- -> zur Mobil-Ansicht
- Arbeitsrecht aktuell
- Tipps und Tricks
- Handbuch Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht - A
- Arbeitsrecht - B
- Arbeitsrecht - C
- Arbeitsrecht - D
- Arbeitsrecht - E
- Arbeitsrecht - F
- Arbeitsrecht - G
- Arbeitsrecht - H
- Arbeitsrecht - I
- Arbeitsrecht - K
- Arbeitsrecht - L
- Arbeitsrecht - M
- Arbeitsrecht - N
- Arbeitsrecht - O
- Arbeitsrecht - P
- Arbeitsrecht - R
- Arbeitsrecht - S
- Arbeitsrecht - T
- Arbeitsrecht - U
- Arbeitsrecht - V
- Arbeitsrecht - W
- Arbeitsrecht - Z
- Gesetze zum Arbeitsrecht
- Urteile zum Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht Muster
- Videos
- Impressum-Generator
- Webinare zum Arbeitsrecht
-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
Abfindung nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Lesen Sie hier, wann ein Anspruch auf Abfindung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) besteht, wie die Abfindung berechnet wird und warum Arbeitgeber im Kündigungsschreiben auch höhere oder geringere Abfindung anbieten können als in § 1a KSchG vorgesehen.
Außerdem finden Sie Informationen dazu, wann eine Abfindung gemäß § 1a KSchG auszuzahlen ist, warum der Abfindungsanspruch nicht entstehen oder nachträglich entfallen kann und in welchen Fällen eine Kündigung mit Abfindungsangebot für Arbeitgeber ratsam und für gekündigte Arbeitnehmer interessant sein kann.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Worin besteht der Zweck von § 1a KSchG?
- In welchen Fällen ist § 1a KSchG anwendbar?
- Von welchen Voraussetzungen hängt ein Abfindungsanspruch gemäß § 1a KSchG ab?
- Wie hoch ist eine Abfindung gemäß § 1a KSchG?
- Können Arbeitgeber im Kündigungsschreiben auch eine höhere oder geringere Abfindung anbieten?
- Wann müssen Arbeitgeber die Abfindung gemäß § 1a KSchG zahlen?
- Können Arbeitgeber ihr Abfindungsangebot nach Zugang der Kündigung widerrufen?
- Behalten Arbeitnehmer den Abfindungsanspruch gemäß § 1a KSchG, wenn sie zunächst eine Klage erheben, sie später aber zurücknehmen?
- Wann sollten Arbeitgeber eine Kündigung mit einem Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG verbinden?
- Wann sollten Arbeitnehmer ein Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG annehmen?
- Ist eine Abfindung gemäß § 1a KSchG auf eine Abfindung gemäß Sozialplan anzurechnen oder umgekehrt?
- Führt die "Annahme" eines Abfindungsangebots durch Verstreichenlassen der Klagefrist zu einer Sperrzeit?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Abfindung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG)?
- Was können wir für Sie tun?
Worin besteht der Zweck von § 1a KSchG?
Wer länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern arbeitet, hat Kündigungsschutz nach dem KSchG und kann daher eine ordentliche (fristgemäße) Kündigung seines Arbeitgebers gerichtlich überprüfen lassen. Solche Kündigungsschutzklagen sind zwar darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis zu retten, doch enden sie in den meisten Fällen damit, dass der Arbeitnehmer seinen Hut nimmt, allerdings gegen Zahlung einer Abfindung.
Wie hoch die Abfindung im Ergebnis einer Kündigungsschutzklage ausfällt, ist Verhandlungssache und hängt davon ab, ob die streitige Kündigung mehr oder weniger angreifbar ist, wie lange der Prozess dauert, wie schnell der Arbeitnehmer eine andere Beschäftigung findet und natürlich von sozialen Gesichtspunkten wie der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Nähere Informationen hierzu finden Sie unter dem Stichwort Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung.
