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BAG, Ur­teil vom 17.08.2011, 5 AZR 406/10

   
Schlagworte: Überstunden, AGB
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 406/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.08.2011
   
Leitsätze: Eine Allgemeine Geschäftsbedingung verletzt das Bestimmtheitsgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält. Lässt sich eine Klausel unschwer so formulieren, dass das Gewollte klar zu erkennen ist, führt eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar ist, zu vermeidbaren Unklarheiten.
Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.06.2010, 15 Sa 166/10
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 23.09.2009, 20 Ca 19044/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

5 AZR 406/10

15 Sa 166/10

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 17. Au­gust 2011

UR­TEIL

Rad­t­ke, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17. Au­gust 2011 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dr. Müller-Glöge, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Laux, den


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Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Biebl so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Zol­ler und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Röth-Ehr­mann für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Teil­ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 3. Ju­ni 2010 - 15 Sa 166/10 - auf­ge­ho­ben, so­weit es der Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Schlus­s­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 23. Sep­tem­ber 2009 - 20 Ca 19044/08 - statt­ge­ge­ben hat, und die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen.

2. Der Kläger hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

 

Tat­be­stand

 

Die Par­tei­en strei­ten - so­weit für die Re­vi­si­on von In­ter­es­se - über die Vergütung von Über­stun­den.

Der 1968 ge­bo­re­ne Kläger war seit dem 16. Ok­to­ber 2006 bei der Be­klag­ten als Rechts­an­walt beschäftigt. Im Ar­beits­ver­trag vom 16. Ju­li/8. Au­gust 2006 heißt es ua.:

„§ 1 Tätig­keit

(1) Der Mit­ar­bei­ter wird als Rechts­an­walt ein­ge­stellt. Sein Ar­beits­ge­biet um­fasst al­le da­mit ver­bun­de­nen Tätig­kei­ten.

(2) Der Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet sich, die Tätig­keit ge­wis­sen­haft und nach bes­tem Vermögen zu erfüllen, die In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers zu wah­ren und sei­ne gan­ze Ar­beits­kraft aus­sch­ließlich der ver­ein­bar­ten Tätig­keit zu wid­men. Ne­ben­beschäfti­gun­gen, gleich wel­cher Art, bedürfen der Ge­neh­mi­gung sei­tens des Ar­beit­ge­bers.

...


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§ 3 Vergütung

(1) Der Mit­ar­bei­ter erhält für die ver­trag­li­che Tätig­keit ein mo­nat­li­ches Brut­to­ge­halt i. H. v. 5.833,33 EU­RO. Die Vergütung ist je­weils am Letz­ten ei­nes Mo­nats fällig und wird auf ein von dem Mit­ar­bei­ter noch zu be­nen­nen­des Bank­kon­to über­wie­sen.

...

(3) Durch die zu zah­len­de Brut­to­vergütung ist ei­ne et­waig not­wen­dig wer­den­de Über- oder Mehr­ar­beit ab­ge­gol­ten.

§ 4 Ar­beits­zeit

(1) Die re­gelmäßige Ar­beits­zeit beträgt 40 St­un­den wöchent­lich.

(2) Be­ginn und En­de der tägli­chen Ar­beits­zeit und der Pau­sen rich­ten sich nach den Büro­zei­ten, die der­zeit von 8.30 Uhr bis 19.00 Uhr sind.“

Mit Schrei­ben vom 3. Au­gust 2006 hat­te die Be­klag­te dem Kläger auf des­sen An­fra­ge Fol­gen­des bestätigt:

„Anläss­lich un­se­rer ge­mein­sa­men Be­spre­chun­gen hat­ten wir uns dar­auf verständigt, dass die Part­ner je­weils nach Ab­lauf ei­nes Geschäfts­jah­res prüfen wer­den, ob sie Ih­nen ne­ben der ver­ein­bar­ten fes­ten Vergütung ei­nen Bo­nus gewähren wol­len. Ein sol­cher Bo­nus steht al­ler­dings dem Grun­de und der Höhe nach im al­lei­ni­gen frei­en Er­mes­sen der Part­ner. Ein An­spruch hier­auf be­steht da­her grundsätz­lich nicht.

