HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 06.11.2018, C-619/16

   
Schlagworte: Urlaubsantrag, Urlaub: Antrag, Urlaub: Übertragung, Urlaub: Verfall, Urlaubsgewährung
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-619/16
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 06.11.2018
   
Leitsätze: Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, sofern sie dazu führt, dass der Arbeitnehmer, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, die ihm nach dem Unionsrecht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für diesen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen.
Vorinstanzen: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2016, OVG 4 B 38.14<>Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 03.05.2013, 5 K 158.11
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Große Kam­mer)

6. No­vem­ber 2018(*)

„Vor­la­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung - So­zi­al­po­li­tik - Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - Richt­li­nie 2003/88/EG - Art. 7 - An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub - Na­tio­na­le Re­ge­lung, die den Ver­lust des nicht ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laubs und der fi­nan­zi­el­len Vergütung für die­sen Ur­laub vor­sieht, wenn der Ar­beit­neh­mer vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen Ur­laubs­an­trag ge­stellt hat“

In der Rechts­sa­che C‑619/16

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg (Deutsch­land) mit Ent­schei­dung vom 14. Sep­tem­ber 2016, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 29. No­vem­ber 2016, in dem Ver­fah­ren

Se­bas­ti­an W. Kreu­zi­ger

ge­gen

Land Ber­lin

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Große Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten K. Lena­erts, des Kam­mer­präsi­den­ten J.‑C. Bo­ni­chot, der Kam­mer­präsi­den­tin A. Prechal (Be­richt­er­stat­te­rin), der Kam­mer­präsi­den­ten M. Vil­a­ras, T. von Dan­witz und F. Bilt­gen, der Kam­mer­präsi­den­tin K. Jürimäe, des Kam­mer­präsi­den­ten C. Ly­cour­gos so­wie der Rich­ter M. Ilešič, J. Ma­le­n­ovský, E. Le­vits, L. Bay Lar­sen und S. Ro­din,

 


Ge­ne­ral­an­walt: Y. Bot,

Kanz­ler: K. Ma­lacek, Ver­wal­tungs­rat,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 9. Ja­nu­ar 2018,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

- von Herrn Kreu­zi­ger,

- des Lan­des Ber­lin, ver­tre­ten durch B. Pi­ckel und S. Schwerdtfe­ger als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von Rechts­anwältin L. von Laf­fert,

- der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch T. Hen­ze und J. Möller als Be­vollmäch­tig­te,

- der ita­lie­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch G. Pal­mie­ri als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von F. Di Mat­teo, av­vo­ca­to del­lo Sta­to,

- der un­ga­ri­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch E. Se­be­s­tyén und M. Z. Fehér als Be­vollmäch­tig­te,

- der öster­rei­chi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch G. Eber­hard als Be­vollmäch­tig­ten,

- der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch M. van Beek und T. S. Bohr als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 29. Mai 2018

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (ABl. 2003, L 299, S. 9).
2 Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn Se­bas­ti­an W. Kreu­zi­ger und sei­nem frühe­ren Ar­beit­ge­ber, dem Land Ber­lin (Deutsch­land), über des­sen Wei­ge­rung, Herrn Kreu­zi­ger ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu zah­len.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

3 In den Erwägungs­gründen 4 und 5 der Richt­li­nie 2003/88 heißt es:

„(4) Die Ver­bes­se­rung von Si­cher­heit, Ar­beits­hy­gie­ne und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei der Ar­beit stel­len Ziel­set­zun­gen dar, die kei­nen rein wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen un­ter­ge­ord­net wer­den dürfen.

(5) Al­le Ar­beit­neh­mer soll­ten an­ge­mes­se­ne Ru­he­zei­ten er­hal­ten. Der Be­griff ,Ru­he­zeit‘ muss in Zeit­ein­hei­ten aus­ge­drückt wer­den, d. h. in Ta­gen, St­un­den und/oder Tei­len da­von. Ar­beit­neh­mern in der [Uni­on] müssen Min­destru­he­zei­ten – je Tag, Wo­che und Jahr – so­wie an­ge­mes­se­ne Ru­he­pau­sen zu­ge­stan­den wer­den. …“

4 Art. 7 („Jah­res­ur­laub“) die­ser Richt­li­nie lau­tet:

„(1) Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit je­der Ar­beit­neh­mer ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen nach Maßga­be der Be­din­gun­gen für die In­an­spruch­nah­me und die Gewährung erhält, die in den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder nach den ein­zel­staat­li­chen Ge­pflo­gen­hei­ten vor­ge­se­hen sind.

(2) Der be­zahl­te Min­dest­jah­res­ur­laub darf außer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung er­setzt wer­den.“

5 Nach Art. 17 der Richt­li­nie 2003/88 können die Mit­glied­staa­ten von be­stimm­ten Vor­schrif­ten die­ser Richt­li­nie ab­wei­chen. Ei­ne Ab­wei­chung von Art. 7 der Richt­li­nie ist je­doch nicht zulässig.

