat,
- ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.
Beispiele für eine solche Arbeitsaufgabe sind
- die Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer (= Lösung des Beschäftigungsverhältnisses),
- der Aufhebungsvertrag (= Lösung des Beschäftigungsverhältnisses) und
- die berechtigte außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen (= arbeitsvertragswidriges Verhalten, das Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber gibt).
BEISPIEL: Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließen einen Aufhebungsvertrag ab, d.h. sie vereinbaren per Vertrag, dass ihr Arbeitsverhältnis beendet werden soll, und zwar ohne eine vorausgegangene Kündigung des Arbeitgebers. In dem Aufhebungsvertrag wird keine Abfindung vereinbart.
In diesem Beispielsfall verhängt die Agentur für Arbeit im Allgemeinen eine Sperrzeit. Dabei kommt es weder auf die Abfindung oder noch auf deren Höhe an. Entscheidend ist allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer selbst die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses und damit die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Denn ohne sein OK zum Aufhebungsvertrag wäre dieser nicht zustande gekommen.
Wann führt ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung ausnahmsweise nicht zu einer Sperrzeit?
Nach dem derzeitigen Stand der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und der daran orientierten Entscheidungspraxis der Arbeitsagenturen führt ein Aufhebungsvertrag mit einer maßvollen Abfindung ausnahmsweise nicht zu einer Sperrzeit, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind.
Sie ergeben sich aus den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur zum Thema Arbeitslosengeld § 159 SGB III - Ruhen bei Sperrzeit (Stand Dezember 2021), mit denen die Bundesagentur die Entscheidungen der Arbeitsagenturen am Gesetz und an der Rechtsprechung ausrichten und vereinheitlichen möchte (Fachliche Weisungen Arbeitslosengeld § 159 SGB III, Stand Dezember 2021, Punkt 159.1.2.1.1, S.16):
- Der Arbeitgeber hat eine fristgemäße Kündigung "mit Bestimmtheit" in Aussicht gestellt, an deren Stelle aber ein Aufhebungsvertrag vereinbart wird, d.h. der Aufhebungsvertrag vermeidet die Kündigung, die der Arbeitgeber andernfalls ausgesprochen hätte.
- Die angedrohte fristgemäße Kündigung des Arbeitgebers würde auf betriebliche oder personenbezogene (z.B. krankheitsbedingte) Gründe gestützt (eine angedrohte verhaltensbedingte Kündigung wird nicht anerkannt).
- Der Aufhebungsvertrag beendet das Beschäftigungsverhältnis zu demselben Zeitpunkt, in dem es auch aufgrund der angedrohten Arbeitgeberkündigung geendet hätte (bei einer einvernehmlichen Freistellung ist das Ende des Arbeitsverhältnisses maßgebend, wenn bis dahin Arbeitsentgelt gezahlt wird).
- Die angedrohte fristgemäße Kündigung des Arbeitgebers würde die ordentliche Kündigungsfrist beachten, deren Einhaltung der Arbeitnehmer verlangen kann.
- Der Arbeitnehmer ist nicht ordentlich unkündbar.
- Der Arbeitgeber zahlt gemäß Aufhebungsvertrag eine maßvolle Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern pro Jahr der Beschäftigung, was der Regelabfindung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) entspricht (die früher von den Arbeitsagenturen verlangte Mindestabfindung von 0,25 Gehälter pro Beschäftigungsjahr ist nicht mehr maßgeblich).
Unter diesen fünf Voraussetzungen prüfen die Sozialgerichte und die Arbeitsagenturen nicht, ob die vom Arbeitgeber angedrohte Kündigung rechtmäßig gewesen wäre oder nicht. Eine Sperrzeit wird nicht verhängt, da der Arbeitslose einen wichtigen Grund für die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses hatte.
Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter Aufhebungsvertrag und Sperrzeit.
Verhindert ein gerichtlicher Abfindungsvergleich eine Sperrzeit?
In der Regel ja, aber nicht in jedem Fall.
Eine Sperrzeit kann auch dann verhängt werden, wenn der Arbeitnehmer gegen eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers zunächst Kündigungsschutzklage erhebt und den Prozess durch einen Abfindungsvergleich beendet, in dem es heißt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer verhaltensbedingten Kündigung endet.
