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Keine Neutralitätspflicht des Arbeitgebers bei Betriebsratswahl
19.03.2018. Arbeitgeber tun im Allgemeinen gut daran, während einer Betriebsratswahl keine Sympathien mit einzelnen Bewerbern und/oder Vorschlagslisten zu äußern.
Denn wer gewählt wird, entscheiden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs, und mit den Ergebnissen dieser Wahlentscheidungen muss der Arbeitgeber vier Jahre lang leben.
In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) allerdings klargestellt, dass Arbeitgeber rein rechtlich nicht zur Neutralität gegenüber Wahlbewerbern verpflichtet sind: BAG, Beschluss vom 25.10.2017, 7 ABR 10/16.
- Muss sich der Arbeitgeber bei einer Betriebsratswahl gegenüber den verschiedenen Wahlbewerbern bzw. Listen neutral verhalten?
- Der Streitfall: Personalchef äußert auf einem Führungskräftetreffen im Vorfeld der Betriebsratswahl, wer die amtierende Betriebsratsvorsitzende wähle, begehe Verrat
- BAG: Aus § 20 Abs.2 BetrVG folgt nicht, dass jedes nicht-neutrale Verhalten des Arbeitgebers gegenüber Wahlbewerbern zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führt
Muss sich der Arbeitgeber bei einer Betriebsratswahl gegenüber den verschiedenen Wahlbewerbern bzw. Listen neutral verhalten?
Gemäß § 19 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde. Zu den wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren gehört unter anderem, dass sich die Wählerinnen und Wähler frei entscheiden können. Daher muss die Wahl geheim stattfinden (§ 14 Abs.1 BetrVG) und die Wahlentscheidung darf nicht durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst werden (§ 20 Abs.2 BetrVG).
Vor diesem Hintergrund wird von einigen juristischen Autoren und von verschiedenen Arbeits- und Landesarbeitsgerichten (LAG) die Meinung vertreten, dass der Arbeitgeber bei einer Betriebsratswahl zur Neutralität gegenüber den verschiedenen Kandidaten bzw. Listen verpflichtet sei. Schließlich ist die Betriebsratswahl allein Sache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs.
Die Gegenmeinung lautet: Auch Arbeitgeber haben ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit gemäß Art.5 Abs.1 Grundgesetz (GG), und § 20 Abs.2 BetrVG verbietet zwar unlautere Beeinflussungen des Wählerwillens, aber keine Meinungsäußerung zu den verschiedenen Kandidaten bzw. Listen.
Diese Streitfrage hat das BAG im Oktober 2017 geklärt.
Der Streitfall: Personalchef äußert auf einem Führungskräftetreffen im Vorfeld der Betriebsratswahl, wer die amtierende Betriebsratsvorsitzende wähle, begehe Verrat
In einem von mehreren Unternehmen getragenen Gemeinschaftsbetrieb mit etwa 950 Arbeitnehmern war das Verhältnis zwischen Geschäftsleitung und der Betriebsratsvorsitzenden angespannt. So leitete der Betriebsrat unter seiner kämpferischen Vorsitzenden im Laufe der Zeit etwa 50 Gerichtsverfahren ein.
Das veranlasste den Personalchef, so jedenfalls die Betriebsratsvorsitzende, im Vorfeld der Betriebsratswahl 2014 dazu, auf einem Führungskräftetreffen vor etwa 80 Angestellten zu äußern, dass es einen „Verrat“ darstelle, für die Betriebsratsvorsitzende bzw. deren Liste zu stimmen. Außerdem soll der Personalleiter etwa ein halbes Jahr vor der Betriebsratswahl gezielt Arbeitnehmer gefragt haben, ob sie sich zur Wahl stellen und ggf. den Betriebsratsvorsitz übernehmen wollten.
Bei der Betriebsratswahl 2014 erhielt die „Initiative Innendienst“ 305 Stimmen bzw. fünf Sitze, die Liste „Im Blick“ 276 Stimmen und damit ebenfalls fünf Sitze, die Liste der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden, die „Große Außendienstliste“ lediglich 137 Stimmen und damit zwei Sitze und eine vierte Liste 84 Stimmen und damit ein Sitz. Infolge dieses Wahlergebnisses verlor die ehemalige Betriebsratsvorsitzende den Vorsitz im Gremium.
Das daraufhin von ihr und einigen Mitstreitern angestrengte arbeitsgerichtliche Wahlanfechtungsverfahren hatte vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden keinen Erfolg (Beschluss vom 19.11.2014, 7 BV 2/14), dafür aber in der Beschwerdeinstanz vor dem Hessischen LAG.
Denn das LAG war der Meinung, die Wahl sei anfechtbar gemäß § 19 BetrVG, da der Arbeitgeber bzw. der für ihn handelnde Personalchef als leitender Angestellter gegen die (angebliche) Arbeitgeberpflicht zur strikten Neutralität gegenüber den verschiedenen Wahlbewerbern verstoßen habe (Hessisches LAG, Beschluss vom 12.11.2015, 9 TaBV 44/15). Darin lag, so jedenfalls das LAG, ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren im Sinne von § 19 Abs.1 BetrVG.