Deut­sches Recht

6 § 9 der Ver­ord­nung über den Er­ho­lungs­ur­laub der Be­am­ten und Rich­ter vom 26. April 1988 (GVBl. 1988, S. 846, im Fol­gen­den: EUrl­VO) be­stimmt:

„(1) Der Be­am­te soll den ihm zu­ste­hen­den Er­ho­lungs­ur­laub möglichst zu­sam­menhängend neh­men. Der Ur­laub ist auf Wunsch ge­teilt zu gewähren; je­doch ist im All­ge­mei­nen die Tei­lung in mehr als zwei Ab­schnit­te zu ver­mei­den. Wird der Ur­laub ge­teilt, so soll der Be­am­te min­des­tens für zwei Wo­chen zu­sam­menhängend be­ur­laubt sein.

 


(2) Der Ur­laub soll grundsätz­lich im Ur­laubs­jahr ab­ge­wi­ckelt wer­den. Ur­laub, der nicht in­ner­halb von zwölf Mo­na­ten nach dem En­de des Ur­laubs­jah­res ge­nom­men wor­den ist, verfällt. …“

7

Die EUrl­VO enthält kei­ne Vor­schrift über die Gewährung ei­ner fi­nan­zi­el­len Vergütung für den bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub.

8 § 7 Abs. 4 des Bun­des­ur­laubs­ge­set­zes vom 8. Ja­nu­ar 1963 (BGBl. 1963 S. 2) in der Fas­sung vom 7. Mai 2002 (BGBl. 2002 I S. 1529) (im Fol­gen­den: BUrlG) sieht vor:

„Kann der Ur­laub we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ganz oder teil­wei­se nicht mehr gewährt wer­den, so ist er ab­zu­gel­ten.“

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

9 Herr Kreu­zi­ger ab­sol­vier­te vom 13. Mai 2008 bis 28. Mai 2010 als Rechts­re­fe­ren­dar beim Land Ber­lin sei­nen ju­ris­ti­schen Vor­be­rei­tungs­dienst in ei­nem öffent­lich-recht­li­chen Aus­bil­dungs­verhält­nis, je­doch außer­halb des Be­am­ten­verhält­nis­ses. Mit der er­folg­rei­chen Ab­le­gung sei­ner münd­li­chen Prüfung für das Zwei­te Staats­ex­amen am 28. Mai 2010 en­de­ten der Vor­be­rei­tungs­dienst und das Aus­bil­dungs­verhält­nis beim Land Ber­lin.
10 Herr Kreu­zi­ger ent­schied sich dafür, in der Zeit vom 1. Ja­nu­ar 2010 bis zur Be­en­di­gung sei­ner Aus­bil­dung kei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub in An­spruch zu neh­men. Am 18. De­zem­ber 2010 be­an­trag­te er, ihm für den nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ei­ne fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung zu gewähren. Die­ser An­trag wur­de zunächst mit Be­scheid der Präsi­den­tin des Kam­mer­ge­richts (Deutsch­land) vom 7. Ja­nu­ar 2011 und so­dann nach Ein­le­gung ei­nes Wi­der­spruchs mit Wi­der­spruchs­be­scheid des Ge­mein­sa­men Ju­ris­ti­schen Prüfungs­amts der Länder Ber­lin und Bran­den­burg (Deutsch­land) vom 4. Mai 2011 ab­ge­lehnt, da die EUrl­VO ei­nen sol­chen Ab­gel­tungs­an­spruch nicht vor­se­he, die Richt­li­nie 2003/88 nur für Ar­beit­neh­mer gel­te und de­ren Art. 7 Abs. 2 für die fi­nan­zi­el­le Vergütung je­den­falls vor­aus­set­ze, dass der Ur­laub aus vom Ar­beit­neh­mer nicht zu ver­tre­ten­den Gründen nicht ha­be in An­spruch ge­nom­men wer­den können.
11 Die von Herrn Kreu­zi­ger beim Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin (Deutsch­land) er­ho­be­ne Kla­ge auf Auf­he­bung die­ser Be­schei­de wur­de mit Ur­teil vom 3. Mai 2013 ab­ge­wie­sen. In die­sem Ur­teil wies auch das Ver­wal­tungs­ge­richt dar­auf hin, dass die EUrl­VO kei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung des bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs vor­se­he. Ob­wohl Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 un­mit­tel­ba­re Wir­kung ha­be, ver­lei­he auch er Herrn Kreu­zi­ger kei­nen sol­chen An­spruch, da die­ser vor­aus­set­ze, dass der Ar­beit­neh­mer aus von sei­nem Wil­len un­abhängi­gen Gründen nicht in der La­ge ge­we­sen sei, sei­nen An­spruch auf Jah­res­ur­laub vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses wahr­zu­neh­men.
12 Der Ar­beit­neh­mer sei nach § 9 EUrl­VO ver­pflich­tet, sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men und zu be­an­tra­gen. Ei­ne sol­che na­tio­na­le Re­ge­lung se­he Mo­da­litäten für die Wahr­neh­mung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor und sei da­her mit Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 ver­ein­bar. Da Herr Kreu­zi­ger frei­wil­lig da­von ab­ge­se­hen ha­be, ei­nen Ur­laubs­an­trag zu stel­len, ob­wohl für ihn ab­seh­bar ge­we­sen sei, dass sein Ar­beits­verhält­nis am 28. Mai 2010 en­den wer­de, sei sein An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub mit die­sem Tag ver­fal­len.
13 Herr Kreu­zi­ger leg­te ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung beim vor­le­gen­den Ge­richt, dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg (Deutsch­land), ein. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hebt sei­ner­seits her­vor, dass sich der EUrl­VO kei­ne Re­ge­lung ent­neh­men las­se, die ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu­guns­ten von Herrn Kreu­zi­ger be­gründen könne, so dass ein sol­cher An­spruch al­len­falls aus der un­mit­tel­ba­ren Wir­kung von Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 we­gen un­ter­blie­be­ner Um­set­zung die­ser Be­stim­mung in das na­tio­na­le Recht herrühren könne.
14 Zur un­mit­tel­ba­ren Wir­kung führt das vor­le­gen­de Ge­richt aus, Herr Kreu­zi­ger fal­le als Rechts­re­fe­ren­dar in den persönli­chen An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie 2003/88.
15 Er erfülle auch die in Art. 7 Abs. 2 die­ser Richt­li­nie aus­drück­lich be­zeich­ne­ten Vor­aus­set­zun­gen. Im Zeit­punkt der Gel­tend­ma­chung der fi­nan­zi­el­len Ab­gel­tung sei sein Ar­beits­verhält­nis nämlich be­en­det ge­we­sen und er ha­be bis zur Be­en­di­gung nicht den ge­sam­ten Jah­res­ur­laub ge­nom­men, auf den er An­spruch ge­habt ha­be.
16

