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Betriebsratswahl - Betriebsgröße und Wahlverfahren: Wie wird gewählt?
Lesen Sie hier, was das allgemeine Wahlverfahren von dem vereinfachten Wahlverfahren bei der Wahl zum Betriebsrat unterscheidet und in welchen Betrieben das allgemeine bzw. das vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden ist.
Außerdem finden Sie auf dieser Seite Informationen zum zeitlichen Ablauf der beiden Wahlverfahren, zu den Wahlrechtsgrundsätzen, die immer beachtet werden müssen, sowie Aufgaben- und Checklisten, die Wahlvorständen die Orientierung im allgemeinen und im vereinfachten Wahlverfahren erleichtern.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- In welchen Betrieben ist das allgemeine Wahlverfahren und in welchen das vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden?
- Wie wird im vereinfachten Wahlverfahren gewählt?
- Wie wird im allgemeinen Wahlverfahren gewählt?
- Ist die Benachteiligung von Minderheiten infolge der Sitzverteilung nach d´Hondt verfassungsgemäß?
- Wann ist eine Personenwahl sinnvoll und wann eine Verhältniswahl?
- Wie läuft das allgemeine Wahlverfahren ab?
- Wie läuft das vereinfachte Wahlverfahren ab?
- Worin liegen die Besonderheiten des zweistufigen vereinfachten Wahlverfahrens?
- Welche Wahlrechtsgrundsätze sind zu beachten?
- Wie sind die Wahlbewerber vor Kündigungen geschützt?
- Welche ergänzenden Kündigungsschutzregelungen gelten zugunsten von Arbeitnehmern, die sich für eine Betriebsratswahl engagieren?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Betriebsratswahl - Betriebsgröße und Wahlverfahren?
- Was können wir für Sie tun?
In welchen Betrieben ist das allgemeine Wahlverfahren und in welchen das vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden?
In kleineren Betrieben mit in der Regel fünf bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern werden Betriebsräte im vereinfachten Wahlverfahren gewählt.
In größeren Betrieben wird grundsätzlich im allgemeinen Wahlverfahren gewählt (§ 14a Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG).
Wie wird im vereinfachten Wahlverfahren gewählt?
Das vereinfachte Wahlverfahren unterscheidet sich dadurch vom allgemeinen Wahlverfahren, dass beim vereinfachten Wahlverfahren eine Personenwahl (= Mehrheitswahl) durchgeführt wird. Das bedeutet, dass sich die Wahlbewerber und Wahlbewerberinnen als Personen zur Wahl stellen und nicht als Vertreter einer Liste. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen für sich verbuchen kann.
BEISPIEL: In einem Betrieb mit 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern und 20 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen stellen sich sieben Kandidaten zur Wahl. Da es in diesem Betrieb kein Minderheitengeschlecht gibt, sind die Vorschriften über die Mindestvertretung des Minderheitengeschlechts im Betriebsrat (§ 15 Abs.2 BetrVG) nicht anzuwenden.
In diesem Beispielsfall macht jeder Wähler und jede Wählerin (höchstens) drei Kreuzchen (§ 34 Abs.1 Satz 3 Wahlordnung - WO), denn der Betriebsrat besteht bei einer Betriebsgröße von 40 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus drei Mitgliedern (§ 9 BetrVG). Bei der Stimmenauszählung werden die drei Betriebsratssitze in der Reihenfolge auf die Wahlbewerber und Wahlbewerberinnen verteilt, der/die die meisten, zweitmeisten und drittmeisten Stimmen für sich verbuchen kann.
Auch bei den "Wahlverlierern" spielt die Reihenfolge der erreichten Stimmen eine Rolle, denn sie entscheidet darüber, in welcher Reihenfolge die nicht gewählten Kandidaten bei der Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds als Ersatzmitglieder nachrücken (§ 25 Abs.2 Satz 3 BetrVG).
Schließlich unterscheidet sich das vereinfachte Wahlverfahren auch dadurch vom allgemeinen Wahlverfahren, dass es rascher durchgeführt wird, d.h. es gelten kürzere gesetzliche Fristen für die einzelnen Schritte der Betriebsratswahl.
Eine wesentliche Gemeinsamkeit von vereinfachtem und allgemeinem Wahlverfahren besteht darin, dass die Wahl nicht von den Arbeitnehmern selbst, der Gewerkschaft, dem bisher amtierenden Betriebsrat oder dem Arbeitgeber organisiert wird, sondern von einem aus Arbeitnehmern des Betriebs gebildeten Wahlvorstand. Nähere Informationen dazu finden Sie unter dem Stichwort „Betriebsratswahl - Wahlvorstand: Wer organisiert die Wahl“.
