HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/057

Be­fris­te­te Ar­beits­ver­trä­ge im Pro­fi­fuß­ball

Tor­hü­ter Heinz Mül­ler ver­liert sei­ne Ent­fris­tungs­kla­ge in der zwei­ten In­stanz ge­gen sei­nen Ver­ein, den FSV Mainz 05: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 17.02.2016, 4 Sa 202/15
Fußball, Torwart, Befristung von Profi Fußballern, Profisport

17.02.2016. Ar­beits­ver­hält­nis­se soll­ten aus Grün­den des Ar­beit­neh­mer­schut­zes im All­ge­mei­nen un­be­fris­tet ge­schlos­sen wer­den. Nur in Aus­nah­me­fäl­len, die vor al­lem in § 14 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) ge­re­gelt sind, sind Be­fris­tun­gen mög­lich.

Zu die­sen Aus­nah­me­fäl­len ge­hört "die Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung", § 14 Abs.1 Nr.4 Tz­B­fG. Auf die­sen Be­fris­tungs­grund be­ru­fen sich nicht nur Rund­funkt- und Fern­seh­an­stal­ten, son­dern auch Fuß­ball­ver­ei­ne.

Im März 2015 hat­te das Ar­beits­ge­richt Mainz ent­ge­gen der herr­schen­den Mei­nung und Ver­trags­pra­xis ent­schie­den, dass Ar­beits­ver­trä­ge von Pro­fi­fuß­bal­lern nicht we­gen der "Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung" be­fris­tet wer­den kön­nen, Ar­beits­ge­richt Mainz, Ur­teil vom 19.03.2015, 3 Ca 1197/14. Nun hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Rhein­land-Pfalz als Be­ru­fungs­in­stanz an­ders­her­um ent­schie­den, d.h. die Mög­lich­keit der Be­fris­tung wie­der­um ak­zep­tiert: LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 17.02.2016, 4 Sa 202/15 (Pres­se­mel­dung).

Wann darf ein Ar­beits­verhält­nis auf­grund sei­ner "Ei­gen­art" be­fris­tet wer­den?

Um Ar­beit­neh­mer vor der Un­si­cher­heit ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses zu schützen, dürfen Ar­beits­verhält­nis­se, die länger als zwei Jah­re be­ste­hen, nur mit ei­nem Sach­grund be­fris­tet wer­den, § 14 Abs.1 Tz­B­fG. Ein mögli­cher Sach­grund ist die "Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung", § 14 Abs.1 Nr.4 Tz­B­fG.

Die­ser wird ins­be­son­de­re von grund­recht­lich geschütz­ten Bran­chen wie der Pres­se so­wie von Funk und Fern­se­hen in An­spruch ge­nom­men, um in­halt­lich ge­stal­ten­de Mit­ar­bei­ter be­fris­tet an­stel­len zu können. Auch Ar­beit­ge­ber wie Opernhäuser und Thea­ter, die der Kunst­frei­heit un­ter­fal­len, nut­zen die­se Art der Be­fris­tung, um So­lis­ten und an­de­re Mit­wir­ken­de nur für ei­ne be­stimm­te Zeit zu beschäfti­gen.

Fußball­ver­ei­ne üben hin­ge­gen kei­ne grund­recht­lich geschütz­te Tätig­keit aus. Trotz­dem ist es üblich, Pro­fi­fußbal­ler be­fris­tet an­zu­stel­len. Sport­ler un­ter­lie­gen ei­nem deut­lich höhe­ren "Ver­sch­leiß" als an­de­re Ar­beit­neh­mer, weil ih­re Leis­tungsfähig­keit ab ei­nem ge­wis­sen Al­ter schnell ab­fal­len kann. Außer­dem ver­langt das Pu­bli­kum nach Ab­wechs­lung, und auch die können die Ver­ei­ne nur bie­ten, wenn sie mit ih­rem ki­cken­den Per­so­nal smar­te Zeit­verträge ver­ein­ba­ren, so je­den­falls die Ver­ei­ne.

Frag­lich ist al­ler­dings, ob die­se Ar­gu­men­te mit dem Tz­B­fG ver­ein­bar sind.

Der Streit­fall: Ein Torhüter des FSV Mainz 05 ver­langt Wei­ter­beschäfti­gung nach dem Aus­lau­fen sei­nes Ver­trags

Heinz Müller war seit dem 01.07.2009 als Torhüter beim FSV Mainz 05 an­ge­stellt. Der Ver­trag zwi­schen Spie­ler und Ver­ein war be­fris­tet und ent­hielt un­ter an­de­rem ei­ne Klau­sel, dass er sich au­to­ma­tisch verlängert, wenn Müller in ei­ner Sai­son in min­des­tens 23 Bun­des­li­ga­spie­len ein­ge­setzt wird. Da Müller in der Sai­son 2013/2014 nur 11 Mal in der Bun­des­li­ga spiel­te und da­nach der zwei­ten Mann­schaft (Re­gio­nal­li­ga) zu­ge­wie­sen wur­de, griff die­se Verlänge­rung nicht ein und der Ver­trag en­de­te zum 30.06.2014.