Es sei je­doch nicht hin­rei­chend klar, ob der An­spruch auf fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub über die­se bei­den aus­drück­li­chen Vor­aus­set­zun­gen hin­aus, wie dies das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin ent­schie­den ha­be, aus­ge­schlos­sen sei, wenn der Ar­beit­neh­mer vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen Ur­laubs­an­trag ge­stellt ha­be, ob­wohl ihm dies möglich ge­we­sen sei, und ob ein sol­cher An­spruch all­ge­mein vor­aus­set­ze, dass der Ar­beit­neh­mer aus von sei­nem Wil­len un­abhängi­gen Gründen nicht in der La­ge ge­we­sen sei, sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses wahr­zu­neh­men.

17 Un­ter die­sen Umständen hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin‑Bran­den­burg be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

 


1. Ist Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, wo­nach der An­spruch auf fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung bei Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus­ge­schlos­sen ist, wenn der Ar­beit­neh­mer kei­nen An­trag auf Gewährung des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs ge­stellt hat, ob­wohl ihm dies möglich war?

2. Ist Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, wo­nach der An­spruch auf fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung bei Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses vor­aus­setzt, dass der Ar­beit­neh­mer aus von sei­nem Wil­len un­abhängi­gen Gründen nicht in der La­ge war, sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­zuüben?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Vor­be­mer­kun­gen

18 In der Vor­la­ge­ent­schei­dung ist aus­geführt, dass die auf das Aus­gangs­ver­fah­ren an­wend­ba­re na­tio­na­le Re­ge­lung kei­ne Vor­schrift ent­hal­te, die vor­se­he, dass Rechts­re­fe­ren­da­ren ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub gewährt wer­de. Die Vor­schrift des BUrlG, die ei­ne sol­che Vergütung vor­se­he, sei auf sie nicht an­wend­bar.
19

Da­her könne dem An­trag des Klägers des Aus­gangs­ver­fah­rens auf Gewährung ei­ner sol­chen Vergütung nur statt­ge­ge­ben wer­den, wenn sich ein ent­spre­chen­der An­spruch für ihn un­mit­tel­bar aus Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 er­ge­be.

20

In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sich der Ein­zel­ne nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs in al­len Fällen, in de­nen die Be­stim­mun­gen ei­ner Richt­li­nie in­halt­lich un­be­dingt und hin­rei­chend ge­nau sind, vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten ge­genüber dem Staat auf die­se Be­stim­mun­gen be­ru­fen kann, wenn die­ser die Richt­li­nie nicht frist­gemäß oder nicht ord­nungs­gemäß in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt hat (Ur­teil vom 24. Ja­nu­ar 2012, Do­m­in­guez, C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 33 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung). Zu­dem kann der Ein­zel­ne, wenn er sich dem Staat ge­genüber auf ei­ne Richt­li­nie be­ru­fen kann, dies un­abhängig da­von tun, ob der Staat in sei­ner Ei­gen­schaft als Ar­beit­ge­ber oder als Ho­heits­träger han­delt. In dem ei­nen wie dem an­de­ren Fall muss nämlich ver­hin­dert wer­den, dass der Staat aus der Nicht­be­ach­tung des Uni­ons­rechts Nut­zen zie­hen kann (Ur­teil vom 24. Ja­nu­ar 2012, Do­m­in­guez, C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 38 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).