Schaut man nur auf das typische Resultat einer Kündigungsschutzklage, d.h. die Vereinbarung einer Abfindung, erscheint das Klageverfahren als überflüssiger Umweg, der mit Stress, Zeitverlust und Kosten verbunden ist.
Daher hat der Gesetzgeber Anfang 2004 mit § 1a KSchG eine verfahrensmäßige Abkürzung geschaffen. Sie soll es Arbeitgebern und Arbeitnehmern ermöglichen, sich schnell, kostengünstig und unbürokratisch auf eine Standard-Abfindung von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr zu einigen.
In welchen Fällen ist § 1a KSchG anwendbar?
Für eine Abfindungslösung gemäß § 1a KSchG müssen Sie sich als Arbeitgeber bewusst entscheiden.
§ 1a KSchG beinhaltet keinen allgemeinen oder gar zwingenden gesetzlichen Abfindungsanspruch. Vielmehr setzt diese Regelung voraus, dass der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, und dabei eine freiwillige und ausdrückliche Abfindungszusage macht.
§ 1a KSchG lautet:
„(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs.2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs.3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.“
Von welchen Voraussetzungen hängt ein Abfindungsanspruch gemäß § 1a KSchG ab?
Für einen Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG ist kein Vertrag erforderlich, d.h. kein gerichtlicher Vergleich, kein Aufhebungsvertrag und kein Abwicklungsvertrag. Vielmehr genügt eine einseitige Zusage des Arbeitgebers.
Konkret müssen für einen Anspruch nach § 1a KSchG folgende Voraussetzungen gegeben sein:
- Das KSchG muss anwendbar sein, d.h. der gekündigte Arbeitnehmer muss länger als sechs Monate in einem Betrieb gearbeitet haben, in dem mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden (§ 1 Abs.1 KSchG, § 23 Abs.1 KSchG).
- Der Arbeitgeber muss eine fristgemäße betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen haben. Bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern kann das auch eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Gewährung einer Auslauffrist sein.
- Das Kündigungsschreiben muss den ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt wird und dass der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der gesetzlichen Klagefrist eine Abfindung nach § 1a KSchG beanspruchen kann.
- Der gekündigte Arbeitnehmer muss die gesetzliche Klagefrist von drei Wochen (§ 4 Satz 1 KSchG) ungenutzt verstreichen lassen, womit die Rechtswirksamkeit der Kündigung endgültig feststeht (§ 7 KSchG).
Wie hoch ist eine Abfindung gemäß § 1a KSchG?
Die Höhe der Abfindung gemäß § 1a KSchG ist gesetzlich festgelegt und beträgt 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. Maßgeblich ist dabei gemäß § 10 Abs.3 KSchG das Gehalt im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses (§ 1a Abs.2 Satz 2 KSchG). Zeiten der Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten sind auf ein Jahr aufzurunden (§ 1a Abs.2 Satz 3 KSchG).
BEISPIEL: Ein kaufmännischer Angestellter war von April 2019 bis November 2022 bei einem Großhändler zu einem Grundgehalt von 4.000,00 EUR zzgl. Verkaufsprovisionen beschäftigt. Aufgrund einer Kündigung seines Arbeitgebers gemäß § 1a KSchG hat er einen Abfindungsanspruch, der zusammen mit dem Novembergehalt fällig ist. Sein Bruttomonatsgehalt im November 2017 beträgt 4.000,00 EUR (Grundgehalt) plus 4.000,00 EUR (Weihnachtsgeld) plus 1.000,00 EUR Provisionen, außerdem bekommt er 480,00 EUR netto Reisekostenerstattung. Der steuerliche Wert des vom Arbeitgeber bereitgestellten Dienstwagens, den der Angestellte auch privat nutzen kann, beträgt 320,00 EUR.
