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Keine schrankenlose Befristung bei Ballett und Oper
05.01.2019. Vor vier Jahren bereits hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der europarechtlich vorgeschriebene Arbeitnehmerschutz gegenüber dem missbräuchlichen Einsatz befristeter Arbeitsverträge auch für den Kulturbetrieb gilt (EuGH, Urteil vom 26.02.2015, C-238/14 - Kommission gg. Luxemburg, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 15/083 EuGH begrenzt Befristungen in der Kulturbranche).
In einer aktuellen Entscheidung hat der Gerichtshof auf der Grundlage eines italienischen Vorlagefalls nachgelegt und klargestellt, dass nationale Vorschriften europarechtlich unzulässig sind, wenn sie es Opern sowie Ballett- und Theaterhäusern ohne jede Einschränkung erlauben , mit ihren Mitarbeitern befristete Arbeitsverträge abzuschließen: EuGH, Urteil vom 25.10.2018, C-331/17 (Martina Sciotto).
- Ausnahme vom arbeitsrechtlichen Befristungsschutz zugunsten von Theatern und Opern aufgrund der speziellen "Anforderungen" dieser Branche?
- Der Vorlagefall Martina Sciotto gg. Stiftung Opernhaus Rom
- EuGH: Der europarechtlich vorgeschriebene Schutz vor missbräuchlichen Befristungsvereinbarungen gilt für alle Branchen und damit auch für Opern und Theaterhäuser
Ausnahme vom arbeitsrechtlichen Befristungsschutz zugunsten von Theatern und Opern aufgrund der speziellen "Anforderungen" dieser Branche?
Wer auf der Grundlage eines befristete Arbeitsvertrags tätig ist, hat diesem Vertrag gleichsam schon die Kündigung in der Tasche: Nach der Ablauf der vereinbarten Frist ist er seinen Job wieder los. Um die damit verbundene soziale Unsicherheit für die betroffenen Arbeitnehmer zu verringern, gelten seit 1999 europaweit bestimmte Grenzen für den Einsatz befristeter Arbeitsverhältnisse.
Diese Grenzen sind in der sog. "Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge" festgelegt, auf die sich der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) mit den Arbeitgebervertretern im Jahre 1999 geeinigt hat. Auf dieser quasi-tarifvertraglichen Grundlage hat die EU wiederum eine Richtlinie erlassen, deren wesentlicher Inhalt die Rahmenvereinbarung ist (Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999). Die in der Rahmenvereinbarung festgelegten Grenzen für befristete Arbeitsverhältnisse sind seitdem für alle EU-Mitgliedsstaaten als EU-Richtlinie verbindlich.
Die entscheidende Regelung zur Befristungskontrolle ist in § 5 Nr.1 der Rahmenvereinbarung festgelegt. Sie schreibt den Mitgliedsstaaten und/oder den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden der Mitgliedsstaaten vor, zur Begrenzung des Missbrauchs von befristeten Verträgen eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen zu ergreifen:
- Befristete Arbeitsverträge werden von einem Sachgrund abhängig gemacht (§ 5 Nr. 1 a), und/oder
- es gilt eine Höchstdauer für aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge (§ 5 Nr. 1 b), und/oder
- es gilt eine Höchstzahl zulässiger Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge (§ 5 Nr. 1c).
Die Mitgliedsstaaten haben zwar die Wahl zwischen diesen Maßnahmen, müssen sich aber mindestens für eine dieser drei Maßnahmen oder für andere gleichwertige Schutzmaßnahmen entscheiden.
Allerdings wird dieser Schutz durch die "Allgemeinen Erwägungen", die der Rahmenvereinbarung vorangestellt sind, ein wenig abgeschwächt. In Punkt 10.) der "Allgemeinen Erwägungen" heißt es nämlich, dass die Mitgliedsstaaten den "Umständen bestimmter Branchen und Berufe (...) Rechnung (...) tragen" können. Diese Klausel lautet:
"Diese Vereinbarung überlässt es den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern, die Anwendungsmodalitäten ihrer allgemeinen Grundsätze, Mindestvorschriften und Bestimmungen zu definieren, um so der jeweiligen Situation der einzelnen Mitgliedstaaten und den Umständen bestimmter Branchen und Berufe einschließlich saisonaler Tätigkeiten Rechnung zu tragen."
Allerdings geht diese Berechtigung zum Erlass besonderer Branchen-Regeln wohl kaum so weit, bestimmte Branchen vollständig von dem Befristungsschutz auszunehmen.
Der Vorlagefall Martina Sciotto gg. Stiftung Opernhaus Rom
Das italienische Arbeitsrecht ist in vielen Hinsichten arbeitnehmerfreundlich, so auch im Befristungsrecht. Denn im Allgemeinen ist nach drei Jahren Schluss mit jeder Befristung. Ein (mehrfach) befristetes Arbeitsverhältnis ist nämlich rechtlich als unbefristet anzusehen, wenn seine Dauer durch die Wirkung aufeinanderfolgender Verträge insgesamt 36 Monate überschreitet.
Von diesem Befristungsschutz sind allerdings diejenigen Arbeitnehmer generell ausgenommen, die zu dem künstlerischen und technischen Personal der Stiftungen für musikalische Aufführungen gehören.