In einem solchen Fall geht die Agentur für Arbeit davon aus, dass der Arbeitnehmer durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat.
Keine Sperrzeit verhängt die Agentur für Arbeit dagegen, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt und die Parteien den Prozess durch einen gerichtlichen Vergleich beenden, in dem es heißt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen endet.
HINWEIS: Praktisch gesehen führt eine Kündigungsschutzklage mit anschließendem gerichtlichen Vergleich so gut wie nie zu einer Sperrzeit. Dabei kommt es auf die Vereinbarung einer Abfindung nicht an, d.h. es spielt keine Rolle, ob überhaupt eine Abfindung vereinbart wird und - falls ja - wie hoch sie ist. Wichtig ist allein, dass die vom Arbeitgeber zu beachtende Kündigungsfrist eingehalten wird und dass der Arbeitgeber, nachdem der Fall vor dem Arbeitsgericht rechtlich diskutiert wurde, nicht auf einer Formulierung im Vergleich besteht, der zufolge das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt wurde.
Da verhaltensbedingte Kündigungen rechtlich oft nicht haltbar sind und daher vor Gericht oft scheitern, sollte man als Arbeitgeber von einer solchen Begründung der Kündigung abrücken, wenn man sich schlussendlich gütlich durch einen Vergleich einigt.
Denn zum einen ist eine gütliche Einigung mit dem Arbeitnehmer andernfalls nicht zu erlangen. Und zum anderen sprechen auch rechtliche Gründe für eine solche Klarstellung. Denn in praktisch jedem Kündigungsschutzverfahren, das über eine verhaltensbedingte Kündigung geführt wird, gibt es zumindest einige rechtliche Gründe, die für die Rechtsposition des klagenden Arbeitnehmers sprechen.
Einigen sich die Parteien im Kündigungsschutzverfahren in einer solchen Weise, ist eine Sperrzeit infolge eines Abfindungsvergleichs praktisch ausgeschlossen.
Denn die Sozialgerichte und die Bundesagentur gehen in diesem Fall davon aus, dass der Arbeitnehmer mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage bereits mehr für die Rettung seines Beschäftigungsverhältnisses getan hat als die Versichertengemeinschaft von ihm erwarten kann. Daher kann niemand verlangen, dass der klagende Arbeitnehmer einen solchen Prozess weiter fortführt, und aus diesem Grund kann er ihn jederzeit und praktisch ohne Sperrzeitrisiko durch Vergleich beenden (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.2007, B 11a AL 51/06 R, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 07/81 BSG: Keine Sperrzeit nach Kündigung und Abfindungsvergleich).
Dementsprechend wird in den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur zum Thema Sperrzeit ausdrücklich anerkannt, dass ein arbeitsgerichtlicher Vergleich ohne vorausgegangenes versicherungswidriges Verhalten nicht sperrzeitrelevant ist (Fachliche Weisungen Arbeitslosengeld § 159 SGB III, Stand Dezember 2021, Punkt 159.1.1.1, S.9).
Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter Aufhebungsvertrag und Sperrzeit.
Kann man durch einen Abwicklungsvertrag eine Sperrzeit verhindern?
Ein Abwicklungsvertrag ist eine Vereinbarung, mit der der Arbeitnehmer eine Kündigung, die der Arbeitgeber zuvor ohne Zutun des Arbeitnehmers ausgesprochen hat, akzeptiert, d.h. als rechtmäßig bzw. als wirksam hinnimmt. Als Gegenleistung für dieses nachträgliche OK des Arbeitnehmers zur Kündigung wird zumeist eine Abfindung vereinbart.
Anders als bei einem Aufhebungsvertrag beruht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hier in erster Linie auf dem Handeln des Arbeitgebers, d.h. auf seiner Kündigung, und nicht so sehr auf dem Handeln des Arbeitnehmers, der sich mit dem Abwicklungsvertrag ja nur in sein Schicksal fügt, d.h. die zuvor ohne sein Zutun ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers letztlich hinnimmt.