In diesem Fall beträgt das Monatsgehalt, das für die Berechnung der Abfindung zugrunde zu legen ist, 4.000,00 EUR (Grundgehalt) plus 333,33 EUR (= 1/12 der Einmahlung, die zwar im November ausgezahlt wird, aber im gesamten Jahr erarbeitet wird) plus 1.000,00 EUR (Provisionen) plus 320,00 EUR (Dienstwagen), insgesamt somit 5.653,33 EUR brutto. Die 480,00 EUR netto Reisekostenerstattung gehören nicht zum Bruttogehalt. Da der Angestellte zwei Jahre und acht Monate beschäftigt war, ist für die Berechnung der Abfindung von drei Beschäftigungsjahren auszugehen (§ 1a Abs.2 Satz 3 KSchG). Die Abfindung beträgt daher (5.653,33 : 2 x 3 =) 8.480,00 EUR brutto.
Können Arbeitgeber im Kündigungsschreiben auch eine höhere oder geringere Abfindung anbieten?
Ja, das ist möglich. Denn § 1a KSchG setzt der Vertragsfreiheit keine Grenzen.
Als Arbeitgeber können Sie daher im Kündigungsschreiben für den Fall des Verstreichenlassens der Klagefrist im Prinzip jede beliebige Abfindung anbieten, so z.B. eine Abfindung von 0,25, von 0,75, von 1,0, von 1,5 oder auch von 2,0 oder mehr Gehältern pro Beschäftigungsjahr.
Sie können aber auch anstelle eines abstrakten Berechnungsfaktors die angebotene Abfindung konkret als Eurobetrag in das Kündigungsschreiben aufnehmen.
Erhebt der Arbeitnehmer innerhalb der Klagefrist keine Kündigungsschutzklage, kann er mit Ablauf der Kündigungsfrist die im Kündigungsschreiben versprochene Abfindung verlangen.
Rechtsgrundlage für den Abfindungsanspruch ist dann allerdings nicht § 1a KSchG, sondern ein Abwicklungsvertrag, auf den sich der Arbeitnehmer stillschweigend eingelassen hat, indem er auf die Erhebung einer Klage verzichtet hat.
HINWEIS: Als Arbeitgeber sollten Sie aufpassen, wenn Sie eine Abfindung anbieten wollen, die geringer ist als die Abfindungshöhe gemäß § 1a KSchG. Dann sollten Sie § 1a KSchG im Kündigungsschreiben am besten gar nicht erwähnen. Denn ein Hinweis auf § 1a KSchG bei gleichzeitiger Unterschreitung der Abfindungshöhe, die aus § 1a KSchG folgt, macht das Abfindungsangebot unklar.
Dann kann die Auslegung des Kündigungsschreibens ergeben, dass der Arbeitnehmer letztlich doch eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehaltes pro Beschäftigungsjahr gemäß § 1a KSchG verlangen kann. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits vor einigen Jahren klargestellt (BAG, Urteil vom 13.12.2007, 2 AZR 807/06, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 08/012 Beziffertes Abfindungsangebot bei gleichzeitigem Verweis auf § 1a KSchG).
Wann müssen Arbeitgeber die Abfindung gemäß § 1a KSchG zahlen?
Wie sich aus § 1a Abs.1 Satz 1 KSchG ergibt, entsteht der Abfindungsanspruch nicht bereits mit Verstreichenlassen der dreiwöchigen Klagefrist, sondern erst dann, wenn die Kündigungsfrist abgelaufen ist.
Erklärt eine der Vertragsparteien im Laufe der Kündigungsfrist eine weitere Kündigung, die das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet, macht das den Abfindungsanspruch zunichte. Das kann zum Beispiel der Fall sein bei einer nachgeschobenen fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber oder bei einer ordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers, die das Arbeitsverhältnis mit einer kürzeren Frist beendet als es infolge der § 1a-Kündigung des Arbeitgebers enden würde.
In solchen Fällen endet das Arbeitsverhältnis aufgrund der später nachgeschobenen Kündigung und damit vor dem Zeitpunkt, in dem der Abfindungsanspruch entstehen würde.
