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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/048

An­fech­tung ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags weil kein An­walt an­we­send war?

Ar­beit­neh­mer, die ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag un­ter­schrei­ben, müs­sen sich selbst um ei­nen An­walt küm­mern: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Ur­teil vom 09.06.2011, 15 Sa 410/11
Schreiben der Agentur für Arbeit mit rotem Stempelaufdruck GESPERRT, Holzstempel Beim Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges droht ei­ne Sperr­zeit

31.01.2012. Mit ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag be­en­den Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber „ein­ver­nehm­lich“ das Ar­beits­ver­hält­nis. Prak­tisch sieht die­ses Ein­ver­neh­men aber oft so aus, dass der Ar­beit­neh­mer un­vor­be­rei­tet zu ei­nem Per­so­nal­ge­spräch ge­be­ten und dort - für ihn über­ra­schend - mit dem Vor­schlag ei­ner Ver­trags­be­en­di­gung kon­fron­tiert wird. Und da­bei kommt es auch oft vor, dass der Ar­beit­neh­mer mit Vor­wür­fen kon­fron­tiert wird, die An­lass für die Ver­trags­be­en­di­gung sind. Und da­bei wird er na­tür­lich zur Un­ter­schrift ge­drängt.

Ob­wohl sol­che Prak­ti­ken nicht ge­ra­de fair sind, sind die Auf­he­bungs­ver­trä­ge trotz­dem „was­ser­dicht“. So ent­schied z.B. das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm, dass der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer nicht von sich aus die Bei­zie­hung ei­nes An­walts er­mög­li­chen muss (Ur­teil vom 09.06.2011, 15 Sa 410/11).

Kommt man von ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag wie­der los, weil man kei­nen An­walt hin­zu­ge­zo­gen hat?

Ein Auf­he­bungs­ver­trag ist aus Ar­beit­ge­ber­sicht ei­ne gu­te Möglich­keit, die fi­nan­zi­el­len Ri­si­ken ei­ner Kündi­gung zu ver­mei­den. Denn im Fal­le ei­ner Kündi­gung müss­te der Ar­beit­ge­ber vor Ge­richt die Wirk­sam­keit der Kündi­gung dar­le­gen, während ein Auf­he­bungs­ver­trag erst ein­mal ju­ris­tisch steht. Wenn der Ar­beit­neh­mer meint, er sei un­wirk­sam, muss er das be­wei­sen.

Trotz­dem kann ein Auf­he­bungs­ver­trag auch für Ar­beit­neh­mer in­ter­es­sant sein, da Ar­beit­ge­ber im All­ge­mei­nen da­zu be­reit sind, für die­se "smar­te Be­en­di­gungs­va­ri­an­te" Ge­gen­leis­tun­gen zu er­brin­gen, vor al­lem natürlich in Form ei­ner (erhöhten) Ab­fin­dung und/oder ei­ner Auf­bes­se­rung des Zeug­nis­ses. Um sol­che Chan­cen wahr­zu­neh­men, ist je­doch recht­li­ches Fach­wis­sen und Ver­hand­lungs­ge­schick er­for­der­lich, auch um Nach­tei­le in Form ei­ner Sperr­zeit zu ver­mei­den.

Für Ar­beit­neh­mer führen Auf­he­bungs­verträge, die sie un­ter Zeit­druck und oh­ne Un­terstützung durch ei­nen An­walt ab­ge­schlos­sen ha­ben, da­her oft in ei­ne fi­nan­zi­el­le und/oder be­ruf­li­che Ka­ta­stro­phe. Trotz­dem ha­ben Ar­beit­neh­mer nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) kein all­ge­mei­nes Wi­der­rufs­recht, wenn sie im Be­trieb über­rum­pelt und zum ra­schen Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags ge­drängt wur­den.

Auch ei­ne An­fech­tung we­gen ei­ner wi­der­recht­li­chen Drob­hung schei­det meist aus, schon ein­fach des­halb, weil Ar­beit­neh­mer so et­was nicht be­wei­sen können. Aber trifft den Ar­beit­ge­ber viel­leicht ei­ne Art "Pflicht zum fai­ren Ver­han­deln", kraft de­ren er von sich aus vor­schla­gen muss, dass sich der Ar­beit­neh­mer an­walt­lich be­ra­ten lässt? Das LAG Hamm meint "Nein".

LAG Hamm: Kei­ne An­fech­tung ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges, weil der Ar­beit­neh­mer kei­nen An­walt hat­te

Im Streit­fall wur­de ei­ne über zehn Jah­re beschäftig­te Ar­beit­neh­me­rin, die aus Sicht des Ar­beit­ge­bers bei ei­nem Ver­kaufs­vor­gang ei­nen Feh­ler be­gan­gen hat­te, zu ei­nem Per­so­nal­gespräch ge­be­ten. Dort schlug man ihr den Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags vor. Der Ver­trag sah kei­ne Ab­fin­dung vor, ent­hielt aber im­mer­hin die Re­ge­lung, dass der Ar­beit­ge­ber kei­ne Scha­dens­er­satzsprüche gel­tend ma­chen würde.

Dar­auf­hin un­ter­schrieb die Ar­beit­neh­me­rin, oh­ne Be­denk­zeit und oh­ne Bei­zie­hung ei­nes An­walts. Der Ar­beit­ge­ber sei­ner­seits hat­te al­ler­dings ei­nen An­walt hin­zu­ge­zo­gen, der den Auf­he­bungs­ver­trag aus­ge­ar­bei­tet hat­te und auch bei dem Per­so­nal­gespräch das Wort führ­te.

Kurz dar­auf erklärte sie die An­fech­tung des Auf­he­bungs­ver­trags. Da­bei be­rief sie sich dar­auf, dass der Ar­beit­ge­ber ge­gen ei­ne „Pflicht zum fai­ren Ver­han­deln“ ver­s­toßen hat­te, da er selbst an­walt­lich ver­tre­ten war, aber der Ar­beit­neh­me­rin ei­ne an­walt­li­che Un­terstützung nicht ermöglicht hat­te. Das über­zeug­te zwar das Ar­beits­ge­richt Pa­der­born (Ur­teil vom 16.02.2011, 2 Ca 1818/120), aber nicht das LAG Hamm. Be­gründung des LAG: Sie selbst hat­te ja noch nicht ein­mal an­walt­li­chen Bei­stand ge­for­dert, und auf­grund des ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Ver­zichts auf Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen hat­te sie auch "et­was er­hal­ten" - zwar kei­ne Ab­fin­dung, aber im­mer­hin recht­li­che Si­cher­heit.

Fa­zit: Ar­beit­neh­mern kann nur im­mer er­neut und drin­gend da­zu ge­ra­ten wer­den, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag nie­mals so­fort zu un­ter­schrei­ben, son­dern im­mer erst, nach­dem man die Sa­che "über­schla­fen“ hat. Denn so pin­ge­lig und kri­tisch die Ar­beits­ge­rich­te bei der recht­li­chen Über­prüfung ar­beit­ge­ber­sei­ti­ger Kündi­gun­gen sind - ge­gen Auf­he­bungs­verträge ist meist kein Kraut ge­wach­sen.

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Letzte Überarbeitung: 14. Februar 2019

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