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Befristungskette als Rechtsmissbrauch
08.04.2015. Im Juli 2012 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass "sehr lange" Befristungsketten rechtsmissbräuchlich sein können, was zur Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung führt (BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 - Kücük - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein).
Dabei ließ das BAG offen, ab welcher Gesamtbeschäftigungszeit und ab der wievielten Vertragsverlängerung ein Rechtsmissbrauch zu vermuten und daher vom Arbeitgeber zu widerlegen ist.
In einem aktuellen Fall hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg die Missbrauchsschwelle ziemlich weit abgesenkt: Seiner Ansicht nach kann eine missbräuchliche Vertragsbefristung bereits dann vorliegen, wenn die Gesamtdauer der hintereinander geschalteten Zeitverträge sechs Jahre und acht Monate beträgt: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.02.2015, 15 Sa 1947/14.
- Endlos hintereinander geschaltete befristete Arbeitsverträge - wo beginnt der Rechtsmissbrauch?
- Im Streit: Angestellter der brandenburgischen Straßenmeisterei wird sechs Jahre und acht Monate lang immer erneut befristet beschäftigt
- LAG Berlin-Brandenburg: Eine Vertragsdauer von sechs Jahren und acht Monaten bei zehn Verträgen legt Missbrauch nahe
Endlos hintereinander geschaltete befristete Arbeitsverträge - wo beginnt der Rechtsmissbrauch?
Zeitlich befristete Arbeitsverträge können nicht schrankenlos zulässig sein, weil pfiffige Arbeitgeber ansonsten den Kündigungsschutz beliebig aushebeln könnten.
Daher schreibt die „Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge“ den EU-Staaten vor, gegen den Missbrauch aufeinander folgender Zeitverträge vorzugehen. Die „Rahmenvereinbarung“ wurde 1999 von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern auf EU-Ebene ausgehandelt und ist der wesentliche Inhalt der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999.
Konkret verpflichtet die Rahmenvereinbarung die EU-Staaten dazu,
- Zeitverträge von einem Sachgrund abhängig zu machen (§ 5 Nr. 1a der Rahmenvereinbarung), und/oder
- für aufeinander folgende Zeitverträge eine Höchstdauer vorzusehen (§ 5 Nr. 1 b) der Rahmenvereinbarung), und/oder
- eine Höchstzahl von Befristungen festzuschreiben (§ 5 Nr. 1c) Rahmenvereinbarung).
In Deutschland wurden diese Vorgaben durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) umgesetzt. Das TzBfG sieht
- sowohl eine Höchstgrenze vor, nämlich von zwei Jahren für sachgrundlos befristete Verträge (§ 14 Abs.2 TzBfG),
- als auch die Notwendigkeit eines Sachgrundes für die Befristung, nämlich für Arbeitsverhältnisse über einer Gesamtdauer von zwei Jahren (§ 14 Abs.1 TzBfG).
Aus dieser gesetzlichen Alternative (sachgrundlose Befristung bis zur Höchstdauer von zwei Jahre, Erforderlichkeit eines Sachgrundes bei Arbeitsverhältnissen von insgesamt mehr als zwei Jahren) ergibt sich, dass Sachgrundbefristungen im Prinzip beliebig oft hintereinander geschaltet werden können. Denn wenn der Arbeitgeber für die jeweils letzte befristete Verlängerung einer solchen Kettenbefristung einen sachlichen Grund hat, ist diese (letzte) Befristung wirksam und eine Entfristungsklage hätte keinen Erfolg.
An dieser Stelle kommt die Missbrauchskontrolle ins Spiel: Auch wenn die zuletzt vereinbarte Befristung bei isolierter Betrachtung durch einen Sachgrund (z.B. durch die Vertretung eines vorübergehend fehlenden anderen Arbeitnehmers) gerechtfertigt und daher "eigentlich" wirksam wäre, kann sie
- aufgrund einer großen Gesamtlänge des gesamten Arbeitsverhältnisses und
- aufgrund der großen Anzahl der hintereinander geschalteten Verlängerungen und
- aufgrund der Umstände des Einzelfalls (ununterbrochene Beschäftigung? Betrauung mit denselben Aufgaben? Möglichkeit der unbefristeten Übernahme?)
letztlich "rechtsmissbräuchlich" sein. Unter solchen Umständen stellt es nach der neueren BAG-Rechtsprechung einen "institutionellen Rechtsmissbrauch" dar, wenn der Arbeitgeber gegenüber einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift.
In der o.g. Grundsatzentscheidung des BAG aus dem Jahre 2012 ging es um eine Kölner Justizangestellte, Bianca Kücük, die über elf Jahre hinweg aufgrund von insgesamt 13 Zeitverträgen befristet beschäftigt wurde (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 - Kücük). Hier lag der Verdacht eines Rechtsmissbrauchs nahe, den die Justiz als Arbeitgeber im Prozess hätte entkräften müssen.
Aber kann man bereits bei einer Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von etwa sechseinhalb Jahren und bei zehn Zeitverträgen von einem missbräuchlichen Einsatz des Befristungsrechts durch den Arbeitgeber sprechen?
Im Streit: Angestellter der brandenburgischen Straßenmeisterei wird sechs Jahre und acht Monate lang immer erneut befristet beschäftigt
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer des Landes Brandenburg, der als gelernter Straßenwärter bei der Straßenmeisterei beschäftigt wurde. Der erste befristete Vertrag dauerte vom 15.08.2007 bis zum 14.02.2008, der letzte und zehnte in der Befristungskette hatte eine Laufzeit vom 01.10.2013 bis zum 14.04.2014.
