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Die Top Ten der Entscheidungen zum Arbeitsrecht 2011
11.01.2012. Wie in den vergangenen Jahren stellen wir auch zum Jahreswechsel 2011 - 2012 unsere Top Ten der Gerichtsentscheidungen zum Arbeitsrecht aus dem vergangenen Jahr vor.
Da die Liste kurz ist und es in 2011 viele wichtige Grundsatzentscheidungen gab, fehlt in unserer Auswahl sicherlich die eine oder andere Entscheidung, die andere Arbeitsrechtler aufgenommen hätte.
Entscheidend für die Aufnahme einer Entscheidung in die folgende Liste ist die die Frage, ob ein Urteil auch in Zukunft ein Orientierungspunkt für die Rechtsprechung und/oder die Gesetzgebung sein wird.
- Der gesetzlich angeordnete Wechsel vom öffentlichen Dienst zu einem privaten Arbeitgeber ist ohne Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer verfassungswidrig: BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011, 1 BvR 1741/09
- BAG erleichtert die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen durch zeitliche Begrenzung des Anschlussverbots auf drei Jahre: BAG, Urteil vom 06.04.2011, 7 AZR 716/09
- Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach langer Krankheit verfällt infolge von Ausschlussfristen: BAG, Urteil vom 09.08.2011, 9 AZR 352/10
- Überstunden müssen bei Diensten höherer Art nicht immer bezahlt werden: BAG, Urteil vom 17.08.2011, 5 AZR 406/10
- Die unterschiedlich hohe Bezahlung gemäß den BAT-Lebensaltersstufen ist eine unzulässige Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer: EuGH, Urteil vom 08.09.2011, C-297/10 und C-298/10 (Hennigs und Mai)
- Tarifvertraglich vorgeschriebene Zwangspensionierung von Lufthansa-Piloten mit 60 Jahren ist europarechtswidrig: EuGH, Urteil vom 13.09.2011, Rs. C-447/09, Prigge u.a. gg. Deutsche Lufthansa
- Die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Arbeitgebers ist unklar und daher unwirksam: BAG, Urteil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10
- Auf Berlin und Hessen kommen Nachzahlungen wegen der Anwendung der altersdiskriminierenden BAT-Lebensaltersstufen zu: BAG, Urteil vom 10.11.201, 6 AZR 481/09
- EuGH korrigiert sein Schultz-Hoff-Urteil - krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen: EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 (KHS gg. Schulte)
- Mehr lesen: Die Top Ten zum Arbeitsrecht in anderen Jahren
Der gesetzlich angeordnete Wechsel vom öffentlichen Dienst zu einem privaten Arbeitgeber ist ohne Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer verfassungswidrig: BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011, 1 BvR 1741/09
Wird ein Betrieb durch vertragliche Vereinbarungen auf einen neuen Inhaber übertragen, liegt ein Betriebsübergang gemäß § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor. Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer des Betriebs gehen dann automatisch vom Betriebsveräußerer auf den Erwerber über, d.h. der Erwerber wird kraft Gesetzes neuer Arbeitgeber (§ 613a Abs.1 Satz 1 BGB).
Bei einem Betriebsübergang können die Arbeitnehmer den Arbeitgeberwechsel aber verhindern, indem sie der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse gemäß § 613a Abs.6 BGB widersprechen. Anders ist es aber oft bei der gesetzlichen Überleitung von Arbeitsverhältnisse aufgrund eines Gesetzes, wenn der Staat als Arbeitgeber per Gesetz anordnet, dass bestimmte Betriebe auf einen privaten neuen Arbeitgeber übergeleitet werden. Solche Gesetze enthalten meist kein Widerspruchsrecht für die betroffenen Arbeitnehmer.
Im Januar 2011 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass ein solches Verschieben von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes auf Privatunternehmen ohne Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer deren Berufsfreiheit verletzt: BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011, 1 BvR 1741/09. Damit hat das BVerfG eine wichtige Schranke errichtet, die bei Privatisierungen öffentlicher Unternehmen künftig zu beachten ist.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/108 Bundesverfassungsgericht: Widerspruchsrecht auch bei Privatisierung aufgrund Gesetzes
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
BAG erleichtert die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen durch zeitliche Begrenzung des Anschlussverbots auf drei Jahre: BAG, Urteil vom 06.04.2011, 7 AZR 716/09
Ohne Sachgrund darf ein Arbeitsverhältnis höchstens zwei Jahre lang befristet werden (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG). Diese Möglichkeit besteht aber gemäß § 14 Abs.2 Satz 2 TzBfG außerdem nur dann, wenn zwischen den Parteien nicht bereits zuvor ein (befristetes oder unbefristetes) Arbeitsverhältnis bestand.
