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ArbG Bonn, Ur­teil vom 18.01.2012, 5 Ca 2499/11

   
Schlagworte: Urlaub, Urlaub: Krankheit, Urlaub: Abgeltung, Urlaubsabgeltung, Krankheit
   
Gericht: Arbeitsgericht Bonn
Aktenzeichen: 5 Ca 2499/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.01.2012
   
Leitsätze:

Außerhalb des Anwendungsbereichs entsprechender Tarifverträge verfallen Urlaubsansprüche im Fall langfristiger Erkrankung nicht automatisch mit Ablauf von 15 Monaten nach Beendigung des Urlaubsjahres (entgegen LAG Baden-Württemberg v. 21.12.2011 - 10 Sa 19/11). Urlaubsansprüche unterliegen jedenfalls solange sie nicht erfüllbar sind nicht der Verjährung (Anschluss an LAG Niedersachsen v. 16.09.2011 - 6 Sa 348/11).
Bezieht ein Arbeitnehmer bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf seinen Antrag hin nach Ablauf der Krankengeldzahlungen Arbeitslosengeld nach § 125 Abs. 1 SGB III, so ist zu vermuten, dass die Parteien zumindest stillschweigend das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben (Anschluss an BAG v. 14.03.2006 - 9 AZR 312/05).
Ruht ein Arbeitsverhältnis während des gesamten Urlaubsjahres so entstehen für dieses Urlaubsjahr keine Urlaubsansprüche (Anschluss an LAG Köln v. 29.04.2010 - 6 Sa 103/10).
Im Falle rückwirkender Anerkennung als schwerbehinderter Mensch besteht im Fall langfristiger Erkrankung des Arbeitnehmers jedenfalls dann kein rückwirkender Anspruch auf Zusatzurlaub, wenn auch ein nicht erkrankter Arbeitnehmer die Gewährung dieses Urlaubs nicht mehr verlangen könnte.

Vorinstanzen:
   

Tat­be­stand

Der Kläger war bei der Be­klag­ten seit dem 20.08.1973 als Ar­bei­ter beschäftigt. Die wöchent­li­che Ar­beits­zeit des Klägers be­trug 38 St­un­den und ver­teil­te sich auf fünf Ta­ge à 7,6 St­un­den. Sei­ne mo­nat­li­che Brut­to­vergütung be­trug zu­letzt 2.672,44 €.

Im Jahr 2006 nahm der Kläger an 28 Ta­gen Ur­laub in An­spruch und zwar vom 02.01. bis zum 03.02., am 10.02. und am 23. und 24.03.2006. Aus­weis­lich der von der Be­klag­ten er­stell­ten Lohn­be­schei­ni­gun­gen für die Mo­na­te Ja­nu­ar und März 2006 stand dem Kläger zum 01.01.2006 ein Rest­ur­laubs­an­spruch für das Vor­jahr von 31 Ta­gen, ein Ur­laubs­an­spruch für 2006 von 30 Ta­gen so­wie ein Son­der­ur­laubs­an­spruch für das Jahr 2006 von ei­nem Tag, mit­hin ein Ge­samt­jah­res­ur­laubs­an­spruch von 62 Ta­gen zu, was abzüglich der im Ja­nu­ar 2006 in An­spruch ge­nom­me­nen 18 Ta­ge ei­nen An­spruch von 44 Ta­gen er­gibt. Von die­ser Ge­samt­sum­me brach­te die Be­klag­te die wei­te­ren elf im Jahr 2006 in An­spruch ge­nom­me­nen Ur­laubs­ta­ge zum Ab­zug.

Seit dem 22.05.2006 war der Kläger durch­ge­hend ar­beits­unfähig er­krankt, was zwi­schen den Par­tei­en weit­ge­hend un­strei­tig ist, je­doch strei­tig ist im Hin­blick auf den Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und die Zeit da­nach.

Un­ter dem 19.11.2007 er­teil­te die Be­klag­te dem Kläger ei­ne Ar­beits­be­schei­ni­gung gem. § 312 SGB III. Hier­in gab sie un­ter an­de­rem in dem Feld "Beschäfti­gungs­verhält­nis en­det, Ar­beits­verhält­nis be­steht fort: wenn ja, Grund:" an: "Aus­steue­rung Kran­ken­geld". Ab dem 20.11.2007 be­zog der Kläger, nach Aus­steue­rung durch die Kran­ken­kas­se, Ar­beits­lo­sen­geld nach § 125 SGB III.

Mit Schrei­ben vom 29.03.2010, das der Be­klag­ten am 31.03.2010 zu­ging, kündig­te der Kläger das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en or­dent­lich.

Mit der Ab­rech­nung 05/2010 rech­ne­te die Be­klag­te Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 3.757,44 € ab und zahl­te die­se an den Kläger aus. Hin­sicht­lich et­wai­ger Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche bezüglich der Jah­re 2006 und 2007 be­ruft sich die Be­klag­te auf die Ein­re­de der Verjährung.

Mit Be­scheid des Am­tes für so­zia­le An­ge­le­gen­hei­ten Ko­blenz vom 17.11.2010 wur­de beim Kläger ab dem 26.07.2007 ei­ne Schwer­be­hin­de­rung fest­ge­stellt (zunächst mit ei­nem GdB von 50, ab 01.01.2008 mit ei­nem GdB von 60).

Mit Ren­ten­be­scheid vom 11.06.2010 wur­de dem Kläger mit Ren­ten­be­ginn 01.02.2009 ei­ne Ren­te we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung auf un­be­stimm­te Zeit (längs­tens bis zur Erfüllung der ren­ten­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Re­gel­al­ters­ren­te zum Ab­lauf des 31.07.2012) zu­er­kannt.