 

21 Auf­grund die­ser Erwägun­gen hat der Ge­richts­hof an­er­kannt, dass sich der Ein­zel­ne auf nicht von Be­din­gun­gen abhängi­ge und hin­rei­chend ge­naue Be­stim­mun­gen ei­ner Richt­li­nie ge­genüber ei­nem Mit­glied­staat so­wie u. a. al­len Trägern sei­ner Ver­wal­tung ein­sch­ließlich der de­zen­tra­li­sier­ten Behörden be­ru­fen kann (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 7. Au­gust 2018, Smith, C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 45 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
22

Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs stellt Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 für die Ent­ste­hung des An­spruchs auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung kei­ne an­de­re Vor­aus­set­zung auf als die­je­ni­ge, dass zum ei­nen das Ar­beits­verhält­nis be­en­det ist und zum an­de­ren der Ar­beit­neh­mer nicht den ge­sam­ten Jah­res­ur­laub ge­nom­men hat, auf den er bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses An­spruch hat­te. Die­ser An­spruch er­gibt sich un­mit­tel­bar aus der Richt­li­nie und kann nicht von an­de­ren Vor­aus­set­zun­gen als den in ihr aus­drück­lich vor­ge­se­he­nen abhängen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C‑118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 23 und 28, so­wie vom 20. Ju­li 2016, Ma­schek, C‑341/15, EU:C:2016:576, Rn. 27). Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 erfüllt da­her die Kri­te­ri­en der Un­be­dingt­heit und hin­rei­chen­den Ge­nau­ig­keit und da­mit die für ei­ne un­mit­tel­ba­re Wir­kung er­for­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen.

23

Im vor­lie­gen­den Fall kann da­her der Um­stand, dass das an­wend­ba­re na­tio­na­le Recht kei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses von Rechts­re­fe­ren­da­ren nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor­sieht, für sich al­lein kein Hin­der­nis dafür dar­stel­len, dass Herr Kreu­zi­ger un­mit­tel­bar auf der Grund­la­ge von Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 ei­ne sol­che Vergütung von sei­nem ehe­ma­li­gen Ar­beit­ge­ber, dem Land Ber­lin, bei dem es sich um ei­nen Ho­heits­träger han­delt, erhält. So­fern Herr Kreu­zi­ger nach­weis­lich die An­for­de­run­gen aus die­ser Be­stim­mung erfüllt, sind die na­tio­na­len Ge­rich­te dem­nach ver­pflich­tet, die na­tio­na­len Re­ge­lun­gen oder Ge­pflo­gen­hei­ten un­an­ge­wen­det zu las­sen, die der Gewährung ei­ner sol­chen Vergütung ent­ge­gen­ste­hen.

Zur ers­ten Fra­ge

24 Zur ers­ten Fra­ge ist zunächst fest­zu­stel­len, dass das vor­le­gen­de Ge­richt dar­in zwar nicht die na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten nennt, um die es hier ge­hen soll, den An­ga­ben in der Vor­la­ge­ent­schei­dung je­doch ent­nom­men wer­den kann, dass es sich um § 9 EUrl­VO han­delt.

 

25 Ob­wohl sich nämlich das vor­le­gen­de Ge­richt nicht zur Trag­wei­te von § 9 EUrl­VO im Kon­text des Aus­gangs­ver­fah­rens äußert, ver­weist es, wie aus Rn. 12 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor­geht, auf die Aus­sa­ge des Ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin in dem Ur­teil, ge­gen das beim vor­le­gen­den Ge­richt Be­ru­fung ein­ge­legt wor­den ist, wo­nach § 9 EUrl­VO den Ar­beit­neh­mer ver­pflich­te, ei­nen Ur­laubs­an­trag zu stel­len. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin ist der Auf­fas­sung, dass Herr Kreu­zi­ger die­ser Ver­pflich­tung, die mit Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 ver­ein­bar sei, nicht nach­ge­kom­men sei, so dass sein An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­fal­len sei.
26 Wie sich aus Rn. 16 des vor­lie­gen­den Ur­teils er­gibt, führt das vor­le­gen­de Ge­richt wei­ter aus, dass es den Ge­richts­hof um Vor­ab­ent­schei­dung er­su­che, weil es Zwei­fel ha­be, ob die­se Aus­le­gung des Ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin mit der Richt­li­nie 2003/88 ver­ein­bar sei.
27 Un­ter die­sen Umständen ist die ers­te Fra­ge da­hin zu ver­ste­hen, dass mit ihr geklärt wer­den soll, ob Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie § 9 EUrl­VO ent­ge­gen­steht, so­fern sie da­zu führt, dass der Ar­beit­neh­mer, der vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen An­trag auf Wahr­neh­mung sei­nes An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ge­stellt hat, die ihm nach dem Uni­ons­recht bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu­ste­hen­den Ur­laubs­ta­ge und ent­spre­chend sei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für die­sen nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub au­to­ma­tisch ver­liert.
28

In­so­weit ist zunächst zu be­ach­ten, dass das Recht je­des Ar­beit­neh­mers auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs als ein be­son­ders be­deut­sa­mer Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on an­zu­se­hen ist, von dem nicht ab­ge­wi­chen wer­den darf und den die zuständi­gen na­tio­na­len Stel­len nur in den Gren­zen um­set­zen dürfen, die in der Richt­li­nie 2003/88 selbst aus­drück­lich ge­zo­gen wer­den (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C‑118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 15 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).

