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Auf­he­bungs­ver­trag mit Kla­ge­ver­zicht nach Dro­hung mit Kün­di­gung

Kla­ge­ver­zichts­klau­seln nach An­dro­hung ei­ner Kün­di­gung sind nur wirk­sam, wenn die Dro­hung rech­tens war: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 12.03.2015, 6 AZR 82/14
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16.03.2015. Wer ei­ne Kün­di­gung er­hal­ten hat und sich mit dem Ar­beit­ge­ber in ei­nem Ab­wick­lungs­ver­trag über die Ein­zel­hei­ten der Ver­trags­be­en­di­gung ei­nigt, er­klärt im Ab­wick­lungs­ver­trag meist ei­nen Kla­ge­ver­zicht.

Durch ei­nen sol­chen Kla­ge­ver­zicht nach Er­halt ei­ner Kün­di­gung ver­liert man das Recht zu ei­ner Kün­di­gungs­schutz­kla­ge und er­hält im Ge­gen­zug be­stimm­te Ver­güns­ti­gun­gen, z.B. ei­ne Ab­fin­dung.

Aber kann man auch in ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag auf ei­ne Kla­ge ver­zich­ten bzw. wel­che Vor­aus­set­zun­gen hat ein sol­cher Kla­ge­ver­zicht? Zu die­ser Fra­ge hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) am Don­ners­tag letz­ter Wo­che Stel­lung ge­nom­men: BAG, Ur­teil vom 12.03.2015, 6 AZR 82/14.

Rechts­mit­tel­ver­zicht und/oder Kla­ge­ver­zicht im Auf­he­bungs­ver­trag - geht das?

Ar­beit­neh­mer, die ih­ren Ar­beit­ge­ber be­steh­len oder betrügen, ris­kie­ren ei­ne außer­or­dent­li­che und meist frist­los aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung. Geht es nur um ein Ba­ga­tell­de­likt, ist die­ses Ri­si­ko zwar ge­rin­ger, aber trotz­dem vor­han­den. Außer­dem dürfen Ar­beit­ge­ber nach der Recht­spre­chung ei­ne frist­lo­se Kündi­gung nicht nur bei ei­ner ein­deu­tig er­wie­se­nen Straf­tat, son­dern be­reits bei ei­nem drin­gen­den Tat­ver­dacht aus­spre­chen, nämlich als Ver­dachtskündi­gung.

Erfährt der Ar­beit­ge­ber von sol­chen Pflicht­verstößen (bzw. von ent­spre­chen­den Ver­dachts­mo­men­ten), be­drängt er den Ar­beit­neh­mer oft in über­ra­schend an­be­raum­ten Per­so­nal­gesprächen da­zu, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ab­zu­sch­ließen, und zwar hier und jetzt. Da­bei wird natürlich Druck aus­geübt: Um den Ar­beit­neh­mer zu ei­ner ra­schen Un­ter­schrift zu be­we­gen, dro­hen Ar­beit­ge­ber oft mit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung, mit Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen und ei­ner Straf­an­zei­ge für den Fall, dass der Ar­beit­neh­mer den Auf­he­bungs­ver­trag nicht un­ter­schrei­ben will.

Gibt der Ar­beit­neh­mer die­sem Druck nach und un­ter­schreibt, fragt sich später, ob er den Auf­he­bungs­ver­trag we­gen wi­der­recht­li­cher Dro­hung an­fech­ten und da­mit wie­der aus der Welt schaf­fen kann. Ein sol­ches Recht folgt aus § 123 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), setzt aber vor­aus, dass die vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­nen Dro­hun­gen

  • im Nach­hin­ein vor Ge­richt be­wie­sen wer­den können, z.B. durch ei­nen Zeu­gen­be­weis, und
  • dass die Dro­hun­gen „wi­der­recht­lich" im Sin­ne von § 123 Abs.1 BGB wa­ren, was nach der Recht­spre­chung nicht der Fall ist, wenn ein "vernünf­ti­ger Ar­beit­ge­ber" die Dro­hun­gen im kon­kre­ten Fall "ernst­haft in Erwägung zie­hen" konn­te.