Trotz dieser Unterschiede zwischen Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen besteht keine sichere Möglichkeit, durch einen Abwicklungsvertrag (als Alternative zum Aufhebungsvertrag) den Eintritt einer Sperrzeit zu verhindern. Denn nach der bereits seit Jahren feststehenden und in diesem Punkt bislang nicht geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stellt der Abschluss eines Abwicklungsvertrags eine aktive Mitwirkung des gekündigten Arbeitnehmers am Eintritt seiner Beschäftigungslosigkeit dar (BSG, Urteil vom 18.12.2003, B 11 AL 35/03R, BSG, Urteil vom 17.10.2007, B 11a AL 51/06 R, S.8 f., wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 07/81 BSG: Keine Sperrzeit nach Kündigung und Abfindungsvergleich).
Dementsprechend gelten für Abwicklungsverträge im Prinzip dieselben rechtlichen Sperrzeit-Regeln wie für Aufhebungsverträge. Abwicklungsverträge sind sog. "Beteiligungssachverhalte" und stehen Aufhebungsverträgen im Prinzip gleich. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Arbeitsagentur bei Abwicklungsverträgen davon ausgeht, dass sie "in eine Gesamtabsprache eingebunden sind" und daher "verdeckte Aufhebungsverträge" darstellen. Solche Abwicklungsverträge sind wie Aufhebungsverträge zu bewerten (Fachliche Weisungen Arbeitslosengeld § 159 SGB III, Stand Dezember 2021, Punkt 159.1.2.1.2, S.16).
Nähere Informationen finden Sie unter Abwicklungsvertrag und Aufhebungsvertrag und Sperrzeit.
Welche Folgen hat eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe?
Während der Sperrzeit erhält man zunächst einmal kein Arbeitslosengeld, da der Anspruch gemäß § 159 Abs.1 Satz 1 SGB III "ruht". Die Sperrzeit dauert im Normalfall zwölf Wochen (§ 159 Abs.3 Satz 1 SGB III).
Darüber hinaus führt die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe aber auch zum endgültigen Wegfall, d.h. zu einer Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs für die Dauer der Sperrzeit (§ 148 Abs.1 Nr.4 SGB III).
BEISPIEL: Wer an sich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 48 Wochen hat, bekommt bei einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nicht etwa bloß zwölf Wochen später seine vollen 48 Wochen Arbeitslosengeld. Vielmehr erhält er im Anschluss an die zwölfwöchige Sperrzeit nur noch für (48 - 12 =) 36 Wochen Arbeitslosengeld. Im Ergebnis ist der gesamte Anspruch auf Arbeitslosengeld um zwölf Wochen gemindert.
Achtung: Die Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs beträgt in den Fällen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nicht in allen Fällen lediglich zwölf Wochen, sondern "ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen... zusteht" (§ 148 Abs.1 Nr.4 SGB III). Wer also als älterer Versicherter einen Arbeitslosengeldanspruch für die Anspruchsdauer von 18 oder 24 Monaten hat, muss als Folge eines Aufhebungsvertrags mit einer Minderung seines Arbeitslosengeldanspruchs um satte 4,5 bzw. sechs Monate rechnen.
In besonderen Fällen kann die Sperrzeit aber auch kürzer sein als zwölf Wochen (§ 159 Abs.3 Satz 2 SGB III).
Nähere Informationen finden Sie unter Abwicklungsvertrag, Aufhebungsvertrag und Sperrzeit und unter Sperrzeit, Sperrfrist.
Wann wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet?
Wer als Arbeitnehmer die Gefahr einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe umgangen hat (s. oben), muss sich mit einem weiteren Problem befassen. Es fragt sich nämlich, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet wird. Das Gesetz spricht hier von einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.
BEISPIEL: Der Arbeitgeber hat aus Gründen, die nichts mit dem Verhalten des Arbeitnehmers zu tun haben, ordentlich gekündigt, also zum Beispiel aus betriebsbedingten Gründen oder wegen einer Krankheit des Arbeitnehmers. Später hat man sich dann vor dem Arbeitsgericht im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung geeinigt und dadurch den Prozess einvernehmlich beendet. Dabei hat man die vom Arbeitgeber zu beachtenden Kündigungsfristen einvernehmlich verkürzt.