29 Das Recht auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub als Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on hat zu­dem nicht nur be­son­de­re Be­deu­tung, son­dern ist auch in Art. 31 Abs. 2 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on, der nach Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che recht­li­che Rang wie den Verträgen zu­kommt, aus­drück­lich verbürgt (Ur­teil vom 30. Ju­ni 2016, Sobc­zy­szyn, C‑178/15, EU:C:2016:502, Rn. 20 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
30 Da es im Aus­gangs­ver­fah­ren um die Ver­wei­ge­rung ei­ner fi­nan­zi­el­len Vergütung für be­zahl­ten Jah­res­ur­laub geht, der bei Be­en­di­gung des zwi­schen den Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens früher be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses noch nicht ge­nom­men wor­den war, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die tatsächli­che In­an­spruch­nah­me des dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­den be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs, wenn das Ar­beits­verhält­nis be­en­det ist, nicht mehr möglich ist. Um zu ver­hin­dern, dass dem Ar­beit­neh­mer we­gen die­ser Unmöglich­keit je­der Ge­nuss die­ses An­spruchs, selbst in fi­nan­zi­el­ler Form, vor­ent­hal­ten wird, sieht Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 vor, dass der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für die nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs­ta­ge hat (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C‑118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 17 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
31 Wie in Rn. 22 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­geführt, hat der Ge­richts­hof ent­schie­den, dass Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 für das Ent­ste­hen des An­spruchs auf fi­nan­zi­el­le Vergütung kei­ne an­de­re Vor­aus­set­zung auf­stellt als die­je­ni­ge, dass zum ei­nen das Ar­beits­verhält­nis be­en­det ist und dass zum an­de­ren der Ar­beit­neh­mer nicht den ge­sam­ten Jah­res­ur­laub ge­nom­men hat, auf den er bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses An­spruch hat­te.
32 In­so­weit geht aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs her­vor, dass Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen dem Ar­beit­neh­mer am En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ge­zahlt wird, wenn es ihm nicht möglich war, den ge­sam­ten be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men, der ihm vor dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses zu­stand, weil er sich z. B. während des ge­sam­ten Be­zugs- und/oder Über­tra­gungs­zeit­raums oder ei­nes Teils da­von im Krank­heits­ur­laub be­fand (Ur­tei­le vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 62, vom 20. Ju­li 2016, Ma­schek, C‑341/15, EU:C:2016:576, Rn. 31, so­wie vom 29. No­vem­ber 2017, King, C‑214/16, EU:C:2017:914, Rn. 65).
33

Der Ge­richts­hof hat fer­ner ent­schie­den, dass Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 nicht da­hin aus­ge­legt wer­den kann, dass der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub und da­mit auch der An­spruch auf die in Art. 7 Abs. 2 die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung durch den Tod des Ar­beit­neh­mers un­ter­ge­hen können. Da­bei hat der Ge­richts­hof ins­be­son­de­re be­tont, dass, wenn die Pflicht zur Aus­zah­lung ei­ner sol­chen Vergütung we­gen der durch den Tod des Ar­beit­neh­mers be­ding­ten Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses erlöschen würde, die­ser Um­stand zur Fol­ge hätte, dass ein unwägba­res Vor­komm­nis rück­wir­kend zum vollständi­gen Ver­lust des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub selbst, wie er in Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ver­an­kert ist, führen würde (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C‑118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 25, 26 und 30).

34 In Be­zug auf das Aus­gangs­ver­fah­ren ist fest­zu­stel­len, dass nach den An­ga­ben in der Vor­la­ge­ent­schei­dung und wie in den Rn. 25 bis 27 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­geführt die Wei­ge­rung des frühe­ren Ar­beit­ge­bers von Herrn Kreu­zi­ger, ihm ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu zah­len, u. a. auf ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung, im vor­lie­gen­den Fall § 9 EUrl­VO, gestützt ist, auf de­ren Grund­la­ge die­ser Ur­laubs­an­spruch grundsätz­lich nicht we­gen der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses als sol­cher un­ter­ge­gan­gen ist, son­dern auf­grund der Tat­sa­che, dass Herr Kreu­zi­ger während des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen An­trag auf In­an­spruch­nah­me des Ur­laubs ge­stellt hat.
35 Im vor­lie­gen­den Fall stellt sich so­mit im We­sent­li­chen die Fra­ge, ob Herr Kreu­zi­ger vor dem Hin­ter­grund der in Rn. 31 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten Recht­spre­chung bei Be­en­di­gung des im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Ar­beits­verhält­nis­ses noch An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat­te, der sich we­gen der Be­en­di­gung in ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung um­wan­deln konn­te.
36 Die­se Fra­ge be­trifft dem­nach in ers­ter Li­nie die Aus­le­gung von Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 und geht da­hin, ob er es aus­sch­ließt, dass der An­spruch, den er verbürgt, im Fall nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs au­to­ma­tisch erlöschen kann, wenn der Ar­beit­neh­mer während des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen An­trag auf Wahr­neh­mung die­ses An­spruchs ge­stellt hat.
37 Hier­zu ist ers­tens fest­zu­stel­len, dass aus der in den Rn. 30 bis 33 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs nicht ab­ge­lei­tet wer­den kann, Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 wäre da­hin aus­zu­le­gen, dass der An­spruch nach Abs. 1 und – im Fall der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses – der An­spruch auf die Vergütung, die gemäß Abs. 2 an sei­ne Stel­le tre­ten kann, dem Ar­beit­neh­mer völlig un­abhängig von den Umständen er­hal­ten blei­ben müss­ten, die da­zu geführt ha­ben, dass er den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ge­nom­men hat.
38 Zwei­tens darf zwar nach ständi­ger Recht­spre­chung Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88, um si­cher­zu­stel­len, dass das im Uni­ons­recht ver­an­ker­te Grund­recht des Ar­beit­neh­mers auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub be­ach­tet wird, nicht auf Kos­ten der Rech­te, die dem Ar­beit­neh­mer nach die­ser Richt­li­nie zu­ste­hen, re­strik­tiv aus­ge­legt wer­den (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C‑118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 22 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung). Es ist je­doch eben­falls zu be­ach­ten, dass das in Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­ne Ur­laubs­ent­gelt es dem Ar­beit­neh­mer ermögli­chen soll, den Ur­laub, auf den er An­spruch hat, tatsächlich zu neh­men (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 16. März 2006, Ro­bin­son-Stee­le u. a., C‑131/04 und C‑257/04, EU:C:2006:177, Rn. 49).