Wie wird im allgemeinen Wahlverfahren gewählt?
Im Unterschied zum vereinfachten Verfahren wird das allgemeine Wahlverfahren als Listenwahl (= Verhältniswahl) durchgeführt. Dabei stellen sich die Wahlbewerber als Vertreter einer Liste zu Wahl und die Wähler machen ihre Kreuzchen dementsprechend nicht bei einer Person, sondern bei einer Liste.
Dazu teilen sich die Wahlbewerber vorab auf verschiedene Listen auf und die Listen treten dann als getrennte Interessengruppen gegeneinander an, ähnlich wie politische Parteien bei der Bundestags- oder bei einer Landtagswahl. Jede Liste entscheidet darüber, in welcher Reihenfolge sie ihre Kandidaten zur Wahl stellt, d.h. welchen Listenplatz die Kandidaten erhalten.
Welcher Kandidat am Ende gewählt ist, hängt zum einen von den Stimmen ab, die die verschiedenen Listen erringen konnten, und zum anderen von dem Listenplatz des Kandidaten, d.h. von dem Rang des Kandidaten in der Reihenfolge der Namen, mit denen die Liste ins Rennen geht.
BEISPIEL: In einem Betrieb mit 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern und 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen stellen sich drei Listen zur Wahl. Da es in diesem Betrieb kein Minderheitengeschlecht gibt, sind die Vorschriften über die Mindestvertretung des Minderheitengeschlechts im Betriebsrat (§ 15 Abs.2 BetrVG) nicht anzuwenden. Die Wahlbeteiligung ist mit 100 Prozent phantastisch hoch: Alle gehen zu Wahl. Die Liste 1 („Gewerkschaftsliste“) erringt 110 Stimmen, Liste 2 („Sozialpartnerschaft“) kann 58 Stimmen auf sich vereinigen und für Liste 3 („Protest“) haben 32 Wähler gestimmt.
Die sieben Betriebsratssitze werden auf die Kandidaten und Kandidatinnen der drei Listen gemäß § 15 WO so verteilt, dass die erreichten Stimmen nebeneinander geschrieben und dann jeweils durch eins, zwei, drei usw. geteilt werden (Verteilungsverfahren nach Victor D´Hondt). Dann bekommen die Kandidaten in der Reihenfolge der sog. Höchstteilzahlen einen Betriebsratssitz. Hier im Beispiel sieht das so aus:
Stimmen geteilt |
Liste 1 110 Stimmen |
Liste 2 58 Stimmen |
Liste 3 32 Stimmen |
durch 1 | 110 (Sitz 1) | 58 (Sitz 2) | 32 (Sitz 5) |
durch 2 | 55 (Sitz 3) | 29 (Sitz 6) | 16 (kein Sitz) |
durch 3 | 36,7 (Sitz 4) | 19,3 (kein Sitz) | |
durch 4 | 27,5 (Sitz 7) | ||
durch 5 | 22 (kein Sitz) | ||
durch 6 | 18,3 (kein Sitz) |
Die Reihenfolge der Höchstteilzahlen und damit die Sitzverteilung sehen hier im Beispiel so aus:
1.) 110 (Liste 1, Listenplatz 1)
2.) 58 (Liste 2, Listenplatz 1)
3.) 55 (Liste 1, Listenplatz 2)
4.) 36,7 (Liste 1, Listenplatz 3)
5.) 32 (Liste 3, Listenplatz 1)
6.) 29 (Liste 2, Listenplatz 2)
7.) 27,5 (Liste 1, Listenplatz 4)
Damit bringt Liste 1 ihre ersten vier Kandidaten durch, Liste 2 immerhin noch ihre ersten beiden Kandidaten und Liste 3 nur ihren Spitzenkandidaten.
Erster Nachrücker ist der Kandidat auf Listenplatz 5 der Liste 1, dann kommt der Kandidat auf Listenplatz 3 der Liste 2, danach der Kandidat auf Listenplatz 6 der Liste 1 und dann erst (als vierter Nachrücker) der Kandidat auf Listenplatz 2 der Liste 3.