BEISPIEL: Ein zehn Jahre lang beschäftigter Arbeitnehmer erhält Anfang Januar 2022 eine betriebsbedingte Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist von vier Monaten, d.h. zum 31.05.2022. Die Kündigung ist mit einem Hinweis gemäß § 1a KSchG verbunden und der Arbeitnehmer erhebt keine Kündigungsschutzklage. Anfang Mai 2022 wirft der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeitszeitbetrug vor, den er mit dem häufigen Überziehen von Pausen begründet. Nach Anhörung des Arbeitnehmers erklärt der Arbeitgeber Mitte Mai eine fristlose Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen wegen Arbeitszeitbetrugs. Hilfsweise kündigt er fristlos wegen des dringenden Verdachts des Arbeitszeitbetrugs.
In diesem Fall ist dem Arbeitnehmer dringend zu raten, die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage gerichtlich überprüfen zu lassen. Denn wenn infolge des Ablaufs der dreiwöchigen Klagefrist die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung rechtlich feststeht (§ 4 Satz 1 KSchG in Verb. mit § 7 KSchG), verliert der Arbeitnehmer nicht nur sein Gehalt für die zweite Maihälfte, sondern darüber hinaus eine Abfindung von fünf Monatsgehältern. Durch die nachgeschobene fristlose Kündigung wird das Arbeitsverhältnis nämlich nicht fristgemäß aufgrund der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom Januar 2022 mit Ablauf des 31.05.2022 beendet, sondern bereits vorfristig Mitte Mai 2022. Daher sind die Voraussetzungen von § 1a KSchG nicht erfüllt. Das kann nur durch eine rechtzeitige Kündigungsschutzklage verhindert werden.
Können Arbeitgeber ihr Abfindungsangebot nach Zugang der Kündigung widerrufen?
Nein, das ist rechtlich ausgeschlossen, denn der gekündigte Arbeitnehmer muss innerhalb der kurzen Klagefrist von drei Wochen wissen, woran er ist.
Daher spielt es auch keine Rolle, wenn der Arbeitgeber sein Abfindungsangebot nach Zugang des Kündigungsschreibens erläutert. Solche nachträglichen Erklärungen ändern nichts daran, dass ein Hinweis gemäß § 1a KSchG dem Arbeitnehmer nach Ablauf der Klagefrist einen Abfindungsanspruch in gesetzlicher Höhe verschafft und dass es für die Auslegung des Abfindungsangebots im Kündigungsschreiben allein auf dieses Schreiben und nicht auf nachgeschobene Erläuterungen des Arbeitgebers ankommt.
Behalten Arbeitnehmer den Abfindungsanspruch gemäß § 1a KSchG, wenn sie zunächst eine Klage erheben, sie später aber zurücknehmen?
Wenn Sie als Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung mit einem Hinweis gemäß § 1a KSchG erhalten, haben Sie zwar noch keinen Abfindungsanspruch, denn der entsteht erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Aber immerhin haben Sie eine ziemlich sichere Anwartschaft darauf, bei regulärem Auslaufen des (Rest-)Arbeitsverhältnisses einen Abfindungsanspruch zu erwerben. Denn der Arbeitgeber ist an seine Abfindungszusage gebunden.
Wenn Sie trotzdem Klage erheben, fällt die Anwartschaft bzw. der künftige Abfindungsanspruch weg. Das gilt auch dann, wenn Sie die Klage später zurücknehmen. Auch dann ist der Arbeitgeber nicht (mehr) gemäß § 1a KSchG zur Zahlung verpflichtet (BAG, Urteil vom 13.12.2007, 2 AZR 971/06, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 08/013 Keine Abfindung gemäß § 1a KSchG bei Rücknahme der Kündigungsschutzklage).
Ein Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG setzt den gekündigten Arbeitnehmer daher unter Druck, denn er kann durch Einreichung einer Klage etwas verlieren.
Wann sollten Arbeitgeber eine Kündigung mit einem Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG verbinden?
