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Wann sind Sachgrundbefristungen missbräuchlich?
20.05.2017. Bei Neueinstellungen sind Befristungen ohne einen Sachgrund rechtlich zulässig, und zwar bis zu einer Gesamtvertragsdauer von zwei Jahren bei höchsten drei Vertragsverlängerungen, § 14 Abs.2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).
Danach brauchen Arbeitgeber zwar einen sachlichen Grund für jede (erneute) Befristung, doch gilt hier keine gesetzliche Höchstdauer, so dass immer wieder verlängerte Befristungen im Prinzip endlos möglich sind („Kettenbefristung“).
Ab einem gewissen Punkt ist ein solches Ausnutzen der formaljuristisch gegebenen Befristungsmöglichkeiten aber missbräuchlich, so dass betroffene Arbeitnehmer gegen die Befristung klagen können. In einem aktuellen Urteil gibt das Bundesarbeitsgericht (BAG) konkrete Zahlen vor, die bei der Missbrauchsprüfung zu beachten sind: BAG, Urteil vom 21.03.2017, 7 AZR 369/15.
- Wann müssen die Arbeitsgerichte Kettenbefristungen auf einen möglichen Missbrauch hin überprüfen und wann liegt ein Rechtsmissbrauch im Regelfall vor?
- Im Streit: Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs
- BAG bekräftigt Prüfungsschema zum Rechtsmissbrauch bei Kettenbefristungen
Wann müssen die Arbeitsgerichte Kettenbefristungen auf einen möglichen Missbrauch hin überprüfen und wann liegt ein Rechtsmissbrauch im Regelfall vor?
Seit einer Grundsatzentscheidung des BAG aus dem Jahre 2012 steht fest, dass die immer erneute Befristung eines Arbeitsvertrags missbräuchlich sein kann (BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 - Kücük, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein).
Das gilt (gerade) auch dann, wenn sich der Arbeitgeber bei der letzten befristeten Vertragsverlängerung „eigentlich“ auf einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs.1 TzBfG berufen kann, z.B. auf den Sachgrund der Vertretung eines abwesenden Kollegen (§ 14 Abs.1 Nr.3 TzBfG) und/oder auf den Sachgrund des nur vorübergehenden Bedarfs (§ 14 Abs.1 Nr.1 TzBfG).
Dabei hat das BAG lange Zeit nicht genau gesagt,
- ab welcher Gesamtbeschäftigungszeit und/oder
- ab der wievielten Vertragsverlängerung
im Allgemeinen ein Rechtsmissbrauch vorliegt oder vor Gericht zu vermuten ist.
Nur aus den Entscheidungen über konkrete Einzelfälle konnte man herleiten, dass z.B. eine Beschäftigungszeit von insgesamt sechseinhalb Jahren bei 13 Befristungen ausreichend sein kann, um eine Missbrauchsprüfung durchzuführen (BAG, Urteil vom 13.02.2013 , 7 AZR 225/11), oder dass eine Gesamtvertragsdauer von sechs Jahren und acht Monaten bei zehn Verträgen einen Missbrauch nahelegt, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.02.2015, 15 Sa 1947/14, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/090 Befristungskette als Rechtsmissbrauch).
Andererseits kann auch eine sehr lange Kettenbefristung von über 15 Jahren bei mehr als zehn befristeten Arbeitsverträgen im Einzelfall rechtens sein, d.h. nicht missbräuchlich, wenn eine mehrfach in Elternzeit befindliche Kollegin vertreten werden muss (BAG, Urteil vom 29.04.2015, 7 AZR 310/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/184 Befristung zur Vertretung wegen Kinderbetreuung).
Im Oktober des vergangenen Jahres hat das BAG dann endlich einmal konkrete Zahlen präsentiert, um die Missbrauchskontrolle bei Ketten-Zeitverträgen zu erleichtern (BAG, Urteil vom 26.10.2016, 7 AZR 135/15). Dieses Prüfungsschema hat das BAG vor kurzem bekräftigt: BAG, Urteil vom 21.03.2017, 7 AZR 369/15.
Im Streit: Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die von August 2000 bis Mai 2012 auf der Grundlage von 16 befristeten Arbeitsverträgen beim selben Arbeitgeber beschäftigt war, allerdings mit langen Unterbrechungen von Mitte Januar 2003 bis Ende März 2006, von Anfang Januar 2008 bis Mitte April 2008 sowie von Januar 2009 bis Mitte Januar 2011.
Gegen die zuletzt vereinbarte Befristung zum 26.05.2012 ging sie gerichtlich vor, vereinbarte dann aber einen vom Gericht protokollierten Vergleich, dem zufolge ihr Arbeitsverhältnis erneut befristet fortgesetzt werden sollte, nämlich bis zum 31.12.2012. Obwohl ein gerichtlicher Vergleich meist einen rechtlich wasserdichten Sachgrund darstellt (§ 14 Abs.1 Nr.8 TzBfG), klagte sie ein weiteres Mal, diesmal gegen die Befristung zum 31.12.2012.
Mit dieser Klage hatte sie vor dem Arbeitsgericht Magdeburg Erfolg, denn der von den Parteien bzw. Anwälten ausgehandelte Vergleich war vom Arbeitsgericht im schriftlichen Verfahren nur protokolliert, nicht aber selbst vorgeschlagen worden. Unter solchen Umständen geht das BAG davon aus, dass die Befristung nicht „auf einem gerichtlichen Vergleich beruht“, das heißt der Befristungsgrund des § 14 Abs.1 Nr.8 TzBfG nicht eingreift (BAG, Urteil vom 15.02.2012, 7 AZR 734/10).
