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Fairnessgebot bei Verhandlungen über Aufhebungsverträge
11.02.2019. Ende 2017 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen klargestellt, dass Arbeitnehmer Aufhebungsverträge auf der Grundlage verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften nicht frei widerrufen können (LAG Niedersachsen, Urteil vom 07.11.2017, 10 Sa 1159/16).
Wir berichteten über diese Entscheidung in Arbeitsrecht aktuell: 18/099 LAG Hannover: Kein Widerrufsrecht für Arbeitnehmer aus § 312g BGB.
Vor einigen Tagen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) über den Fall mit einem überraschenden Ergebnis entschieden, nämlich zugunsten der Arbeitnehmerin: BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18.
- Können Arbeitsverträge nach den seit 2016 geltenden neuen Vorschriften zum Verbraucher-Widerrufsrecht widerrufen werden?
- Gespräch mit einer arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin über einen Aufhebungsvertrag in der Privatwohnung der Arbeitnehmerin
- BAG: Arbeitgeber müssen bei Gesprächen über einen Aufhebungsvertrag das Gebot fairen Verhandelns beachten
Können Arbeitsverträge nach den seit 2016 geltenden neuen Vorschriften zum Verbraucher-Widerrufsrecht widerrufen werden?
In dem niedersächsischen Streitfall ging es darum, ob Arbeitnehmer nach der seit Juni 2014 geltenden geänderten Gesetzeslage möglicherweise ein Widerrufsrecht bei Aufhebungsverträgen haben, falls diese außerhalb der "Geschäftsräume" des Arbeitgebers abgeschlossen werden. Solche Örtlichkeiten sind z.B. die Wohnung des Arbeitnehmers, ein Hotel oder eine Anwaltskanzlei (vgl. § 312g Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB in Verb. mit § 312b Abs.1 Nr.1 BGB).
Solche Fälle sind nicht häufig, denn meist werden Aufhebungsverträge im Betrieb abgeschlossen, d.h. in der Nähe des Arbeitsplatzes.
Trotzdem hatte das LAG Niedersachsen - und jetzt das BAG in der Revision - über eine derartige Streitigkeit zu entscheiden.
Gespräch mit einer arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin über einen Aufhebungsvertrag in der Privatwohnung der Arbeitnehmerin
Im Streitfall war eine Arbeitnehmerin erkrankt und befand sich zu Hause, wo sie von einem Beauftragten ihrer Arbeitgeberin aufgesucht und zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gedrängt wurde.
Die Arbeitnehmerin erklärte kurz darauf die Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123 Abs.1 BGB), weil die Drohung der Arbeitgeberin bzw. ihres Bevollmächtigten mit einer Kündigung angeblich im Raum gestanden hatte. Außerdem beanspruchte die Arbeitnehmerin ein Widerrufsrecht nach Verbraucherschutzrecht.
Das LAG Niedersachsen meinte, ein solches Widerrufsrecht bestünde nicht.
Denn obwohl Arbeitnehmer Verbraucher im Sinne von § 13 BGB sind und sich daher im Prinzip auf die o.g. Verbraucherschutzregelungen berufen können, spricht gegen ein Widerrufsrecht bei arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen nach Ansicht des LAG Niedersachsen, dass Aufhebungsverträge keine Vertriebsverträge sind, d.h. Verträge, mit denen Unternehmen Geld verdienen. Und nur bei dieser Art von Verträgen haben Verbraucher ein Widerrufsrecht, so das LAG.
Dass die Klägerin sich nicht auf das Recht zur Anfechtung wegen angeblicher widerrechtlicher Drohung (§ 123 Abs.1 BGB) berufen konnte, war ohnehin mehr oder weniger klar. Denn zu diesem Punkt hatte die Arbeitnehmerin nichts Greifbares vorgetragen (wie z.B. ausdrückliche konkrete Aussagen des Bevollmächtigten der Arbeitgeberin). Die angebliche Bedrohungslage blieb daher nebulös.
BAG: Arbeitgeber müssen bei Gesprächen über einen Aufhebungsvertrag das Gebot fairen Verhandelns beachten
Der Meinung des LAG bezüglich des - nicht gegebenen - Widerrufsrechts hat sich das BAG angeschlossen.