Darüber hinaus unterscheidet sich das allgemeine Wahlverfahren vom vereinfachten Wahlverfahren dadurch, dass für die einzelnen Schritte des Wahlverfahrens mehr Zeit bleibt.
Wie erwähnt besteht eine wichtige Übereinstimmung von vereinfachtem und allgemeinem Wahlverfahren darin, dass die Wahl von einem aus Arbeitnehmern des Betriebs gebildeten Wahlvorstand organisiert wird. Nähere Informationen dazu finden Sie unter dem Stichwort „Betriebsratswahl - Wahlvorstand“.
Ist die Benachteiligung von Minderheiten infolge der Sitzverteilung nach d´Hondt verfassungsgemäß?
Wie das o.g. Beispiel zeigt, bevorzugt dass Sitzverteilungsverfahren nach D´Hondt die größeren Vorschlagslisten bzw. "Parteien" und benachteiligt dementsprechend die kleineren.
Denn genau gerechnet bekommt die erfolgreiche Liste 1 mit ihren 110 Stimmen nur (110 : 200 =) 55 Prozent der Stimmen, was (0,55 x 7 Betriebsratssitze =) 3,85 Betriebsratssitzen entspricht, so dass sie mit den vier Sitzen, die sie durch das Verteilungsverfahrens nach D´Hondt bekommt, zufrieden sein kann. Umgekehrt erhält die weniger erfolgreiche Liste 3 mit ihren 32 Stimmen immerhin (32 : 200 =) 16 Prozent der Stimmen, was (0,16 x 7 Betriebsratssitze =) 1,12 Sitzen entspricht, so dass der ihr infolge von D´Hondt zugewiesenen eine Sitz das Wahlergebnis "nach unten hin" abrundet, d.h. zulasten dieser Liste.
Diese Stärkung der größeren Listen bzw. Parteien ist auch gewollt, denn dadurch soll erreicht werden, dass es im Betriebsrat klare Mehrheiten gibt.
Allerdings wird dieses Ziel um den Preis erreicht, dass die Wählerstimmen einen ungleichen "Erfolgswert" haben, d.h. die Stimmen der Wähler, die ihr Kreuzchen bei einer Minderheitenliste gemacht haben, haben bei der Verteilung der Betriebsratssitze ein geringeres Gewicht als die Stimmen der Wähler, die für die erfolgreicheren Listen gestimmt haben.
Dass das Prinzip der Wahlrechtsgleichheit nicht völlig verwirklicht werden kann, ist mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Grundsatzentscheidung vom November 2017 (BAG, Beschluss vom 22.11.2017, 7 ABR 35/16, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/295 Sitzverteilung bei der Betriebsratswahl).
Denn, so das BAG: Sollen Wählerstimmen in Betriebsratssitze umgerechnet werden, lässt sich bei der Verhältniswahl eine vollständige Gleichheit des Erfolgswertes einer Wählerstimme auch mit anderen Sitzzuteilungsverfahren nicht erreichen. Auch wenn man das Verfahren nach D´Hondt durch ein anderes Verteilungsverfahren ersetzen würde, würde es trotzdem dabei bleiben, dass nur ganze Sitze verteilt werden, d.h. Stimmenverteilung und Sitzverteilung können niemals mathematisch exakt übereinstimmen.
Wann ist eine Personenwahl sinnvoll und wann eine Verhältniswahl?
Eine Personenwahl setzt voraus, dass man sich im Betrieb kennt, denn sonst sagen einem die Namen der Wahlbewerber und Wahlbewerberinnen nichts. Daher ist das vereinfachte Wahlverfahren und damit die Personenwahl bis einer Betriebsgröße von bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesetzlich vorgeschrieben.
Darüber hinaus kann das vereinfachte Wahlverfahren optional auch in Betrieben mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern vereinbart werden. Dazu müssen sich Wahlvorstand und Arbeitgeber auf die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens einigen (§ 14a Abs.5 BetrVG).
Ab einer Betriebsgröße von 201 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist Schluss, d.h. dann muss in jedem Fall das allgemeine Wahlverfahren angewendet werden und damit die Listenwahl. Das ist sinnvoll, denn ab einer solchen Betriebsgröße kann man davon ausgehen, dass es so viele engagierte Arbeitnehmer gibt, dass ihre Aufteilung auf verschiedene Listen bzw. verschiedene „betriebspolitische Richtungen“ möglich ist.
Wie läuft das allgemeine Wahlverfahren ab?