 

39 Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs wird mit dem in Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ver­an­ker­ten An­spruch auf Jah­res­ur­laub nämlich der Zweck ver­folgt, es dem Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen, sich zum ei­nen von der Wahr­neh­mung der ihm nach sei­nem Ar­beits­ver­trag ob­lie­gen­den Auf­ga­ben zu er­ho­len und zum an­de­ren über ei­nen Zeit­raum der Ent­span­nung und Frei­zeit zu verfügen (Ur­teil vom 20. Ju­li 2016, Ma­schek, C‑341/15, EU:C:2016:576, Rn. 34 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
40 In­dem Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 vor­sieht, dass der be­zahl­te Min­dest­jah­res­ur­laub außer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung er­setzt wer­den darf, soll im Übri­gen ins­be­son­de­re gewähr­leis­tet wer­den, dass der Ar­beit­neh­mer über ei­ne tatsächli­che Ru­he­zeit verfügen kann, da­mit ein wirk­sa­mer Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit gewähr­leis­tet ist (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 16. März 2006, Ro­bin­son-Stee­le u. a., C‑131/04 und C‑257/04, EU:C:2006:177, Rn. 60 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
41 Drit­tens ist es, wie sich schon aus dem Wort­laut von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 und aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs er­gibt, Sa­che der Mit­glied­staa­ten, in ih­ren in­ner­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten die Vor­aus­set­zun­gen für die Wahr­neh­mung und die Um­set­zung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub fest­zu­le­gen und da­bei die kon­kre­ten Umstände zu be­zeich­nen, un­ter de­nen die Ar­beit­neh­mer die­sen An­spruch gel­tend ma­chen können (Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 28 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
42 Dies hat der Ge­richts­hof u. a. da­hin präzi­siert, dass Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 grundsätz­lich ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung, die für die Wahr­neh­mung des mit die­ser Richt­li­nie aus­drück­lich ver­lie­he­nen An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub Mo­da­litäten vor­sieht, die so­gar den Ver­lust die­ses An­spruchs am En­de ei­nes Be­zugs­zeit­raums oder ei­nes Über­tra­gungs­zeit­raums um­fas­sen, nicht ent­ge­gen­steht, al­ler­dings un­ter der Vor­aus­set­zung, dass der Ar­beit­neh­mer, des­sen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub er­lo­schen ist, tatsächlich die Möglich­keit hat­te, den ihm mit der Richt­li­nie ver­lie­he­nen An­spruch wahr­zu­neh­men (Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C‑350/06 und C‑520/06, EU:C:2009:18, Rn. 43).
43

Ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung wie § 9 EUrl­VO fällt in den Be­reich der Mo­da­litäten für die Wahr­neh­mung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub im Sin­ne von Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 und der in der vor­ste­hen­den Rand­num­mer an­geführ­ten Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs.

 