Mit sei­ner am 28.02.2011 vor­ab per Te­le­fax ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge, die der Be­klag­ten am 08.03.2011 zu­ge­stellt wor­den ist, be­gehrt der Kläger von der Be­klag­ten - nach teil­wei­ser Rück­nah­me und zwi­schen­zeit­li­cher Er­wei­te­rung der Kla­ge – nun­mehr die Ab­gel­tung von je 31 Ur­laubs­ta­gen für die Jah­re 2006 bis 2009, wei­te­rer 15 Ta­ge Zu­satz­ur­laub für Schwer­be­hin­der­te für die Jah­re 2008 bis 2010, zwei­er Ta­ge Zu­satz­ur­laub für Schwer­be­hin­der­te für 2007 so­wie von 31 Ur­laubs­ta­gen für das Jahr 2010.

Der Kläger ist der An­sicht, das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ha­be zum 31.10.2010 ge­en­det; er ha­be An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung für ins­ge­samt 155 Ur­laubs­ta­ge für die Jah­re 2006 bis 2010, für ins­ge­samt 15 Ta­ge Zu­satz­ur­laub für die Jah­re 2008 bis 2010 so­wie für an­tei­li­ge zwei Ta­ge Zu­satz­ur­laub für das Jahr 2007; bei der Be­rech­nung der Ur­laubs­ab­gel­tung sei ein St­un­den­satz von 17,19 € brut­to bei 7,6 St­un­den je ab­zu­gel­ten­dem Ur­laubs­tag zu­grun­de­zu­le­gen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn, den Kläger, 18.713,33 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.11.2010 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,  

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Wi­der­kla­gend be­an­tragt sie,

den Kläger zu ver­ur­tei­len, an sie, die Be­klag­te, 3.757,44 € nebst Zin­sen in Höhe von 17 fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 09.01.2012 zu zah­len.

Der Kläger be­an­tragt,

die Wi­der­kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ist der An­sicht, auf das Ar­beits­verhält­nis sei der Bun­des­man­tel­ta­rif­ver­trag der Süßwa­ren­in­dus­trie an­zu­wen­den; da­her sei­en et­wai­ge Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche des Klägers je­den­falls ver­fal­len und ha­be das Ar­beits­verhält­nis mit dem 31.05.2010 ge­en­det. Hier­zu be­haup­tet sie, sie sei Mit­glied im Bun­des­ver­band der Deut­schen Süßwa­ren­in­dus­trie e.V. und der Kläger sei Mit­glied der Ge­werk­schaft NGG. Sie meint, für den Fall dass kei­ne bei­der­sei­ti­ge Ta­rif­bin­dung vor­lie­gen soll­te, er­ge­be sich die An­wend­bar­keit des Ta­rif­ver­trags dar­aus, dass sie, die Be­klag­te, aus­nahms­los mit al­len Mit­ar­bei­tern und auch mit dem Kläger aus­drück­lich die Gel­tung die­ses Ta­rif­ver­trags durch Be­zug­nah­me auf den je­weils gel­ten­den Bun­des­man­tel­ta­rif­ver­trag bei Ein­tritt in das Un­ter­neh­men ver­ein­bart ha­be und im Übri­gen stets al­le Re­ge­lun­gen die­ses Ta­rif­ver­trags auf al­le Mit­ar­bei­ter zur An­wen­dung ge­bracht ha­be.

Sie meint fer­ner, da der Kläger kei­nen An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung ha­be, sei die Zah­lung in Höhe von 3.757,44 € un­be­rech­tigt ge­leis­tet wor­den und be­haup­tet hier­zu, die Zah­lung sei in Un­kennt­nis der Rechts­la­ge er­folgt.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die vor­be­rei­ten­den Schriftsätze der Par­tei­en nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässi­ge Kla­ge hat in der Sa­che nur teil­wei­se, nämlich in Höhe ei­nes Be­trags von 3.889,85 € brut­to, Er­folg und ist im Übri­gen un­be­gründet. Die zulässi­ge Wi­der­kla­ge ist un­be­gründet.

A. I. 1. Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te An­spruch auf Zah­lung von Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 3.889,85 € brut­to aus dem – zwi­schen­zeit­lich be­en­de­ten – Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en i.V.m. § 7 Abs. 4 BUrlG.

Der Kläger kann von der Be­klag­ten Ab­gel­tung von je 31 Ur­laubs­ta­gen für die Jah­re 2006 und 2007, mit­hin von 62 Ur­laubs­ta­gen, ver­lan­gen. Un­abhängig da­von, ob das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en seit dem 20.11.2007 ge­ruht hat, stand dem Kläger auch für das Jahr 2007 der vol­le Jah­res­ur­laubs­an­spruch zu, da der Ru­hen­stat­be­stand – will man von ei­nem Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­ge­hen – erst in der zwei­ten Jah­reshälf­te ein­ge­tre­ten ist (§ 5 Abs. 2 lit. c BUrlG e. con­tra­rio).

Dem Kläger steht ein jähr­li­cher Ur­laubs­an­spruch von 31 Ar­beits­ta­gen zu, die sich aus ei­nem Ur­laubs­an­spruch von 30 Ar­beits­ta­gen und ei­nem Son­der­ur­laub von ei­nem Tag zu­sam­men­set­zen. Die ent­spre­chen­den An­ga­ben auf den Lohn­ab­rech­nun­gen hat die Be­klag­te nicht sub­stan­ti­iert be­strit­ten.

