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ARBEITSRECHT AKTUELL // 18/086

Auf­he­bungs­ver­trag mit Ab­fin­dung für Be­triebs­rat

Er­hal­ten Be­triebs­rats­mit­glie­der per Auf­he­bungs­ver­trag hö­he­re Ab­fin­dun­gen als „nor­ma­le“ Ar­beit­neh­mer, ist dies im All­ge­mei­nen kei­ne ver­bo­te­ne Be­güns­ti­gung: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom ei­nen 20.03.2018, 7 AZR 590/16
Geld schenken, Geldscheine übergeben

06.04.2018. Mit­glie­der des Be­triebs­rats füh­ren ihr Amt ge­mäß § 37 Abs.1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) un­ent­gelt­lich als Eh­ren­amt.

Da­her er­hal­ten sie für ihr En­ga­ge­ment im Be­triebs­rat kei­ne be­son­de­re Be­zah­lung. Statt­des­sen muss der Ar­beit­ge­ber Be­triebs­rä­ten die ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ver­gü­tung oh­ne Ab­stri­che auch für die Zei­ten ge­wäh­ren, in de­nen sie auf­grund ih­res Am­tes nicht ar­bei­ten kön­nen (§ 37 Abs.2, 3 und 4 Be­trVG).

Dem­ent­spre­chend dür­fen Be­triebs­rats­mit­glie­der ge­mäß § 78 Satz 2 Be­trVG we­gen ih­rer Tä­tig­keit we­der be­nach­tei­ligt noch be­güns­tigt wer­den dür­fen.

In ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) klar­ge­stellt, dass ei­ne at­trak­ti­ve Ab­fin­dung, die ein Be­triebs­rats­mit­glied in ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag zu­ge­stan­den wird, im All­ge­mei­nen noch kei­ne ver­bo­te­ne Be­güns­ti­gung im Sin­ne von § 78 Satz 2 Be­trVG ist: BAG, Ur­teil vom ei­nen 20.03.2018, 7 AZR 590/16 (Pres­se­mit­tei­lung des Ge­richts).

Sind Auf­he­bungs­verträge mit ho­hen Ab­fin­dun­gen recht­lich an­greif­bar, wenn es um Be­triebs­rats­mit­glie­der geht?

Für Auf­he­bungs­verträge gilt im Prin­zip die­sel­be Ver­trags­frei­heit wie für Ar­beits­verträge, ab­ge­se­hen da­von, dass Auf­he­bungs­verträge gemäß § 623 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) zwin­gend schrift­lich ver­ein­bart wer­den müssen, wo­hin­ge­gen Ar­beits­verträge auch form­frei („ per Hand­schlag“) ab­ge­schlos­sen wer­den können.

Mit ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag kann man da­her auch lan­ge be­ste­hen­de Ar­beits­verträge schnell und unbüro­kra­tisch be­en­den. Da­bei ist es den Ver­trags­par­tei­en auf­grund ih­rer Ver­trags­frei­heit über­las­sen, ob und wel­che Vergüns­ti­gun­gen der Auf­he­bungs­ver­trag für den Ar­beit­neh­mer vor­sieht. Dem­ent­spre­chend gibt es Auf­he­bungs­verträge mit und oh­ne Ab­fin­dung, mit und oh­ne be­zahl­te Frei­stel­lung so­wie mit und oh­ne die Zu­si­che­rung ei­nes gu­ten Zeug­nis­ses.

Da für Auf­he­bungs­verträge im We­sent­li­chen das all­ge­mei­ne Ver­trags­recht gilt, ha­ben es Ar­beit­neh­mer schwer, von ih­nen per An­fech­tung oder Wi­der­ruf los­zu­kom­men. Denn ein Wi­der­rufs­recht be­steht nach der Recht­spre­chung nicht, und für die An­fech­tung ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges müss­te der Ar­beit­neh­mer be­wei­sen, dass er vom Ar­beit­ge­ber bei Ver­trags­schluss arg­lis­tig getäuscht oder in wi­der­recht­li­cher Wei­se be­droht wor­den ist (§ 123 Abs.1 BGB). Da ein sol­cher Nach­weis prak­tisch nie ge­lingt, sind Ar­beit­neh­mer an ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ge­bun­den, wenn sie ihn ein­mal un­ter­schrie­ben ha­ben.