Arbeitgeber machen von § 1a KSchG eher selten Gebrauch. Das hat folgende Gründe:
- Erstens ist eine Abfindung von einem halben Gehalt pro Beschäftigungsjahr vielen Arbeitgebern zu hoch, vor allem, wenn das Arbeitsverhältnis schon sehr lange bestanden hat und der Arbeitgeber gute Chancen hat, mit seiner Kündigung vor Gericht durchzukommen. Nähere Informationen dazu, welche Faktoren bei der Kalkulation von Abfindungsangeboten eine Rolle spielen, finden Sie unter Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung.
- Zweitens gibt es bei größeren betriebsbedingten Kündigungswellen oft Sozialpläne mit Abfindungsregelungen, die viele Arbeitnehmer zufriedenstellen oder jedenfalls von einer Klage abhalten. Zusätzliche Abfindungsangebote gemäß § 1a KSchG sind dann meist überflüssig.
- Drittens klagen viele gekündigte Arbeitnehmer auch dann nicht gegen ihre Kündigung, wenn sie kein Abfindungsangebot erhalten. Aufgrund der guten Arbeitsmarktlage finden Arbeitnehmer nach einer Kündigung oft recht schnell eine neue Stelle und haben daher kein Interesse an einem Kündigungsschutzprozess. Daher ist es aus Arbeitgebersicht nicht immer klug, Arbeitnehmern von vornherein bzw. zusammen mit der Kündigung eine Abfindung gemäß § 1a KSchG anzubieten, vor allem wenn die gekündigten Arbeitnehmer gut qualifiziert sind.
In einigen Fällen kann es für Arbeitgeber sinnvoll sein, mit einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung gemäß § 1a KSchG anzubieten, so z.B. in folgenden Fällen:
- Die vom Arbeitgeber erklärte betriebsbedingte Kündigung lässt sich vor Gericht nur schwer rechtfertigen, z.B. weil es Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gibt und/oder weil die Sozialauswahl angreifbar ist.
- Die Kündigung lässt sich gar nicht rechtfertigen, weil kein Grund im Sinne von § 1 KSchG erkennbar ist. In solchen Fällen kündigen Arbeitgeber, was rechtlich zulässig ist, "auf gut Glück", um herauszufinden, ob sich der Arbeitnehmer auf eine Abfindung einlässt.
- Der Arbeitnehmer ist noch nicht so lange beschäftigt, so dass eine Abfindung von einem halben Gehalt pro Jahr auf eine eher kleine Abfindungssumme von zwei oder drei Gehältern hinausläuft, die leicht zu verschmerzen ist.
- Der Arbeitgeber möchte aus prinzipiellen Gründen mit dem gekündigten Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutzprozess führen, z.B. weil er Diskussionen im Betrieb befürchtet. Dann erhöht ein Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG den Druck auf den Arbeitnehmer, sich gegen eine Klage zu entscheiden. Denn ob er vor Gericht eine höhere Abfindung aushandeln kann, ist ungewiss. Bei Verzicht auf die Klage ist die Abfindung gemäß § 1a KSchG dagegen sicher.
Wann sollten Arbeitnehmer ein Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG annehmen?
Als gekündigter Arbeitnehmer müssen Sie ein Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG natürlich nicht annehmen, sondern können Kündigungsschutzklage einreichen und um den Erhalt Ihres Arbeitsplatzes streiten.
Ein solches Vorgehen kommt u.a. dann in Betracht, wenn das Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG in Höhe eines halben Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr "zu mickrig" ist. Das wiederum kann der Fall sein,
- wenn die Kündigung mit großer Wahrscheinlichkeit unwirksam ist, und/oder
- wenn das Arbeitsverhältnis nur einige Jahre lang bestanden hat (dann ist das wirtschaftliche Risiko einer Kündigungsschutzklage für den Arbeitgeber deutlich höher als eine Abfindung gemäß § 1a KSchG), und/oder
- wenn die finanzielle Lage des Unternehmens gut ist, so dass der Arbeitgeber sich voraussichtlich auch auf eine höhere Abfindung einlassen wird.
