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Urlaub und Dauerkrankheit
08.03.2012. Seinen Jahresurlaub muss man normalerweise bis zum 31. Dezember genommen haben, denn sonst verfällt er. Allerspätestens geht er im Folgejahr am 31. März unter, wenn er bis dahin nicht genommen wurde (§ 7 Abs.3 Bundesurlaubsgesetz - BUrlG). Das gilt aber nicht bei Dauerkrankheit. Denn für solche Fälle hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der Urlaub länger aufrechterhalten werden muss, da kranke Arbeitnehmer sonst schlechter gestellt wären als gesunde (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff). Und das würde, so der EuGH, gegen die Europäische Richtlinie 2003/88/EG verstoßen.
Kaum hatte sich das deutsche Arbeitsrecht auf das Schultz-Hoff-Urteil eingestellt und das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zugunsten langfristig erkrankter Arbeitnehmer geändert (BAG, Urteil vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07), vollzog der EuGH im November 2011 eine Kehrtwende: Er stellte klar, dass nicht genommener Urlaub bei Dauerkrankheit nicht etwa "ewig" gesichert werden muss, sondern dass er 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen darf - falls es eine derartige nationale Rechtsvorschrift gibt wie z.B. einen Tarifvertrag, der einen Verfall nach 15 Monaten vorsieht (EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte).
Seit dem Schulte-KHS-Urteil des EuGH sind die Arbeitsgerichte darum bemüht, den Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankung zu begrenzen. Die juristischen Begründungen sind ebenso unterschiedlich wie die Ergebnisse, zu denen die Gerichte dabei kommen. Im Dezember 2011 entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg, dass krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub generell 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres untergeht (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2011, 10 Sa 19/11 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 12/002: Urlaub und Urlaubsabgeltung bei Krankheit - nur 15 Monate lang?), und kurz darauf meinte das Arbeitsgericht Bonn, dass eine solche Grenze gerade nicht gibt (Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 18.01.2012, 5 Ca 2499/11 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 12/098: Urlaub und Krankheit - kein Verfall des Urlaubs nach 15 Monaten).
Das letzte, soeben erst veröffentlichte Statement stammt vom LAG Hamm. Es entschied, dass der Urlaubsanspruch nach 18 Monaten, gerechnet ab dem Ende des Urlaubsjahres, automatisch verfällt (LAG Hamm, Urteil vom 12.01.2012, 16 Sa 1352/11).
- Verfällt der Urlaub bei Dauerkrankheit generell, d.h. auch ohne tarifliche Regelung, nach 18 Monaten?
- LAG Hamm: Urlaub und Urlaubsabgeltung verfallen bei langer Krankheit automatisch 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres
Verfällt der Urlaub bei Dauerkrankheit generell, d.h. auch ohne tarifliche Regelung, nach 18 Monaten?
Im Prinzip muss der Urlaub im Urlaubsjahr seiner Entstehung, d.h. in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember genommen werden. Nur ausnahmsweise, wenn das aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht möglich ist, kann er bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden. Das ergibt sich aus § 7 Abs.3 und 4 BUrlG. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist noch offener Urlaub abzugelten, d.h. der Arbeitnehmer erhält eine Urlaubsabgeltung.
Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung wären Arbeitnehmer infolge einer jahrelangen Dauerkrankheit "gelackmeiert", denn sie würden zwar immer erneut einen Urlaubsanspruch erwerben, doch würde dieser immer wieder am 31. März des Folgejahres untergehen.
Das darf nicht sein, so der EuGH in seiner bereits erwähnten Schultz-Hoff-Entscheidung (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff), die das BAG kurz darauf durch eine geänderte Auslegung von § 7 Abs.3 BUrlG umgesetzt hat (BAG, Urteil vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07). Seit Anfang 2009 gilt daher: Bei Dauerkrankheit verfällt der Urlaubsanspruch nicht mehr zum 31. März des Folgejahres, sondern wird immer weiter angesammelt.
Andererseits ist ein unbegrenztes Anwachsen von Ansprüchen auf Urlaub und Urlaubsabgeltung Arbeitgebern ein Dorn im Auge, und das kann man im Ansatz auch verstehen: Denn warum sollte ein Arbeitnehmer, der z.B. nach fünf Jahren Dauerkrankheit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, für (mindestens) 20 Wochen Urlaubsangeltung kassieren?
Das wurde irgendwann auch dem EuGH klar, der im November 2011 entschied, dass Tarifverträge diese Urlaubs-Vermehrung auf 15 Monate begrenzen können, und zwar gerechnet ab dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahres (EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell 11/234 Urlaub und Krankheit: Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen).
Aus diesem neuen EuGH-Urteil hat das LAG Baden-Württemberg wie erwähnt die Schlussfolgerung gezogen, dass eine 15-Monatsgrenze auch im BUrlG steckt (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2011, 10 Sa 19/11). Aber das ist fraglich, da sich eine so konkrete Grenze dem BUrlG nicht entnehmen lässt.
Auch wenn es laut EuGH europarechtlich in Ordnung wäre, wenn das deutsche Arbeitsrecht eine 15-Monatsgrenze enthalten würde, heißt das noch lange nicht, dass das deutsche Recht auch eine solche Grenze tatsächlich beinhaltet. Und es gibt sie im deutschen Urlaubsrecht auch nicht, so jedenfalls das Arbeitsgericht Bonn (Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 18.01.2012, 5 Ca 2499/11).
