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Aufhebungsvertrag und Auslegung
04.01.2019. Aufhebungsverträge können für Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Alternative zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung sinnvoll sein, um das Arbeitsverhältnis rasch, rechtssicher und in gutem Einvernehmen zu beenden.
Das Ziel der Rechtssicherheit lässt sich aber nur erreichen, wenn man sich beim Ausformulieren des Aufhebungsvertrages auch genügend Zeit nimmt und nicht schlampig arbeitet.
Eine wichtige Regel lautet dabei, finanzielle Ansprüche zu beziffern, d.h. hier sollte der Aufhebungsvertrag konkrete Euro-Beträge enthalten. Wird die Bezifferung von Zahlungsansprüchen nämlich aufgeschoben, kann es später Streit um die Auslegung des Aufhebungsvertrags geben.
Über einen solchen Fall, in dem ein Urlaubsabgeltungsanspruch ungenau formuliert worden war, hatte vor kurzem das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz zu entscheiden: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.11.2018, 5 Sa 173/18.
- Wann kann sich die juristische Vertragsauslegung über den „klaren Wortlaut“ einer Vereinbarung hinwegsetzen?
- Im Streit: Urlaubsabgeltung für 244,80 Tage oder nur für 244,80 Stunden?
- LAG Rheinland-Pfalz: Werden finanzielle Ansprüche in einem Aufhebungsvertrag versehentlich falsch bezeichnet, gilt der von den Parteien übereinstimmend gewollte Vertragsinhalt
Wann kann sich die juristische Vertragsauslegung über den „klaren Wortlaut“ einer Vereinbarung hinwegsetzen?
Gemäß § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist bei der Auslegung von rechtlich relevanten Erklärungen („Willenserklärungen“)
„der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.“
Trotz dieser etwas altertümlich anmutenden Formulierung, die dem Juristendeutsch des 19. Jahrhunderts entstammt, gibt § 133 BGB den Anspruch der juristischen Auslegung von Willenserklärungen im Prinzip korrekt wieder. Wichtig sind letztlich nicht die in Erklärungen und Verträgen enthaltenen Formulierungen, sondern das, was mit diesen Formulierungen gemeint ist.
Allerdings muss bei der Auslegung von Erklärungen auch derjenige geschützt werden, der sich als Erklärungsempfänger auf ihren Inhalt verlässt. Daher kommt es nicht (nur) auf den „wirklichen Willen“ des Erklärenden an, sondern auch darauf, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung vernünftigerweise verstehen musste.
Das folgt aus der Möglichkeit, Willenserklärungen wegen eines Irrtums anzufechten (§ 119 BGB): Da eine anfechtbare Erklärung zunächst einmal wirksam ist, spielen die rein subjektiven (Fehl-)Vorstellungen des Erklärenden bei der Auslegung der Erklärung keine entscheidende Rolle. Nur dann, wenn am Ende der Auslegung feststeht, dass der Erklärende sie anders gemeint hat als sie objektiv aus Sicht des Empfängers auszulegen ist, besteht (möglicherweise) ein Anfechtungsrecht.
Im Ergebnis heißt das, dass rechtsgeschäftliche Willenserklärungen einerseits zwar unter Orientierung an dem „wirklichen Willen“ (§ 133 BGB) des Erklärenden auszulegen sind, dass dieser Wille aber aus der Perspektive des Erklärungsempfängers zu ermitteln ist.
Daher kann es vorkommen, dass die Vertragsparteien bei der Ausgestaltung ihres Vertrages bzw. bei der Abgabe der für den Vertrag notwendigen Erklärungen aneinander vorbeireden und dadurch einen Vertragsinhalt schaffen, den beide so nicht gewollt haben. Beispiele sind Zahlendreher oder eine versehentlich falsche Währungsangabe:
BEISPIEL: Es wird über eine vertragliche Zahlungspflicht in Dollar verhandelt, später ist aber beim Austausch der schriftlichen Vertragserklärungen von Euro die Rede. Ein auf einen Euro-Betrag lautendes Angebot ist eben als Euro-Angebot auszulegen und nicht als Dollar-Angebot. Dementsprechend ist auch die Annahmeerklärung so zu verstehen, nämlich als Euro-Angebot. Im Ergebnis hätten die Vertragsparteien einen Vertragsinhalt „am Hals“, den beide nicht gewollt haben und der sich nur aus einer versehentlichen beiderseitigen Falschbezeichnung („falsa demonstratio“) ergibt.