Da das Gesetz eine zeitliche Grenze für dieses Verbot einer Vorbeschäftigung ("Anschlussverbot") nicht festlegt, ist eine sachgrundlose Befristung im Extremfall auch dann unwirksam, wenn sie mit einem Arbeitnehmer vereinbart wird, der z.B. vor 20 Jahren als Werkstudent einmal für ein paar Wochen beschäftigt war. Diese uferlose Rückwirkung des Anschlussverbots hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im April auf drei Jahre begrenzt und sich damit zum Ersatz-Gesetzgeber aufgeschwungen: BAG, Urteil vom 06.04.2011, 7 AZR 716/09.
Liegt das letzte Arbeitsverhältnis länger als drei Jahre zurück, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer diesem BAG-Urteil zufolge erneut einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag vereinbaren, obwohl sich eine solche Dreijahresgrenze nicht aus § 14 Abs.2 Satz 2 TzBfG ergibt.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/074 Sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen erleichtert
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
Abgelehnte Bewerber, die eine Diskriminierung vermuten, haben keinen Anspruch auf Auskunft über Mitbewerber und Einstellungskriterien: EuGH, Urteil vom 21.07.2011, C-104/10 (Kelly)
Wie vom Europarecht vorgegeben sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Beweiserleichterung für mögliche Diskriminierungsopfer vor. Gemäß § 22 AGG müssen abgelehnte Stellenbewerber vor Gericht nur Indizien beweisen, die für eine Diskriminierung sprechen. Gelingt dieser Nachweis, muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Ablehnung des Bewerbers nicht auf einer Diskriminierung beruhte.
Hat der abgelehnte Bewerber aber zunächst einmal keine Hinweise auf eine Diskriminierung, d.h. wurde er "nur" abgelehnt (und sonst nichts), könnte ihm eine Auskunft über Mitbewerber helfen, um Indizien für eine mögliche Diskriminierung zu sammeln. Wie der Europäische Gerichtshof im Juli 2011 entschieden hat, schreibt das Europarecht einen solchen Anspruch abgelehnter Bewerber auf Informationen über Mitbewerber aber nicht vor: EuGH, Urteil vom 21.07.2011, C-104/10 (Kelly).
Trotzdem kann die "Verweigerung" solcher Auskünfte je nach Lage des Falles, so der Gerichtshof, ein Indiz für eine Diskriminierung sein. Daher wird die Frage, wie Arbeitgeber am besten bei Bewerberabsagen vorgehen sollten, weiter in der Diskussion sein.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/199 Diskriminierung bei der Bewerbung: Kein Anspruch auf Auskunft über Mitbewerber bei Ablehnung einer Bewerbung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach langer Krankheit verfällt infolge von Ausschlussfristen: BAG, Urteil vom 09.08.2011, 9 AZR 352/10
Wer über Jahre arbeitsunfähig krank ist, verliert gemäß dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.01.2009 (C-350/06 - Schultz-Hoff) seinen Urlaubsanspruch für die Dauer der Erkrankung nicht. Der Urlaubsanspruch wächst daher im Laufe der jahrelangen Abwesenheit von der Arbeit immer weiter an. Das wird teuer für Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis schließlich beendet wird und eine Urlaubsabgeltung zu zahlen ist.
Die gute Nachricht für Arbeitgeber kam im August 2011 aus Erfurt: Das BAG entschied, dass arbeitsvertragliche, tarifvertragliche oder in Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) enthaltene Ausschlussfristen den Anspruch auf Urlaubsabgeltung zum Erlöschen bringen, wenn der Arbeitnehmer die Fristen nicht einhält: BAG, Urteil vom 09.08.2011, 9 AZR 352/10. Mit dieser Entscheidung hat das BAG die finanziellen Auswirkungen der Schultz-Hoff-Entscheidung für beide Arbeitsvertragsparteien erheblich verringert.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/158 Urlaubsabgeltung und Ausschlussfristen
- Handbuch Arbeitsrecht: Ausschlussfrist
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
Überstunden müssen bei Diensten höherer Art nicht immer bezahlt werden: BAG, Urteil vom 17.08.2011, 5 AZR 406/10
Vorformulierte Vertragsklauseln, denen zufolge alle Überstunden oder "Überstunden in erforderlichem Umfang" mit dem Grundgehalt bezahlt sein sollen, sind unklar und daher unwirksam. Arbeitnehmer mit solchen Klauseln in ihren Verträgen haben daher im Allgemeinen einen Anspruch auf Bezahlung ihrer Überstunden. Denn wer über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus Leistungen erbringt, wird mit dem vertraglich vereinbarten Gehalt nicht ausreichend bezahlt.