Eine Balletttänzerin, die von Juni 2007 bis Oktober 2011 und damit länger als vier Jahre auf der Grundlage mehrerer befristeter Verträge beschäftigt war, erhob im April 2012 Klage gegen ihren Arbeitgeber, die Stiftung Opernhaus Rom (Fondazione Teatro dell`Opera di Roma). Ziel der Klage war es, eine unbefristete Anstellung durchzusetzen.
Das in der ersten Instanz mit dem Fall befasste Tribunale di Roma (Gericht Rom) wies die Klage ab. Demgegenüber setzte das Berufungsgericht Rom (Corte d’appello di Roma) das Verfahren aus und fragte den EuGH, ob nationale Regelungen mit § 5 Nr.1 der Rahmenvereinbarung vereinbar sind, wenn sie wie die hier umstrittenen italienischen Ausnahmevorschriften künstlerische und technische Arbeitnehmer von Stiftungen für musikalische Aufführungen von jedem Befristungsschutz ausnehmen.
EuGH: Der europarechtlich vorgeschriebene Schutz vor missbräuchlichen Befristungsvereinbarungen gilt für alle Branchen und damit auch für Opern und Theaterhäuser
Der EuGH kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass Ausnahmevorschriften zugunsten kompletter Branchen wie die hier streitigen italienischen Regelungen gegen § 5 Nr.1 der Rahmenvereinbarung verstoßen. In seiner Begründung zerpflückt der Gerichtshof im Wesentlichen fünf Argumente der italienischen Regierung, mit denen diese die italienischen Regelungen zu rechtfertigen versuchte:
Erstens spielt es keine Rolle, dass die privilegierten Arbeitgeber zum öffentlichen Dienst gehören, denn auch öffentliche Arbeitgeber müssen den Befristungsschutz beachten (Urteil, Rn.43).
Es kommt zweitens auch nicht darauf an, ob Arbeitsverträge im Tätigkeitsbereich der Stiftungen für Oper und Orchester "traditionell" nur befristet abgeschlossen werden (so die italienische Regierung), denn eine solche Tradition gibt einem Mitgliedsstaat nicht das Recht, sie einfach weiter fortzuschreiben (Urteil, Rn.44, 45).
Drittens kann es zwar zutreffen, dass Opern und Theater für ihre künstlerische Programmgestaltung befristete Einstellungen vornehmen müssen, doch muss dann im Einzelfall geprüft werden bzw. feststehen, dass es sich nicht um einen Dauerbedarf handelt (Urteil, Rn.46 bis 54).
Viertens sind auch haushaltsrechtliche Gründe, d.h. die Begrenzung öffentlicher Ausgaben, als solche kein sachlicher Grund für befristete Arbeitsverträge (Urteil, Rn.55).
Fünftgens kann sich Italien auch nicht darauf berufen, dass die umstrittenen Befristungsmöglichkeiten dem Zweck dienen, Dauerstellen nur auf der Grundlage öffentlicher Ausschreibungen vorzunehmen, denn ob die Klägerin an solchen Ausschreibungen teilnehmen konnte und ob solche Ausschreibungen überhaupt durchgeführt wurden, war den Akten nicht zu entnehmen.
Fazit: Wie der Gerichtshof bereits mit seinem Urteil vom 26.02.2015, C-238/14 (EU-Kommission gg. Luxemburg) festgestellt hat, müssen auch "kulturschaffende" Arbeitnehmer im Prinzip vor dem missbräuchlichen Einsatz befristeter Arbeitsverträge geschützt werden.
Dieser Schutz kann z.B. darin bestehen, dass Arbeitsverträge auf der Grundlage eines Sachgrundes befristet werden, so dass der Arbeitnehmer in der Lage ist, die Berechtigung bzw. das Vorliegen des Sachgrundes gerichtlich überprüfen zu lassen.
Demgegenüber ist es mit dem Europarecht nicht zu vereinbaren, Angestellte von Theatern und Opernhäuser generell "kraft Branchenzugehörigkeit" von jedem Befristungsschutz auszunehmen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 25.10.2018, C-331/17 (Martina Sciotto)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.02.2015, C-238/14 (EU-Kommission gg. Luxemburg)
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Mustervertrag: Mit Sachgrund befristeter Arbeitsvertrag
- Mustervertrag: Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 20/083 Befristeter Arbeitsvertrag für zeitlich begrenzte Projekte
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- Arbeitsrecht aktuell: 15/083 EuGH begrenzt Befristungen in der Kulturbranche
- Arbeitsrecht aktuell: 15/005 Befristete Arbeitsverträge an Schulen
- Arbeitsrecht aktuell: 14/135 Befristung von Arbeitsverträgen und Missbrauchskontrolle
- Arbeitsrecht aktuell: 13/251 Befristung und Leiharbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 13/173 Befristung zur Vertretung wegen Elternzeit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein
- Arbeitsrecht aktuell: 12/043 Europarecht erlaubt Befristung zur Vertretung - auch jahrelang
- Arbeitsrecht aktuell: 11/008 Ist die Haushaltsbefristung mit Europarecht vereinbar?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/140 Sind Kettenbefristungen aus Haushaltsgründen europarechtswidrig?
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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