BAG: Aus § 20 Abs.2 BetrVG folgt nicht, dass jedes nicht-neutrale Verhalten des Arbeitgebers gegenüber Wahlbewerbern zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führt
Das BAG entschied andersherum und gab den am Verfahren beteiligten Unternehmen sowie dem amtierenden Betriebsrat Recht. Zur Begründung heißt es:
§ 20 Abs.2 BetrVG schützt die innere Willensbildung der wahlberechtigten Arbeitnehmer, d.h. die freie Wahlentscheidung. Daraus folgt aber keine allgemeine Neutralitätspflicht des Arbeitgebers, so das BAG. Denn immerhin wird der Betriebsrat in geheimer Wahl gewählt (§ 14 Abs.1 BetrVG). Aus diesem Grund müssen die Stimmzettel unbeobachtet in einer Wahlkabine oder hinter einem Vorhang ausgefüllt (§ 12 Abs.1 Satz 1 Wahlordnung) und sodann in Wahlumschlägen (§ 11 Abs.1 Satz 2 Wahlordnung) in die Urne gelegt werden. Damit ist die Freiheit der Wahlentscheidung im Prinzip ausreichend geschützt.
Im Übrigen können sich die Arbeitnehmer bei ihrer Wahlentscheidung nach Ansicht des BAG durchaus von den Standpunkten anderer Arbeitnehmer, der Gewerkschaften oder auch des Arbeitgebers leiten oder beeinflussen lassen. Und wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Wahlempfehlung ausspricht, kann das, so die Erfurter Richter, auch die gegenteilige Wirkung auf die Wählermeinungen haben. Eine unzulässige Wahlbeeinflussung liegt daher noch nicht vor, „wenn der Arbeitgeber nur seine Sympathie mit bestimmten Listen oder Kandidaten bekundet“.
Außerdem würde das vom LAG postulierte strikte Neutralitätsgebot zur Rechtsunsicherheit bei Betriebsratswahlen führen. Denn diese Auffassung hat zur Folge, dass Betriebsratswahlen einem hohen Anfechtungsrisiko ausgesetzt wären, weil auch länger zurückliegende Äußerungen oder Verhaltensweisen des Arbeitgebers und/oder eines leitenden Angestellten als unzulässiges, „nicht neutrales“ Verhalten bewertet werden könnte.
Ergänzend weist das BAG darauf hin, dass auch die Anregung des Arbeitgebers, eine alternative, möglicherweise „arbeitgeberfreundliche“ Liste aufzustellen sowie das gezielte Werben um eine Kandidatur auf einer solchen Liste noch kein Verstoß gegen § 20 Abs.2 BetrVG ist.
Sogar die drastische Äußerung des Personalleiters auf dem Führungskräftemeeting, eine Wahl der damals amtierenden Betriebsratsvorsitzenden sei ein „Verrat“, ist nach Ansicht des BAG kein In-Aussicht-Stellen von Nachteilen für den Fall einer solchen Wahlentscheidung im Sinne § 20 Abs.2 BetrVG. Konkrete Nachteile wurden hier nämlich weder einzelnen Arbeitnehmern noch der Belegschaft als ganzer für den Fall der Wiederwahl der Betriebsratsvorsitzenden angedroht.
Fazit: Die Entscheidung des BAG gibt Arbeitgebern keinen Freibrief zur Beeinflussung von Betriebsratswahlen in ihrem Sinne. Denn wie das BAG nebenbei erwähnt hat, können Nachteile nicht nur einzelnen Wählerinnen und Wählern in unzulässiger Weise angedroht werden, sondern auch der gesamten Belegschaft oder bestimmten Belegschaftsteilen.
Der Arbeitgeber kann daher auf der Grundlage dieser BAG-Entscheidung z.B. die Meinung äußern, dass bestimmte Kandidaten bzw. Listen „unrealistische“ und/oder „nicht bezahlbare“ Ziele verfolgen, doch sollte er nicht so weit gehen, Einsparungen oder Betriebseinschränkungen für den Fall missliebiger Mehrheiten im Betriebsrat anzukündigen. Eine solche Form der Wählerbeeinflussung kann auch künftig als Androhung von Nachteilen gewertet werden (§ 20 Abs.2 BetrVG) und damit zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl führen (§ 19 Abs.1 BetrVG).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.10.2017, 7 ABR 10/16
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 12.11.2015, 9 TaBV 44/15
- Handbuch Arbeitsrecht: Anfechtung der Wahl zum Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratswahl - Arbeitnehmer und Wahlberechtigung: Wer wählt wen?
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratswahl - Betriebsgröße und Wahlverfahren: Wie wird gewählt?
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratswahl - Wahlvorstand: Wer organisiert die Wahl?
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratswahl - Urnengang und Stimmenauszählung: Wer ist gewählt?
- Arbeitsrecht aktuell: 20/108 Behinderung der Betriebsratswahlen durch den Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 17/295 Sitzverteilung bei der Betriebsratswahl
- Arbeitsrecht aktuell: 12/281 Betriebsratswahl: Wahlrecht von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes in Privatbetrieben
- Arbeitsrecht aktuell: 12/016 Betriebsratswahl - Abbruch nur bei Nichtigkeit
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- Arbeitsrecht aktuell: 11/025 Anfechtung einer Betriebsratswahl
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- Arbeitsrecht aktuell: 10/026 Wahl zum Betriebsrat
Letzte Überarbeitung: 4. Januar 2021
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