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Befristung und Leiharbeit
30.08.2013. Wer befristet beschäftigt ist, muss mit sozialer und finanzieller Unsicherheit leben.
Daher enthält das Europarecht Schranken für die Befristung von Arbeitsverträgen. 1999 haben Gewerkschaften und Arbeitgeber auf europäischer Ebene eine „Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge“ getroffen, die später zur EU-Richtlinie erhoben wurde (Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999).
Die Richtlinie bzw. die Rahmenvereinbarung sieht vor, dass die EU-Staaten den Missbrauch aufeinander folgender Zeitverträge verhindern müssen (§ 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung).
Aber gilt diese Missbrauchskontrolle auch für Leiharbeitnehmer, d.h. für deren Arbeitsverträge mit der Zeitarbeitsfirma? In einem aktuellen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Frage mit nein beantwortet, d.h. Leiharbeitnehmern den europarechtlichen Schutz vor Befristungen versagt: EuGH, Urteil vom 11.04.2013, C-290/12 (Della Rocca).
- Schützt das Europarecht Leiharbeitnehmer vor überlangen Befristungen?
- Der Fall Della Rocca: Leiharbeitnehmer wird langjährig an die italienische Post verliehen und will sich bei der Post einklagen
- EuGH: Die EU-Befristungsrichtlinie ist nicht auf Leiharbeitnehmer anzuwenden
Schützt das Europarecht Leiharbeitnehmer vor überlangen Befristungen?
Wer über Jahre hinweg beim selben Arbeitgeber beschäftigt ist, aber immer nur auf der Grundlage von Zeitverträgen, kommt nie in den Kündigungsschutz hinein und ist vom beruflichen Aufstieg faktisch ausgeschlossen. Daher schreibt § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung den EU-Mitgliedsstaaten vor, dass sie Maßnahmen gegen den Missbrauch von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen ergreifen müssen.
So können die Mitgliedstaaten befristete Arbeitsverträge
- von einem Sachgrund abhängig machen (§ 5 Nr. 1 a Rahmenvereinbarung) und/oder
- für aufeinanderfolgende Zeitverträge eine bestimmte Höchstdauer vorsehen (§ 5 Nr. 1 b Rahmenvereinbarung) und/oder
- eine Höchstzahl von Befristungen vorschreiben (§ 5 Nr. 1 c Rahmenvereinbarung).
In Deutschland werden diese Vorgaben durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) umgesetzt. Es erlaubt bei erstmalig abgeschlossenen Arbeitsverträgen eine Befristung bis zu zwei Jahren, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorliegen müsste (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Sollen Arbeitnehmer länger als insgesamt zwei Jahre befristet beschäftigt werden, braucht der Arbeitgeber dafür einen Sachgrund (§ 14 Abs. 1 TzBfG).
Dass § 14 TzBfG auch Leiharbeitnehmer schützt, ist allgemein anerkannt. Denn dass Leiharbeitnehmer zeitlich befristet bei einem entleihenden Unternehmen eingesetzt werden, ist nach deutschem Arbeitsrecht kein Grund, den Arbeitsvertrag mit der Zeitarbeitsfirma zu befristen. Aber gilt das auch für die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 bzw. deren wesentlichen Bestandteil, die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge?
Das ist nicht ganz klar, denn im vierten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung heißt es:
„Die Vereinbarung gilt für Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen mit Ausnahme derer, die einem Unternehmen von einer Leiharbeitsagentur zur Verfügung gestellt werden. Es ist die Absicht der Parteien, den Abschluss einer ähnlichen Vereinbarung über Leiharbeit in Erwägung zu ziehen.“
Außerdem definiert § 3 der Rahmenvereinbarung den "befristet beschäftigten Arbeitnehmer" als eine
"Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder -verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird."
Vor diesem Hintergrund musste der EuGH im April dieses Jahres erstmals dazu Stellung nehmen, ob die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 bzw. die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge auch für Leiharbeitnehmer gilt.
