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ARBEITSRECHT AKTUELL // 20/083

Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag für zeit­lich be­grenz­te Pro­jek­te

Ein Ar­beit­ge­ber darf Dau­er­auf­ga­ben nicht in Pro­jek­te zer­glie­dern für die Be­fris­tung von Ar­beits­ver­trä­ge: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 21.08.2019, 7 AZR 572/17
Arbeitgeber übergibt Arbeitsvertrag zu Unterschrift, Allgemeine Geschäftsbedingungen, vorformulierte Vertragsklauseln

28.07.2020. Sol­len Ar­beit­neh­mer be­fris­tet be­schäf­tigt wer­den, brau­chen Ar­beit­ge­ber da­für im Nor­mal­fall ei­nen Sach­grund. Ein sol­cher Sach­grund kann sich un­ter an­de­rem aus zeit­lich be­grenz­ten Pro­jek­ten er­ge­ben.

Liegt aber auch dann ein "nur vor­über­ge­hen­der Be­schäf­ti­gungs­be­darf" vor, wenn Pro­jek­te zwar je­weils zeit­lich be­grenzt sind, es aber in­halt­lich im­mer um die­sel­ben Ar­bei­ten geht, die stän­dig an­fal­len?

Nein, denn auch zeit­lich be­grenz­te Pro­jek­te kön­nen zu be­trieb­li­chen Dau­er­auf­ga­ben ge­hö­ren, so das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG), Ur­teil vom 21.08.2019, 7 AZR 572/17.

Vorüber­ge­hen­der Beschäfti­gungs­be­darf durch Pro­jekt­auf­ga­ben oder Dau­er­auf­ga­be?

Während neu ein­ge­stell­te Ar­beit­neh­mer gemäß § 14 Abs.2 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) oh­ne sach­li­chen Grund bis zu zwei Jah­ren be­fris­tet ein­ge­stellt wer­den können, ist für ei­ne länge­re Be­fris­tung ein Sach­grund im Sin­ne von § 14 Abs.1 Tz­B­fG er­for­der­lich. Ei­ner der ge­setz­li­chen Sach­gründe liegt dar­in, dass „der be­trieb­li­che Be­darf an der Ar­beits­leis­tung nur vorüber­ge­hend be­steht“ (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.1 Tz­B­fG).

Das ist z.B. der Fall, wenn ein Pro­jekt oder ei­ne Zu­satz­auf­ga­be bewältigt wer­den muss und die vor­han­de­nen (Stamm-)Ar­beit­neh­mer dafür nicht aus­rei­chen. In sol­chen Fällen müssen Ar­beit­ge­ber bei Ver­trags­schluss ih­ren künf­ti­gen Per­so­nal­be­darf abschätzen, und die­se Schätzung muss er­ge­ben, dass das Pro­jekt bzw. die Zu­satz­auf­ga­be kei­nen dau­er­haf­ten bzw. für länge­re Zeit plan­ba­ren Per­so­nal­be­darf mit sich bringt.

Im öffent­li­chen Dienst kommt es im­mer wie­der vor, dass sol­che „Pro­jekt­be­fris­tun­gen“ hin­ter­ein­an­der ge­schal­tet wer­den, so dass sich die Fra­ge stellt, ob die be­fris­te­ten Ar­beit­neh­mer nicht in Wahr­heit Dau­er­auf­ga­ben wahr­neh­men. Über ei­nen der­ar­ti­gen Fall muss­te vor kur­zem das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schei­den.

Im Streit: Pro­jekt­be­fris­tung bei der Ver­wal­tung von Förder­mit­teln

Nach­dem ei­ne Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te be­reits von Ja­nu­ar bis Sep­tem­ber 2013 beim Land Thürin­gen ge­ar­bei­tet hat­te, war sie von An­fang 2014 bis En­de 2015 er­neut be­fris­tet ein­ge­stellt. Das Land brauch­te da­her we­gen der Vor­beschäfti­gung in 2013 ei­nen Sach­grund für die Be­fris­tung.