Fer­ner ist es un­ser ge­mein­sa­mes Verständ­nis, dass die Part­ner nach et­wa ei­nem bis an­dert­halb Jah­ren mit Ih­nen Gespräche darüber auf­neh­men wer­den, ob und ggf. ab wel­chem Zeit­punkt Ih­nen ei­ne Part­ner­schaft in Aus­sicht ge­stellt wer­den kann.“

Ab März 2007 er­hielt der Kläger ein Jah­res­ge­halt iHv. 80.000,00 Eu­ro brut­to. En­de März 2008 gewähr­te ihm die Be­klag­te für das Jahr 2007 ei­nen Bo­nus iHv. 8.000,00 Eu­ro brut­to. In ei­nem Per­so­nal­gespräch am 30. Sep-


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tem­ber 2008 teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit, ei­ne Auf­nah­me als Part­ner kom­me nicht in Be­tracht.

Mit Schrei­ben vom 29. Ok­to­ber 2008 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis zum 31. Ja­nu­ar 2009. Auf die Kündi­gungs­schutz­kla­ge des Klägers hat das Ar­beits­ge­richt mit rechts­kräftig ge­wor­de­nem An­er­kennt­nis­ur­teil vom 27. Fe­bru­ar 2009 fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die­se Kündi­gung nicht auf­gelöst wor­den ist. Es en­de­te auf­grund ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­klag­ten vom 18. März 2009 mit Ab­lauf des 30. Ju­ni 2009.

Mit ei­ner am 2. März 2009 im Kündi­gungs­schutz­pro­zess ein­ge­reich­ten Kla­ge­er­wei­te­rung hat der Kläger zu­letzt noch Über­stun­den­vergütung für die Zeit vom 16. Ok­to­ber 2006 bis zum 30. Sep­tem­ber 2008 iHv. 39.362,26 Eu­ro brut­to gel­tend ge­macht und vor­ge­tra­gen, in die­sem Zeit­raum aus­weis­lich ei­ner St­un­den­lis­te so­wie von ihm geführ­ter Zeit­nach­wei­se un­ter Ein­schluss der Lektüre von Fach­li­te­ra­tur und des Be­suchs ei­nes No­tar­grund­kur­ses 930,33 Über­stun­den ge­leis­tet zu ha­ben, die mit 42,31 Eu­ro brut­to je St­un­de zu vergüten sei­en. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags sei je­den­falls nach § 307 BGB un­wirk­sam. Die Be­klag­te ha­be be­reits mit dem Ar­beits­ver­trag Über­stun­den an­ge­ord­net, zu­dem sei­en die an­ge­stell­ten Anwälte auf­ge­for­dert wor­den, deut­lich mehr als 40 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Die Part­ner hätten dar­auf ge­ach­tet, dass kein Leer­lauf ent­ste­he und ein kon­ti­nu­ier­li­cher Fluss von zwei bis zwei­ein­halb Über­stun­den pro Ar­beits­tag nicht ab­riss. Je­den­falls ha­be die Be­klag­te die Leis­tung von Über­stun­den ge­dul­det. Ei­ne Ver­wir­kung des An­spruchs auf Über­stun­den­vergütung schei­te­re schon dar­an, dass er bis zum 30. Sep­tem­ber 2008 fest von ei­ner zeit­na­hen Auf­nah­me in die Part­ner­schaft aus­ge­gan­gen sei. Die in Aus­sicht ge­stell­te Part­ner­schaft sei die Ge­gen­leis­tung für die er­brach­ten Über­stun­den ge­we­sen. Erst nach­dem die Be­klag­te sich ein­sei­tig von ih­rer Zu­sa­ge gelöst ha­be, sei der An­lass, Über­stun­den­vergütung nicht gel­tend zu ma­chen, ent­fal­len.


