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Befristung von Arbeitsverträgen und Missbrauchskontrolle
15.04.2014. Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor knapp zwei Jahren in seinem Grundsatzurteil zum Fall der Kölner Justizangestellten Kücük klargestellt hat, dass Kettenbefristungen einer verstärkten Missbrauchskontrolle unterzogen werden müssen, stellen sich viele Folgefragen:
Ab wie vielen hintereinander geschachtelten Befristungen ist Missbrauch zu prüfen? Ab welcher Gesamtdauer der Zeitverträge liegt Missbrauch nahe? Wann liegt Missbrauch befristeter Arbeitsverträge bei immer erneutem Austausch des Arbeitgebers vor, d.h. bei einem Arbeitgeber-Karussell?
Zum Arbeitgeberkarussell hat das BAG jetzt zu einem - wiederum in Köln spielenden - Streitfall entschieden, dass der letzte Vertragsarbeitgeber zu verklagen ist, d.h. die Missbrauchskontrolle richtet sich gegen ihn: BAG, Urteil vom 22.01.2014, 7 AZR 243/12.
- Befristung von Arbeitsverträgen und Missbrauch - was tun bei fortlaufendem Austausch des Arbeitgebers (Arbeitgeberkarussell)?
- Kölner Jobcenter-Jurist haut den Sack (Arbeitsagentur) und meint den Esel (Stadt Köln)
- BAG: Bei missbräuchlichem (Ketten-)Austausch des Vertragsarbeitgebers richtet sich die Missbrauchskontrolle immer gegen den letzten Arbeitgeber in der Kette
Befristung von Arbeitsverträgen und Missbrauch - was tun bei fortlaufendem Austausch des Arbeitgebers (Arbeitgeberkarussell)?
Obwohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) Anfang 2012 entschieden hatte, dass Befristungen von Arbeitsverträgen zur Vertretung europarechtlich im Prinzip ohne Zeitgrenze, d.h. unbegrenzt zulässig sind (EuGH, Urteil vom 26.01.2012, C-586/10 - Kücük - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/043 Europarecht erlaubt Befristung zur Vertretung - auch jahrelang), hatte das BAG im Vorlagefall Bianca Kücük trotzdem zu Gunsten der Arbeitnehmerseite der endlosen Kettenbefristung von Arbeitsverträgen Grenzen gesetzt:
Gibt es aufgrund der Gesamtdauer der hintereinander geschalteten Zeitverträge und/oder aufgrund der Vielzahl der Vertragsverlängerungen Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Ausnutzung des Befristungsrechts, haben die Arbeitsgerichte in Entfristungsklagen eine Missbrauchskontrolle vorzunehmen, die im Ergebnis dazu führen kann, dass sich der Arbeitgeber nicht auf die nach den Buchstaben des Gesetzes bestehende Befristungsmöglichkeit berufen kann und die streitige - letzte - Vertragsverlängerung unwirksam ist (BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 - Kücük, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein).
Gesetzliche Befristungsmöglichkeiten können aber auch dadurch missbräuchlich eingesetzt werden, dass der Arbeitnehmer immer auf demselben Arbeitsplatz befristet beschäftigt wird und dabei alle zwei Jahre einen neuen Arbeitgeber vor die Nase gesetzt bekommt. Wenn die an einem solchen Arbeitgebertausch beteiligten Unternehmen es geschickt anstellen, muss so etwas nicht unbedingt ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sein, so dass dem Arbeitnehmer faktisch nichts übrig bleibt als alle zwei Jahre erneut einen Zeitvertrag mit einem "neuen" Arbeitgeber abzuschließen.
Da der Arbeitgeber bei Neueinstellungen in den ersten zwei Jahren keinen Sachgrund für eine Befristung braucht (§ 14 Abs.2 Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG), ist ein solches Vertragsupdate auf den ersten Blick aus Arbeitgebersicht "smart", aber eben möglicherweise missbräuchlich.
Fraglich ist, wer von den beteiligten Arbeitgebern zu verklagen ist, d.h. wem gegenüber die Missbrauchskontrolle vorzunehmen ist.
Kölner Jobcenter-Jurist haut den Sack (Arbeitsagentur) und meint den Esel (Stadt Köln)
Im Streitfall war ein Jurist zwei Jahre bei der Agentur für Arbeit ohne Sachgrund befristet beschäftigt und wurde im Jobcenter der Stadt Köln eingesetzt, das wiederum gemeinsam von der Arbeitsagentur und der Stadt Köln betrieben wurde.
Der zeitlich befristete Arbeitsvertrag dauerte zunächst vom 05.05.2008 bis Ende Dezember 2008 und wurde dann dreimal verlängert, zuerst bis Ende Juni 2009, dann bis Ende Dezember 2009 und zuletzt für die gut vier Monate von Anfang Januar 2009 bis zum 04.05.2010.