Ei­nen spe­zi­el­len An­griffs­punkt bie­tet aber mögli­cher­wei­se § 78 Satz 2 Be­trVG, wo­nach Be­triebs­rats­mit­glie­der „we­gen ih­rer Tätig­keit nicht be­nach­tei­ligt oder begüns­tigt wer­den“ dürfen. Hier könn­te man ar­gu­men­tie­ren, dass „ex­trem ho­he“ Ab­fin­dun­gen, die der Ar­beit­ge­ber in ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag mit ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied zu­ge­steht, ei­ne gemäß § 78 Satz 2 Be­trVG un­zulässi­ge Begüns­ti­gung des Be­triebs­rats­mit­glieds we­gen sei­ner Tätig­keit dar­stellt. Ein sol­cher Ge­set­zes­ver­s­toß wie­der­um hätte zur Fol­ge, dass der Auf­he­bungs­ver­trag nich­tig ist (§ 134 BGB).

Der Fall: 31 Jah­re lang beschäftig­ter Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der mit ei­nem Ge­halt von knapp 5.000,00 EUR brut­to ver­ein­bart ei­ne Ab­fin­dung von 120.000 Eu­ro net­to

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer war seit 1983 bei der Be­klag­ten Ar­beit­ge­ber beschäftigt. Seit 2006 war er Vor­sit­zen­der des Be­triebs­rats.

Im Som­mer 2013 er­hob der Ar­beit­ge­ber gra­vie­ren­de Vorwürfe ge­gen den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den. An­geb­lich soll er weib­li­che Beschäftig­te se­xu­ell belästigt ha­ben. In­fol­ge­des­sen er­teil­te der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den ein Haus- und Werks­ver­bot.

Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de be­stritt die Vorwürfe, und auch der Be­triebs­rat als Gre­mi­um stell­te sich hin­ter sei­nen Vor­sit­zen­den. Er ver­wei­ger­te da­her die vom Ar­beit­ge­ber er­be­te­ne, recht­lich er­for­der­li­che Zu­stim­mung zu ge­plan­ten frist­lo­sen Kündi­gung, so dass der Ar­beit­ge­ber im Ju­li 2013 ein ar­beits­ge­richt­li­ches Ver­fah­ren auf Zu­stim­mungs­er­set­zung gemäß § 103 Abs.2 Be­trVG ein­lei­te­te.

Vor dem Hin­ter­grund die­ses Ver­fah­rens ver­ein­bar­ten die Par­tei­en am 22.07.2013 ei­nen außer­ge­richt­li­chen Auf­he­bungs­ver­trag. Die­ser re­gel­te u.a. die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nach lan­ger Aus­lauf­frist zum 31.12.2015, die be­zahl­te Frei­stel­lung bis da­hin so­wie ei­ne (noch während des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­zu­zah­len­de) Ab­fin­dung von 120.000,00 EUR net­to. Außer­dem ver­pflich­te­te sich der Kläger, um­ge­hend von sei­nem Be­triebs­rats­amt zurück­zu­tre­ten.

Noch während der Ab­wick­lung des Rest­ar­beits­verhält­nis­ses bzw. des Auf­he­bungs­ver­tra­ges (aber nach Er­halt der Ab­fin­dung) woll­te der Ex-Be­triebs­rat die ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen nicht mehr gel­ten las­sen und klag­te da­her im Som­mer 2014 auf die ge­richt­li­che Fest­stel­lung, dass der Auf­he­bungs­ver­trag nich­tig sei. Sein Ar­gu­ment: Der Auf­he­bungs­ver­trag begüns­ti­ge ihn als Be­triebs­rats­mit­glied in un­zulässi­ger Wei­se, d.h. ent­ge­gen § 78 Satz 2 Be­trVG, und sei da­her gemäß § 134 BGB nich­tig.

Mit die­ser Kla­ge hat­te er we­der vor dem Ar­beits­ge­richt Saarbrücken (Ur­teil vom 13.03.2015, 3 Ca 845/14) noch in der Be­ru­fung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Saar­land Er­folg (LAG Saar­land, Ur­teil vom 22.06.2016, 1 Sa 63/15).