Der Fall Della Rocca: Leiharbeitnehmer wird langjährig an die italienische Post verliehen und will sich bei der Post einklagen
Nach italienischem Arbeitsrecht ist die Verlängerung eines Zeitvertrags nur möglich, wenn die ursprüngliche Vertragslaufzeit weniger als drei Jahre beträgt und wenn die Verlängerung auf einem Sachgrund beruht (Art. 4 decreto-legge (d.l.) Nr. 368/01).
Außerdem müssen italienische Arbeitgeber bei der Vertragsverlängerung aufpassen, denn wenn ein Arbeitnehmer binnen zehn Tagen nach Ablauf eines Zeitvertrages mit einer Laufzeit von bis zu sechs Monaten oder binnen zwanzig Tagen nach Ablauf eines Zeitvertrags mit einer Laufzeit von mehr als sechs Monaten wieder unter Berufung auf einen Sachgrund befristet eingestellt wird, dann ist die Befristung unwirksam, d.h. der Anschlussvertrag ist unbefristet (Art.5 Abs.3 d.l. Nr. 368/01).
Allerdings nimmt das italienische Recht Leiharbeitnehmer von diesem Schutz weitgehend aus, denn das d.l. Nr. 276/03 sieht vor, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses zwischen Zeitarbeitsfirma und Leiharbeitnehmer nahtlos verlängert werden kann, d.h. für Leiharbeitnehmer gilt Art.5 Abs.3 d.l. Nr. 368/01 nicht. Außerdem können befristete Verträge zwischen Zeitarbeitsfirma und Leiharbeitnehmer mit Sachgründen gerechtfertigt werden, die sich aus dem Personalbedarf des Entleihers bzw. aus dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ergeben.
Das wollte ein italienischer Leiharbeitnehmer, Herr Oreste Della Rocca, nicht einsehen. Er war auf der Grundlage dreier befristeter Arbeitsverträge bei einem Zeitarbeitsunternehmen eingestellt, der Obiettivo Lavoro SpA, die ihn wiederum für die Dauer dieser drei Arbeitsverträge an die italienische Post (Poste Italiane SpA) verlieh, wo er als Briefträger arbeitete.
Die mit Herrn Della Rocca geschlossenen Arbeitsverträge liefen vom 02.11.2005 bis zum 31.01.2006, vom 02.02.2006 bis zum 30.09.2006 und vom 02.10.2006 bis zum 31.01.2007.
Herr Della Rocca zog vor das Tribunale di Napoli und verklagte die Post auf die Feststellung, dass zwischen ihm und ihr ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe. Das Tribunale di Napoli wiederum legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob der Schutz von befristet beschäftigten Arbeitnehmern gemäß der Richtlinie 1999/70/EG bzw. der Rahmenvereinbarung auch für Leiharbeitnehmer gilt.
EuGH: Die EU-Befristungsrichtlinie ist nicht auf Leiharbeitnehmer anzuwenden
Der EuGH entschied, dass die Richtlinie 1999/70/EG und die Rahmenvereinbarung
- weder auf das befristete Arbeitsverhältnis zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Leiharbeitsunternehmen
- noch auf das "befristete Arbeitsverhältnis" zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem entleihenden Unternehmen anwendbar sind.
Zur Begründung verweist der Gerichtshof auf den oben zitierten vierten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung, der klarstellt, dass die Vereinbarung nicht für Arbeitnehmer gilt, die "einem Unternehmen von einer Leiharbeitsagentur zur Verfügung gestellt werden". Diese Ausnahme gilt, so der EuGH, nicht etwa nur für das Verhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer, sondern für "die Leiharbeitnehmer als solche".
Außerdem beruft sich der EuGH auf später erlassen Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, vom 19.11.2008, über Leiharbeit), in deren Präambel (Erwägungsgründe 5 und 7) klargestellt wird, dass diese Richtlinie erst dadurch bzw. deshalb notwendig wurde, weil sich Gewerkschaften und Arbeitgeber nicht auf eine Rahmenvereinbarung zur Leiharbeit einigen konnten. Das aber hatten sie ursprünglich einmal vorgehabt, wie sich aus dem vierten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung ergibt.