Abgesehen von dem Unterschied zwischen Listen- bzw. Verhältniswahl beim allgemeinen Verfahren und der Personen- bzw. Mehrheitswahl im vereinfachten Verfahren stimmen die beiden Wahlverfahrensarten vom Ablauf her in den wesentlichen Punkten überein. Diese Eckpunkte sind:
- Die Wahl wird durch einen Wahlvorstand organisiert und überwacht.
- Der Wahlvorstand wird aus Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen des Betriebs gebildet.
- Der Wahlvorstand wird normalerweise durch den noch amtierenden Betriebsrat bestellt, d.h. der Betriebsrat ernennt den Wahlvorstand und legt fest, wer der Vorsitzende des Wahlvorstands ist.
Dazu schreibt § 16 Abs.1 Satz 1 bis 3 BetrVG für das allgemeine Wahlverfahren vor:
„Spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit bestellt der Betriebsrat einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand und einen von ihnen als Vorsitzenden. Der Betriebsrat kann die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder erhöhen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist. Der Wahlvorstand muss in jedem Fall aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen.“
Gibt es in einem betriebsratsfähigen Betrieb noch keinen Betriebsrat, wird der Wahlvorstand durch den Gesamt- oder durch den Konzernbetriebsrat bestellt, falls solche Gremien existieren, andernfalls durch die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung gewählt (§ 17 BetrVG). Zur Not kann auch das Arbeitsgericht einen Wahlvorstand bestellen, und zwar auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft (§ 17 Abs.4 BetrVG).
Eine Aufgaben- und Fristen-Checkliste für den Wahlvorstand im allgemeinen Wahlverfahren finden Sie hier:
- Download Checkliste allgemeines Wahlverfahren (.doc)
- Download Checkliste allgemeines Wahlverfahren (.pdf)
Wie läuft das vereinfachte Wahlverfahren ab?
Wie erwähnt stimmen das allgemeine und das vereinfachte Wahlverfahren vom Ablauf her in wesentlichen Punkten überein. Auch im vereinfachten Wahlverfahren gilt:
- Die Wahl wird durch einen Wahlvorstand organisiert und überwacht.
- Der Wahlvorstand wird aus Arbeitnehmern des Betriebs gebildet.
- Der Wahlvorstand wird normalerweise durch den noch amtierenden Betriebsrat bestellt, d.h. der Betriebsrat ernennt den Wahlvorstand und legt fest, wer der Vorsitzende des Wahlvorstands ist.
Während der amtierende Betriebsrat beim allgemeinen Wahlverfahren spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit einen Wahlvorstand bestellen muss, ist diese Frist im vereinfachten Wahlverfahren auf vier Wochen verkürzt (§ 16 Abs.1 Satz 1 BetrVG in Verb. mit § 17a Nr.1 BetrVG). Obwohl der Wahlvorstand dann unter hohem Zeitdruck arbeiten muss, kann sich der Betriebsrat im vereinfachten Wahlverfahren (theoretisch) bis zu vier Wochen vor dem Ablauf seiner Amtszeit damit Zeit lassen, einen Wahlvorstand zu bestellen.
TIP: Viele Fristen sind im vereinfachten Wahlverfahren verkürzt, d.h. diese Fristen sind im allgemeinen Wahlverfahren länger. Einige dieser kurzen Fristen sind aber nicht zwingend, d.h. man kann sich auch länger Zeit lassen. Das ist sinnvoll, da die Mini-Fristen im vereinfachten Verfahren für alle Beteiligten mit Stress und mit der Gefahr von Fehlern verbunden sind.
Darüber hinaus kann die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder im vereinfachten Verfahren nicht auf mehr als drei erhöht werden (§ 16 Abs.1 Satz 2 BetrVG in Verb. mit § 17a Nr.2 BetrVG). Abweichend vom allgemeinen Verfahren kann der Wahlvorstand auch aus nur zwei und damit aus einer geraden Anzahl von Mitgliedern bestehen (§ 16 Abs.1 Satz 3 BetrVG in Verb. mit § 17a Nr.2 BetrVG).
Kürzere Fristen als im Allgemeinen Verfahren gelten nicht nur bei der Bestellung des Wahlvorstands durch den Betriebsrat, sondern auch für den Wahlvorstand selbst. Außerdem ist das Aufgabenprogramm, das der Wahlvorstand absolvieren muss, im vereinfachten Verfahren abgespeckt. Die Wahl des Betriebsrats findet auf einer besonderen Betriebsversammlung statt, der Wahlversammlung.