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Der Kläger hat zu­letzt - so­weit für die Re­vi­si­on von Be­lang - sinn­gemäß be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 39.362,26 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz nach be­stimm­ter zeit­li­cher Staf­fe­lung zu zah­len.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und die Auf­fas­sung ver­tre­ten, bis zu acht Über­stun­den wöchent­lich sei­en durch § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags wirk­sam mit der re­gulären Vergütung ab­ge­gol­ten. Der Kläger ha­be die Leis­tung von Über­stun­den nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt, An­we­sen­heits­zeit sei nicht mit Ar­beits­zeit gleich­zu­set­zen. Die Lektüre von Fach­zeit­schrif­ten gehöre nicht zu der ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­ten Tätig­keit ei­nes Rechts­an­walts, der Be­such des No­tar­grund­kur­ses ha­be über­wie­gend im persönli­chen In­ter­es­se des Klägers ge­le­gen. Im Übri­gen ha­be der Kläger et­wai­ge Über­stun­den nicht auf An­ord­nung ge­leis­tet, ihm sei auch kei­ne Ar­beit zu­ge­wie­sen wor­den, die er nur un­ter Über­schrei­tung der re­gelmäßigen Wo­chen­ar­beits­zeit hätte er­le­di­gen können. Über­stun­den sei­en von der Be­klag­ten we­der ge­bil­ligt noch ge­dul­det wor­den. Je­den­falls sei­en et­wai­ge Ansprüche des Klägers ver­wirkt. Selbst wenn die Aus­sicht auf ei­ne Auf­nah­me als Part­ner für den Kläger An­lass für die an­geb­li­che Leis­tung von Über­stun­den ge­we­sen sein soll­te, be­rech­ti­ge ihn das nicht, die­se ei­gen­ver­ant­wort­lich getätig­te In­ves­ti­ti­on in sei­ne be­ruf­li­che Zu­kunft der Be­klag­ten „in Rech­nung zu stel­len“.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge durch Schlus­s­ur­teil ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf die Be­ru­fung des Klägers durch Teil­ur­teil der Kla­ge iHv. 30.229,12 Eu­ro nebst Zin­sen statt­ge­ge­ben. Über die Kos­ten des erst- und zweit­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt durch Schlus­s­ur­teil ent­schie­den, das nicht an­ge­foch­ten wor­den ist. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt die Be­klag­te die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung.


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Ent­schei­dungs­gründe

 

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Be­ru­fung des Klägers ge­gen das die Kla­ge ab­wei­sen­de Schlus­s­ur­teil des Ar­beits­ge­richts zu Un­recht teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf die Vergütung von Über­stun­den.

I. Das er­gibt sich al­ler­dings nicht be­reits aus § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags. Da­nach ist durch die zu zah­len­de Brut­to­vergütung ei­ne et­waig not­wen­dig wer­den­de Über- oder Mehr­ar­beit ab­ge­gol­ten. Die Klau­sel ist un­wirk­sam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

1. Bei § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags han­delt es sich nach der von der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fe­nen recht­li­chen Wer­tung des Lan­des­ar­beits­ge­richts um ei­ne All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür be­gründet auch das äußere Er­schei­nungs­bild ei­ne tatsächli­che Ver­mu­tung (vgl. BAG 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BA­GE 117, 155; 24. Sep­tem­ber 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 18, BA­GE 128, 73), der kei­ne der Par­tei­en ent­ge­gen­ge­tre­ten ist.

2. Die in § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags ge­re­gel­te Pau­schal­ab­gel­tung von Über­stun­den ist man­gels hin­rei­chen­der Trans­pa­renz un­wirk­sam.

a) Un­be­scha­det der Fra­ge, ob ei­ne Re­ge­lung wie die streit­be­fan­ge­ne die Haupt­leis­tungs­pflich­ten der Par­tei­en be­trifft, un­ter­liegt sie je­den­falls gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB der Trans­pa­renz­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da­nach kann sich die zur Un­wirk­sam­keit ei­ner All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gung führen­de un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung aus der man­geln­den Klar­heit und Verständ­lich­keit der Be­din­gung er­ge­ben. Die­ses Trans­pa­renz­ge­bot schließt das Be­stimmt­heits­ge­bot ein. Es müssen die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen so ge­nau be­schrie­ben wer­den, dass für den Ver­wen­der kei­ne un­ge­recht­fer­tig­ten Be­ur­tei­lungs­spielräume ent­ste­hen. Der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders soll oh­ne frem­de Hil­fe Ge­wiss­heit über den In­halt der ver­trag­li­chen Rech­te und Pflich­ten er­lan­gen können und nicht


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von der Durch­set­zung be­ste­hen­der Rech­te ab­ge­hal­ten wer­den. Ei­ne Klau­sel muss im Rah­men des recht­lich und tatsächlich Zu­mut­ba­ren die Rech­te und Pflich­ten des Ver­trags­part­ners des Klau­sel­ver­wen­ders so klar und präzi­se wie möglich um­schrei­ben. Sie ver­letzt das Be­stimmt­heits­ge­bot, wenn sie ver­meid­ba­re Un­klar­hei­ten und Spielräume enthält (BAG 31. Au­gust 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 45, BA­GE 115, 372; BGH 26. Ok­to­ber 2005 - VIII ZR 48/05 - Rn. 23, BGHZ 165, 12).

b) Ei­ne die pau­scha­le Vergütung von Über­stun­den re­geln­de Klau­sel ist nur dann klar und verständ­lich, wenn sich aus dem Ar­beits­ver­trag selbst er­gibt, wel­che Ar­beits­leis­tun­gen in wel­chem zeit­li­chen Um­fang von ihr er­fasst wer­den sol­len. Der Ar­beit­neh­mer muss be­reits bei Ver­trags­schluss er­ken­nen können, was ggf. „auf ihn zu­kommt“ und wel­che Leis­tung er für die ver­ein­bar­te Vergütung ma­xi­mal er­brin­gen muss (BAG 1. Sep­tem­ber 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 50; 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 16, DB 2011, 1639 - je­weils mwN; vgl. auch ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 91; HWK/Gott­hardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 39).

3. § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags ist nicht klar und verständ­lich. Die­se Klau­sel soll et­waig not­wen­dig wer­den­de Ar­beits­stun­den er­fas­sen, die die ver­ein­bar­ten 40 Wo­chen­stun­den über­schrei­ten. De­ren Um­fang ist im Ar­beits­ver­trag eben­so we­nig be­stimmt wie die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen Über­stun­den „et­waig not­wen­dig“ sein sol­len. Ins­be­son­de­re lässt sich we­der der Klau­sel selbst noch den ar­beits­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen im Übri­gen ei­ne Be­gren­zung auf die nach § 3 Arb­ZG zulässi­ge Höchst­ar­beits­zeit (zu ei­ner sol­chen Aus­le­gungsmöglich­keit BAG 28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - BA­GE 116, 66) ent­neh­men. Aus dem Wort­laut des § 3 Abs. 3 er­gibt sich ei­ne der­ar­ti­ge Be­schränkung je­den­falls nicht. Die Ver­wen­dung des Be­griffs „Mehr­ar­beit“ deu­tet im Ge­gen­teil dar­auf hin, dass auch ei­ne Über­schrei­tung der ge­setz­li­chen Ar­beits­zeit von der Klau­sel er­fasst sein soll (zum Verständ­nis der im Ar­beits­zeit­ge­setz nicht ver­wen­de­ten Be­grif­fe Über- und Mehr­ar­beit sie­he ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 486; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 134). Zu­dem


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ha­ben die Par­tei­en die Klau­sel übe­rein­stim­mend nicht mit ei­ner Be­schränkung auf die nach § 3 Arb­ZG zulässi­ge Höchst­ar­beits­zeit ver­stan­den. Erst im Lau­fe des Ver­fah­rens ist die Be­klag­te zu ei­nem sol­chen Verständ­nis der Klau­sel ge­kom­men.

Selbst wenn man der Auf­fas­sung der Be­klag­ten folg­te, § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags könne da­hin­ge­hend aus­ge­legt wer­den, mit der ver­ein­bar­ten Vergütung soll­ten (nur) bis zu acht Über­stun­den wöchent­lich ab­ge­gol­ten sein, blie­be die Klau­sel in­trans­pa­rent. Sie ent­hiel­te ver­meid­ba­re Un­klar­hei­ten und Spielräume. Die Aus­le­gungs­bedürf­tig­keit ei­ner All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gung führt zwar nicht gleich­sam au­to­ma­tisch zu de­ren In­trans­pa­renz (vgl. ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 44; Däubler/Bo­nin/Dei­nert/Bo­nin AGB-Kon­trol­le im Ar­beits­recht 3. Aufl. § 307 BGB Rn. 157 - je­weils mwN). Lässt sich aber ei­ne Klau­sel un­schwer so for­mu­lie­ren, dass das Ge­woll­te klar zu er­ken­nen ist, führt ei­ne For­mu­lie­rung, bei der das Ge­woll­te al­len­falls durch ei­ne um­fas­sen­de Aus­le­gung er­mit­tel­bar ist, zu ver­meid­ba­ren Un­klar­hei­ten. Wäre ei­ne Ein­schrän­kung des Um­fangs der Ab­gel­tungs­klau­sel auf bis zu acht St­un­den wöchent­lich ge­wollt ge­we­sen, so hätte die Be­klag­te das un­schwer im Klau­sel­text durch die Auf­nah­me die­ser Zahl oder zu­min­dest mit ei­nem aus­drück­li­chen Hin­weis auf das Ar­beits­zeit­ge­setz und ei­ne da­nach zulässi­ge wöchent­li­che Höchst­ar­beits­zeit for­mu­lie­ren können.