Unter solchen Umständen kann es passieren, dass die Abfindung teilweise auf das Arbeitslosengeld angerechnet wird. Ob und wie das geschieht, ist in § 158 SGB III geregelt. Das Grundprinzip dieser Regelung lautet:
Werden Kündigungsfristen gegen Zahlung einer Abfindung "verkauft", ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der verkauften Kündigungsfristen.
Umgekehrt heißt das: Wird das Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung nicht früher beendet, als es bei einer ordentlichen Arbeitgeber-Kündigung enden würde, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht.
Außerdem führt die in § 158 SGB III geregelte Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld nur dazu, dass der Anspruch "ruht", d.h. der Beginn der Zahlung des Arbeitslosengeldes wird zeitlich hinausgeschoben. Der Anspruch auf das volle Arbeitslosengeld bleibt also anders als bei einer Sperrzeit im Prinzip erhalten, doch wird das Arbeitslosengeld "zeitversetzt" ausgezahlt.
Faktisch führt dieses Ruhen aber trotzdem oft zum endgültigen Entzug des Anspruchs, nämlich dann, wenn der Arbeitslose nicht lange genug arbeitslos ist, um seinen gesamten Arbeitslosengeldanspruch auszuschöpfen.
BEISPIEL: Der Arbeitnehmer ist arbeitslos und hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für 180 Tage. Er hat eine Abfindung erhalten und sich im Gegenzug damit einverstanden erklärt, dass das Arbeitsverhältnis 30 Tage früher endet, als es bei Einhaltung der vom Arbeitgeber zu beachtenden Kündigungsfrist frühestens geendet hätte. Dementsprechend ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld im Prinzip 30 Tage. Wenn der Arbeitnehmer jetzt weniger als (180 + 30 =) 210 Tage arbeitslos ist, erhält er nicht nur später sein (volles) Arbeitslosengeld, sondern auch im Ergebnis weniger.
Welche Rolle spielen Alter und Dauer der Beschäftigung für die Anrechnung?
§ 158 SGB III enthält verschiedene Methoden, mit denen die Entlassungsentschädigung auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden kann. Aus § 158 Abs.2 SGB III ergibt sich, dass dabei diejenige Berechnungsmethode anzuwenden ist, die für den Arbeitnehmer am günstigsten ist. Anders gesagt: Das in § 158 Abs.1 Satz 1 SGB III enthaltene Grundprinzip wird nur dann angewandt, wenn sich aus anderen Sätzen dieses Paragraphen nicht eine für den Arbeitnehmer günstigere Art der Anrechnung ergibt.
Praktisch besonders wichtig ist hier die 60-Prozent-Grenze in § 158 Abs.2 Satz 2 Nr.1 SGB III. Danach werden im Ergebnis höchstens 60 Prozent der Abfindung mit dem Arbeitslosengeld verrechnet. Außerdem verschiebt sich diese Grenze gemäß Satz 3 je nach Alter und Betriebszugehörigkeit noch weiter nach unten, d.h. je älter man ist und je länger man bei seinem Arbeitgeber tätig war, desto geringer ist der Teil der Abfindung, der angerechnet werden kann (und desto kürzer ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld).
Wie weit sich dieser Prozentsatz nach unten verschiebt, ergibt sich aus der folgenden Tabelle
Betriebs- / Unternehmensangehörigkeit |
Lebensalter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses | ||||||||
unter 40 |
ab 40 |
ab 45 |
ab 50 |
ab 55 |
ab 60 | ||||
weniger als 5 Jahre |
60 % |
55 % |
50 % |
45 % |
40 % |
35 % | |||
5 und mehr Jahre |
55 % |
50 % |
45 % |
40 % |
35 % |
30 % | |||
10 und mehr Jahre |
50 % |
45 % |
40 % |
35 % |
30 % |
25 % | |||
15 und mehr Jahre |
45 % |
40 % |
35 % |
30 % |
25 % |
25 % | |||
20 und mehr Jahre |
40 % |
35 % |
30 % |
25 % |
25 % |
25 % | |||
25 und mehr Jahre |
35 % |
30 % |
25 % |
25 % |
25 % |
25 % | |||
30 und mehr Jahre |
30 % |
25 % |
25 % |
25 % |
25 % |
25 % | |||
35 und mehr Jahre |
25 % |
25 % |
25 % |
25 % |
25 % |
25 % |
BEISPIEL: Der Arbeitnehmer ist 57 Jahre alt und seit 18 Jahren bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Sein Arbeitsentgelt betrug zuletzt 50 EUR (brutto) pro Kalendertag. Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 13.000 EUR erhalten und sich im Gegenzug damit einverstanden erklärt, dass das Arbeitsverhältnis 90 Tage früher endet, als es geendet hätte, wenn der Arbeitgeber die Kündigungsfrist beachtet hätte.
