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Arbeitgeber müssen Schwerbehinderte zum Zusatzurlaub auffordern
08.04.2019. Vor kurzem erst hatte der europäische Gerichtshof (EuGH) die Regelungen des deutschen Urlaubsrechts beanstandet, denen zufolge der Urlaubsanspruch zum Jahresende verfällt, wenn er nicht rechtzeitig vom Arbeitnehmer in Anspruch genommen wird.
Laut EuGH trifft nämlich den Arbeitgeber die Pflicht, den Arbeitnehmer rechtzeitig durch entsprechende Hinweise in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub zu nehmen.
Nun hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen nachgezogen und entschieden, dass die Hinweispflicht auch für den fünftägigen Zusatzurlaub gilt, der schwerbehinderten Arbeitnehmer zusteht: LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.01.2019, 2 Sa 567/18.
- Müssen Arbeitgeber von sich aus aktiv werden, damit Schwerbehinderte ihren Zusatzurlaub rechtzeitig in Anspruch nehmen?
- Im Streit: Ansprüche auf Urlaubsabgeltung nach Entlassung einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin
- LAG Niedersachsen: Die EuGH-Rechtsprechung, der zufolge Arbeitgeber zum Urlaubsantritt auffordern müssen, gilt auch für den Schwerbehinderten-Zusatzurlaub
Müssen Arbeitgeber von sich aus aktiv werden, damit Schwerbehinderte ihren Zusatzurlaub rechtzeitig in Anspruch nehmen?
Gemäß § 7 Abs.3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) liegt die Verantwortung für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs beim Arbeitnehmer. Denn im Allgemeinen verfällt der Urlaubsanspruch zum Jahresende, wenn er bis dahin nicht genommen wurde. In § 7 Abs.3 Sätze 1 bis 3 BUrlG heißt es nämlich:
"Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden."
Diese Regelung und die darauf beruhende langjährige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind mit Art.7 Abs.1 der Arbeitszeit-Richtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) nur schwer vereinbar. Denn danach müssen die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sicherstellen, dass jeder Arbeitnehmer einen vierwöchigen Mindesturlaub pro Jahr effektiv "erhält".
Auf der Grundlage von Art.7 Abs.1 Richtlinie 2003/88/EG hat der EuGH Ende 2018 entschieden, dass der europarechtliche Mindesturlaub von vier Wochen am Jahresende nicht einfach deshalb verfallen darf, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat (EuGH, Urteil vom 06.11.2018, C-684/16 - Shimizu, und EuGH, Urteil vom 06.11.2018, C-619/16 - Kreuziger, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 18/270 Urlaubsübertragung ins neue Jahr ist künftig die Regel).
Diese Vorgaben des EuGH hat das BAG mittlerweile umgesetzt und entschieden, dass der Urlaub nur dann am Jahresende verfällt,
- wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und
- wenn er ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls am Jahresende erlischt (BAG, Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 541/15, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 19/046 BAG beschränkt Verfall von Urlaub).
Fraglich ist, ob diese Verpflichtung des Arbeitgebers, an der Erfüllung des Urlaubsanspruchs aktiv mitzuwirken, auch für den einwöchigen Zusatzurlaub gilt, der schwerbehinderten Arbeitnehmern gemäß § 208 Abs.1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zusteht.
Im Streit: Ansprüche auf Urlaubsabgeltung nach Entlassung einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin
Im Streitfall hatte eine langjährig beschäftigte schwerbehinderte Arbeitnehmerin ihren Ex-Arbeitgeber verklagt, nachdem dieser seinen Betrieb geschlossen und die Arbeitnehmerin betriebsbedingt gekündigt hatte.
Gegen die Kündigung war nichts auszurichten, da die Betriebsschließung einen Kleinbetrieb mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern betraf, so dass sich die Arbeitnehmerin nicht auf das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) berufen konnte (§ 23 Abs.1 KSchG). Außerdem hatte der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes zu der Kündigung eingeholt. Dementsprechend endete das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung zum 31.01.2018.
Allerdings hatte die Arbeitnehmerin während der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses niemals ihren Schwerbehindertenzusatzurlaub verlangt. Auch der Arbeitgeber hatte daran nicht gedacht, d.h. er hatte die Arbeitnehmerin weder auf diesen Zusatzurlaub hingewiesen noch sie dazu aufgefordert, ihn zu nehmen. Unstreitig hatte der Arbeitgeber allerdings spätestens seit September 2015 Kenntnis von der Schwerbehinderung, denn zu diesem Zeitpunkt wurde ihm der Schwerbehindertenausweis vorgelegt.