II. Mit­hin enthält der Ar­beits­ver­trag we­der ei­ne po­si­ti­ve noch ei­ne ne­ga­ti­ve Re­ge­lung zur Vergütung von Über­stun­den. An­spruchs­grund­la­ge für das Be­geh­ren des Klägers kann des­halb, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt in­so­weit zu­tref­fend er­kannt hat, nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Des­sen Vor­aus­set­zun­gen lie­gen aber nicht vor.

1. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt ei­ne Vergütung als still­schwei­gend ver­ein­bart, wenn die Dienst­leis­tung den Umständen nach nur ge­gen ei­ne Vergütung zu er­war­ten ist.

Die zwi­schen den Par­tei­en strei­ti­ge Fra­ge, ob der Kläger mit dem Stu­di­um von Fach­li­te­ra­tur und dem Be­such ei­nes No­tar­grund­kur­ses Ar­beit im Sin­ne ei­ner Tätig­keit, die als sol­che der Be­frie­di­gung ei­nes frem­den Bedürf­nis-


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ses dient (zum Be­griff der Ar­beit sie­he BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 21 mwN, DB 2011, 1639), ge­leis­tet hat, braucht der Se­nat nicht zu ent­schei­den. Es fehlt je­den­falls an der wei­te­ren Vor­aus­set­zung des § 612 Abs. 1 BGB, dass die Leis­tung der streit­ge­genständ­li­chen Über­stun­den den Umständen nach nur ge­gen ei­ne Vergütung zu er­war­ten war.

a) Die nach § 612 Abs. 1 BGB er­for­der­li­che - ob­jek­ti­ve – Vergütungs­er­war­tung wird zwar in wei­ten Tei­len des Ar­beits­le­bens ge­ge­ben sein. Ei­nen all­ge­mei­nen Rechts­grund­satz, dass je­de Mehr­ar­beits­zeit oder je­de dienst­li­che­An­we­sen­heit über die ver­ein­bar­te Ar­beits­zeit hin­aus zu vergüten ist, gibt es­je­doch ge­ra­de bei Diens­ten höhe­rer Art nicht (ErfK/Preis § 612 BGB Rn. 18;HWK/Thüsing § 612 BGB Rn. 23 - je­weils mwN; vgl. auch - zu lei­ten­den An­ge-stell­ten - BAG 17. No­vem­ber 1966 - 5 AZR 225/66 - BA­GE 19, 126 und - zuChefärz­ten - BAG 17. März 1982 - 5 AZR 1047/79 - BA­GE 38, 194). Die Vergü-tungs­er­war­tung ist des­halb stets an­hand ei­nes ob­jek­ti­ven Maßstabs un­ter­Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te, der Art, des Um­fangs und der Dau­er der­Dienst­leis­tung so­wie der Stel­lung der Be­tei­lig­ten zu­ein­an­der fest­zu­stel­len, oh­ne­dass es auf de­ren persönli­che Mei­nung ankäme (BAG 11. Ok­to­ber 2000- 5 AZR 122/99 - zu IV 4 a der Gründe, BA­GE 96, 45). Sie kann sich ins­be­son-de­re dar­aus er­ge­ben, dass im be­tref­fen­den Wirt­schafts­be­reich Ta­rif­verträge­gel­ten, die für ver­gleich­ba­re Ar­bei­ten ei­ne Vergütung von Über­stun­den vor­se-hen. Dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig für das Be­ste­hen ei­ner Vergütungs­er­war-tung ist nach all­ge­mei­nen Grundsätzen der­je­ni­ge, der ei­ne Vergütung be­gehrt.

b) Aus dem Sach­vor­trag des Klägers lässt sich das Be­ste­hen ei­ner Vergütungs­er­war­tung nicht be­gründen. Auf ei­nen Ta­rif­ver­trag, der ei­ne Vergütungs­pflicht für Über­stun­den an­ge­stell­ter Rechts­anwälte vor­sieht, be­ruft sich der Kläger nicht. Er hat auch nicht ein­mal an­satz­wei­se Tat­sa­chen dafür vor­ge­tra­gen, an­ge­stell­te Rechts­anwälte in ver­gleich­ba­rer Stel­lung als po­ten­ti­el­le Part­ner der Ar­beit­ge­be­rin und mit ei­nem ver­gleich­ba­ren, deut­lich her­aus­ge­ho­be­nen Ge­halt würden Über­stun­den nur ge­gen zusätz­li­che Vergütung leis­ten oder Über­stun­den stets vergütet er­hal­ten. Eben­so we­nig hat der Se­nat An­halts­punk­te für ei­ne ent­spre­chen­de Ver­kehrs­sit­te. Die­ses Er­geb­nis bestätigt die


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sub­jek­ti­ve Ein­stel­lung des Klägers, der nach sei­nem Vor­trag für Über­stun­den kei­ne Vergütung im Sin­ne ei­ner Geld­zah­lung er­war­te­te. Er er­hoff­te sich viel­mehr die Auf­nah­me in die Part­ner­schaft und dass sich da­mit die Leis­tung von Über­stun­den „be­zahlt“ ma­chen wer­de.