Der Kläger hat we­der im Jahr 2006 noch im Jahr 2007 Ur­laub für das je­wei­li­ge Ka­len­der­jahr in 28 An­spruch ge­nom­men. Bei den von ihm in den Mo­na­ten Ja­nu­ar bis März 2006 in An­spruch ge­nom­me­nen Ur­laubs­ta­gen hat es sich um gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG in das Fol­ge­jahr über­tra­ge­nen Ur­laub für das Ur­laubs­jahr 2005 ge­han­delt. Dies hat die Be­klag­te mit Schrift­satz vom 17.01.2012 nun­mehr un­strei­tig ge­stellt.

a. Der Ur­laubs­an­spruch des Klägers, der seit dem 22.05.2006 durch­ge­hend ar­beits­unfähig er­krankt war, ist nicht durch et­wa gem. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG er­lo­schen. Denn die­se Vor­schrift ist in ge­mein­schafts­rechts­kon­for­mer Aus­le­gung so zu ver­ste­hen, dass ge­setz­li­che Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche nicht erlöschen, wenn Ar­beit­neh­mer bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res und/oder des Über­tra­gungs­zeit­raums er­krankt und des­we­gen ar­beits­unfähig sind. Das ent­spricht Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck der in­ner­staat­li­chen Re­ge­lun­gen, wenn die Zie­le des Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie 2003/88/EG und der re­gelmäßig an­zu­neh­men­de Wil­le des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers zur ord­nungs­gemäßen Um­set­zung von Richt­li­ni­en berück­sich­tigt wer­den (vgl. BAG v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, ju­ris, dort Rd­nr. 59).

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten ver­fal­len Ur­laubs­ansprüche auch nicht gleich­sam au­to­ma­tisch nach Ab­lauf von 15 Mo­na­ten nach Ab­lauf des je­wei­li­gen Ur­laubs­jah­res. Hierfür fehlt es an ei­ner Rechts­grund­la­ge. Die Kam­mer hält sich in­so­weit nicht für be­fugt, oh­ne je­de ge­setz­li­che Grund­la­ge von der Exis­tenz ei­nes star­ren fünf­zehn­mo­na­ti­gen Über­tra­gungs­zeit­raums für Ur­laubs­ansprüche im Fall lang­fris­ti­ger Er­kran­kun­gen aus­zu­ge­hen. So­weit der EuGH durch Ur­teil vom 22.11.2011 (C-214/10, ju­ris, dort ins­bes. Rd­nr. 44) ent­schie­den hat, dass Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88/EG ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten wie et­wa Ta­rif­verträgen nicht ent­ge­gen­steht, die die Möglich­keit für ei­nen während meh­re­rer Be­zugs­zeiträume in Fol­ge ar­beits­unfähi­gen Ar­beit­neh­mer, Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub an­zu­sam­meln, da­durch ein­schränken, dass sie ei­nen Über­tra­gungs­zeit­raum von 15 Mo­na­ten vor­se­hen, nach des­sen Ab­lauf der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub er­lischt, ist dies für den vor­lie­gen­den Rechts­streit nicht er­heb­lich. Denn es fehlt im Streit­fall ge­ra­de an ei­ner auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­wend­ba­ren Rechts­vor­schrift oder Ge­pflo­gen­heit, die ei­ne sol­che Möglich­keit zur Ein­schränkung der An­samm­lung von Ansprüchen auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub im Fal­le lang­fris­ti­ger Er­kran­kung vor­sieht.

b. Auch darüber hin­aus­ge­hen­der Ur­laub verfällt we­gen des grundsätz­li­chen Gleich­laufs von 31 Min­dest- und Mehr­ur­laub nicht, wenn nicht deut­li­che An­halts­punk­te dafür be­ste­hen, dass die Ar­beits­ver­trags- oder Ta­rif­par­tei­en zwi­schen Min­dest- und Mehr­ur­laubs­ansprüchen un­ter­schei­den wol­len (vgl. BAG v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09, ju­ris, dort Rd­nrn. 35 ff.).

Der­ar­ti­ge An­halts­punk­te, die dafür spre­chen, dass die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en zwi­schen Min­dest- und Mehr­ur­laubs­ansprüchen ha­ben un­ter­schei­den wol­len, sind im Streit­fall we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich.

Auf die Fra­ge, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des Bun­des­man­tel­ta­rif­ver­trag der Süßwa­ren­in­dus­trie zwi­schen Min­dest- und Mehr­ur­laubs­ansprüchen un­ter­schei­den woll­ten, kommt es im vor­lie­gen­den Fall nicht an. Denn die­ser Ta­rif­ver­trag ist auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht an­zu­wen­den. Ei­ne un­mit­tel­ba­re und zwin­gen­de Wir­kung der Ta­rif­nor­men gem. § 4 Abs. 1 TVG auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en schei­tert an der feh­len­den bei­der­sei­ti­gen Ta­rif­ge­bun­den­heit i.S.d. § 3 Abs. 1 TVG. Der Kläger hat nämlich aus­geführt, ein Tat­be­stand für die An­wend­bar­keit des Ta­rif­ver­trags sei nicht er­sicht­lich. Die Kam­mer ver­steht dies als ein Be­strei­ten sei­ner Mit­glied­schaft in der ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft NGG. So­weit die Be­klag­te Ge­gen­tei­li­ges be­haup­tet, er­folgt ihr dies­bezügli­cher völlig pau­scha­ler Vor­trag er­sicht­lich "ins Blaue hin­ein" und stellt da­mit kei­nen dem Be­wei­se zugäng­li­chen kon­kre­ten Tat­sa­chen­vor­trag dar. Über­dies hat die Be­klag­te für ihr Vor­brin­gen auch über­haupt kei­nen taug­li­chen Be­weis an­ge­bo­ten. So­weit sie in­so­weit als Zeu­gen ih­ren Mit­ar­bei­ter N. be­nennt, ist nicht nach­voll­zieh­bar, was die­ser kon­kret zur Fra­ge der Ge­werk­schafts­mit­glied­schaft des Klägers soll be­kun­den können.