44 Ei­ne Re­ge­lung sol­cher Art gehört zu den auf die Fest­le­gung des Ur­laubs der Ar­beit­neh­mer an­wend­ba­ren Be­stim­mun­gen und Ver­fah­ren des na­tio­na­len Rechts, die zum Ziel ha­ben, den ver­schie­de­nen wi­der­strei­ten­den In­ter­es­sen Rech­nung zu tra­gen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 10. Sep­tem­ber 2009, Vicen­te Pe­re­da, C‑277/08, EU:C:2009:542, Rn. 22).
45 Wie aus Rn. 42 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor­geht, ist je­doch dafür Sor­ge zu tra­gen, dass die An­wen­dung sol­cher na­tio­na­len Be­stim­mun­gen nicht zum Erlöschen der vom Ar­beit­neh­mer er­wor­be­nen Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub führen kann, wenn es ihm tatsächlich nicht möglich war, die­se Ansprüche wahr­zu­neh­men.
46 Im vor­lie­gen­den Fall ist der Vor­la­ge­ent­schei­dung zu ent­neh­men, dass § 9 EUrl­VO vom Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin of­fen­bar da­hin aus­ge­legt wird, dass, wenn ein Ar­beit­neh­mer vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen An­trag auf Wahr­neh­mung sei­nes be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs ge­stellt hat, dies au­to­ma­tisch da­zu führt, dass der Ar­beit­neh­mer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei­nen Ur­laubs­an­spruch und ent­spre­chend sei­nen An­spruch auf ei­ne Vergütung für die­sen nicht ge­nom­me­nen Ur­laub ver­liert.
47 Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 34 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, wer­den mit ei­nem sol­chen au­to­ma­ti­schen Ver­lust des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, der kei­ne vor­he­ri­ge Prüfung vor­aus­setzt, ob der Ar­beit­neh­mer tatsächlich in die La­ge ver­setzt wur­de, die­sen An­spruch wahr­zu­neh­men, die in Rn. 42 des vor­lie­gen­den Ur­teils ge­nann­ten Gren­zen ver­kannt, die von den Mit­glied­staa­ten zwin­gend ein­zu­hal­ten sind, wenn sie die Mo­da­litäten für die Wahr­neh­mung die­ses An­spruchs im Ein­zel­nen fest­le­gen.
48 Der Ar­beit­neh­mer ist nämlich als die schwäche­re Par­tei des Ar­beits­ver­trags an­zu­se­hen, so dass ver­hin­dert wer­den muss, dass der Ar­beit­ge­ber ihm ei­ne Be­schränkung sei­ner Rech­te auf­er­le­gen kann. Auf­grund die­ser schwäche­ren Po­si­ti­on kann der Ar­beit­neh­mer da­von ab­ge­schreckt wer­den, sei­ne Rech­te ge­genüber sei­nem Ar­beit­ge­ber aus­drück­lich gel­tend zu ma­chen, da ins­be­son­de­re die Ein­for­de­rung die­ser Rech­te ihn Maßnah­men des Ar­beit­ge­bers aus­set­zen könn­te, die sich zu sei­nem Nach­teil auf das Ar­beits­verhält­nis aus­wir­ken können (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010, Fuß, C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 80 und 81 so­wie die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
49 Zu­dem ist die Schaf­fung ei­nes An­rei­zes, auf den Er­ho­lungs­ur­laub zu ver­zich­ten oder die Ar­beit­neh­mer da­zu an­zu­hal­ten, dar­auf zu ver­zich­ten, mit den in den Rn. 39 und 40 des vor­lie­gen­den Ur­teils ge­nann­ten Zie­len un­ver­ein­bar, die mit dem An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ver­folgt wer­den und u. a. dar­in be­ste­hen, zu gewähr­leis­ten, dass der Ar­beit­neh­mer zum wirk­sa­men Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit über ei­ne tatsächli­che Ru­he­zeit verfügt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 6. April 2006, Fe­de­ra­tie Neder­land­se Vak­be­we­ging, C‑124/05, EU:C:2006:244, Rn. 32). Dem­nach verstößt auch je­de Pra­xis oder Un­ter­las­sung ei­nes Ar­beit­ge­bers, die den Ar­beit­neh­mer da­von ab­hal­ten kann, den Jah­res­ur­laub zu neh­men, ge­gen das mit dem Recht auf Jah­res­ur­laub ver­folg­te Ziel (Ur­teil vom 29. No­vem­ber 2017, King, C‑214/16, EU:C:2017:914, Rn. 39 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
50 Un­ter die­sen Umständen ist ei­ne Si­tua­ti­on zu ver­mei­den, in der die Auf­ga­be, für die tatsächli­che Wahr­neh­mung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu sor­gen, vollständig auf den Ar­beit­neh­mer ver­la­gert würde, während der Ar­beit­ge­ber da­mit die Möglich­keit er­hiel­te, sich un­ter Be­ru­fung auf den feh­len­den Ur­laubs­an­trag des Ar­beit­neh­mers sei­ner ei­ge­nen Pflich­ten zu ent­zie­hen.
51 Zwar kann die Be­ach­tung der Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers aus Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 nicht so weit ge­hen, von die­sem zu ver­lan­gen, dass er sei­ne Ar­beit­neh­mer zwingt, ih­ren An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub tatsächlich wahr­zu­neh­men (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 7. Sep­tem­ber 2006, Kom­mis­si­on/Ver­ei­nig­tes König­reich, C‑484/04, EU:C:2006:526, Rn. 43). Er muss den Ar­beit­neh­mer je­doch in die La­ge ver­set­zen, ei­nen sol­chen An­spruch wahr­zu­neh­men (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 29. No­vem­ber 2017, King, C‑214/16, EU:C:2017:914, Rn. 63).
52 Wie auch der Ge­ne­ral­an­walt in den Nrn. 43 bis 45 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, ist der Ar­beit­ge­ber in An­be­tracht des zwin­gen­den Cha­rak­ters des Rechts auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub und an­ge­sichts des Er­for­der­nis­ses, die prak­ti­sche Wirk­sam­keit von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 zu gewähr­leis­ten, u. a. ver­pflich­tet, kon­kret und in völli­ger Trans­pa­renz dafür zu sor­gen, dass der Ar­beit­neh­mer tatsächlich in der La­ge ist, sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men, in­dem er ihn – er­for­der­li­chen­falls förm­lich – auf­for­dert, dies zu tun, und ihm, da­mit si­cher­ge­stellt ist, dass der Ur­laub ihm noch die Er­ho­lung und Ent­span­nung bie­ten kann, zu de­nen er bei­tra­gen soll, klar und recht­zei­tig mit­teilt, dass der Ur­laub, wenn er ihn nicht nimmt, am En­de des Be­zugs- oder ei­nes zulässi­gen Über­tra­gungs­zeit­raums oder am En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses, wenn dies in ei­nen sol­chen Zeit­raum fällt, ver­fal­len wird.
53 Die Be­weis­last trägt in­so­weit der Ar­beit­ge­ber (vgl. ent­spre­chend Ur­teil vom 16. März 2006, Ro­bin­son-Stee­le u. a., C‑131/04 und C‑257/04, EU:C:2006:177, Rn. 68). Kann er nicht nach­wei­sen, dass er mit al­ler ge­bo­te­nen Sorg­falt ge­han­delt hat, um den Ar­beit­neh­mer tatsächlich in die La­ge zu ver­set­zen, den ihm zu­ste­hen­den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men, ver­stieße das Erlöschen des Ur­laubs­an­spruchs und – bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses – das ent­spre­chen­de Aus­blei­ben der Zah­lung ei­ner fi­nan­zi­el­len Vergütung für den nicht ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laub ge­gen Art. 7 Abs. 1 und ge­gen Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88.
54 Ist der Ar­beit­ge­ber hin­ge­gen in der La­ge, den ihm in­so­weit ob­lie­gen­den Be­weis zu er­brin­gen, und zeigt sich da­her, dass der Ar­beit­neh­mer aus frei­en Stücken und in vol­ler Kennt­nis der sich dar­aus er­ge­ben­den Kon­se­quen­zen dar­auf ver­zich­tet hat, sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men, nach­dem er in die La­ge ver­setzt wor­den war, sei­nen Ur­laubs­an­spruch tatsächlich wahr­zu­neh­men, steht Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richt­li­nie 2003/88 dem Ver­lust die­ses An­spruchs und – bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses – dem ent­spre­chen­den Weg­fall der fi­nan­zi­el­len Vergütung für den nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ent­ge­gen.
55 Wie der Ge­ne­ral­an­walt in den Nrn. 52 und 53 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat und aus Rn. 49 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor­geht, wäre je­de Aus­le­gung von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88, die den Ar­beit­neh­mer da­zu ver­an­las­sen könn­te, aus frei­en Stücken in den be­tref­fen­den Be­zugs- oder zulässi­gen Über­tra­gungs­zeiträum­en kei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men, um sei­ne Vergütung bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu erhöhen, mit den durch die Schaf­fung des Rechts auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ver­folg­ten Zie­len un­ver­ein­bar.
56 Nach al­le­dem ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, so­fern sie da­zu führt, dass der Ar­beit­neh­mer, der vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen An­trag auf Wahr­neh­mung sei­nes An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ge­stellt hat, die ihm nach dem Uni­ons­recht bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu­ste­hen­den Ur­laubs­ta­ge und ent­spre­chend sei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für die­sen nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ver­liert, und zwar au­to­ma­tisch und oh­ne vor­he­ri­ge Prüfung, ob er vom Ar­beit­ge­ber z. B. durch an­ge­mes­se­ne Aufklärung tatsächlich in die La­ge ver­setzt wur­de, die­sen An­spruch vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses wahr­zu­neh­men.