Eigentlich müsste der Arbeitslosengeldanspruch gemäß § 158 Abs.1 Satz 1 SGB III für die gesamte Zeit der "abgekauften Kündigungsfrist" ruhen, in diesem Fall also für volle 90 Tage. Aus der Begrenzung der Anrechnung entsprechend der obigen Tabelle ergibt sich aber eine für den Arbeitnehmer günstigere Art der Anrechnung:
Der maßgebliche Prozentsatz für die Anrechnung der Abfindung beträgt hier nämlich entsprechend der obigen Tabelle nur 25 Prozent, d.h. dem Arbeitnehmer verbleibt hier aufgrund seines Lebensalters und der Beschäftigungsdauer das gesetzliche Maximum seiner Abfindung von 75 Prozent. Auf das Arbeitslosengeld anzurechnen sind daher lediglich 25 Prozent von 13.000 EUR, d.h. 3.250,00 EUR.
Im nächsten Schritt muss jetzt berechnet werden, wie lange der Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, um diesen Anrechnungsbetrag von 3.250,00 EUR zu verdienen (§ 158 Abs.2 Satz 1 Nr.1 SGB III). Dies sind bei 50 EUR (brutto) pro Kalendertag für 65 Tage.
Worauf sollten Arbeitnehmer bei Abfindungsvereinbarungen achten, um eine Sperrzeit und eine Anrechnung der Abfindung zu vermeiden?
Als Arbeitnehmer sollten Sie beim Thema Abfindung und Arbeitslosengeld folgende Dinge im Auge behalten:
- Seien Sie vorsichtig, wenn Ihnen ein Aufhebungsvertrag vorgeschlagen wird, der angeblich keine Sperrzeit zur Folge haben soll. Denn das Risiko einer Sperrzeit tragen letztlich Sie und nicht der Arbeitgeber, und außerdem funktioniert eine solche "Absicherung" nur, wenn die Abfindung auf maximal 0,5 Gehälter pro Beschäftigungsjahr begrenzt wird, was gerade bei einer kurzen Beschäftigungszeit (von zum Beispiel ein oder zwei Jahren) zu ziemlich "mickrigen" Abfindungen führt.
- Verkaufen Sie Ihre Kündigungsfristen im Allgemeinen nicht gegen Zahlung oder Erhöhung einer Abfindung. Das ist in vielen Fällen ein schlechtes Geschäft - es sei denn, Sie wollen schnell zu einem anderen Arbeitgeber wechseln. Denn zum einen bezahlen Sie die (Erhöhung der) Abfindung selbst, indem Sie auf Ihr Gehalt während der Kündigungsfristen verzichten, so dass die angebliche (Erhöhung der) Abfindung eine Mogelpackung ist. Zum anderen führt eine Verkürzung von Kündigungsfristen gegen Zahlung einer Abfindung zur Anrechnung gemäß § 158 SGB III, d.h. der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.
- Falls der ungekürzte Bezug von Arbeitslosengeld für Sie wichtig ist, z.B. um damit die Zeit bis zum Renteneintritt zu überbrücken, dann sollten Sie einen Anwalt einschalten, damit dieser mit dem Arbeitgeber über Alternativen zu einem Aufhebungsvertrag verhandelt. Wenn der Arbeitgeber bereits zur Kündigung entschlossen ist, besteht die rechtliche Möglichkeit, die Kündigung abzuwarten und durch einen raschen Pro-forma-Kündigungsschutzprozess bzw. einen gerichtlichen Vergleich (im sog. schriftlichen Verfahren) jedes Risiko einer Sperrzeit oder eines Ruhens des Arbeitslosengeldes auszuschließen.
Worauf sollten Arbeitgeber bei Abfindungsvereinbarungen achten, um eine Sperrzeit und eine Anrechnung der Abfindung zu vermeiden?