An die­sen bei­den Vor­aus­set­zun­gen schei­tert die An­fech­tung ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags oft, und da ein ge­ne­rel­les Wi­der­rufs­recht bei Auf­he­bungs­verträgen nach der Recht­spre­chung oh­ne­hin nicht be­steht, gibt es im­mer wie­der Fälle, in de­nen Ar­beit­neh­mer durch ei­ne vor­schnel­le Un­ter­schrift ihr Ar­beits­verhält­nis zu ungüns­ti­gen Be­din­gun­gen per Auf­he­bungs­ver­trag be­en­det ha­ben und sich später ju­ris­tisch ab­stram­peln müssen, den Auf­he­bungs­ver­trag wie­der aus der Welt zu schaf­fen.

Über ei­nen sol­chen Fall hat­te letz­te Wo­che auch das BAG zu ent­schei­den, wo­bei die Be­son­der­heit die­ses Fal­les dar­in be­stand, dass der Ar­beit­neh­mer im Auf­he­bungs­ver­trag von vorn­her­ein auf ei­ne Kla­ge ver­zich­tet hat­te. Da­her stell­te sich hier die Fra­ge, ob ein sol­cher Ver­zicht wirk­sam ist.

Der Streit­fall: Langjährig beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer un­ter­schreibt Auf­he­bungs­ver­trag mit so­for­ti­ger Ver­trags­be­en­di­gung we­gen des Ver­dachts ei­nes ge­ringfügi­gen Dieb­stahls

Auslöser des Rechts­streits war, dass ein langjährig beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer im Ver­dacht stand, sei­nen Ar­beit­ge­ber, ein Un­ter­neh­men des Ein­zel­han­dels, durch ei­nen oder zwei Ba­ga­tell­diebstähle geschädigt zu ha­ben. Kon­kret ging es um zwei Tüten- bzw. Fer­tig­sup­pen, die der Ar­beit­neh­mer un­be­rech­tig­ter­wei­se in der Pau­se warm­ge­macht und ge­ges­sen ha­ben soll.

Nach­dem der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer in ei­nem ein­ein­halbstündi­gen Per­so­nal­gespräch mit die­sen Vorwürfen kon­fron­tiert und da­bei mit frist­lo­ser Kündi­gung und Straf­an­zei­ge ge­droht hat­te, un­ter­schrieb er ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag, der das Ar­beits­verhält­nis oh­ne Ab­fin­dung und mit Wir­kung vom sel­ben Tag be­en­den soll­te. In dem Ver­trag fin­den sich un­ter an­de­rem fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

"7. Der Ar­beit­neh­mer wur­de dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ver­bind­li­che Auskünf­te über so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Fol­gen die­ser Ver­ein­ba­rung, ins­be­son­de­re über Sperr- und Ru­he­zei­ten, nur die zuständi­ge Agen­tur für Ar­beit ge­ben kann.

8. Der Ar­beit­neh­mer ver­zich­tet aus­drück­lich auf Be­denk­zeit, die Möglich­keit ei­nes Wi­der­rufs so­wie auf wei­te­re Hin­wei­se der Ar­beit­ge­be­rin bezüglich et­wai­ger ar­beits-, steu­er- so­wie so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­cher Kon­se­quen­zen aus die­sem Auf­he­bungs­ver­trag.

9. Die Ver­trags­par­tei­en ver­zich­ten auf die Ein­le­gung von Rechts­mit­teln (Kla­ge etc.)."

Der Ar­beit­neh­mer ging zum An­walt, der den Ver­trag an­focht, sich außer­dem auf des­sen "Sit­ten­wid­rig­keit" be­rief und den Ar­beit­ge­ber auf­for­der­te, den Ver­trag als ge­gen­stands­los an­zu­se­hen und das Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen.

Ei­ne aus­drück­li­che und un­miss­verständ­li­che Be­zug­nah­me auf das (hier aus­nahms­wei­se be­ste­hen­de) ta­rif­ver­trag­li­che Wi­der­rufs­recht gemäß § 11 Abs.10 des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für den Ein­zel­han­del in Nord­rhein-West­fa­len ent­hielt das An­walts­schrei­ben al­ler­dings nicht. Die­se Vor­schrift lau­tet:

"Auflösungs­verträge bedürfen der Schrift­form. Je­de der Par­tei­en kann ei­ne Be­denk­zeit von 3 Werk­ta­gen in An­spruch neh­men. Ein Ver­zicht hier­auf ist schrift­lich zu erklären."