Eine Aufgaben- und Fristen-Checkliste für den Wahlvorstand im vereinfachten Wahlverfahren finden Sie hier:
- Download Checkliste vereinfachtes Wahlverfahren (.doc)
- Download Checkliste vereinfachtes Wahlverfahren (.pdf)
Worin liegen die Besonderheiten des zweistufigen vereinfachten Wahlverfahrens?
Auch im vereinfachten Wahlverfahren wird der Wahlvorstand normalerweise vom amtierenden bzw. vom alten Betriebsrat bestellt. Hier gibt es erst einmal keinen Unterschied zum allgemeinen Wahlverfahren.
Gibt es aber keinen amtierenden Betriebsrat (und wird der Wahlvorstand auch nicht von einem Gesamt- oder Konzernbetriebsrat bestellt), muss der Wahlvorstand vor der eigentlichen Betriebsratswahl auf einer besonderen Betriebsversammlung gewählt werden.
Diese Wahl bzw. vorgeschaltete Wahlversammlung ist sowohl für das allgemeine Wahlverfahren vorgeschrieben als auch für das vereinfachte Verfahren. Auf den ersten Blick könnte man daher meinen, dass ein solches „zweistufiges“ Vorgehen (erst die Wahl des Wahlvorstandes, dann die eigentliche Betriebsratswahl) bei beiden Verfahrensarten (allgemein und vereinfacht) mehr oder weniger gleich abläuft. Aber das stimmt nicht.
Denn beim allgemeinen Wahlverfahren heißt Zweistufigkeit, dass auf der ersten Betriebsversammlung nur der Wahlvorstand gewählt wird, d.h. mehr passiert auf dieser Betriebsversammlung nicht. Danach hat der Wahlvorstand wochenlang Zeit, die eigentliche Betriebsratswahl vorzubereiten, d.h. eine Wählerliste zu erstellen, das Wahlausschreiben zu erlassen usw.
Im Unterschied dazu ist auf der ersten Wahlversammlung beim vereinfachten Verfahren ein Mammutprogramm zu erledigen: Denn auf dieser Wahlversammlung wird nicht nur der Wahlvorstand gewählt (§ 29 WO), sondern der Wahlvorstand muss dort auch sofort aktiv werden, indem er eine Wählerliste erstellt (§ 30 Abs.1 WO), das Wahlausschreiben erlässt (§ 31 Abs.1 WO) sowie Wahlvorschläge entgegennimmt und prüft (§ 33 WO), denn bereits eine Woche später muss die eigentliche Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrats stattfinden (§ 14a Abs.1 Satz 4 BetrVG).
Welche Wahlrechtsgrundsätze sind zu beachten?
Bei allen Wahlverfahren müssen bestimmte allgemeine Wahlgrundsätze beachtet werden, die auch bei den Wahlen zu den Parlamenten in Deutschland (Bundestag, Landesparlamente) gelten. Wie die Abgeordneten bei den Parlamentswahlen in Deutschland werden auch Betriebsräte in geheimer, unmittelbarer und gleicher Wahl gewählt (§ 14 Abs.1 BetrVG).
Geheime Wahl heißt: Wo man sein Kreuzchen macht, geht niemanden etwas an. Deshalb macht man sein Kreuzchen in einer Wahlkabine, die von außen nicht einzusehen ist. Und man legt den Stimmzettel nicht einfach so in die Wahlurne, sondern steckt ihn zuvor in einen Wahlumschlag.
Unmittelbare Wahl heißt: Die Arbeitnehmer wählen direkt die Kandidaten bzw. die Listen, die dann je nach Wahlausgang im Betriebsrat vertreten oder nicht vertreten sind. Es wird daher kein zwischengeschaltetes Gremium gewählt wie z.B. bei der Präsidentschaftswahl in den USA, bei der die amerikanischen Bürger Wahlmänner wählen, die dann ihrerseits den Präsidenten wählen.
Gleiche Wahl heißt: Ein Wahlberechtigter hat eine Stimme, und diese Stimme zählt gleich viel wie die Stimmen aller anderen wahlberechtigten Arbeitnehmer. Die Sitzverteilung gemäß dem Höchstteilzahlverfahren nach D´Hondt passt zwar nicht optimal mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit zusammen, ist aber nach Ansicht des BAG wie erwähnt verfassungsgemäß (BAG, Beschluss vom 22.11.2017, 7 ABR 35/16, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/295 Sitzverteilung bei der Betriebsratswahl).