So­weit die Be­klag­te be­haup­tet, dass sie aus­nahms­los mit al­len Mit­ar­bei­tern und auch mit dem Kläger aus­drück­lich die Gel­tung die­ses Ta­rif­ver­trags durch Be­zug­nah­me auf den je­weils gel­ten­den Bun­des­man­tel­ta­rif­ver­trag bei Ein­tritt in das Un­ter­neh­men ver­ein­bart ha­be und hierfür eben­falls Be­weis an­bie­tet durch Zeug­nis ih­res Mit­ar­bei­ters N., liegt auch in­so­weit kein dem Be­wei­se zugäng­li­cher Tat­sa­chen­vor­trag vor. Tat­sa­chen sind kon­kre­te, nach Zeit und Raum be­stimm­te, der Ver­gan­gen­heit oder der Ge­gen­wart an­gehören­den Ge­scheh­nis­se oder Zustände. Die pau­scha­le Be­haup­tung, mit al­len Mit­ar­bei­tern und so auch mit dem Kläger bei Ein­tritt in das Un­ter­neh­men die Gel­tung ei­nes be­stimm­ten Ta­rif­ver­trags zu ver­ein­ba­ren,genügt die­sen An­for­de­run­gen nicht. We­der wird kon­kret dar­ge­legt, wann ge­nau (bei oder erst nach Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags?) es im Streit­fall zu die­ser Ver­ein­ba­rung ge­kom­men sein soll, noch wer sei­tens der Be­klag­ten die ent­spre­chen­de Wil­lens­erklärung ab­ge­ge­ben ha­ben soll. Streng­ge­nom­men han­delt es sich bei der Be­kun­dung der Be­klag­ten, mit al­len Mit­ar­bei­tern und so auch mit dem Kläger bei Ein­tritt in das Un­ter­neh­men die Gel­tung ei­nes be­stimm­ten Ta­rif­ver­trags zu ver­ein­ba­ren, über­haupt nicht um ei­ne Tat­sa­chen­be­haup­tung son­dern um ei­ne Rechts­an­sicht. Die zu­grun­de­lie­gen­den Tat­sa­chen, auf­grund wel­cher Erklärun­gen die Be­klag­te meint, ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen zu ha­ben, be­nennt sie nicht.

Auch ist die Gel­tung des Ta­rif­ver­trags nicht durch be­trieb­li­che Übung oder durch schlüssi­ges Ver­hal­ten wirk­sam Be­stand­teil des Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei­en ge­wor­den. Al­lein durch die ständi­ge An­wen­dung ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen durch die Be­klag­te kann nicht auf die wirk­sa­me Ein­be­zie­hung des ge­sam­ten Ta­rif­ver­trags in das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ge­schlos­sen wer­den. Der An­nah­me, durch schlüssi­ges Ver­hal­ten ha­be der Kläger der An­wend­bar­keit des Ta­rif­ver­trags ins­ge­samt zu­ge­stimmt, fehlt je­der An­halts­punkt dafür, dass dem Kläger zu ir­gend­ei­nem Zeit­punkt be­wusst war oder auch nur hätte be­wusst sein können oder gar müssen, dass er durch ein be­stimm­tes Ver­hal­ten, wel­ches im vor­lie­gen­den Fall al­lein in der Ent­ge­gen­nah­me ta­rif­li­cher Leis­tun­gen lie­gen kann, auch nur den Ein­druck er­we­cke, er stim­me der An­wen­dung ei­nes Ta­rif­ver­trags zu. Dies würde zu­min­dest vor­aus­set­zen, dass dem Kläger be­wusst war oder we­nigs­tens hätte sein müssen, dass das Ar­beits­verhält­nis beid­seits gemäß dem Ta­rif­ver­trag ab­ge­wi­ckelt wur­de. An­halts­punk­te hierfür sind nicht er­sicht­lich.

Glei­ches gilt hin­sicht­lich der von der Be­klag­ten an­ge­spro­che­nen be­trieb­li­chen Übung. An­halts­punk­te dafür, dass es ei­ne be­trieb­li­che Übung des In­halts ge­ge­ben hätte, dass al­le ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen, al­so ins­be­son­de­re auch die ta­rif­ver­trag­li­chen Ver­fall­klau­seln, in ent­spre­chen­der Re­gelmäßig­keit ein­ver­nehm­lich tatsächlich auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­ge­wen­det wur­den, sind we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich.

Die jähr­li­chen Ur­laubs­ansprüche des Klägers von 31 Ar­beits­ta­gen für die Jah­re 2006 und 2007 sind dem­gemäß nicht durch Ab­lauf der je­wei­li­gen Ur­laubs­jah­re und der sich dar­an an­sch­ließen­den Über­tra­gungs­zeiträume ver­fal­len.

c. Die Ur­laubs­ansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt. Die Verjährungs­frist hat man­gels Erfüll­bar­keit des Ur­laubs­an­spruchs nicht mit dem Schluss des Ur­laubs­jah­res 2006 zu lau­fen be­gon­nen.