In solchen (eher seltenen) Fällen gilt die Regel, dass statt der Falschbezeichnung das von beiden Parteien übereinstimmend Gemeinte bzw. Gewollte gilt. Eine übereinstimmende Falschbezeichnung beim Austausch vertragsbegründender Erklärungen ist unschädlich („Falsa demonstratio non nocet.“). Eine solche Reparatur-Auslegung von Verträgen steht im Einklang mit § 133 BGB bzw. mit dem „wirklichen Willen“ der Vertragsparteien, sowie mit der für Verträge geltenden Auslegungsregel des § 157 BGB. Nach dieser Vorschrift sind Verträge nämlich
„so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“.
In einem aktuellen Fall, in dem es um die Auslegung eine Urlaubsabgeltungsklausel ging, konnte sich das LAG Rheinland-Pfalz auf die Falsa-demonstratio-Regel berufen.
Im Streit: Urlaubsabgeltung für 244,80 Tage oder nur für 244,80 Stunden?
In dem Fall des LAG Rheinland-Pfalz ging es um die Auslegung eines Aufhebungsvertrags, den eine langjährig beschäftigte kaufmännische Angestellte mit ihrem Arbeitgeber aus Anlass eines Betriebsübergangs geschlossen hatte.
Dem Aufhebungsvertrag zufolge sollte die Arbeitnehmerin zum 31.12.2016 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und dafür eine Abfindung von 137.000,00 EUR brutto erhalten. Weiter sah der Aufhebungsvertrag eine variable Vergütung von 9.779,00 EUR brutto vor sowie die ordnungsgemäße Abrechnung eines Urlaubsausgleichskontos, das in dem Betrieb des Arbeitgebers bis Ende 2015 für jeden Arbeitnehmer auf der Grundlage einer entsprechenden Betriebsvereinbarung geführt worden war.
Die diesbezügliche Regelung im Aufhebungsvertrag hatte folgenden Wortlaut:
„Der Ihnen für das Jahr 2016 zustehende Urlaub wurde in Natura genommen. Hinsichtlich Ihres Guthabens aus dem Urlaubsausgleichskonto in Höhe von 244,80 Tagen werden wir uns nach Ihrem Ausscheiden mit Ihnen in Verbindung setzen.“
Das Problem bestand hier darin, dass das Urlaubsausgleichskonto zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung ein Guthaben von 244,80 Stunden auswies, was 10.903,39 EUR brutto entsprach. Diesen Betrag zahlte der Arbeitgeber auch. Die Arbeitnehmerin verlangte weitere 62.065,14 EUR brutto und berief sich dabei auf den Wortlaut des Aufhebungsvertrags, der ein Guthaben von 244,80 Tagen erwähnte. Das in der ersten Instanz mit der Klage befasste Arbeitsgericht Mainz gab dem Arbeitgeber recht (Urteil vom 09.11.2017, 9 Ca 493/17).
LAG Rheinland-Pfalz: Werden finanzielle Ansprüche in einem Aufhebungsvertrag versehentlich falsch bezeichnet, gilt der von den Parteien übereinstimmend gewollte Vertragsinhalt
Auch vor dem LAG Rheinland-Pfalz hatte die Klägerin kein Glück. Die Mainzer Richter wiesen ihre Berufung zurück und ließen die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zu. Zur Begründung heißt es:
Die Klägerin konnte sich zunächst einmal nicht auf die Betriebsvereinbarung zum Urlaubsausgleichskonto berufen. Denn darin war zwar ein Anspruch von ausscheidenden Arbeitnehmern auf Auszahlung offener Urlaubstage vorgesehen, doch hatte der Arbeitgeber unwidersprochen vorgetragen, dass das Guthaben der Klägerin auf ihrem Urlaubsausgleichskonto zuletzt nur 244,80 Stunden betrug und nicht etwa 244,80 Tage.