An­geb­lich lag der Sach­grund dar­in, dass die An­ge­stell­te zeit­lich be­fris­te­te Son­der­auf­ga­ben bei der Ver­ga­be von Förder­mit­teln er­le­di­gen soll­te. Kon­kret ging es da­bei um Förder­mit­tel zu­guns­ten des länd­li­chen Raums und für die Ent­wick­lung von Na­tur und Land­schaft (ENL). Hier sprach für die Wirk­sam­keit der Pro­jekt­be­fris­tung (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.1 Tz­B­fG), dass die An­ge­stell­te nur mit Ver­wal­tungs­auf­ga­ben zu tun hat­te, die im Zu­sam­men­hang mit die­sen Förder­maßnah­men stan­den.

Die ENL-Förder­mit­teln wa­ren zwar ei­gent­lich bis En­de 2013 zu ver­ge­ben, doch wa­ren noch rest­li­che Förder­mit­teln übrig, und die muss­ten bis En­de 2015 ver­teilt wer­den. Da­her mein­te der Ar­beit­ge­ber, dass ein nur vorüber­ge­hen­der pro­jekt­be­zo­ge­ner Ar­beits­be­darf be­stand, nämlich bis En­de 2015.

Vor dem Ar­beits­ge­richt Er­furt hat­te die An­ge­stell­te Er­folg (Ur­teil vom 15.07.2016, 8 Ca 2776/15), während das Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) ih­re Ent­fris­tungs­kla­ge ab­wies (Thürin­ger LAG, Ur­teil vom 18.10.2017, 6 Sa 287/16).

BAG: Auch die Durchführung zeit­lich be­grenz­ter Vor­ha­ben kann zu den Dau­er­auf­ga­ben des Ar­beit­ge­bers gehören

Das BAG hob das LAG-Ur­teil auf und ver­wies den Rechts­streit zurück, so dass das LAG den Fall er­neut über­prüfen muss. Denn, so die Er­fur­ter Rich­ter:

Pro­jekt­be­zo­ge­ne Ar­bei­ten können in­halt­lich gleich blei­ben und im­mer wie­der an­fal­len, wo­durch ein dau­er­haf­ter und plan­ba­rer Beschäfti­gungs­be­darf ent­steht. Dann kann „die Durchführung zeit­lich be­grenz­ter Vor­ha­ben zu den Dau­er­auf­ga­ben des Ar­beit­ge­bers gehören“ (Ur­teil, Rn.24). Ar­beit­ge­ber können sich aber nicht selbst Be­fris­tungsmöglich­kei­ten schaf­fen, in­dem sie Dau­er­auf­ga­ben künst­lich in Pro­jek­te zer­glie­dern (Ur­teil, Rn.24).

Laut BAG hätte das LAG da­her über­prüfen müssen, ob in der Dienst­stel­le der Kläge­rin nicht auch an­de­re - ähn­li­che - Förder­mit­tel ständig ver­wal­tet wer­den (Ur­teil, Rn.31, 36).

Fa­zit: Die Zu­ord­nung ei­nes Ar­beit­neh­mers zu ei­nem zeit­lich be­fris­te­ten Pro­jekt (bzw. zu Pro­jekt­mit­teln) ist zwar not­wen­dig für ei­ne Pro­jekt­be­fris­tung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.1 Tz­B­fG, aber nicht in al­len Fällen aus­rei­chend.

Ar­beit­ge­ber, die lau­fend auf Pro­jekt­gel­der, Dritt­mit­tel und/oder Förder­mit­tel ein­set­zen, soll­ten bei langjährig beschäftig­ten "Pro­jekt-Ar­beit­neh­mern" über ei­ne Ent­fris­tung nach­den­ken. Das gilt zu­min­dest dann, wenn Ar­beit­neh­mer mehr als acht Jah­re beschäftigt sind und/oder der Ver­trag mehr als zwölf­mal verlängert wur­de. Denn dann lie­gen die Be­fris­tun­gen im Be­reich der mögli­cher­wei­se miss­bräuch­li­chen Ket­ten­be­fris­tung.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2021

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