Aus alledem zieht der EuGH die Folgerung, dass allein die 2008 erlassene Leiharbeitsrichtlinie den für Leiharbeitnehmer geltenden Schutz enthält, nicht aber die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge. Die Überlassung von Leiharbeitnehmern ist, so der EuGH, "ein komplexes und spezifisches arbeitsrechtliches Konstrukt", das
"ein doppeltes Arbeitsverhältnis zwischen einerseits dem Leiharbeitsunternehmen und dem Leiharbeitnehmer und andererseits dem Leiharbeitnehmer und dem entleihenden Unternehmen sowie ein Überlassungsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen und dem entleihenden Unternehmen einschließt. Die Rahmenvereinbarung enthält aber keine Bestimmung, die diese spezifischen Aspekte behandelt."
Fazit: Das Urteil des EuGH ist wenig überzeugend, da die im vierten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung geregelte Ausnahme wohl nur die Rechtsbeziehungen zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer betrifft, nicht aber das Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitsfirma und Leiharbeitnehmer.
Für das deutsche Befristungsrecht hat das EuGH-Urteil keine Bedeutung, denn § 14 TzBfG schützt unstreitig auch Leiharbeitnehmer. An dieser Stelle geht das deutsche Arbeitsrecht über den europarechtlich gebotenen Mindestschutz für Leiharbeitnehmer hinaus, der sich laut EuGH allein aus der Leiharbeitsrichtlinie ergibt. Das wiederum ist europarechtlich zulässig.
Allerdings vertritt der EuGH in dem Della Rocca-Urteil die Meinung, dass Leiharbeitnehmer in einem "doppelten Arbeitsverhältnis" stehen, d.h. der Gerichtshof sieht auch die Beziehungen zwischen Leiharbeitnehmer und entleihendem Unternehmen als ein Arbeitsverhältnis an.
Das bestätigt die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), der zufolge Leiharbeitnehmer bei der für den Kündigungsschutz maßgeblichen Betriebsgröße des entleihenden Unternehmens mitzählen (BAG, Urteil vom 24.01.2013, 2 AZR 140/12, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/018 Beim Kündigungsschutz zählen Leiharbeitnehmer mit), und dass Leiharbeitnehmer auch bei der Zahl der zu wählenden Mitglieder des Betriebsrats einzuberechnen sind (BAG, Beschhluss vom 13.03.2013, 7 ABR 69/11).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11.04.2013, C-290/12 (Della Rocca)
- Bundesarbeitsgericht, Beschhluss vom 13.03.2013, 7 ABR 69/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.01.2013, 2 AZR 140/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Arbeitsrecht aktuell: 19/150 Gleichbehandlung von Angestellten und Beamten bei Besoldungsstufen-Zulagen
- Arbeitsrecht aktuell: 19/005 Keine schrankenlose Befristung bei Ballett und Oper
- Arbeitsrecht aktuell: 16/307 Keine Befristung bei dauerhaftem Personalbedarf
- Arbeitsrecht aktuell: 15/083 EuGH begrenzt Befristungen in der Kulturbranche
- Arbeitsrecht aktuell: 15/005 Befristete Arbeitsverträge an Schulen
- Arbeitsrecht aktuell: 13/018 Beim Kündigungsschutz zählen Leiharbeitnehmer mit
- Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein
- Arbeitsrecht aktuell: 12/043 Europarecht erlaubt Befristung zur Vertretung - auch jahrelang
- Arbeitsrecht aktuell: 11/032 Befristung von Arbeitsverträgen: Keine Endlosverlängerung wegen Vertretungsbedarfs
- Arbeitsrecht aktuell: 11/008 Ist die Haushaltsbefristung mit Europarecht vereinbar?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/140 Sind Kettenbefristungen aus Haushaltsgründen europarechtswidrig?
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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