Nähere Informationen zur Kalkulation von Abfindungsangeboten finden Sie unter Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung.
ACHTUNG: Wie oben erwähnt, führt die Erhebung einer Kündigungsschutzklage dazu, dass der Abfindungsanspruch gemäß § 1a KSchG endgültig wegfällt. Wenn Ihr Klageziel nicht darin besteht, den Arbeitsplatz zu erhalten, sondern in einer höheren Abfindung, müssen Sie diese im Laufe des Prozesses mit dem Arbeitgeber vereinbaren. Möglicherweise ist der Arbeitgeber jetzt aber nicht mehr zu einer gütlichen Einigung bereit.
Ist eine Abfindung gemäß § 1a KSchG auf eine Abfindung gemäß Sozialplan anzurechnen oder umgekehrt?
Mit einer Abfindung gemäß § 1a KSchG kauft sich der Arbeitgeber von dem Risiko einer Kündigungsschutzklage frei, während Sozialplanabfindungen dem Ausgleich bzw. der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile dienen, die die Arbeitnehmer infolge des Verlustes ihres Arbeitsplatzes erleiden, § 112 Abs.1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Eine Abfindung gemäß § 1a KSchG und eine Sozialplanabfindung haben daher verschiedene Zielsetzungen.
Außerdem ist ein Abfindungsanspruch gemäß § 1a KSchG ein individuelles Recht des Arbeitnehmers, der dafür auf die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage verzichtet hat, während Abfindungen gemäß Sozialplan allen Arbeitnehmern zustehen, die unter seinen Anwendungsbereich fallen.
ACHTUNG: Sprechen Sie als Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aus und hat der gekündigte Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch gemäß einem Sozialplan, müssen Sie vorsichtig sein, wenn Sie in dem Kündigungsschreiben einen Hinweis auf § 1a KSchG geben. Denn mit einem solchen Hinweis verschaffen Sie dem gekündigten Arbeitnehmer einen eigenständigen - zusätzlichen - Abfindungsanspruch, vorausgesetzt er lässt die Klagefrist verstreichen.
Die Zahlung der Sozialplanabfindung ist auf diesen individuellen Abfindungsanspruch von Gesetzes wegen nicht anzurechnen, d.h. die Abfindung gemäß § 1a KSchG müssen Arbeitgeber so oder so zahlen.
Möglich ist allerdings, dass Arbeitgeber und Betriebsrat eine Klausel in den Sozialplan aufnehmen, der zufolge eine zusätzliche individuelle Abfindung gemäß § 1a KSchG auf die Sozialplanabfindung anzurechnen ist, so dass der Sozialplananspruch gemindert wird.
Gibt es keine solche Klausel im Sozialplan, müssen Arbeitgeber doppelt zahlen, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschieden hat (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.07.2015, 8 Sa 531/15, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/331 Abfindung gemäß § 1a KSchG und Sozialplan). Dieser Meinung hat sich auch das BAG angeschlossen (BAG, Urteil vom 19.07.2016, 2 AZR 536/15).
Führt die "Annahme" eines Abfindungsangebots durch Verstreichenlassen der Klagefrist zu einer Sperrzeit?
Wer als Arbeitnehmer auf eine betriebsbedingte Kündigung mit Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG nicht reagiert, d.h. die Dreiwochenfrist für eine Kündigungsschutzklage verstreichen lässt, riskiert keine Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld und insbesondere keine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Denn in einem solchen Fall hat er sein Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne von § 159 Abs.1 Satz 2 Nr.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) "gelöst", sondern einfach nur eine Kündigung des Arbeitgebers hingenommen.
