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Befristung des Arbeitsvertrags und gerichtlicher Vergleich
11.11.2013. Ein gerichtlicher Vergleich ist ein Erfolg, der viele Väter hat: Die Parteien haben einen Teilerfolg errungen, die Anwälte auf beiden Seiten haben kompromissorientiert verhandeln müssen und das Gericht hat eine gütliche Einigung herbeigeführt, was dem "Rechtsfrieden" dient.
Aber wie viel Gericht steckt in einem Vergleich, der im sog. schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 Zivilprozessordnung (ZPO) zustande kommt? Hier reichen die Parteien einen übereinstimmenden schriftlichen Vergleichsvorschlag beim Gericht ein, das daraufhin per Beschluss feststellt, dass dieser Vergleichsvorschlag das Verfahren beendet hat.
Zu wenig Gericht, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) Anfang 2012, um darauf eine wirksame Verlängerung eines befristeten Vertrages gründen zu können. Falsch, so jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen: LAG Niedersachsen, Urteil vom 05.11.2013, 1 Sa 489/13.
- Genügt ein Vergleich im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 ZPO für eine wirksame befristete Vertragsverlängerung?
- Der Streitfall: Arbeitnehmerin klagt gegen Befristung und vergleicht sich 2010 im schriftlichen Verfahren auf eine befristete Verlängerung, die sie später erneut angreift
- LAG Niedersachsen: Auch ein Vergleich im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 ZPO genügt für eine wirksame weitere Befristung
Genügt ein Vergleich im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 ZPO für eine wirksame befristete Vertragsverlängerung?
Die Befristung von Arbeitsverträgen ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Entweder es liegt eine Neueinstellung vor, dann ist eine Befristung gemäß § 14 Abs.2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bis zur Höchstdauer von zwei Jahren zulässig, wobei der Vertrag innerhalb dieser 24 Monate maximal drei Mal verlängert werden kann. Oder es liegt ein sachlicher Grund für die Befristung vor, dann kann ein Zeitvertrag auch länger als zwei Jahre dauern und er kann öfter als drei Mal verlängert werden (§ 14 Abs.1 TzBfG).
Einer der gesetzlich anerkannten Sachgründe für eine Befristung liegt vor, wenn die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 TzBfG). Damit will das Gesetz Kompromisse in Befristungskontrollklagen erleichtern. Denn wer gegen eine Befristung klagt, gibt sich bei ungewissem Ausgang des Prozesses oft damit zufrieden, dass er eine Abfindung erhält oder dass der Vertrag noch einmal verlängert wird. Die erneute Verlängerung ist für den beklagten Arbeitgeber aber nur sinnvoll, wenn sie endgültig bzw. rechtssicher ist. Das ermöglicht der Sachgrund des § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 TzBfG.
Ein gerichtlicher Vergleich ist aber letztlich auch nicht mehr als ein Vertrag, nur dass die Parteien ihn vor Gericht vereinbaren und einen Prozess damit zum Abschluss bringen. Dass ein Vergleich als Sachgrund für eine Befristung vom Gesetz anerkannt wird, beruht auf der Überlegung, dass das Gericht als neutrale und rechtskundige Instanz "draufschaut" und am besten selbst den Vergleichsvorschlag unterbreitet.
Die Beteiligung des Gerichts beschränkt sich aber auf die bloße Protokollierung, wenn ein "gerichtlicher" Vergleich im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 ZPO zustande kommt. Denn dann stammt der Vergleichsvorschlag nicht vom Gericht (wie in der anderen Variante des schriftlichen Vergleichs gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.2 ZPO). Vielmehr haben Parteien selbst bzw. ihre Anwälte den Vergleich ohne Beteiligung des Gerichts ausgehandelt und reichen das Ergebnis ihrer Verhandlungen beim Gericht ein. Das Gericht stellt daraufhin nur per Beschluss fest, dass dieser Vergleich zustande gekommen ist und damit das Verfahren beendet hat.
Diese Variante eines gerichtlichen Vergleichs reicht nach einer Entscheidung des BAG vom Februar 2012 nicht aus für eine wirksame Befristung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 TzBfG. Anders gesagt: Die vor Gericht per Vergleich vereinbarte befristete Verlängerung eines Zeitvertrags beruht nicht auf dem Sachgrund des § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 TzBfG ("gerichtlicher Vergleich"), wenn der Vergleich von den Parteien ausgehandelt und vom Gericht nur gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 ZPO im schriftlichen Verfahren protokolliert wurde (BAG, Urteil vom 15.2.2012, 7 AZR 734/10).
Diesem Urteil hat vor einigen Tagen das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen widersprochen (Urteil vom 05.11.2013, 1 Sa 489/13).
Der Streitfall: Arbeitnehmerin klagt gegen Befristung und vergleicht sich 2010 im schriftlichen Verfahren auf eine befristete Verlängerung, die sie später erneut angreift
Die Büroangestellte hatte ursprünglich vor dem Arbeitsgericht Hannover gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 geklagt.
In diesem Verfahren reichte ihr Anwalt nach dem Gütetermin einen mit der Arbeitgeberseite abgestimmten Vergleichsvorschlag bei Gericht ein. Der Vergleich sah eine weitere Befristung des Arbeitsvertrags vor. Das Gericht leitete den Vergleichsvorschlag als seinen eigenen, d.h. als gerichtlichen Vergleichsvorschlag an den Arbeitgeber weiter, der dem Vergleich zustimmte.