Verbraucher haben zwar, so die Erfurter Richter, im Allgemeinen ein Widerrufsrecht bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind (§ 312 Abs.1, § 312g, § 355 BGB), und auch Arbeitnehmer sind Verbraucher im Sinne des Gesetzes.
Allerdings hatte der Gesetzgeber bei der letzten Reform der Widerrufs-Paragraphen nicht die Absicht, arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge in deren Anwendungsbereich einzubeziehen. Damit bleibt es letztlich bei der Grundsatzentscheidung des BAG aus dem Jahre 2003, der zufolge Arbeitnehmer Aufhebungsverträge nicht unter Berufung auf die Vorschriften des Verbraucherschutzrechts widerrufen können (BAG, Urteil vom 27.11.2003, 2 AZR 177/03, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 03/07 Kein Widerrufsrecht bei Aufhebungsverträgen).
Während das LAG Niedersachsen die Klage der betroffenen Arbeitnehmerin folgerichtig abwies, entschied das BAG trotzdem zu ihren Gunsten: Es hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies den Fall zurück zum LAG, das jetzt noch einmal über ihn entscheiden muss.
Denn aufgrund der Besonderheiten des hier vorliegenden Streitfalls war es denkbar, so die Erfurter Richter, dass die Arbeitgeberseite das "Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags" verletzt hatte. Dazu heißt es in der Pressemeldung des BAG:
"Dieses Gebot ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Dies könnte hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Die Beklagte hätte dann Schadensersatz zu leisten. Sie müsste den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde (sog. Naturalrestitution, § 249 Abs.1 BGB). Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies führte zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses."
Fazit: Das Urteil des BAG ist überraschend und hat möglicherweise weitreichende Konsequenzen.
Das betrifft nicht die Feststellung, dass kein Widerrufsrecht in den ziemlich speziellen Fällen besteht, in denen ein Aufhebungsvertrag außerhalb des Betriebs abgeschlossen wird, d.h. dass sich Arbeitnehmer hier nicht auf § 312 Abs.1, § 312g und § 355 BGB berufen können. Solche Fälle sind wie erwähnt selten
Die Bedeutung des BAG-Urteils besteht vielmehr in der Aussage, dass Arbeitgeber bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag ein Fairnessgebot beachten müssen. Denn dieses Gebot gilt anscheinend nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für Arbeitnehmer (und ihre Anwälte), und ohne jede "psychische Drucksituation" (?) kommen Aufhebungsverträge nur selten zustande.
Je nachdem, welche Anwendungsvoraussetzungen das BAG in seinen (derzeit noch nicht vorliegenden) Urteilsgründen für das neue Fairnessgebot aufstellt, wird man künftig mehr oder weniger viele Aufhebungsverträge auf den juristischen Prüfstand stellen können. Das gilt auch für Aufhebungsverträge, die bereits vor längerer Zeit abgeschlossen sind, d.h. eine allgemeine Grenze ergibt sich hier aus der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (gerechnet ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18 (Pressemeldung des Gerichts)
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 07.11.2017, 10 Sa 1159/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.11.2003, 2 AZR 177/03
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Anfechtung, Widerruf
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Rechtsschutzversicherung
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Sperrzeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Gebot fairen Verhandelns
- Handbuch Arbeitsrecht: Sperrzeit, Sperrfrist
- Aufhebungsvertrag - Checkliste
- Arbeitsrecht aktuell: 18/099 LAG Hannover: Kein Widerrufsrecht für Arbeitnehmer aus § 312g BGB
- Arbeitsrecht aktuell: 18/086 Aufhebungsvertrag mit Abfindung für Betriebsrat
- Arbeitsrecht aktuell: 15/070 Aufhebungsvertrag mit Klageverzicht nach Drohung mit Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/048 Anfechtung eines Aufhebungsvertrags weil kein Anwalt anwesend war?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/138 Anfechtung eines Aufhebungsvertrags meist chancenlos
- Arbeitsrecht aktuell: 05/08 Keine Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag eines leitenden Angestellten
- Arbeitsrecht aktuell: 03/07 Kein Widerrufsrecht bei Aufhebungsverträgen
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Veröffentlichung dieses Beitrags, hat das Gericht seine Urteilsgründe veröffentlich. Das vollständig begründete Urteil finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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