BAG: Greift der Ar­beit­ge­ber beim Auf­he­bungs­ver­trag mit ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied tie­fer in die Ta­sche, stellt dies im All­ge­mei­nen noch kei­ne ver­bo­te­ne Begüns­ti­gung dar

Auch in Er­furt vor dem BAG zog der Ex-Be­triebs­rat den Kürze­ren. Wie be­reits die bei­den Vor­in­stan­zen mein­ten auch die Er­fur­ter Rich­ter, dass der Auf­he­bungs­ver­trag rech­tens war. Zur Be­gründung heißt es in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG:

Will der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis mit ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied ver­hal­tens­be­dingt und da­her außer­or­dent­lich kündi­gen und hat er dafür be­reits ein ar­beits­ge­richt­li­ches Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet, stellt ein par­al­lel da­zu ver­ein­bar­ter Auf­he­bungs­ver­trag mit großzügi­ger Ab­fin­dung im All­ge­mei­nen kei­ne un­zulässi­ge Begüns­ti­gung im Sin­ne von § 78 Satz 2 Be­trVG dar.

Denn durch den Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges wer­den Be­triebs­rats­mit­glie­der im All­ge­mei­nen nicht un­zulässig begüns­tigt, so die Er­fur­ter Rich­ter. Das gilt auch dann, wenn die Ver­hand­lungs­po­si­ti­on des Be­triebs­rats güns­ti­ger als die ei­nes ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mers oh­ne Be­triebs­rats­amt ist.

Denn ei­ne sol­che fi­nan­zi­el­le Bes­ser­stel­lung be­ruht auf dem ge­setz­li­chen Aus­schluss der or­dent­li­chen Künd­bar­keit von Be­triebs­rats­mit­glie­dern gemäß § 15 Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) und der ergänzen­den Re­ge­lung in § 103 Be­trVG, wo­nach auch ei­ne außer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kündi­gung ge­genüber Be­triebs­rats­mit­glie­dern nur möglich ist, wenn der Be­triebs­rat (als Gre­mi­um) zu­vor zu­ge­stimmt hat.

Der Ent­schei­dung des BAG ist zu­zu­stim­men, denn mit Ab­fin­dungs­zah­lun­gen kauft sich der Ar­beit­ge­ber im All­ge­mei­nen von dem Ri­si­ko los, in­fol­ge ei­ner un­wirk­sa­men Kündi­gung für länge­re Zeit mit un­ge­woll­ten Lohn­kos­ten be­las­tet zu sein. Für ei­ne ge­plan­te ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds er­gibt sich die­ses fi­nan­zi­el­le Ri­si­ko aus der ar­beits­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung, der zu­fol­ge der Ar­beit­ge­ber da­zu ver­pflich­tet ist, ei­nem Be­triebs­rats­mit­glied während der Dau­er des ge­richt­li­chen Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens die Vergütung zu be­zah­len.

Im vor­lie­gen­den Fall wäre der Ar­beit­ge­ber da­her mit vor­aus­sicht­li­chen künf­ti­gen Lohn­kos­ten für ein bis zwei Jah­re be­las­tet ge­we­sen (denn die­se Zeit ist für ein Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren über zwei In­stan­zen ein­zu­pla­nen), wo­bei der Aus­gang des Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens im Som­mer 2013 noch völlig of­fen war. Wäre das Ver­fah­ren am En­de die­ses Zeit­raums zu­guns­ten des Be­triebs­rats aus­ge­gan­gen, wäre der Ar­beit­ge­ber mit wei­te­ren Lohn­kos­ten be­las­tet ge­we­sen. Hin­zu käme dann auch der öffent­li­che Ge­sichts­ver­lust, den der Ar­beit­ge­ber bei ei­nem sol­chen Ver­fah­rens­aus­gang er­lei­den würde.

Vor die­sem Hin­ter­grund bleibt die hier ver­ein­bar­te Net­to-Ab­fin­dung von 120.000 EUR net­to, die et­wa 200.000 EUR brut­to ent­spricht, an­ge­sichts des Mo­nats­lohns von knapp 5.000 EUR und ei­ner Beschäfti­gungs­zeit von 31 Jah­ren im Rah­men, denn sie ent­spricht (als Brut­to-Ab­fin­dung) ei­nem Fak­tor von 1,3 Gehältern pro Beschäfti­gungs­jahr. Sol­che Ab­fin­dun­gen können Ar­beit­neh­mer, wenn sie ge­schickt ver­han­deln, durch­aus auch oh­ne Be­triebs­rats­amt er­zie­len.

Fa­zit: Für Auf­he­bungs­verträge gilt der Grund­satz der Ver­trags­frei­heit, so dass Ab­fin­dun­gen nach oben hin im All­ge­mei­nen kei­ne Gren­zen ge­setzt sind. Das gilt auch für Auf­he­bungs- und Ab­fin­dungs­ver­ein­ba­run­gen mit Be­triebs­rats­mit­glie­dern.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 1. Juli 2019

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