Nach § 195 BGB beträgt die re­gelmäßige Verjährungs­frist drei Jah­re. Sie be­ginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Schluss des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den ist. Ein An­spruch ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ent­stan­den, so­bald er erst­mals vom Gläubi­ger gel­tend ge­macht und mit ei­ner Kla­ge durch­ge­setzt wer­den kann. Das setzt grundsätz­lich die Fällig­keit des An­spru­ches im Sin­ne von § 271 BGB vor­aus, da erst ab die­sem Zeit­punkt vom Gläubi­ger mit Er­folg die Leis­tung ge­for­dert wer­den und ggf. der Ab­lauf der Verjährungs­frist durch Kla­ge­er­he­bung ge­hemmt wer­den kann. Zwar ent­steht der Ur­laubs­an­spruch nach Ab­lauf der sechs­mo­na­ti­gen War­te­zeit des § 4 BUrlG mit Be­ginn ei­nes je­den Ur­laubs­jah­res in vol­ler Höhe. Während der Ar­beits­unfähig­keit kann je­doch der Ar­beit­neh­mer die Erfüllung des Ur­laubs­an­spru­ches nicht ver­lan­gen und der Ar­beit­ge­ber den Ur­laubs­an­spruch auch nicht tatsächlich gewähren. Das folgt un­mit­tel­bar aus § 9 BUrlG. Für die Dau­er ei­ner Er­kran­kung wird der Ur­laubs­an­spruch mit­hin nicht fällig. Da­mit fehlt es an der re­gelmäßigen Vor­aus­set­zung für den Be­ginn der Verjährungs­frist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Auch Sinn und Zweck der dreijähri­gen ge­setz­li­chen Verjährungs­frist, nach den Zeit­abläufen der §§ 195 ff. BGB Rechts­si­cher­heit und Rechts­frie­den zu schaf­fen so­wie dem Bedürf­nis des Schuld­ners Rech­nung zu tra­gen, aus lang zurück­lie­gen­dem Sach­ver­halt nicht mehr in An­spruch ge­nom­men zu wer­den, ge­bie­ten kei­ne an­de­re Sicht­wei­se. Al­lein auf­grund der Vor­schrift in § 9 BUrlG weiß der Ar­beit­ge­ber, dass in Zei­ten der Ar­beits­unfähig­keit der Ur­laubs­an­spruch vom Ar­beit­neh­mer nicht ge­nom­men wer­den kann und des­halb in un­veränder­ter Höhe fort­be­steht. Da­ge­gen lässt sich auch nicht ein­wen­den, dass der Ar­beit­neh­mer den Lauf der Verjährungs­frist durch die Er­he­bung ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hem­men kann. Zwar hin­dert die fort­dau­ern­de Ar­beits­unfähig­keit nicht die Ent­ste­hung des Ur­laubs­an­spru­ches. Das ändert aber nichts dar­an, dass in die­sen Kon­stel­la­tio­nen die Fällig­keit des Ur­laubs­an­spru­ches im Sin­ne von § 271 BGB ge­ra­de nicht ge­ge­ben ist, weil der Ar­beit­neh­mer die Gewährung die­ses Ur­lau­bes nicht ver­lan­gen und der Ar­beit­ge­ber die­sen nicht erfüllen kann. Die Fällig­keit im Sin­ne von § 271 BGB als Vor­aus­set­zung für den Be­ginn des Laufs der Verjährungs­fris­ten nach §§ 195 ff. BGB ist in die­sen Fällen nicht ge­ge­ben. Hin­zu kommt, dass der we­gen Krank­heit nicht ver­fal­le­ne ge­setz­li­che Ur­laub gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG kraft Ge­set­zes zwin­gend auf das Fol­ge­jahr über­tra­gen wird. Die­ser über­tra­ge­ne Ur­laub wird so Be­stand­teil des im nächs­ten Ka­len­der­jahr neu ent­ste­hen­den Ur­laubs­an­spru­ches. Macht der Ar­beit­neh­mer trotz Wie­der­ge­ne­sung die­sen über­tra­ge­nen Ur­laubs­an­spruch dann nicht recht­zei­tig gel­tend, verfällt er mit Ab­lauf des Ur­laubs­jah­res. Kann der Ur­laub aus ge­sund­heit­li­chen Gründen wie­der­um nicht ge­nom­men wer­den, er­folgt kraft Ge­set­zes nach § 7 Abs. 3 BUrlG ei­ne wei­te­re Über­tra­gung auf das nächs­te Ka­len­der­jahr. Die­se ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Über­tra­gung des Ur­lau­bes und die da­mit ein­her­ge­hen­de Per­pe­tu­ie­rung ste­hen ei­ner Verjährung des Ur­laubs­an­spru­ches ent­ge­gen (vgl. LAG Nie­der­sach­sen v. 16.09.2011 – 6 Sa 348/11, ju­ris, dort Rd­nr. 24).

d. Die Ur­laubs­ansprüche des Klägers aus den Jah­ren 2006 und 2007 sind auch nicht § 2 des Bun­des­man­tel­ta­rif­ver­trags für die Süßwa­ren­in­dus­trie ver­fal­len, da die­ser Ta­rif­ver­trag – wie be­reits aus­geführt – auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht an­zu­wen­den ist.

e. Der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch des Klägers für die Jah­re 2006 und 2007 be­rech­net sich wie folgt: Mo­nat­li­che Brut­to­vergütung (2.672,44 €) x 3 Mo­na­te: 13 Wo­chen : 5 Ar­beits­ta­ge pro Wo­che x 62 ab­zu­gel­ten­de Ur­laubs­ta­ge = 7.647,29 €. Abzüglich von der Be­klag­ten be­reits ge­zahl­ter Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 3.757,44 € ver­bleibt ein An­spruch des Klägers in Höhe von 3.889,85 €. So­weit der Kläger auf­grund ei­nes an­de­ren Be­rech­nungs­mo­dells von ei­nem höhe­ren An­spruch aus­geht, fehlt es für die An­wen­dung die­ses Re­chen­mo­dells (und für die An­nah­me ei­nes St­un­den­lohns von 17,19 € brut­to) an ei­ner Rechts­grund­la­ge, so dass die Kla­ge in­so­weit (we­gen des den Be­trag von 3.889,85 € über­schrei­ten­den Be­trags) ab­zu­wei­sen war.