Dar­auf­hin er­hob der Torhüter Kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt Mainz und die­ses gab ihm Recht. Es ent­schied, dass der Ver­ein sich nicht auf die "Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung" be­ru­fen kann, d.h. auf § 14 Abs.1 Nr.4 Tz­B­fG, und dass die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Tor­wart da­her un­wirk­sam war, weil an­de­re Be­fris­tungs­gründe nicht vor­la­gen (Ar­beits­ge­richt Mainz, Ur­teil vom 19.03.2015, 3 Ca 1197/14). Das Ar­beits­ge­richt war der An­sicht, dass die­se be­son­de­re "Ei­gen­art" der Tätig­keit letzt­lich nur bei grund­recht­lich geschütz­ten Tätig­kei­ten (wie Künst­ler oder Jour­na­lis­ten), aber nicht bei Fußbal­lern vor­liegt.

Vor al­lem das Ar­gu­ment des "Ver­sch­leißes" ließ das Ar­beits­ge­richt Mainz nicht als aus­rei­chen­de Be­gründung für den Be­fris­tungs­tat­be­stand des § 14 Abs.1 Nr.4 Tz­B­fG gel­ten, auch nicht in Ver­bin­dung mit dem "Ar­gu­ment" ei­nes al­ters­be­ding­ten Leis­tungs­ab­falls. Denn sol­len al­ters­be­ding­te Leis­tungs­min­de­run­gen ei­ne Be­fris­tung recht­fer­ti­gen, müss­ten sie nach An­sicht des Ar­beits­ge­richts so mas­siv sein, dass da­durch Ge­fah­ren­la­gen ein­tre­ten. Die­ses Ar­gu­ment hat­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) aber noch nicht ein­mal beim Streit über die Al­ters­gren­ze für das Ka­bi­nen­per­so­nal im Flug­ver­kehr ak­zep­tiert (BAG, Ur­teil vom 23.06.2010 - 7 AZR 1021/08, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/184 Al­ters­gren­ze für Flug­be­glei­ter), und da­her woll­te das Ar­beits­ge­richt dar­auf nicht die Be­fris­tung ei­nes Pro­fi­fußbal­ler­ver­trags stützen.

Fußbal­ler brin­gen auch im Al­ter nie­man­den durch ab­neh­men­de Leis­tungsfähig­keit in Ge­fahr. Wer sich auf die "al­ters­be­ding­te Un­ge­wiss­heit der Leis­tungs­ent­wick­lung" be­ru­fen will, be­geht da­mit ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von §§ 7 und 1 All­ge­mei­nes Gleich­be­hand­lungs­ge­setz, so je­den­falls das Ar­beits­ge­richt Mainz.

Sch­ließlich hat­te der Ver­ein auch mit dem Ar­gu­ment kei­nen Er­folg, dass doch al­le Ver­ei­ne so ar­bei­ten würden. Denn "ei­ne grundsätz­lich ver­bo­te­ne Ab­wei­chung von ei­ner Re­gel" kann, so das Ar­beits­ge­richt, "nicht des­halb ge­bil­ligt wer­den (...), weil sie üblich ist." Da­mit feg­te das Ar­beits­ge­richt Mainz auch das Ar­gu­ment der "Bran­chenüblich­keit" vom Tisch.

Mit die­sem Ur­teil stell­te sich das klei­ne Ar­beits­ge­richt Mainz mit be­acht­li­chen Gründen ge­gen die vor­herr­schen­de Mei­nung un­ter Ar­beits­recht­lern und ge­gen die gängi­ge Pra­xis im mil­li­ar­den­schwe­ren Pro­fi­fußball­geschäft. Der Ver­ein ließ das nicht auf sich sit­zen und leg­te Be­ru­fung zum LAG Rhein­land-Pfalz ein.

Ent­schei­dung des LAG: Die Be­fris­tung war doch wirk­sam

Das LAG ent­schied wie­der­um zu Guns­ten des Ver­eins und hielt die Be­fris­tung für wirk­sam: LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 17.02.2016, 4 Sa 202/15 (Pres­se­mel­dung).

Es ver­trat die Auf­fas­sung, dass die Ei­gen­art der Ar­beits­leis­tung ei­nes Pro­fi-Sport­lers eben doch ei­nen aus­rei­chen­den sach­li­chen Grund dar­stel­le, um ei­ne Be­fris­tung zu ver­ein­ba­ren. Da­mit schließt sich das LAG wie­der der vor­herr­schen­den Mei­nung an. Wie es die­se Ent­schei­dung be­gründet, bleibt ab­zu­war­ten; der Pres­se­mel­dung kann man hier­zu nichts ent­neh­men.

Die­se Ent­schei­dung ist auch nicht endgültig, den im­mer­hin mein­te das LAG, dass die Streit­fra­ge grundsätz­li­che Be­deu­tung hätte und ließ da­her die Re­vi­si­on zum BAG zu. Legt Tor­wart Müller Re­vi­si­on ein, liegt der Ball beim BAG. Dann müssen die Er­fur­ter Rich­ter ent­schei­den, ob sie die gängi­ge Ver­trags­pra­xis Pro­fi­fußball ab­seg­nen oder die Rech­te der Pro­fi­fußbal­ler stärken wol­len. Es bleibt al­so span­nend.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

 

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das LAG sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil des LAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 7. Januar 2019

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.5 von 5 Sternen (6 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de