Gibt es doch, so jetzt das LAG Hamm. Nur liegt die Grenze seiner Ansicht nach sich nicht bei 15 Monaten, sondern bei 18 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres (LAG Hamm, Urteil vom 12.01.2012, 16 Sa 1352/11).
LAG Hamm: Urlaub und Urlaubsabgeltung verfallen bei langer Krankheit automatisch 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres
Im Fall des LAG Hamm war eine Fachverkäuferin von März 2007 bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Ende Januar 2011 durchgehend krank. Nach § 15 Manteltarifvertrag (MTV) Einzelhandel NRW sollte der Urlaub ähnlich wie nach den gesetzlichen Vorschriften des BUrlG verfallen, allerdings im Falle einer Übertragung nicht schon zu Ende März des Folgejahres, sondern erst zu Ende April. Die Arbeitnehmerin erhob Anfang 2011 Klage und verlangte u.a. 30 Tage Urlaubsabgeltung pro Jahr für die Jahre 2007 bis 2010 ein sowie 2,5 Tage für das Jahr 2011. Damit hatte sie in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Herford Erfolg (Urteil vom 09.08.2011, 3 Ca 95/11).
Das LAG Hamm dagegen entschied, dass der Arbeitnehmerin Urlaubsabgeltung für die Jahre 2007 und 2008 nicht zustünden. Denn diese Ansprüche seien "entsprechend § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen". Zur Begründung meint das LAG Hamm, dass eine "richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG" ergebe, dass bei Dauerkrankheit an die Stelle des gesetzlichen dreimonatigen Übertragungszeitraums ein Übertragungszeitraum von 18 Monaten trete. Diesen Zeitraum entnimmt das LAG dem Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommen Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO bzw. ILO) vom 24.06.1970 über den bezahlten Jahresurlaub IAO. In dieser Vorschrift heißt es:
"Der in Artikel 8 Absatz 2 dieses Übereinkommens erwähnte ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs ist spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens achtzehn Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen."
Der Schönheitsfehler dieser Argumentation des LAG Hamm besteht darin, dass das IAO-Abkommen Nr.132 in Deutschland keine rechtliche Geltung hat. Und außerdem regelt diese (nicht rechtsverbindliche) Vorschrift gar nicht den Verfall des gesamten Jahresurlaubs, sondern nur desjenigen Urlaubtsteils, der über den zusammenhängend zu gewährenden (zweiwöchigen) Teil hinausgeht.
Macht nichts, so das LAG Hamm, denn die Richtlinie 2003/88/EG wollte (so der sechste Erwägungsgrund) den Grundsätzen der IAO hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung tragen. Damit wirkt das Übereinkommen "mittelbar auch über die Richtlinie auf das Recht der Bundesrepublik Deutschland ein", so das LAG (Urteil, Rn.94).
Fazit: Was nicht passt, wird passend gemacht. Eine juristisch gültige Begrenzung des Ansammelns von Urlaubsansprüchen bei langer Krankheit gibt es im deutschen Recht derzeit nur auf der Grundlage von (einigen wenigen) Tarifverträgen. Dem BUrlG ist eine solche Grenze nicht zu entnehmen. Auch Arbeitsverträge können eine bei 15 oder bei 18 Monaten liegende Begrenzung nicht enthalten, da dies eine unzulässige, weil für den Arbeitnehmer ungünstige Abweichung vom BUrlG bzw. von § 7 Abs.3 BUrlG in seiner derzeit (noch) gültigen Auslegung durch das BAG wäre.
Richtig ist allerdings, dass ein endloses Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei Dauerkrankheit für den Arbeitgeber kaum zumutbar und für kleinere Betriebe oft auch nicht bezahlbar wäre. Hier sind allerdings die Tarifparteien und der Gesetzgeber gefragt. Sie müssten hier eine Grenze ziehen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 12.01.2012, 16 Sa 1352/11
- Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 18.01.2012, 5 Ca 2499/11
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2011, 10 Sa 19/11
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 19/046 BAG beschränkt Verfall von Urlaub
- Arbeitsrecht aktuell: 18/130 Arbeitgeberpflichten bei der Urlaubsplanung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/382 Urlaub ohne Antrag?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/372 Resturlaub darf bei Krankheit nicht zum Jahresende verfallen
- Arbeitsrecht aktuell: 12/274 Urlaub bei Dauerkrankheit verfällt nach 15 Monaten
- Arbeitsrecht aktuell: 12/194 Urlaubsabgeltung bei Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/169 Urlaubsabgeltung nach Krankheit und Verfallfrist
- Arbeitsrecht aktuell: 12/159 Urlaub bei langer Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/098 Urlaub und Krankheit - kein Verfall des Urlaubs nach 15 Monaten
- Arbeitsrecht aktuell: 12/002 Urlaub und Urlaubsabgeltung bei Krankheit - nur 15 Monate lang?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/234 Urlaub und Krankheit: Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen
- Arbeitsrecht aktuell: 09/126 Kein Verfall von Resturlaubsansprüchen infolge von Krankheit seit dem 02.08.2006
- Arbeitsrecht aktuell: 09/057 Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH
- Arbeitsrecht aktuell: 09/023 Bei dauerhafter Krankheit kein Verfall von Resturlaubsansprüchen
Letzte Überarbeitung: 5. Juni 2020
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