Im letzten Arbeitsvertrag war als Tätigkeitsbeschreibung „zur Unterstützung bei der Durchführung des Winterdienstes“ angegeben worden. Für die Wintersaison 2013/14 waren neben dem Kläger fünf weitere Arbeitnehmer befristet eingestellt worden. Bereits am 26.02.2014 schrieb das beklagte Land für das Straßenwesen neun Stellen und am 18.03.2014 weitere zwei Stellen befristet aus.
Der Straßenwärter erhob fristgerecht innerhalb von drei Wochen nach Ablauf des zuletzt vereinbarten befristeten Vertrags Befristungskontrollklage. Das beklagte Land berief sich darauf, dass als Sachgrund für die letzte Befristung ein vorübergehender saisonaler Mehrbedarf (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.1 TzBfG) in der Straßenmeisterei N. von sechs Arbeitnehmern bestanden habe.
Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) gab der Klage statt, d.h. es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgrund Befristung am 14.04.2014 geendet hatte (Urteil vom 04.09.2014, 6 Ca 629/14). Dagegen legte das Land Brandenburg Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg ein.
LAG Berlin-Brandenburg: Eine Vertragsdauer von sechs Jahren und acht Monaten bei zehn Verträgen legt Missbrauch nahe
Auch vor dem LAG zog das Land Brandenburg den Kürzeren.
Zur Begründung beruft sich das LAG zum einen auf das o.g. Grundsatzurteil des BAG vom 18.07.2012 (7 AZR 443/09 - Kücük), zum anderen auf ein BAG-Urteil vom 13.02.2013 (7 AZR 225/11), in dem das BAG bereits eine Gesamtbeschäftigungsdauer von sechseinhalb Jahren bei 13 Befristungen als ausreichend angesehen hat, um eine Missbrauchsprüfung durchzuführen.
Vor diesem Hintergrund waren die hier im Streitfall gegebene Beschäftigungsdauer (sechs Jahre und acht Monate) und die Anzahl der Verträge (zehn) nach Ansicht des LAG ausreichend, um eine Missbrauchskontrolle vorzunehmen. Und diese Kontrolle fiel im Ergebnis zulasten des beklagten Landes aus. Denn, so das LAG:
Zu Lasten des Arbeitgebers war hier zu werten, dass der Arbeitnehmer ununterbrochen beschäftigt wurde. Auf die Besonderheiten eines Saisonbetriebs konnte sich das Land hier nicht berufen. Denn trotz des erhöhten Beschäftigungsbedarfs in den Wintermonaten brauchte das Land auch in den Sommermonaten zusätzliche, über das Stammpersonal hinausgehende Arbeitskräfte. Das wurde durch den Verlauf des Arbeitsverhältnisses des Klägers belegt, der durchgängig, d.h. im Winter wie im Sommer, zur Vertretung ausgefallener Arbeitnehmer eingesetzt wurde. Für einen dauerhaft erhöhten Beschäftigungsbedarf sprachen auch die Stellenausschreibungen vom Februar und März 2014.
Schließlich war der Kläger durchgängig als Straßenwärter beschäftigt worden, und zwar stets bei Straßenmeistereien im Nordosten Berlins, obwohl das Land ihn gemäß Tarif jederzeit an einen anderen Ort hätte versetzen können.
Daher kam das LAG zu dem Ergebnis, dass die immer wieder befristete Beschäftigung des Klägers wegen seiner langfristigen ununterbrochenen Tätigkeit unter Zuhilfenahme von zehn befristeten Arbeitsverträgen als rechtsmissbräuchlich gegenüber dem Kläger anzusehen war.
Fazit: Nach der aktuellen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte lohnt es sich bereits ab einer Beschäftigungsdauer von sechs Jahren und bei zehn Befristungen, die Wirksamkeit der zuletzt vereinbarten Sachgrundbefristung gerichtlich überprüfen zu lassen. Denn die hier im Streitfall gegebenen "Besonderheiten" (dauerhaft erhöhter Personalbedarf bzw. dauerhafter Vertretungsbedarf, ständiger Einsatz auf demselben Arbeitsplatz, nahtlose Beschäftigung) werden häufig vorkommen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.02.2015, 15 Sa 1947/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2013, 7 AZR 225/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 (Kücük)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 783/10
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.01.2012, Rs. C-586/10 (Kücük)
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Mustervertrag: Mit Sachgrund befristeter Arbeitsvertrag
- Mustervertrag: Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 20/083 Befristeter Arbeitsvertrag für zeitlich begrenzte Projekte
- Arbeitsrecht aktuell: 19/005 Keine schrankenlose Befristung bei Ballett und Oper
- Arbeitsrecht aktuell: 17/308 Befristung auf der Grundlage des Normalvertrags Bühne
- Arbeitsrecht aktuell: 17/226 Befristung von Arbeitsverträgen mit Schauspielern
- Arbeitsrecht aktuell: 17/138 Wann sind Sachgrundbefristungen missbräuchlich?
- Arbeitsrecht aktuell: 17/020 Verlängerung von befristeten Verträgen bei der Zeitarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 16/307 Keine Befristung bei dauerhaftem Personalbedarf
- Arbeitsrecht aktuell: 15/353 Sachgrundlose Befristung und Rechtsmissbrauch
- Arbeitsrecht aktuell: 15/083 EuGH begrenzt Befristungen in der Kulturbranche
- Arbeitsrecht aktuell: 15/005 Befristete Arbeitsverträge an Schulen
- Arbeitsrecht aktuell: 14/135 Befristung von Arbeitsverträgen und Missbrauchskontrolle
- Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein
- Arbeitsrecht aktuell: 12/043 Europarecht erlaubt Befristung zur Vertretung - auch jahrelang.
Letzte Überarbeitung: 9. Oktober 2020
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