Dass Überstunden zu bezahlen sind, gilt aber nicht für alle Arbeitnehmer. Im August 2011 scheiterte ein angestellter Rechtsanwalt mit einem Jahresgehalt von 88.000,00 EUR brutto vor dem Bundesarbeitsgericht. Er hatte ohne Erfolg auf Bezahlung von 930 Überstunden geklagt, d.h. von 39.362,26 EUR brutto: BAG, Urteil vom 17.08.2011, 5 AZR 406/10.
Denn wer Dienste höherer Art leistet (oder eine herausgehobene Bezahlung erhält), hat beim Thema Überstunden keine "objektive Vergütungserwartung". Die gesetzliche Regel, dass jede Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bezahlt werden muss, gilt für solche Arbeitnehmer nicht. Mit dieser Entscheidung hat das BAG die finanziellen Folgen unwirksamer vertraglicher Überstundenklauseln auf "normale" Arbeitnehmer beschränkt.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/250 Überstunden: Bezahlung nicht immer erforderlich - Berliner Anwalt scheitert vor dem BAG
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Überstundenregelung
- Handbuch Arbeitsrecht: Überstunden, Mehrarbeit
Die unterschiedlich hohe Bezahlung gemäß den BAT-Lebensaltersstufen ist eine unzulässige Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer: EuGH, Urteil vom 08.09.2011, C-297/10 und C-298/10 (Hennigs und Mai)
Tarifliche Lebensaltersstufen besagen, dass man bei gleicher Arbeit und Berufserfahrung mehr Geld bekommt, weil man älter ist. Lebensaltersstufen sind im Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vorgesehen und nach überwiegender Meinung der Arbeitsgerichte und juristischen Autoren eine vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbotene Diskriminierung wegen des Alters.
Obwohl der BAT mittlerweile überwiegend durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst wurde, der Lebensaltersstufen nicht mehr enthält, gilt der BAT in einigen Bundesländern immer noch. Und wo der TVöD eingeführt wurde, wurden die bestehenden Arbeitsverhältnisse vom BAT in den TVöD unter Wahrung des Besitzstandes übergeleitet: Wer zuletzt gemäß den BAT-Lebensaltersstufen mehr bekam als ein jüngerer Kollege, hat auch ein höheres TVöD-Ausgangsgehalt als der jüngere Kollege.
Im September 2011 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigt, dass die BAT-Lebensaltersstufen eine Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer sind. Dabei hat der Gerichtshof auch klargestellt, dass die besitzstandswahrende Überleitung des bestehenden diskriminierenden Gehaltsgefüges vom BAT in den TVöD rechtlich zulässig ist: EuGH, Urteil vom 08.09.2011, C-297/10 und C-298/10 (Hennings und Mai).
Die beiden EuGH-Urteile werden erhebliche finanzielle Auswirkungen für den öffentlichen Dienst in Deutschland haben. Wer in den TVöD übergeleitet wurde, wird keine Nachforderungen mehr stellen können, wohl aber diejenigen jüngeren Arbeitnehmer, die noch immer nach dem BAT bezahlt werden.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/179 Diskriminierung wegen des Alters durch BAT-Lebensaltersstufen
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
Tarifvertraglich vorgeschriebene Zwangspensionierung von Lufthansa-Piloten mit 60 Jahren ist europarechtswidrig: EuGH, Urteil vom 13.09.2011, Rs. C-447/09, Prigge u.a. gg. Deutsche Lufthansa
Die drei Lufthansa-Piloten Prigge, Fromm und Lambach wurden 2006 bzw. 2007 60 Jahre alt und unter Verweis auf eine tarifliche Altersklausel entlassen. Sie klagten gegen ihre Entlassung und trieben ihre Klage bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG), das den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte und fragte, ob die altersbedingte Schlechterstellung der Piloten hier möglicherweise sachlich gerechtfertigt sein könnte. Dann läge keine altersbedingte Diskriminierung vor.
Im September 2011 gab der EuGH den Piloten Recht: EuGH, Urteil vom 13.09.2011, Rs. C-447/09 (Prigge u.a.). Denn die Richtlinie 2000/78/EG erlaubt die hier strittigen altersbedingten Entlassungen nicht. Denn weil Verkehrspiloten aufgrund international geltender Vorschriften ohnehin mit 65 Jahren in Rente gehen müssen, ist es ihnen nicht zuzumuten, allein aus Gründen des Generationenwechsels auf fünf Jahre ihrer Berufstätigkeit verzichten zu müssen.