Ein bloßes Nichtstun als Reaktion auf eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung führt aber grundsätzlich nicht zu einer Sperrzeit, denn Arbeitnehmer sind gegenüber der Arbeitsagentur nicht dazu verpflichtet, sich rechtlich gegen eine Kündigung ihres Arbeitgebers zur Wehr zu setzen. Daher heißt es in den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Thema Sperrzeit (Stand Dezember 2021), mit denen die Entscheidungen der Sachbearbeiter der Arbeitsagenturen gesetzeskonform und einheitlich angeleitet werden soll (Punkt 159.1.1.1, S.9):
"Nicht sperrzeitrelevant sind (...) die bloße Hinnahme einer Arbeitgeberkündigung (auch bei Annahme einer Abfindung); die Hinnahme einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung kann aber auf einen Beteiligungssachverhalt hindeuten".
Da eine betriebsbedingte Kündigung, wenn der Arbeitgeber die Kündigungsfrist einhält, auf gar keinen Fall "offensichtlich rechtswidrig" ist, haben Arbeitnehmer bei Hinnahme einer Kündigung gemäß § 1a KSchG keine Sperrzeit zu befürchten.
Wo finden Sie mehr zum Thema Abfindung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG)?
Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Abfindung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) interessieren könnten, finden Sie hier:
- Bundesagentur für Arbeit: Fachliche Weisungen Arbeitslosengeld, Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III, § 159 SGB III, Ruhen bei Sperrzeit (Stand Dezember 2021)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Arbeitslosengeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Diskriminierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Diskriminierung - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Steuer
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitslosengeld I
- Handbuch Arbeitsrecht: Abwicklungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Sperrzeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Gebot fairen Verhandelns
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsfristen
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Sperrzeit, Sperrfrist
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Übersicht Handbuch Arbeitsrecht
Checklisten und Musterschreiben zum Thema Abfindung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) finden Sie hier:
- Musterschreiben: Betriebsbedingte Kündigung mit Abfindungsangebot
- Musterschreiben: Mustervertrag "Aufhebungsvertrag nach Kündigung (Abwicklungsvertrag)"
- Tipps und Tricks: Was tun bei Kündigung?
- Tipps und Tricks: Aufhebungsvertrag - Checkliste
Kommentare unseres Anwaltsteams zu aktuellen Fragen rund um das Thema Abfindung gemäß § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) finden Sie hier:
Arbeitsrecht aktuell 2017
- Arbeitsrecht aktuell: 17/149 Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung gemäß § 1a KSchG
Arbeitsrecht aktuell 2016
- Arbeitsrecht aktuell: 16/180 Sozialplan und Stichtagsregelung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/069 Abwicklungsvertrag und vorzeitiges Ausscheiden
Arbeitsrecht aktuell 2015
- Arbeitsrecht aktuell: 15/355 Sozialplan und Klageverzicht
- Arbeitsrecht aktuell: 15/331 Abfindung gemäß § 1a KSchG und Sozialplan
Eine vollständige Übersicht unserer Beiträge zum Thema Abfindung nach § 1a KSchG finden Sie unter:
Urteile und Kommentare: Abfindung nach § 1a KSchG
Letzte Überarbeitung: 6. Juni 2022
Was können wir für Sie tun?
Wenn Sie als Arbeitgeber überlegen, ob Sie eine betriebsbedingte Kündigung mit Abfindungsangebot gemäß § 1a KSchG aussprechen sollten, oder wenn Sie als Arbeitnehmer eine solche Kündigung erhalten haben und daher entscheiden müssen, ob Sie sich mit der angebotenen Abfindung zufriedengeben oder aber Kündigungsschutzklage erheben sollten, beraten wir Sie jederzeit gerne. Je nach Lage des Falles bzw. entsprechend Ihren Wünschen treten wir entweder nach außen nicht in Erscheinung oder aber wir verhandeln in Ihrem Namen mit der Gegenseite. Für eine möglichst rasche und effektive Beratung benötigen wir folgende Unterlagen:
Eine Bitte an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Beachten Sie unbedingt die Dreiwochenfrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage, die mit Erhalt eines Kündigungsschreibens beginnt, und nehmen Sie vor Ablauf dieser Frist Kontakt zu uns auf, wenn wir Sie rechtlich beraten sollen. |
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |
HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.
Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw.
bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig.
Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.
© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de