2. Der Zins­an­spruch er­gibt sich aus dem Ge­sichts­punkt des Ver­zugs, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB. Ei­ner Mah­nung be­durf­te es gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, da die Zeit für die Leis­tung, hier die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, un­ter Berück­sich­ti­gung der ge­setz­li­chen Kündi­gungs­fris­ten nach dem Ka­len­der be­stimm­bar war. Dass der Kläger Ver­zugs­zin­sen erst ab dem 01.11.2010 be­gehrt, ist in­so­weit unschädlich.


II. Wei­ter­ge­hen­de Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche ste­hen dem Kläger ge­gen die Be­klag­te nicht zu.

1. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Ab­gel­tung sei­nes vol­len oder an­tei­li­gen Jah­res­ur­laubs für die Jah­re 2008 bis 2010 aus dem Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en i.V.m. § 7 Abs. 4 BUrlG.

a. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en hat seit dem 20.11.2007 ge­ruht. Mit der Er­tei­lung der Ar­beits­be­schei­ni­gung durch die Be­klag­te un­ter dem 19.11.2007 und der Vor­la­ge die­ser Be­schei­ni­gung durch den Kläger bei der Agen­tur für Ar­beit und dem da­mit ein­her­ge­hen­den Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld durch den Kläger ab dem 20.11.2007 ha­ben die Par­tei­en kon­klu­dent das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses ab dem 19.11. oder 20.11.2007 ver­ein­bart.

Zwar hat die Be­klag­te le­dig­lich ei­nen von der Bun­des­agen­tur für Ar­beit vor­for­mu­lier­ten Text, der in ei­ner Viel­zahl von Fällen Ver­wen­dung fin­det, aus­gefüllt und un­ter­zeich­net. In­halt und Be­deu­tung der Erklärun­gen für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en er­sch­ließen sich aber aus den nähe­ren nur die Par­tei­en berühren­den nicht­ty­pi­schen Umständen, un­ter de­nen es hier­zu ge­kom­men ist (vgl. hier­zu BAG v. 14.03.2006 – 9 AZR 312/05, ju­ris, dort Rd­nr. 26).

Be­zieht ein Ar­beit­neh­mer, wie der Kläger, bei fort­be­ste­hen­der Ar­beits­unfähig­keit auf sei­nen An­trag hin nach Ab­lauf der Kran­ken­geld­zah­lun­gen Ar­beits­lo­sen­geld nach § 125 Abs. 1 SGB III, so ist zu ver­mu­ten, dass die Par­tei­en zu­min­dest still­schwei­gend das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­ein­bart ha­ben. Vor­aus­set­zung zum Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld nach § 125 SGB III ist, dass der Ar­beit­neh­mer nicht in ei­nem "Beschäfti­gungs­verhält­nis" steht, § 119 SGB III. Das setzt im recht­lich fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis vor­aus, dass der Ar­beit­ge­ber auf sei­ne Verfügungs­ge­walt über den Ar­beit­neh­mer und des­sen Ar­beits­kraft ver­zich­tet – et­wa nach ei­ner un­wirk­sa­men Kündi­gung – oder der Ar­beit­neh­mer die Verfügungs­ge­walt des Ar­beit­ge­bers über sei­ne Ar­beits­kraft nicht mehr an­er­kennt (vgl. BAG v. 14.03.2006 – 9 AZR 312/05, ju­ris, dort Rd­nr. 27). Die­se Rechts­fol­gen woll­ten die Par­tei­en her­beiführen.

Der Kläger hat mit der Be­an­tra­gung des Ar­beits­lo­sen­gel­des und Vor­la­ge der Ar­beits­be­schei­ni­gung zu er­ken­nen ge­ge­ben, dass er sei­ne Haupt­pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis, die Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung, we­gen sei­ner krank­heits­be­ding­ten und nicht nur vorüber­ge­hen­den Leis­tungs­unfähig­keit zu­min­dest vorläufig als be­en­det an­se­he. Die Be­klag­te hat mit Er­tei­lung der Ar­beits­be­schei­ni­gung auf ihr Di­rek­ti­ons­recht und da­mit auf ih­re Verfügungs­macht über die Ar­beits­leis­tung des Klägers ver­zich­tet. Da­durch wur­de die Dienst­leis­tungs­pflicht des Klägers und gleich­zei­tig die Vergütungs­pflicht der Be­klag­ten sus­pen­diert und das Ar­beits­verhält­nis zum Ru­hen ge­bracht (vgl. hier­zu BAG v. 14.03.2006 – 9 AZR 312/05, ju­ris, dort Rd­nr. 28).

Die Par­tei­en ha­ben auch das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht wie­der auf­ge­ho­ben. An­halts­punk­te dafür, dass die Par­tei­en durch die mit Ren­ten­be­scheid vom 11.06.2010 er­folg­te Zu­er­ken­nung ei­ner Ren­te we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung auf un­be­stimm­te Zeit (längs­tens bis zur Erfüllung der ren­ten­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Re­gel­al­ters­ren­te zum Ab­lauf des 31.07.2012) mit dem Ren­ten­be­ginn 01.02.2009 für den Kläger das ru­hen­de Ar­beits­verhält­nis rück­wir­kend mit Wir­kung zum 01.02.2009 wie­der­auf­neh­men woll­ten, be­ste­hen nicht. Ei­ne Wie­der­auf­nah­me des ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses zum 11.06.2011 (bzw. zum Da­tum der Be­kannt­ga­be des Ren­ten­be­scheids) kam nicht in Be­tracht, da die­ses auf­grund der Ei­genkündi­gung des Klägers vom 29.03.2010, der Be­klag­ten am 31.03.2010 zu­ge­gan­gen, gem. § 622 Abs. 1 BGB mit Ab­lauf des 30.04.2010 be­en­det wor­den war.

b. Während des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses konn­ten Ur­laubs­ansprüche des Klägers nicht ent­ste­hen. Ruht das Ar­beits­verhält­nis, ent­fal­len die ge­gen­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten, so­weit nicht aus­drück­lich et­was an­de­res ver­ein­bart wird. Der recht­li­che Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses bleibt den­noch un­berührt (vgl. LAG Düssel­dorf v. 01.10.2010 – 9 Sa 1541/09, ju­ris, dort Rd­nrn. 53 ff.).