Nach der Recht­spre­chung des BAG, die zu die­ser be­reits seit Jahr­zehn­ten be­ste­hen­den Ta­rif­vor­schrift er­gan­gen ist, die die ta­rif­li­che "Be­denk­zeit" im Sin­ne ei­nes Wi­der­rufs­rechts zu ver­ste­hen, das bin­nen drei Ta­gen durch ent­spre­chen­de Erklärung aus­geübt wer­den kann. Außer­dem kann der Ver­zicht auf die­ses Wi­der­rufs­rechts in den Auf­he­bungs­ver­trag auf­ge­nom­men wer­den, d.h. ei­ne ge­son­der­te Erklärung (in ei­nem ge­trenn­ten Schriftstück) ist nicht er­for­der­lich.

Der Ar­beit­neh­mer klag­te auf die Fest­stel­lung, dass das Ar­beits­verhält­nis wei­ter fort­be­steht, und hat­te da­mit vor dem Ar­beits­ge­richt erst ein­mal kei­nen Er­folg (Ar­beits­ge­richt Gel­sen­kir­chen, Ur­teil vom 28.05.2013, 1 Ca 157/13). Da­ge­gen gab das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm der Kla­ge statt, wo­bei es mein­te, der Kla­ge­ver­zicht sei eben­so un­wirk­sam wie der Ver­zicht auf das ta­rif­li­che Wi­der­rufs­recht, und da der Kläger von dem ta­rif­li­chen Wi­der­rufs­recht Ge­brauch ge­macht ha­be, sei der Auf­he­bungs­ver­trag recht­lich be­sei­tigt (LAG Hamm, Ur­teil vom 07.11.2013, 16 Sa 879/13).

BAG: Kla­ge­ver­zichts­klau­seln in Auf­he­bungs­verträgen, die nach An­dro­hung ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung ver­ein­bart wur­den, sind nur wirk­sam, wenn die Dro­hung nicht wi­der­recht­lich war

Das BAG hob das LAG-Ur­teil auf und ver­wies den Rechts­streit zurück an das LAG, um dem LAG Ge­le­gen­heit zu ge­ben, die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne mögli­che An­fech­tung des Auf­he­bungs­ver­trags gemäß § 123 Abs.1 BGB zu über­prüfen.

Denn das ta­rif­li­che Wi­der­rufs­recht, so das BAG in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung, hat­te der Ar­beit­neh­mer gar nicht aus­geübt bzw. kei­nen sol­chen Wi­der­ruf erklärt. Des­halb brauch­te sich das BAG über die Fra­ge kei­ne Ge­dan­ken, ob der Ar­beit­neh­mer auf die­ses ta­rif­li­che Recht im Auf­he­bungs­ver­trag wirk­sam ver­zich­tet hat­te oder nicht. Kri­tisch ist hier an­zu­mer­ken, dass die­se Aus­le­gung der im An­walts­schrei­ben erklärten An­fech­tung ein biss­chen eng­her­zig ist.

Ob der vom Ar­beit­neh­mer im Auf­he­bungs­ver­trag erklärte Kla­ge­ver­zicht wirk­sam ist oder nicht, ließ das BAG of­fen bzw. über­trug die Be­ant­wor­tung die­ser Fra­ge dem LAG. Denn hier gibt es laut BAG zwei Möglich­kei­ten:

  • Ent­we­der die An­dro­hung der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung durch den Ar­beit­ge­ber war nicht "wi­der­recht­lich" im Sin­ne von § 123 Abs.1 BGB, weil sie ein "verständi­ger Ar­beit­ge­ber" in der ge­ge­be­nen Si­tua­ti­on "ernst­haft in Erwägung zie­hen" konn­te. Dann war auch der Kla­ge­ver­zicht kei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des Rechts der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB), d.h. im Sin­ne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
  • Oder die An­dro­hung der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung durch den Ar­beit­ge­ber war "wi­der­recht­lich" im Sin­ne von § 123 Abs.1 BGB, weil ei­ne sol­che Kündi­gung of­fen­sicht­lich nicht ernst­haft in Be­tracht ge­zo­gen wer­den konn­te. Dann war auch der Kla­ge­ver­zicht un­wirk­sam, weil er als un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers ge­gen § 307 Abs.1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt.