In diesem Sinne hatte das Arbeitsgericht Magdeburg entschieden und der Klage stattgegeben (Urteil vom 13.06.2013, 4 Ca 3755/12). Das LAG Sachsen-Anhalt wollte der Linie des BAG aber ausdrücklich nicht folgen und entschied den Fall daher zu Gunsten des Arbeitgebers (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.02.2015, 3 Sa 318/13).
BAG bekräftigt Prüfungsschema zum Rechtsmissbrauch bei Kettenbefristungen
Das BAG hob das Urteil des LAG Sachsen-Anhalt auf. Denn da das Arbeitsgericht im Vorprozess die von den Anwälten ausgehandelte Befristung zum 31.12.2012 nur „abgenickt“, aber nicht selbst vorgeschlagen hatte, lag hier kein gerichtlicher Vergleich im Sinne von § 14 Abs.1 Nr.8 TzBfG bzw. der dazu ergangenen BAG-Rechtsprechung vor.
Da sich der Arbeitgeber im Streitfall nicht nur auf den Sachgrund des § 14 Abs.1 Nr.8 TzBfG (gerichtlicher Vergleich) berufen hatte, sondern auch auf § 14 Abs.1 Nr.3 TzBfG (vorübergehender Vertretungsbedarf), konnte das BAG den Fall nicht selbst entscheiden und verwies den Prozess an das LAG zurück.
Dabei gab es dem LAG mit auf den Weg, dass hier kein Fall vorlag, in dem man ernsthaft an einen Rechtsmissbrauch denken konnte. Denn eine Missbrauchskontrolle ist, so das BAG, nach einem dreistufigen Prüfungsschema durchzuführen, deren drei Stufen man als grünen, gelben und roten Bereich bezeichnen könnte:
- Im grünen Bereich ist Missbrauch kein Thema.
- Im gelben Bereich ist eine Missbrauchsprüfung zwar vorzunehmen, aber der Arbeitnehmer muss hier Tatsachen vortragen, die einen Missbrauch belegen.
- Im roten Bereich ist der Missbrauch indiziert, d.h. der Arbeitgeber muss die Annahme eines Missbrauchs entkräften bzw. widerlegen.
Ob sich eine auf Sachgründe gestützte langjährige Kettenbefristung im grünen, im gelben oder im roten Bereich bewegt, prüft das BAG anhand der Grenzen, die für sachgrundlose Befristungen gelten, d.h. in Anlehnung an § 14 Abs.2 TzBfG, der eine Gesamtdauer von zwei Jahren bei maximal drei Verlängerungen erlaubt.
Auf der Grundlage dieser Zahlen fragt das BAG danach, um wieviel die Gesamtvertragsdauer den Zweijahreswert übersteigt und/oder um wieviel die Vertragsverlängerungen die dreimalige Verlängerung überschreitet, und zwar nach folgendem Schema (dabei gelten strengere Grenzwerte, wenn sowohl die Gesamtlaufzeit sehr lang ist als auch die Verlängerungen sehr häufig sind):
Grenze für Laufzeit |
Grenze für Verlängerungen |
Grenze für Laufzeit und Verlängerungen | |
grün | max. 8 Jahre |
max. 12 Verlängerungen |
max. 6 Jahre Laufzeit bei 9 Verlängerungen |
gelb | mehr als 8 und max. 10 Jahre |
13 bis 15 Verlängerungen | mehr als 6 Jahre bis max. 8 Jahre Laufzeit bei 10 bis 12 Verlängerungen |
rot |
über 10 Jahre | über 15 Verlängerungen | mehr als 8 Jahre Laufzeit bei über 12 Verlängerungen |
Fazit: Arbeitgebern ist dringend zu raten, die o.g. Grenzwerte bei der Verlängerung von sachgrundbefristeten Arbeitsverträgen einzuhalten. Denn aufgrund der Genauigkeit dieser zahlenmäßigen Grenzen wird es spätestens im roten Bereich vor Gericht eng. Arbeitnehmer und ihre Anwälte wiederum können bei Kettenbefristungen die Erfolgsaussichten einer Entfristungsklage besser abschätzen als bisher.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2017, 7 AZR 369/15
- Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.02.2015, 3 Sa 318/13
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2016, 7 AZR 135/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.04.2015, 7 AZR 310/13
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2013 , 7 AZR 225/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 - Kücük
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.02.2012, 7 AZR 734/10
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.02.2015, 15 Sa 1947/14
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Mustervertrag: Mit Sachgrund befristeter Arbeitsvertrag
- Mustervertrag: Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 20/083 Befristeter Arbeitsvertrag für zeitlich begrenzte Projekte
- Arbeitsrecht aktuell: 18/219 Befristung bei der Stufenzuordnung gemäß TVöD
- Arbeitsrecht aktuell: 17/308 Befristung auf der Grundlage des Normalvertrags Bühne
- Arbeitsrecht aktuell: 17/226 Befristung von Arbeitsverträgen mit Schauspielern
- Arbeitsrecht aktuell: 16/376 Vergleich im schriftlichen Verfahren als Befristungsgrund
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- Arbeitsrecht aktuell: 15/184 Befristung zur Vertretung wegen Kinderbetreuung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/090 Befristungskette als Rechtsmissbrauch
- Arbeitsrecht aktuell: 14/135 Befristung von Arbeitsverträgen und Missbrauchskontrolle
- Arbeitsrecht aktuell: 13/328 Befristung des Arbeitsvertrags und gerichtlicher Vergleich
- Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein
- Arbeitsrecht aktuell: 12/043 Europarecht erlaubt Befristung zur Vertretung - auch jahrelang
Letzte Überarbeitung: 9. Oktober 2020
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