Sinn und Zweck von Er­ho­lungs­ur­laub ge­bie­ten nicht die Ent­ste­hung von Ur­laubs­ansprüchen im ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis. Gemäß § 1 BUrlG han­delt es sich um Er­ho­lungs­ur­laub. Ei­nes kon­kre­ten Er­ho­lungs­bedürf­nis­ses be­darf es zwar nicht, viel­mehr ent­steht der Er­ho­lungs­ur­laub kraft Ge­set­zes zu Be­ginn des Ur­laubs­jah­res. Es ist aber nur dann ge­recht­fer­tigt, dem Ar­beit­ge­ber die Ver­pflich­tung zu­zu­wei­sen, Ur­laub zu gewähren und Ur­laubs­ent­gelt zu zah­len, wenn ver­trag­lich ei­ne Ar­beits­pflicht des Ar­beit­neh­mers be­steht.

Des Wei­te­ren spricht Art. 4 der IAO Nr. 132 ge­gen die Ent­ste­hung von Ur­laubs­ansprüchen im ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis: Dem­nach hat ei­ne Per­son, de­ren Dienst­zeit während ei­nes be­stimm­ten Jah­res kürzer war, für die­ses Jahr An­spruch auf be­zahl­ten Ur­laub im Verhält­nis zur Dau­er ih­rer Dienst­zeit während die­ses Jah­res.

Dem­ent­spre­chend ist auch der Ur­laubs­an­spruch für Teil­zeit­beschäftig­te, die nicht an al­len Werk­ta­gen in der Wo­che ar­bei­ten, verhält­nismäßig um­zu­rech­nen, denn die Dau­er des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs von 24 Werk­ta­gen be­misst sich nach der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit auf die Wo­che. Ar­bei­tet der Ar­beit­neh­mer an we­ni­ger als an 6 Ta­gen in der Wo­che, wer­den die im Ge­setz ge­nann­ten Werk­ta­ge zu den vom Ar­beit­neh­mer ge­schul­de­ten Ar­beits­ta­gen rech­ne­risch zu­ein­an­der in Be­zie­hung ge­setzt. Die Abhängig­keit der Ur­laubs­dau­er von der Zahl der Ar­beits­ta­ge ist zu­dem vom Ge­setz­ge­ber in § 125 Abs. 1 Hs. 2 SGB IX ge­setz­lich nor­miert wor­den. Da ein Ar­beit­neh­mer in ei­nem ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis ei­nem Teil­zeit­beschäftig­ten mit null Ar­beits­ta­gen pro Wo­che gleich steht, beträgt der Ur­laubs­an­spruch kon­se­quent null Ta­ge pro Wo­che.

Das Nicht­ent­ste­hen von Ur­laubs­ansprüchen in ei­nem über das ge­sam­te Ur­laubs­jahr hin­weg ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis verstößt nicht ge­gen Ar­ti­kel 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG (vgl. da­zu LAG Köln v. 29.04.2010 – 6 Sa 103/10, ju­ris, dort Rd­nrn. 20 f.).

Ar­ti­kel 7 Abs. 1 der Richt­li­nie steht ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen, nach de­nen der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub bei Ab­lauf des Be­zugs­zeit­raums und/oder ei­nes im na­tio­na­len Recht fest­ge­leg­ten Über­tra­gungs­zeit­raums auch dann er­lischt, wenn der Ar­beit­neh­mer während des ge­sam­ten Be­zugs­zeit­raums oder ei­nes Teils da­von krank­ge­schrie­ben war und sei­ne Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses fort­be­stand, wes­halb er sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ausüben konn­te. Ar­ti­kel 7 Abs. 2 der Richt­li­nie ver­bie­tet auch Rechts­vor­schrif­ten, nach de­nen für nicht ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laub am En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung ge­zahlt wird, wenn der Ar­beit­neh­mer während des ge­sam­ten Be­zugs­zeit­raums und/oder Über­tra­gungs­zeit­raums oder ei­nes Teils da­von krank­ge­schrie­ben bzw. im Krank­heits­ur­laub war und des­halb sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ausüben konn­te. In An­wen­dung die­ser Grundsätze sind § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG richt­li­ni­en­kon­form so zu in­ter­pre­tie­ren, dass ge­setz­li­che Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche nicht erlöschen, wenn Ar­beit­neh­mer bis zum En­de des Ur­laubs­jah­res und/oder des Über­tra­gungs­zeit­raums er­krankt und des­we­gen ar­beits­unfähig sind.