Die letzte, nur gut viermonatige Verlängerung war tariflich zweifelhaft, weil die Parteien die Geltung der für die Bundesagentur (BA) geltenden Tarifverträge vereinbart hatten, und in § 33 Abs.3 TV BA heißt es:
"Ein befristeter Arbeitsvertrag ohne sachlichen Grund soll in der Regel zwölf Monate nicht unterschreiten; die Vertragsdauer muss mindestens sechs Monate betragen."
Vor allem aber war der Jurist darüber erbost, dass die Agentur für Arbeit 2010 noch geplant hatte, ihm eine weitere Verlängerung des Vertrags anzubieten, diese Planungen aber stoppte, nachdem das BAG mit Urteil vom 17.03.2010 (7 AZR 843/08) entschieden hatte, dass sich die Arbeitsagentur nicht auf den Sachgrund der Haushaltsbefristung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.7 TzBfG berufen kann (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/061 Haushaltsbefristungen bei der Bundesagentur für Arbeit sind unwirksam).
Statt der eigentlich geplanten Vertragsverlängerung mit der Arbeitsagentur wurde das Arbeitsverhältnis des Juristen auf die Stadt Köln umgehängt, d.h. nur mit dieser konnte er einen erneuten Zeitvertrag vereinbaren, diesmal mit einer Laufzeit vom 05.05.2010 bis Ende 2010 und sodann verlängert bis zum 04.05.2012.
Diese Verschiebung von der Arbeitsagentur auf die Stadt Köln bewertete der Jurist als missbräuchlichen Einsatz des Befristungsrechts und verklagte die Arbeitsagentur auf die Feststellung, dass die zuletzt bis zum 04.05.2010 vereinbarte Befristung unwirksam sei. Die Stadt Köln verklagte er nicht.
Seine Klage wurde vom Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 22.06.2010, 6 Ca 4305/10) und auch vom Landesarbeitsgericht (LAG) Köln abgewiesen (Urteil vom 02.12.2011, 10 Sa 1229/10).
BAG: Bei missbräuchlichem (Ketten-)Austausch des Vertragsarbeitgebers richtet sich die Missbrauchskontrolle immer gegen den letzten Arbeitgeber in der Kette
Auch das BAG entschied gegen den Kläger und wies seine Revision zurück.
Denn ein Verstoß der zuletzt vereinbarten Befristung gegen den TV BA lag nicht vor, so das BAG, weil die Mindestzeitdauer von sechs Monaten gemäß § 33 Abs.3 TV BA nur für den (ersten) Zeitvertrag, nicht aber für die späteren Verlängerungsvereinbarungen gilt. Hier war daher alles tarifkonform, weil der ursprüngliche Zeitvertrag eine Laufzeit von mehr als sechs Monaten hatte (05.05.2008 bis 31.12.2008), und weil die späteren drei Verlängerungen keine sechsmonatige Mindestdauer einhalten mussten.
Sein eigentliches Anliegen, nämlich die gerichtliche Überprüfung einer möglicherweise missbräuchlichen Ausnutzung des Befristungsrechts durch ein Arbeitgeber-Karussell, hätte der Kläger gegenüber der Stadt Köln geltend machen müssen. Denn es kann zwar Rechtsmissbrauch vorliegen, so die Erfurter Richter,
"wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs.2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können. Ein solcher Rechtsmissbrauch kann jedoch lediglich dem letzten Vertragsarbeitgeber des Arbeitnehmers entgegengehalten werden, nicht dem Arbeitgeber, zu dem der Arbeitnehmer vorher in einem Vertragsverhältnis stand."
Fazit: Ähnlich wie Befristungsketten bei ein und demselben Arbeitgeber immer nur durch eine Klage gegen die zuletzt vereinbarte Befristung zu überprüfen sind, ist es auch mit einem Arbeitgeber-Karussell: Der missbräuchliche Austausch von Vertragsarbeitgebern, die den Arbeitnehmer hintereinander auf demselben Arbeitsplatz jeweils mit sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen einsetzen, ist gerichtlich zu überprüfen, indem der jeweils letzte Vertragsarbeitgeber im Wege der Befristungskontrollklage verklagt wird.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.01.2014, 7 AZR 243/12
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 02.12.2011, 10 Sa 1229/10
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.01.2012, C-586/10 (Kücük)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 (Kücük)
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.10.2010, 7 AZR 485/09 (A) - Kücük (Vorlagebeschluss)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.03.2010, 7 AZR 843/08
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Letzte Überarbeitung: 9. Oktober 2020
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