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Kopftuchverbot 2019 erneut vor dem EuGH
04.02.2019. Private Arbeitgeber sind zwar nicht unmittelbar (wie der Staat) dazu verpflichtet, die Grundrechte der bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer zu respektieren, also z.B. die Religionsfreiheit (Art.4 Grundgesetz - GG).
Allerdings besteht auch für private Arbeitgeber eine mittelbare Verpflichtung zur angemessenen und diskriminierungsfreien Berücksichtigung von Arbeitnehmergrundrechten. Das ergibt sich auch aus den Diskriminierungsverboten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und der dahinter stehenden Richtlinie 2000/78/EG.
Daher wäre es z.B. unzulässig, einer muslimischen Arbeitnehmerin per Weisung im Einzelfall das Tragen eines „muslimischen“ Kopftuchs am Arbeitsplatz zu untersagen, ohne dass es dafür triftige Gründe gibt.
Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon vor vielen Jahren zugunsten einer im Einzelhandel beschäftigten Verkäuferin klargestellt (BAG, Urteil vom 10.10.2002, 2 AZR 472/01, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 02/05 Kopftuch ist kein Kündigungsgrund).
Im Jahre 2017 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) allerdings zugunsten der Arbeitgeberseite entschieden, dass es keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion darstellt, wenn eine betriebliche Kleiderordnung es allen Arbeitnehmern mit Kundenkontakt verbietet, bei der Arbeit Bekleidungsstücke zu tragen, mit denen ein religiöses, politisches oder weltanschauliches Bekenntnis zum Ausdruck gebracht wird.
Von einem solchen allgemeinen Verbot sind alle Religionen bzw. Weltanschauungen gleichermaßen betroffen. Daher liegt hier keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion vor, so der EuGH (Urteil vom 14.03.2017, C-157/15 - Achbita, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/076 Kopftuchverbot am Arbeitsplatz kann rechtens sein).
Allerdings kann, so der EuGH in diesem Urteil, eine mittelbare Diskriminierung vorliegen, falls Angehörige bestimmter Religionen von Bekleidungsvorschriften stärker als andere belastet werden. Eine mittelbare Diskriminierung kann aber wiederum gerechtfertigt sein,
- wenn der Arbeitgeber das unternehmerische Ziel verfolgt, seinen Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln,
- wenn er bei der Umsetzung dieses Ziels konsequent vorgeht (d.h. dieses Ziel nicht nur vorschiebt),
- wenn nur Arbeitnehmer mit Kundenkontakt ein solches Verbot beachten müssen, und
- wenn alle (Außendienst-)Mitarbeiter in gleicher Weise von dem Verbot belastet sind (Urteil vom 14.03.2017, C-157/15 - Achbita).
Angesichts dieser EuGH-Rechtsprechung ist es auf den ersten Blick überraschend, dass das BAG vor einigen Tagen beschlossen hat, dem EuGH erneut einen „Kopftuch-Fall“ vorzulegen (BAG, Beschluss vom 30.01.2019, 10 AZR 299/18 (A)). Allerdings unterscheidet sich der Fall des BAG erheblich von dem 2017 vom EuGH entschiedenen Fall Achbita, so dass das Vorgehen des Arbeitgebers in dem BAG-Fall nicht ohne weiteres auf der Grundlage des Achbita-Urteils des EuGH gerechtfertigt ist.
Denn in dem belgischen Fall Achbita ging es um eine Bewachungs- und Rezeptionsdienstleistungsfirma (G4S Secure), die ihren Kunden Wachleute und Empfangspersonal zur Verfügung stellte. Dementsprechend „verkaufte“ dieser Arbeitgeber gleichsam die Neutralität und Seriosität seiner Mitarbeiter. Hätte er, so sein Argument, die als Rezeptionistin bei Kunden eingesetzte muslimische Klägerin, Frau Achbita, dort mit Hidschab arbeiten lassen, hätte er den Kundenauftrag riskiert.
In dem aktuellen Streitfall des BAG hatte dagegen eine Drogeriekette einer muslimischen Verkäuferin die Anweisung erteilt, ohne Kopftuch bei der Arbeit zu erscheinen. Ihre dagegen gerichtete Klage, mit der sie die Rechtswidrigkeit dieser Anweisung feststellen lassen wollte, hatte vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (Urteil vom 28.03.2017, 8 Ca 6967/14) und vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg Erfolg (LAG Nürnberg, Urteil vom 27.03.2018, 7 Sa 304/17).
Im Unterschied zu der belgischen Rezeptionistin, Frau Achbita, erfüllt die deutsche Drogeriemitarbeiterin nämlich nicht in erster Linie Repräsentationsaufgaben, sondern verkauft Drogerieprodukte an Verbraucherinnen und Verbraucher. Zum heutigen alltäglichen Erscheinungsbild in Drogeriemärkten gehören aber, so das LAG Nürnberg, muslimische Frauen mit Kopftuch, und zwar sowohl auf Seiten der Kundinnen als auch auf Seiten der Verkäuferinnen (LAG Nürnberg, Urteil vom 27.03.2018, 7 Sa 304/17, Rn.59).
Aus Sicht des BAG ist es aber fraglich, ob diese Entscheidung mit dem Europarecht zu vereinbaren ist. Denn in seinem Achbita-Urteil hatte sich der EuGH zugunsten des Arbeitgebers u.a. auf die von Art.16 der Grundrechte-Charta geschützten Unternehmerfreiheit gestützt, die es Arbeitgebern laut EuGH erlaubt, eine generelle „Neutralitätspolitik“ zu betreiben. Hier hat das BAG anscheinend Zweifel, denn es möchte u.a. wissen:
„Ist eine allgemeine Anordnung in der Privatwirtschaft, die auch das Tragen auffälliger religiöser Zeichen verbietet, aufgrund der von Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) geschützten unternehmerischen Freiheit diskriminierungsrechtlich stets gerechtfertigt? Oder kann die Religionsfreiheit der Arbeitnehmerin berücksichtigt werden, die von der GRC, der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und dem Grundgesetz geschützt wird?“
Fazit: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Der EuGH betont in seinem Achbita-Urteil, dass die nationalen Gerichte überprüfen müssen, ob eine vom Arbeitgeber behauptete Neutralitätspolitik überhaupt konsequent umgesetzt wird. Das ist hier im Streitfall mehr als zweifelhaft, da der Arbeitgeber seine angeblich generellen Bekleidungs-Vorgaben überaus nebulös beschrieben hat. Daher hätte das BAG den aktuellen Fall auch ohne Anrufung des EuGH pro Arbeitnehmerin entscheiden können.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 30.01.2019, 10 AZR 299/18 (A), Pressemeldung des Gerichts
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 30.01.2019, 10 AZR 299/18 (A)
- Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 27.03.2018, 7 Sa 304/17
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14.03.2017, C-157/15 (Achbita)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14.03.2017, C-188/15 (Bougnaoui)
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.10.2002, 2 AZR 472/01
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Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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