Hier geht es je­doch nicht um das Erlöschen von Ur­laubs- bzw. Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüchen im Fall länger­fris­ti­ger Er­kran­kung, son­dern um das Nicht­ent­ste­hen von Ur­laubs­ansprüchen im Fall des Ru­hens ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses. Zwi­schen bei­den Fall­ge­stal­tun­gen be­steht ein er­heb­li­cher Un­ter­schied: Während die krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers das Ar­beits­verhält­nis un­berührt lässt und ei­ne Leis­tungsstörung be­wirkt, wird das Ar­beits­verhält­nis beim Ru­hen in­halt­lich um­ge­stal­tet und be­steht nur mehr als Rah­men un­ter Su­s­pen­die­rung der bei­der­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten fort. Es ist ge­ra­de der Zweck des um­ge­stal­te­ten Ver­tra­ges – bei der Er­werbs­min­de­rungs­ren­te so­gar auf An­trag des Ar­beit­neh­mers –, dass kei­ne Ar­beit ge­leis­tet wird. Sind aber Ar­beits­leis­tung und Vergütung von vor­ne­her­ein aus­ge­schlos­sen, so fehlt es an ei­nem Aus­tausch­verhält­nis, aus dem Ur­laubs­ansprüche er­wach­sen können. Ein ru­hen­des Ar­beits­verhält­nis ge­ne­riert kei­nen Ur­laub. Die­ser Grund­satz hat auch in den spe­zi­al­ge­setz­li­chen Kürzungs­re­ge­lun­gen des § 4 Abs. 1 Arb­PlSchG und § 17 Abs. 1 BEEG sei­nen be­son­de­ren Aus­druck ge­fun­den.

2. We­gen des Ru­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses in der Zeit vom 20.11.2007 bis zur Be­en­di­gung steht dem Kläger auch kein An­spruch auf Ab­gel­tung sei­nes Zu­satz­ur­laubs gem. § 125 Abs. 1 SGB IX für die Jah­re 2008 bis 2010 zu.

3. Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te auch kei­nen An­spruch auf Ab­gel­tung sei­nes an­tei­li­gen Zu­satz­ur­laubs für schwer­be­hin­der­te Men­schen für das Jahr 2007 aus dem Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en i.V.m. § 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 125 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX.

Denn gem. § 125 Abs. 3 SGB IX fin­den in Fällen wie dem vor­lie­gen­den, in de­nen die Ei­gen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch rück­wir­kend an­er­kannt wird, auch für die Über­trag­bar­keit des Zu­satz­ur­laubs­an­spruchs in das nächs­te Ka­len­der­jahr die dem Beschäfti­gungs­verhält­nis zu­grun­de­lie­gen­den ur­laubs­recht­li­chen Re­ge­lun­gen An­wen­dung.

Da­mit ist der Zu­satz­ur­laub des Klägers für das Jahr 2007 spätes­tens mit Ab­lauf des 31.03.2008 gem. § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG ver­fal­len. Die­ses Verständ­nis des § 125 Abs. 3 SGB IX verstößt nicht ge­gen Ar­ti­kel 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG. Denn die Ar­beits­unfähig­keit des Klägers ist für den Ver­fall der ent­spre­chen­den Ur­laubs­ansprüche nicht ursächlich. An­ge­sichts der erst im No­vem­ber 2010 er­folg­ten rück­wir­ken­den Fest­stel­lung der Ei­gen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch wären die Ansprüche des Klägers auf Gewährung des Zu­satz­ur­laubs gem. § 125 Abs. 1 SGB IX für das Jahr 2007 auch dann gem. § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ab­lauf des 31.03.2008 ver­fal­len ge­we­sen, wenn der Kläger nicht ar­beits­unfähig er­krankt ge­we­sen wäre. Auch in­so­weit geht es nicht um das Erlöschen von Ur­laubs- bzw. Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüchen im Fall länger­fris­ti­ger Er­kran­kung, son­dern viel­mehr um die Fra­ge der Ver­tei­lung des Ri­si­kos der rück­wir­ken­den Fest­stel­lung der Ei­gen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer. Der Ge­setz­ge­ber hat die­ses der Sphäre des Ar­beit­neh­mers zu­gehöri­ge Ri­si­ko dem Ar­beit­neh­mer zu­ge­wie­sen und durch die Re­ge­lung des § 125 Abs. 3 SGB IX klar­ge­stellt, dass die rück­wir­ken­de Fest­stel­lung der Schwer­be­hin­de­rung nicht zur Fol­ge ha­ben soll, dass dem Ar­beit­neh­mer in größerem Um­fang auf­ge­stau­te Ur­laubs­ansprüche zu­fal­len sol­len. Die­ser Ge­sichts­punkt ist deut­lich von der Fra­ge des Erlöschens von Ur­laubs- bzw. Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüchen im Fall länger­fris­ti­ger Er­kran­kung zu un­ter­schei­den.

4. Man­gels Zah­lungs­an­spruchs entfällt auch der wei­ter­ge­hen­de Zins­an­spruch.

B. Die Wi­der­kla­ge ist un­be­gründet.

Die Be­klag­te hat ge­gen den Kläger kei­nen An­spruch auf Rück­for­de­rung ge­leis­te­ter Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 3.757,44 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Denn die Be­klag­te hat die Zah­lung nicht rechts­grund­los ge­zahlt. Viel­mehr war sie, wie un­ter A. I. 1. Aus­geführt, zur Zah­lung von Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe ei­nes den tatsächlich ge­zahl­ten Be­trag von 3.757,44 € weit über­stei­gen­den Be­trags ver­pflich­tet.

C. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG und ori­en­tiert sich am Kos­ten­streit­wert in Höhe von 27.060,20 €, der auch den zurück­ge­nom­me­nen Teil der Kla­ge­for­de­rung um­fasst. Die Streit­wert­fest­set­zung im Ur­teil be­ruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Die Be­ru­fung war nicht ge­son­dert zu­zu­las­sen, da die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vor­lie­gen.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von je­der Par­tei Be­ru­fung ein­ge­legt wer­den.  

Die Be­ru­fung muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich bei dem  

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ein­ge­gan­gen sein.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach des­sen Verkündung.

Die Be­ru­fungs­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,

2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,

3. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Nr. 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­te zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten. 

* Ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

Dr. Fau­len­bach

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