Zur zwei­ten Fra­ge

57 In An­be­tracht der Ant­wort auf die ers­te Fra­ge ist die zwei­te Fra­ge nicht zu prüfen.

Kos­ten

58 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem beim vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Große Kam­mer) für Recht er­kannt:

Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, so­fern sie da­zu führt, dass der Ar­beit­neh­mer, der vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen An­trag auf Wahr­neh­mung sei­nes An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ge­stellt hat, die ihm nach dem Uni­ons­recht bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu­ste­hen­den Ur­laubs­ta­ge und ent­spre­chend sei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für die­sen nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ver­liert, und zwar au­to­ma­tisch und oh­ne vor­he­ri­ge Prüfung, ob er vom Ar­beit­ge­ber z. B. durch an­ge­mes­se­ne Aufklärung tatsächlich in die La­ge ver­setzt wur­de, die­sen An­spruch vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses wahr­zu­neh­men.

Lena­erts
Bo­ni­chot
Prechal

Vil­a­ras
von Dan­witz
Bilt­gen

Jürimäe
Ly­cour­gos
Ilešič

Ma­le­n­ovský
Le­vits

Bay Lar­sen
Ro­din
 

Verkündet in öffent­li­cher Sit­zung in Lu­xem­burg am 6. No­vem­ber 2018.

Der Kanz­ler
A. Ca­lot Es­co­bar

Der Präsi­dent
K. Lena­erts

 

(*) Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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