Da­mit hängen Wirk­sam­keit des Kla­ge­ver­zichts und Wirk­sam­keit der An­fech­tungs­erklärung von der­sel­ben Fra­ge ab, nämlich von der Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber zu ei­ner Dro­hung mit ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung be­rech­tigt war bzw. die­se ernst­haft in Erwägung zie­hen durf­te oder ob die­se Droh­gebärde "wi­der­recht­lich" war. Im Er­geb­nis, so die Er­fur­ter Rich­ter, "teilt da­mit die Kla­ge­ver­zichts­klau­sel das recht­li­che Schick­sal des Auf­he­bungs­ver­trags".

Die­se Aus­sa­gen des BAG zum Kla­ge­ver­zicht gel­ten wohl auch für den Ver­zicht auf das An­fech­tungs­recht selbst, d.h. auf ein ma­te­ri­ell-recht­li­ches Ge­stal­tungs­recht, das hier im Streit­fall eben­falls Be­stand­teil des vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­ten Ver­trags war.

Fa­zit: Auf­he­bungs­verträge sind et­was an­de­res als Ab­wick­lungs­verträge, die nach Er­halt ei­ner ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Kündi­gung ab­ge­schlos­sen wer­den und die Fol­gen die­ser Kündi­gung re­geln, d.h. die wei­te­re Ab­wick­lung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Wer in ei­nem Ab­wick­lungs­ver­trag auf ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge ver­zich­tet, gibt als Ar­beit­neh­mer et­was her, denn in­fol­ge der Kündi­gung be­steht ein Kla­ge­recht. Da­her sind Ab­wick­lungs­verträge mit Kla­ge­ver­zichts­klau­seln oh­ne je­de Ge­gen­leis­tung nicht möglich, weil ein sol­cher Kla­ge­ver­zicht ei­ne "un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung" (§ 307 Abs.1 BGB) des Ar­beit­neh­mers dar­stellt (BAG, Ur­teil vom 06.09.2007, 2 AZR 722/06, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 07/44 Bei Kündi­gung kein Kla­ge­ver­zicht oh­ne Ge­gen­leis­tung).

Das ist bei Auf­he­bungs­verträgen an­ders, die auch aus die­sem Grun­de für den Ar­beit­neh­mer meist gefähr­li­cher sind als je­de an­de­re Form der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Wie der ak­tu­el­le Fall wie­der ein­mal deut­lich macht, können Auf­he­bungs­verträge, mit de­nen der Ar­beit­ge­ber auf den Ver­dacht von Pflicht­verstößen re­agiert, ex­trem ein­sei­tig zu­guns­ten es Ar­beit­ge­bers aus­ge­stal­tet sein. Wer ei­nen sol­chen Ver­trag in ei­nem Per­so­nal­gespräch mit Über­rum­pe­lungs­cha­rak­ter als Ar­beit­neh­mer "hier und jetzt" un­ter­schreibt, macht prak­tisch im­mer ei­nen Feh­ler.

Und auch im vor­lie­gen­den Fall ist es kei­nes­wegs si­cher, wie der Pro­zess aus­geht, denn dass ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung hier we­nig Er­folgs­aus­sich­ten ge­habt hätte, be­sagt ge­ra­de nicht, dass der Ar­beit­ge­ber sie noch nicht ein­mal "in Be­tracht zie­hen" durf­te. Es spricht ei­ni­ges dafür, dass die ent­spre­chen­de Dro­hung hier er­laubt bzw. nicht wi­der­recht­lich im Sin­ne von § 123 Abs.1 BGB war.

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Letzte Überarbeitung: 13. November 2020

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