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Urlaub bei Dauerkrankheit verfällt nach 15 Monaten
07.08.2012. Im Allgemeinen verfällt der gesetzliche Urlaub ersatzlos, wenn er nicht bis zum Jahresende genommen wird. Das gilt aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht für den Urlaub, den Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung nicht nehmen konnten.
Allerdings darf das „Ansparen“ von Urlaubsansprüchen bei langer Erkrankung zeitlich begrenzt werden. Das entschied der EuGH Ende 2011 in einem Fall, in dem es um eine tarifvertragliche Verfallsfrist von 15 Monaten (gerechnet ab dem Ende des Urlaubsjahres) ging. Eine solche zeitliche Begrenzung des Urlaubsschutzes in Krankheitsfällen hielt der EuGH für europarechtlich zulässig (EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte).
Wie diese europarechtliche Begrenzung des Schutzes erkrankter Arbeitnehmer in Deutschland umgesetzt werden könnte, ist seit diesem Urteil umstritten. Denn das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) enthält eine solche Spezielregelung für Krankheitsfälle nicht. Trotzdem hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil vom heutigen Tage zugunsten der Arbeitgeberseite entschieden, dass der in Krankheitsfällen "angesparte" Urlaub allgemein, d.h. auch ohne eine tarifvertragliche Regelung, 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfällt, d.h. zum 31. März des übernächsten Jahres: BAG, Urteil vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10.
- Gibt es eine allgemeine Grenze für das Ansammeln von Urlaub bei langer Krankheit?
- Der Streitfall: Lange erkrankte Arbeitnehmerin bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente und möchte für vier Jahre und drei Monate Urlaubsabgeltung
- BAG: Der Urlaub langzeitig erkrankter Arbeitnehmer verfällt generell 15 Monate nach dem Urlaubsjahr, d.h. zum 31. März des übernächsten Jahres
Gibt es eine allgemeine Grenze für das Ansammeln von Urlaub bei langer Krankheit?
Seinen Urlaub muss man im laufenden Kalenderjahr nehmen. Das schreibt § 7 Abs.3 BUrlG vor. Und auch in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen einer Übertragung des Urlaubs verfällt der Urlaub zum 31. März im Folgejahr, wenn er nicht bis dahin genommen wurde.
Hinter diesen Regelungen steht aber Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG. Er schreibt für alle Arbeitnehmer, auch die lange erkrankten, einen Mindesturlaub von vier Wochen vor. Diese Richtlinie verbietet nach Auffassung des EuGH, dass Urlaub infolge einer langen Krankheit verfällt (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff). Das BAG setzte dieses EuGH-Urteil durch eine Uminterpretation von § 7 Abs.3 BUrlG in deutsches Recht um (BAG, Urteil vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07).
Seitdem gilt der 31. März des Folgejahres nicht mehr als zeitliches Rasiermesser für den Vorjahresurlaub, den erkrankte Arbeitnehmer wegen ihrer Krankheit nicht nehmen konnten. Und dementsprechend sieht es seitdem so aus, als könnten langjährig erkrankte Arbeitnehmer "endlos" Urlaub ansammeln.
Dann allerdings stellte der EuGH zugunsten der Arbeitgeber klar, dass das Europarecht ein solches unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen nicht verlangt. Daher kann z.B. ein Tarifvertrag den Urlaub 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres verfallen lassen (Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte).
Einige Gerichte und Autoren meinen, man könnte auf der Grundlage des EuGH-Urteils in Sachen KHS (C-214/10) das BUrlG jetzt nochmals anders „auslegen“, nämlich in dem Sinne, dass krankheitsbedingt angesammelter Urlaub eben entsprechend der aktuellen EuGH-Rechtsprechung 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfällt. Dagegen spricht allerdings, dass im BUrlG von einer solchen 15-Monatsgrenze für Krankheitsfälle nichts steht.
Der Streitfall: Lange erkrankte Arbeitnehmerin bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente und möchte für vier Jahre und drei Monate Urlaubsabgeltung
Im Streitfall ging es um eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin mit einem Grad der Behinderung von 50. Sie war vom 01.07.2001 bis zum 31.03.2009 in einer Rehabilitationsklinik beschäftigt. Die meiste Zeit des Beschäftigungsverhältnisses über war sie aber nicht bei der Arbeit, da sie im Jahr 2004 erkrankte und ab Mitte Dezember 2004 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezog. Daher nahm sie bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31.03.2009 ihre Arbeit nicht mehr auf.