Wie sind die Wahlbewerber vor Kündigungen geschützt?
Wer sich um das Amt eines Betriebsrats oder Personalrats bewirbt, d.h. in ein solches Gremium gewählt werden möchte, ist als Wahlbewerber gemäß § 15 Abs.3 KSchG im Prinzip ebenso wie ein bereits gewähltes Mitglied des Betriebsrats bzw. des Personalratsmitglied vor Kündigungen geschützt. Nähere Informationen zum Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern finden Sie unter Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat - Kündigungsschutz.
Zeitlich gesehen beginnt der Sonderkündigungsschutz der Wahlbewerber mit der Aufstellung des Wahlvorschlags und endet mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses (§ 15 Abs.3 Satz 1 KSchG).
Aufgestellt ist ein Wahlvorschlag bereits dann, wenn ein Bewerber sich selbst vorschlägt und ausreichend viele Arbeitnehmer ihn schriftlich mit ihren Stimmen unterstützen. Der Kündigungsschutz beginnt damit schon vor dem Zeitpunkt, in dem der Wahlvorschlag beim Wahlvorstand eingeht (Arbeitsrecht aktuell: 12/136 Kündigungsschutz für Wahlbewerber einer Betriebsratswahl).
Während der o.g. Schutzzeit, d.h. von der Aufstellung des Wahlvorschlags bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses, können Wahlbewerber nur bei Stilllegung des Betriebs oder einer Betriebsabteilung ordentlich gekündigt werden (§ 15 Abs.4 und Abs.5 KSchG). Abgesehen von diesen Ausnahmefällen können sie nur außerordentlich gekündigt werden. Dazu braucht der Arbeitgeber erstens einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB und zweitens die vorherige Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung (§ 103 BetrVG).
In dem darauffolgenden halben Jahr, d.h. während der ersten sechs Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, ist der (nicht gewählte) Wahlbewerber immer noch vor ordentlichen Kündigungen des Arbeitgebers weitgehend sicher. Er kann nämlich, abgesehen von dem Ausnahmefall einer ordentlichen Kündigung wegen einer Betriebs- oder Abteilungsschließung, nur außerordentlich aus wichtigem Grunde gemäß von § 626 BGB gekündigt werden. Allerdings braucht der Arbeitgeber in dieser "Abkühlungsperiode" nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses nicht mehr die vorherige Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats für seine Kündigung.
Ähnlich wie die Wahlbewerber sind auch die Mitglieder des Wahlvorstandes vor Kündigungen geschützt. Nähere Informationen zum Kündigungsschutz der Wahlvorstandsmitgliedern finden Sie unter Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratswahl - Wahlvorstand.
Welche ergänzenden Kündigungsschutzregelungen gelten zugunsten von Arbeitnehmern, die sich für eine Betriebsratswahl engagieren?
Über die o.g. Schutzvorschriften hinaus sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor einer Kündigung des Arbeitgebers besonders geschützt, die zu einer Betriebsratswahl einladen oder die die Bestellung eines Wahlvorstands beantragen. Dieser Schutz ist in § 15 Abs.3a KSchG geregelt. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Einladung zur Betriebsratswahl bzw. mit der Beantragung der Bestellung eines Wahlvorstands und dauert bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
Eine noch weitere zeitliche "Vorverlagerung" des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die sich für die Wahl eines Betriebsrats einsetzen, ergibt sich aus § 15 Abs.3b KSchG.
Danach ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternimmt und eine "öffentlich beglaubigte Erklärung" mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat zu errichten, weitgehend unzulässig. Der Arbeitgeber kann zwar aus betriebsbedingten Gründen kündigen, nicht aber aus Gründen in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers - es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigen. Eine "öffentlich beglaubigte Erklärung" kann man abgeben, indem man zu einem Notar geht und die Erklärung dort abgibt und vom Notar beglaubigen lässt.
Der Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs.3b KSchG beginnt mit der Abgabe der notariellen Erklärung und endet mit der Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes. Längstens dauert dieser Kündigungsschutz drei Monate.
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- Arbeitsrecht aktuell: 10/026 Wahl zum Betriebsrat
- Arbeitsrecht aktuell: 01/07 Reform des Betriebsverfassungsgesetzes 2001
Letzte Überarbeitung: 3. April 2022
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