Nach Ablauf dieses Befristungszeitraums erhob die Angestellte Anfang 2013 erneut Entfristungsklage mit der Begründung, sie hätte in dem ersten Gerichtsverfahren keine wirksame Befristungsvereinbarung getroffen. Denn der damals geschlossene Vergleich war im schriftlichen Verfahren auf Vorschlag des Gerichts gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.2 ZPO zustande gekommen. Das aber sei, so die Angestellte, kein "gerichtlicher Vergleich" gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 TzBfG.
Mit ihrer erneuten Entfristungsklage hatte die Angestellte vor dem Arbeitsgericht Hannover Erfolg.
LAG Niedersachsen: Auch ein Vergleich im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 ZPO genügt für eine wirksame weitere Befristung
Beim LAG hatte die Angestellte dagegen keinen Erfolg, d.h. das LAG hob das Urteil des Arbeitsgerichts auf und wies die Klage ab. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des Gerichts:
Das LAG könne dem o.g. BAG-Urteil vom 15.2.2012 (7 AZR 734/10) nicht folgen, d.h. es weiche von ihm ab. Aus Sicht des LAG müssten beide in § 278 Abs.6 Satz 1 ZPO genannten Formen des schriftlichen Vergleichs als ein "gerichtlicher Vergleich" im Sinne von § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 TzBfG anerkannt werden. Denn, so das LAG: Auch wenn die Parteien dem Gericht einen übereinstimmenden Vergleichsvorschlag zuleiten und das Gericht "nur" noch dessen Zustandekommen per Beschluss bestätigt, müsse das Gericht den Vergleich auf seine Ausgewogenheit hin überprüfen.
Wenn eine weitere befristete Vertragsverlängerung in einem vor Gericht vereinbarten Vergleich vereinbart wird, sollte es daher nach Ansicht des LAG keine Rolle spielen,
- ob der Vergleich einem von den Parteien dem Gericht übereinstimmend und gleichlautend unterbreiteten schriftlichen Vergleichsvorschlag entspricht (Fall des § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 ZPO), oder
- ob sich der Vergleich einem schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts verdankt, der sodann von den Parteien angenommen wird (Fall des § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.2 ZPO).
Da das LAG hier dem BAG nicht folgen wollte, ließ es die Revision zum BAG zu.
Kritisch ist anzumerken, dass das LAG mit seiner Klageabweisung in Wahrheit gar nicht von dem o.g. BAG-Urteil abweicht, weil im vorliegenden Streitfall die im Vorprozess vereinbarte Befristung durch einen Vergleich gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.2 ZPO (= Vorschlag des Gerichts) und nicht etwa gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.1 ZPO (= übereinstimmender Vorschlag der Parteien) zustande kam.
Solange das Gericht aber selbst einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, was hier im Streitfall geschehen ist, hat das BAG nichts gegen eine per Vergleich vereinbarte Befristung einzuwenden, d.h. diese ist auch nach Ansicht des BAG rechtswirksam gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 TzBfG.
Denn das BAG hat in seinem Urteil vom 15.2.2012 (7 AZR 734/10) ausdrücklich festgehalten, dass es zwischen den beiden gesetzlichen Alternativen eines Vergleichs im schriftlichen Verfahren unterscheidet. Hierzu heißt es nämlich in dem BAG-Urteil (Rn.28):
"Anders als bei einem durch das Gericht im Sinn der §§ 159 bis 160a, 162, 163 ZPO protokollierten Vergleich oder bei einem Vergleich nach § 278 Abs.6 Satz 1 Alt.2, Satz 2 ZPO, bei dem sich das Gericht einen ggf. von den Parteien vorgelegten Einigungsentwurf als seinen Vorschlag zu eigen macht und diesen den Parteien unterbreitet, ist aber bei einem nach § 278 Abs.6 Satz 1 Alt.1, Satz 2 ZPO geschlossenen Vergleich der gerichtliche Beitrag von vornherein auf eine Feststellungsfunktion beschränkt. Zwischen den Alternativen des schriftlichen Vergleichsschlusses nach § 278 Abs.6 Satz 1 ZPO besteht ein struktureller Unterschied."
Fazit: Das BAG hat mit seinem Urteil vom 15.2.2012 (7 AZR 734/10) lediglich klargestellt, dass bei der Variante eines schriftlichen Vergleichs, bei der das Gericht die von den Parteien eigenständig ausgehandelte befristete Vertragsfortsetzung nur als eine Art Notar protokolliert, die Voraussetzungen einer rechtlich wasserdichten Befristung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 TzBfG nicht vorliegen. Sollte im Fall des LAG Niedersachsen Revision zum BAG eingelegt werden, wird das BAG wohl ebenso wie das LAG entscheiden, und zwar unter Verweis auf sein Urteil vom 15.2.2012 (7 AZR 734/10).
Die Position des BAG ist übrigens nicht nur juristisch gut begründbar. Mit ihr kann man auch praktisch leben. Denn seit dem o.g. BAG-Urteil werden entsprechende Vergleiche eben offiziell auf Vorschlag des Gerichts vereinbart, d.h. gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.2 ZPO, oder nach vorheriger Terminabsprache durch beiderseitige Anwesenheit der Parteien bei Gericht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 05.11.2013, 1 Sa 489/13 (Pressemeldung)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.2.2012, 7 AZR 734/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Arbeitsrecht aktuell: 20/083 Befristeter Arbeitsvertrag für zeitlich begrenzte Projekte
- Arbeitsrecht aktuell: 17/138 Wann sind Sachgrundbefristungen missbräuchlich?
- Arbeitsrecht aktuell: 16/376 Vergleich im schriftlichen Verfahren als Befristungsgrund
- Arbeitsrecht aktuell: 16/190 Kettenbefristung an Hochschulen
- Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das LAG Niedersachsen seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das Urteil im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 9. Oktober 2020
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