Obwohl Sie als Arbeitgeber von einer Sperrzeit oder von einem Ruhen des Arbeitslosengeldes nicht direkt betroffen sind, sollten Sie mit Ihrem ausscheidenden Mitarbeiter nach Möglichkeiten suchen, diese sozialrechtlichen Nachteile zu vermeiden.
Denn die - möglichen - Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld sind immer ein Thema bei der Ausgestaltung von Ausscheidensvereinbarungen mit Abfindungszahlungen, und diese Nachteile möchte der ausscheidende Arbeitnehmer verständlicher Weise nicht tragen - oder dafür einen finanziellen Ausgleich in Form einer (noch) höheren Abfindung. Daher sind auch Sie als Arbeitgeber mittelbar von Sperrzeitnachteilen betroffen.
Außerdem Sie haben gemeinsam mit Ihrem Arbeitnehmer Beiträge zur Arbeitslosenversicherung aufgebracht und dadurch Anwartschaften auf Versicherungsleistungen begründet, die man nicht verschenken sollte.
Recht gut vermeiden lässt sich eine Sperrzeit in zwei Konstellationen: Entweder hat das Arbeitsverhältnis recht lange bestanden, zum Beispiel 20 Jahre oder länger, so dass die Abfindung trotz ihrer Begrenzung auf 0,5 Gehälter pro Beschäftigungsjahr für den Arbeitnehmer attraktiv ist und eine Sperrzeit entsprechend den o.g. Vorgaben der Bundesagentur vermieden werden kann. Oder das Arbeitsverhältnis war von kurzer Dauer und man vermeidet eine Sperrzeit durch den Ausspruch einer Kündigung bzw. durch eine Kündigungsschutzklage mit einem raschen gerichtlichen Abfindungsvergleich. Dann spielt die Höhe der Abfindung keine Rolle.
Wo finden Sie mehr zum Thema Abfindung und Arbeitslosengeld?
Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Abfindung und Arbeitslosengeld interessieren könnten, finden Sie hier:
- Bundesagentur für Arbeit: Fachliche Weisungen Arbeitslosengeld, Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III, § 159 SGB III, Ruhen bei Sperrzeit (Stand Dezember 2021)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Steuer
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitslosengeld I
- Handbuch Arbeitsrecht: Abwicklungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- zur Übersicht Handbuch Arbeitsrecht
Kommentare unseres Anwaltsteams zu aktuellen Fragen rund um das Thema Abfindung und Arbeitslosengeld finden Sie hier:
- Arbeitsrecht aktuell: 18/229 Freistellung und Arbeitslosengeld
- Arbeitsrecht aktuell: 16/108 Aufstockung zum Transferkurzarbeitergeld sind Nettoentgelt
- Arbeitsrecht aktuell: 14/165 Aufhebungsvertrag, Sperrzeit und wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe
- Arbeitsrecht aktuell: 10/019 Abfindung ist auf Arbeitslosengeld II anzurechnen
- Arbeitsrecht aktuell: 08/087 Fälligkeit des Abfindungsanspruchs aus gerichtlichem Vergleich
- Arbeitsrecht aktuell: 07/81 BSG: Keine Sperrzeit nach Kündigung und Abfindungsvergleich
- Arbeitsrecht aktuell: 07/73 Keine Sperrzeit bei Aufhebungsverträgen mit „maßvoller“ Abfindungsregelung
- Arbeitsrecht aktuell: 04/01 Agenda 2010: Änderungen im Sozialrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 03/08 Abwicklungsverträge führen zu Sperrzeit
Letzte Überarbeitung: 8. Juni 2022
Was können wir für Sie tun?
Wenn Sie als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer in Verhandlungen über eine einvernehmliche Vertragsauflösung gegen Zahlung einer Abfindung stehen und nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitslosengeldanspruch vermeiden wollen, beraten wir Sie jederzeit gerne. Je nach Lage des Falles bzw. entsprechend Ihren Wünschen treten wir entweder nach außen nicht in Erscheinung oder aber wir verhandeln in Ihrem Namen mit der Gegenpartei. Für eine möglichst rasche und effektive Beratung benötigen wir folgende Unterlagen:
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