2. Ei­ne Vergütungs­pflicht der Be­klag­ten für die vom Kläger ge­leis­te­ten Über­stun­den er­gibt sich nicht in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 612 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen der von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Rechts­fi­gur der fehl­ge­schla­ge­nen - sub­jek­ti­ven - Vergütungs­er­war­tung. Da­nach wird ein (nachträgli­cher) Vergütungs­an­spruch be­jaht, wenn die dem durch die Dienst­leis­tun­gen Begüns­tig­ten er­kenn­ba­re Er­war­tung des die Diens­te Leis­ten­den be­stand, durch ei­ne in Zu­kunft er­fol­gen­de Über­tra­gung ei­nes Vermögens oder Vermögens­be­stand­teils würden die in der Ver­gan­gen­heit ge­leis­te­ten Diens­te ab­ge­gol­ten wer­den, so­fern für die ge­leis­te­ten Diens­te ent­we­der kei­ne oder doch nur ei­ne deut­lich un­ter­wer­ti­ge Be­zah­lung er­folg­te und ein un­mit­tel­ba­rer Zu­sam­men­hang zwi­schen der un­ter­wer­ti­gen oder feh­len­den Zah­lung und der Er­war­tung be­stand (BAG 14. Ju­li 1966 - 5 AZR 2/66 - AP BGB § 612 Nr. 24; 13. Mai 1969 - 5 AZR 457/68 - AP BGB § 612 Nr. 25; vgl. auch ErfK/Preis § 612 BGB Rn. 21 ff.; DFL/Ka­man­ab­rou 4. Aufl. § 612 BGB Rn. 16 ff. - je­weils mwN).

Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen im Streit­fall nicht vor. Wenn der Kläger in der Hoff­nung, sei­ne Auf­nah­me in die Part­ner­schaft zu befördern, Über­stun­den leis­te­te, han­del­te er gleich­sam auf ei­ge­nes Ri­si­ko. Die Be­klag­te hat zwar mit der Klau­sel des § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags ih­re Er­war­tung zum Aus­druck ge­bracht, der Kläger wer­de bei Be­darf „kos­ten­los“ Über­stun­den leis­ten. Sie hat dafür aber nicht die Auf­nah­me in die Part­ner­schaft als si­cher oder auch nur wahr­schein­lich hin­ge­stellt. In ih­rem Schrei­ben vom 3. Au­gust 2006 ist nur von der Auf­nah­me von Gesprächen der Par­tei­en darüber die Re­de, ob und ggf. wann dem Kläger ei­ne Part­ner­schaft in Aus­sicht ge­stellt wer­den könn­te. Dass die Be­klag­te da­von un­abhängig zu­min­dest die Auf­nah­me in die Part­ner­schaft mit der Leis­tung von Über­stun­den ver­knüpft hätte, et­wa in­dem sie sol­che vom Kläger un­ter Hin­weis auf die von ihm an­ge­streb­te Part­ner­schaft ver­lang­te oder ei­ne Auf­nah­me in die Part­ner­schaft bei der Nicht­leis­tung von Über­stun­den als


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gefähr­det dar­stell­te, kann dem Sach­vor­trag des Klägers nicht ent­nom­men wer­den.

III. Der Kläger hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen. Über die die Kla­ge auf Über­stun­den­vergütung be­tref­fen­den erst- und zweit­in­stanz­li­chen Kos­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt, oh­ne den Aus­gang des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens ab­zu­war­ten, in ei­nem rechts­kräfti­gen Schlus­s­ur­teil vom 18. Au­gust 2010 mit­ent­schie­den. Dar­an ist der Se­nat ge­bun­den (vgl. BGH 9. April 1956 - II ZR 135/55 - BGHZ 20, 253; 9. No­vem­ber 1977 - VIII ZB 36/77 - WM 1977, 1428 und 26. Ju­ni 1986 - V ZB 15/86 - VersR 1986, 1210; noch aA RAG 7. Au­gust 1940 - RAG 258/39 - RA­GE 23, 289).

Müller-Glöge

Laux

Biebl

Zol­ler

S. Röth-Ehr­mann

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