Das Urteil ist nicht nur für Piloten wichtig, sondern auch für andere Fälle, in denen eine gegen den Willen der Arbeitnehmer praktizierte Zwangsverrentung auf dem rechtlichen Prüfstand steht.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/178 EuGH kippt Altersgrenze 60 für Lufthansa-Piloten
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
Die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Arbeitgebers ist unklar und daher unwirksam: BAG, Urteil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10
Wird eine Leistung in einer vom Arbeitgeber gestrickten Vertragsklausel als "freiwillig" und zugleich als "(jederzeit) widerruflich" bezeichnet, ist die Klausel in sich widersprüchlich und daher unklar. Denn der Freiwilligkeitsvorbehalt besagt ja, dass ein Anspruch nicht besteht. Dann aber gibt es nichts mehr, was man widerrufen könnte.
Im September 2011 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erstmals ohne Wenn und Aber klargestellt, dass solche kombinierten Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte gemäß § 307 Abs.1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unklar und daher unwirksam sind: BAG, Urteil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10. Arbeitgeber müssen sich künftig zwischen diesen beiden Vorbehalten entscheiden.
Außerdem hat das BAG deutlich gemacht, dass Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte die unter Vorbehalt gestellte Leistung klar benennen müssen.
- Arbeitsrecht aktuell: 12/001 Pauschaler Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag ist unwirksam
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
- Handbuch Arbeitsrecht: Freiwilligkeitsvorbehalt
- Handbuch Arbeitsrecht: Widerrufsvorbehalt
Auf Berlin und Hessen kommen Nachzahlungen wegen der Anwendung der altersdiskriminierenden BAT-Lebensaltersstufen zu: BAG, Urteil vom 10.11.201, 6 AZR 481/09
Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) war lange Jahre die Grundlage für die Bezahlung der Angestellten im öffentlichen Dienst, in Berlin und Hessen länger als anderswo. Die BAT-Altersstufen sehen vor, dass Arbeitnehmer aufgrund ihres höheren Alters mehr Geld verdienen als ihre Kollegen. Das ist eine verbotene Altersdiskriminierung, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 08.09.2011 entschieden hat (EuGH, Urteil vom 08.09.2011, C-297/10 und C-298/10 - Hennings und Mai) - siehe oben.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste daraufhin klären, wie diese Diskriminierung zu beseitigen ist. Die Antwort aus Erfurt lautet: Durch Angleichung nach oben, d.h. durch Bezahlung aller Arbeitnehmer derselben Vergütungsgruppe nach der höchsten Lebensaltersstufe (BAG, Urteil vom 10.11.2011, 6 AZR 148/09, und Urteil vom 10.11.201, 6 AZR 481/09).
Auf die Bundesländer Berlin und Hessen kommen daher erhebliche Nachzahlungen zu, die jüngere Angestellte als Korrektur der diskriminierenden Bezahlung nach den BAT-Altersstufen verlangen können.
- Arbeitsrecht aktuell: 12/011 BAT Altersstufen
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
EuGH korrigiert sein Schultz-Hoff-Urteil - krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen: EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 (KHS gg. Schulte)
Aufgrund eines Grundsatzurteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dürfen Urlaubsansprüche nicht mehr verfallen, wenn sie aufgrund von langer Krankheit nicht genommen werden können (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff). Aber fordert das EU-Recht, d.h. Art.7 der Richtlinie 2003/78/EG, wirklich ein völlig unbegrenztes Anwachsen der Urlaubsansprüche bei jahrelanger Krankheit?
Das Landesarbeitsgericht Hamm bezweifelte das und fragte den EuGH, ob der krankheitsbedingt nicht genommene Urlaub nicht wenigstens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen könnte (LAG Hamm, Beschluss vom 15.04.2010, 16 Sa 1176/09). Im November 2011 kam die Antwort des EuGH - ja, das geht: EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte.
Mit diesem Urteil wirft der Gerichtshof sein eigenes Schultz-Hoff-Urteil wieder weitgehend über den Haufen und entlastet die Arbeitgeber von den finanziellen Folgen eines jahrelangen Ansammelns von Urlaubsansprüchen.
- Arbeitsrecht aktuell: 11/234 Urlaub und Krankheit: Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub kann nach 15 Monaten verfallen
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub und Krankheit
Mehr lesen: Die Top Ten zum Arbeitsrecht in anderen Jahren
Andere Beiträge unserer Top-Ten-Serie finden Sie hier:
- Arbeitsrecht aktuell: 14/017 Die zehn wichtigsten Entscheidungen zum Arbeitsrecht 2013
- Arbeitsrecht aktuell: 13/012 Die zehn wichtigsten Entscheidungen zum Arbeitsrecht 2012
- Arbeitsrecht aktuell: 11/015 Die zehn wichtigsten Entscheidungen zum Arbeitsrecht 2010
- Arbeitsrecht aktuell: 10/022 Rückblick 2009: Die zehn wichtigsten Entscheidungen zum Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 09/013 Top 10 der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen 2008
- Arbeitsrecht aktuell: 08/009 Top 10 der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen 2007
Letzte Überarbeitung: 8. Juli 2015
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