Da der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden war, ruhte das Arbeitsverhältnis während des Rentenbezugs. Außerdem sieht der TVöD vor, dass während eines solchen Ruhens der Urlaub (einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs) für jeden Kalendermonat des Ruhens um ein Zwölftel gekürzt wird.
Die Arbeitnehmerin verlangte für die Jahre 2005 bis 2009 Abgeltung von insgesamt 149 Urlaubstagen, immerhin 18.841,05 EUR brutto. Das Arbeitsgericht Freiburg (Urteil vom 21.07.2009, 7 Ca 198/09) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg gaben der Klage überwiegend statt: Sie verurteilten den Arbeitgeber zur Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs von 20 Tagen pro Jahr und des fünftägigen Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen, d.h. zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung von 13.403,70 EUR brutto (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom Urteil vom 29.04.2010, 11 Sa 64/09).
Das LAG begründete seine Entscheidung im wesentlichen mit dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH. Außerdem meinte es, eine allgemeine zeitliche Begrenzung des Ansammelns von Urlaub bei langer Krankheit sei dem BUrlG nicht zu entnehmen. Und auch das vom TVöD angeordnete "Ruhen" des Arbeitsverhältnisses infolge der Berentung führte nach Ansicht des LAG nicht dazu, dass die Arbeitnehmerin keine Urlaubsansprüche für die Dauer ihrer Erwerbsunfähigkeit ansammeln konnte. Denn zwischen Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit besteht kein großer Unterschied, so dass das Schultz-Hoff-Urteil des EuGH auch auf Fälle der Erwerbsunfähigkeit anzuwenden ist, so das LAG.
BAG: Der Urlaub langzeitig erkrankter Arbeitnehmer verfällt generell 15 Monate nach dem Urlaubsjahr, d.h. zum 31. März des übernächsten Jahres
An dieser Stelle machte das BAG zwar mit, d.h. es stellte zugunsten der Arbeitnehmerin klar, dass das rentenbedingte Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses kein Hinderungsgrund für das Ansammeln von Urlaubsansprüchen in den Jahren der Krankheit und/oder Erwerbsunfähigkeit ist.
Davon konnte sich die Klägerin aber letztlich "nichts kaufen", denn die zu ihren Gunsten angesammelten Urlaubsansprüche gingen laut BAG jeweils zum 31. März des übernächsten Jahres unter. Konkret verfielen die Urlaubsansprüche für 2005 am 31. März 2007, die Urlaubsansprüche für 2006 am 31. März 2008 und die Urlaubsansprüche für 2007 am 31. März 2009. Übrig blieben daher nur die Urlaubsansprüche für 2008 und für das erste Quartal 2009. Daher sprach das BAG der Arbeitnehmerin letztlich nur 3.919,95 EUR brutto zu.
Zur Begründung seiner zentralen Aussage, dass Urlaub in Krankheitsfällen generell, d.h. auch ohne entsprechende tarifliche Regelung zum 31. März des übernächsten Jahres verfällt, heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
"Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist § 7 Abs.3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, unionsrechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Der EuGH hat in der KHS-Entscheidung vom 22. November 2011 seine Rechtsprechung bezüglich des zeitlich unbegrenzten Ansammelns von Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer geändert und den Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht beanstandet."
Fazit: Die Linie des BAG ist damit klar. Der Arbeitnehmer kann lange Jahre krank sein und/oder eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehen (so dass sein Arbeitsverhältnis "ruht"): Er erwirbt für jedes Jahr der Krankheit bzw. des Rentenbezugs seinen vollen gesetzlichen Urlaubsanspruch sowie seinen Zusatzurlaub als Schwerbehinderter. Diese Ansprüche gehen aber ziemlich rasch wieder unter, nämlich zum 31. März des übernächsten Jahres. Damit gilt nach der Rechtsprechung des BAG eine allgemeine "gesetzliche" 15-Monats-Grenze für das Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei langer Krankheit.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10 (Pressemeldung)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom Urteil vom 29.04.2010, 11 Sa 64/09
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
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- Arbeitsrecht aktuell: 10/029 Urlaubsabgeltung nach langer Krankheit:
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 18. April 2020
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