Somit kam es entscheidend darauf an, ob der streitige Anspruch von 62.065,14 EUR aus dem Aufhebungsvertrag folgte bzw. aus der hier enthaltenen Regelung, in der von einem Guthaben aus dem Urlaubsausgleichskonto „in Höhe von 244,80 Tagen“ die Rede war. Diese Regelung ist zwar, so das LAG, im Prinzip rechtsbegründend, hat aber nicht den von der Klägerin behaupteten Inhalt. Denn wenn hier von „244,80 Tagen“ anstatt von „244,80 Stunden“ die Rede ist (entsprechend dem tatsächlichen Urlaubsguthaben), liegt „ein offensichtlicher Fehler vor“, so das LAG.
Die Fehlerhaftigkeit und ihre Offensichtlichkeit für beide Vertragsparteien macht das LAG an folgenden Umständen fest: Es wurde in der vorbereitenden Korrespondenz, die dem Aufhebungsvertrag vorausging, immer nur über die Höhe der Abfindung verhandelt, nicht aber über die Höhe einer Urlaubsabgeltung. Diese sollte vielmehr nur „ordnungsgemäß abgerechnet“ werden und somit nach dem tatsächlichen Urlaubsguthaben der Arbeitnehmerin. Nach alledem gehörte der Umfang des Urlaubsguthabens nicht zur "Verhandlungsmasse", so die Mainzer Richter.
Das Urteil des LAG konnte im vorliegenden Streitfall kaum anders ausfallen. Der Arbeitgeber hatte nämlich unwidersprochen vorgetragen, dass die Arbeitnehmerin den aktuellen Stand ihres individuellen Urlaubsausgleichkontos jederzeit im betrieblichen Intranet einsehen konnte, und zwar auf der Intranet-Seite, auf der Urlaubsanträge zu stellen waren.
Demzufolge musste ihr klar sein, dass die unzutreffende Angabe eines Urlaubsguthabens von „244,80 Tagen“ im Aufhebungsvertrag richtigerweise im Sinne des tatsächlichen Urlaubsguthabens von 244,80 Stunden zu verstehen war. In diesem richtigen Sinne hatten demzufolge beide Parteien diese Falschbezeichnung verstanden, auch wenn die Klägerin im Nachhinein von diesem (ihrem) Verständnis nichts mehr wissen wollte.
Fazit: In Abwicklungsverträgen, Aufhebungsverträgen und arbeitsgerichtlichen Vergleichen sollten Ansprüche des Arbeitnehmers möglichst exakt festgehalten werden, um späteren Diskussionen über den Inhalt der Vereinbarung von vornherein den Boden zu entziehen. Es ist daher aus Arbeitnehmersicht ein Fehler, wenn dem Arbeitgeber in solchen Vereinbarungen die „ordnungsgemäße Abrechnung“ von Zahlungsansprüchen überlassen wird.
Auch eine Zeugnisnote „gut“ oder „sehr gut“ ist rechtlich wenig wert, da sie keinen klar definierten oder gar vollstreckbaren Inhalt hat. Anstelle solcher unklarer Formulierungen sollten Arbeitnehmer darauf bestehen, mit welchen genauen Formulierungen ihre Leistungen im Zeugnis zu bewerten sind und wie genau die abschließenden Dankes- und Bedauernsformel im Zeugnis zu lauten hat.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.11.2018, 5 Sa 173/18
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abwicklungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsvereinbarung
- Handbuch Arbeitsrecht: Gebot fairen Verhandelns
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohnklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaubsabgeltung
- Handbuch Arbeitsrecht: Zeugnis
- Tipps und Tricks: Aufhebungsvertrag - Checkliste
- Mustervertrag: Aufhebungsvertrag
- Mustervertrag: Aufhebungsvertrag Geschäftsführer
- Mustervertrag: Aufhebungsvertrag nach Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/073 Freistellung unter Anrechnung von Urlaub
- Arbeitsrecht aktuell: 18/086 Aufhebungsvertrag mit Abfindung für Betriebsrat
- Arbeitsrecht aktuell: 17/100 Herausgabe von Firmenunterlagen nach Aufhebungsvertrag und Freistellung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/070 Aufhebungsvertrag mit Klageverzicht nach Drohung mit Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/165 Aufhebungsvertrag, Sperrzeit und wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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