Das in der ersten Instanz mit der Sache befasste Arbeitsgericht Hameln wies die Klage auf Urlaubsabgeltung für den nicht genommenen Schwerbehinderten-Zusatzurlaub ab. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts hätte die Arbeitnehmerin ihren Zusatzurlaub rechtzeitig beantragen bzw. in Anspruch nehmen müssen. Da sie dies nicht getan hatte, war der Anspruch auf Zusatzurlaub jeweils zum Jahresende gemäß § 7 Abs.1 BUrlG untergegangen (Arbeitsrecht Hameln, Urteil vom 07.06.2018, 1 Ca 409/17).
LAG Niedersachsen: Die EuGH-Rechtsprechung, der zufolge Arbeitgeber zum Urlaubsantritt auffordern müssen, gilt auch für den Schwerbehinderten-Zusatzurlaub
Das LAG Niedersachsen war in diesem Punkt anderer Meinung als das Arbeitsgericht und verurteilte den Ex-Arbeitgeber zur Urlaubsabgeltung für 15 Tage Zusatzurlaub aus den Jahren 2015, 1016 und 2017.
Zur Begründung beruft sich das LAG im Ausgangspunkt zwar auf die o.g. beiden EuGH-Urteile, stellt dabei aber klar, dass diese Urteile nur für den europarechtlich vorgeschriebenen vierwöchigen Mindesturlaub gelten.
Allerdings hat das BAG bereits vor einigen Jahren entschieden, dass sich der Verfall des Zusatzurlaubs schwerbehinderter Menschen nach den allgemeinen Regeln richtet, die für den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen gelten. Wird daher der vierwöchige Mindesturlaub vor dem Verfall am Jahresende infolge einer längeren Erkrankung des Arbeitnehmers geschützt, d.h. wird der vierwöchigen Mindesturlaub für eine gewisse Weile aufrechterhalten, gilt das auch für den fünftägigen Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen (BAG, Urteil vom 23.03.2010, 9 AZR 128/09 - Schulz-Hoff).
Unter Berufung auf dieses BAG-Urteil kam das LAG Niedersachsen zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber hier im Streitfall ab Kenntnis der Schwerbehinderung (September 2015) die Arbeitnehmerin von sich aus darauf hätte aufmerksam machen müssen, dass ihr Sonderurlaub zum Jahresende verfällt. Daher war der Zusatzurlaub für die Jahre 2015, 2016 und 2017 nicht verfallen, so dass die Klägerin Urlaubsabgeltung für diese 15 Urlaubstage verlangen konnte.
Fazit: Das LAG Revision zum BAG zugelassen, auch schon eingelegt worden ist. Daher wird sich voraussichtlich demnächst das BAG den Fall des LAG Niedersachsen befassen müssen. Wahrscheinlich wird das BAG die Entscheidung des LAG absegnen.
Für Arbeitgeber heißt das, dass sie nicht nur rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres den Arbeitnehmer dazu auffordern müssen, seinen vierwöchigen Mindesturlaub zu nehmen, sondern dass sie darüber hinaus gehalten sind, schwerbehinderter Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme Ihres Zusatzurlaubs aufzufordern.
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16.01.2019, 2 Sa 567/18
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 541/15 (Shimizu)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.11.2018, C-684/16 (Shimizu)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.11.2018, C-619/16 (Kreuziger)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch
- Handbuch Arbeitsrecht: Sonderurlaub aus persönlichen Gründen
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaubsabgeltung
- Musterschreiben: Urlaub - Musterschreiben „Antrag auf Gewährung von Resturlaub“
- Musterschreiben: Urlaub - Musterschreiben „Antrag auf Gewährung von Ersatzurlaub“
- Arbeitsrecht aktuell: 20/105a Unterstützung von Menschen mit Behinderung in der Corona-Krise
- Arbeitsrecht aktuell: 20/054 Hinweis auf drohenden Urlaubsverfall bei langer Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 19/046 BAG beschränkt Verfall von Urlaub
- Arbeitsrecht aktuell: 18/276 Ausschlussfristen gelten nicht für Ersatzurlaub
- Arbeitsrecht aktuell: 18/270 Urlaubsübertragung ins neue Jahr ist künftig die Regel
- Arbeitsrecht aktuell: 18/130 Arbeitgeberpflichten bei der Urlaubsplanung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/382 Urlaub ohne Antrag?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/372 Resturlaub darf bei Krankheit nicht zum Jahresende verfallen
- Arbeitsrecht aktuell: 12/274 Urlaub bei Dauerkrankheit verfällt nach 15 Monaten
- Arbeitsrecht aktuell: 11/234 Urlaub und Krankheit: Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen
- Arbeitsrecht aktuell: 10/065 Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach dem SGB IX
- Arbeitsrecht aktuell: 09/057 Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend dem Schultz-Hoff-Urteil des EuGH
- Arbeitsrecht aktuell: 09/023 Bei dauerhafter Krankheit kein Verfall von Resturlaubsansprüchen
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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