- -> zur Mobil-Ansicht
- Arbeitsrecht aktuell
- Arbeitsrecht 2023
- Arbeitsrecht 2022
- Arbeitsrecht 2021
- Arbeitsrecht 2020
- Arbeitsrecht 2019
- Arbeitsrecht 2018
- Arbeitsrecht 2017
- Arbeitsrecht 2016
- Arbeitsrecht 2015
- Arbeitsrecht 2014
- Arbeitsrecht 2013
- Arbeitsrecht 2012
- Arbeitsrecht 2011
- Arbeitsrecht 2010
- Arbeitsrecht 2009
- Arbeitsrecht 2008
- Arbeitsrecht 2007
- Arbeitsrecht 2006
- Arbeitsrecht 2005
- Arbeitsrecht 2004
- Arbeitsrecht 2003
- Arbeitsrecht 2002
- Arbeitsrecht 2001
- Tipps und Tricks
- Handbuch Arbeitsrecht
- Gesetze zum Arbeitsrecht
- Urteile zum Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht Muster
- Videos
- Impressum-Generator
- Webinare zum Arbeitsrecht
-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
Kopftuch am Arbeitsplatz
24.09.2014. Viele Mosleminnen fühlen sich aus religiösen Gründen dazu verpflichtet, ein Kopftuch zu tragen, und zwar auch am Arbeitsplatz.
Das möchte aber nicht jeder Arbeitgeber akzeptieren. Vor allem christlich gebundene Arbeitgeber, d.h. Einrichtungen der evangelischen Diakonie und der katholischen Caritas, wollen in ihren Häusern Symbole anderer Bekenntnisse nicht dulden.
Das müssen sie auch nicht, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) heute entschieden hat: BAG, Urteil vom 24.09.2014, 5 AZR 611/12.
- Was geht vor - die Religionsfreiheit einer moslemischen Arbeitnehmerin oder das Selbstbestimmungsrecht christlicher Kirchen und ihrer Einrichtungen?
- Der Fall des BAG: Krankenschwester eines evangelischen Krankenhauses möchte mit Kopftuch arbeiten, doch der Arbeitgeber spielt nicht mit
- BAG: Kirchliche Einrichtungen können ihren Arbeitnehmerinnen "regelmäßig" das Tragen eines islamischen Kopftuchs verbieten
Was geht vor - die Religionsfreiheit einer moslemischen Arbeitnehmerin oder das Selbstbestimmungsrecht christlicher Kirchen und ihrer Einrichtungen?
Arbeitgeber können Arbeitnehmern aufgrund ihres Weisungsrecht nach Ermessen Arbeitsaufgaben zuweisen und auch Vorgaben zur Bekleidung während der Arbeit machen (§ 106 Satz 1 Gewerbeordnung - GewO). Allerdings müssen sie dabei die berechtigten Belange des betroffenen Arbeitnehmers berücksichtigen ("billiges Ermessen").
Zu diesen für Arbeitnehmer wichtigen Belangen gehören auch religiöse Überzeugungen, die durch das Grundgesetz (GG) geschützt sind, nämlich durch Art.4 Abs.1 GG. Arbeitgeber können daher moslemischen Arbeitnehmerinnen im Allgemeinen nicht verbieten, während der Arbeit ein Kopftuch zu tragen, denn damit befolgt die Arbeitnehmerin ein aus ihrer Sicht geltendes religiöses Gebot.
Daher hat das BAG bereits im Jahre 2002 entschieden, dass ein religiös nicht gebundener Arbeitgeber wie zum Beispiel ein Kaufhaus einer Arbeitnehmer nicht kündigen kann, weil sie sich weigert, während ihrer Verkaufstätigkeit ein Kopftuch zu tragen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 02/05 Kopftuch ist kein Kündigungsgrund).
Anders ist die Rechtslage allerdings, wenn auch dem Arbeitgeber die Religion nicht gleichgültig ist, d.h. wenn er seinen Betrieb aus religiösen Gründen betreibt. Das gilt vor allem für die karitativen Einrichtungen der beiden großen christlichen Kirchen, d.h. die Einrichtungen der evangelischen Diakonie und der katholischen Caritas.
Sie verpflichten ihre Arbeitnehmer bei Vertragsschluss auf die Beachtung christlicher Ziele und Regeln der Alltagsmoral. Wer als Arbeitnehmer gegen diese Pflichten verstößt, riskiert je nach Lage des Falles eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung. Denn die Kirchen können sich bei der Ausgestaltung des "Kirchenarbeitsrechts" auf die Religionsfreiheit und ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Selbstbestimmungsrecht berufen, d.h. auf Art.140 GG in Verbindung mit Art. 137 Weimarer Reichsverfassung (WRV). Danach können die Kirchen ihre Angelegenheiten selbständig ordnen und ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates verleihen.
Da es allerdings immer weniger bekennende Christen gibt, haben es kirchliche Arbeitgeber schwer, die Idee einer christlichen Dienstgemeinschaft zu verwirklichen. Jedenfalls sind sie gezwungen, auch Atheisten oder Andersgläubige einzustellen und damit in ihre "Dienstgemeinschaften" aufzunehmen.
Daher fragt sich, ob ein christliches Krankenhaus einer moslemischen Krankenschwester verbieten kann, während der Arbeit eine Kopftuch zu tragen und sich damit zum moslemischen Glauben zu bekennen.
Der Fall des BAG: Krankenschwester eines evangelischen Krankenhauses möchte mit Kopftuch arbeiten, doch der Arbeitgeber spielt nicht mit
Eine moslemische Krankenschwester war seit Februar 2000 bei einem Krankenhaus mit evangelischer Trägerschaft beschäftigt und hatte sich daher arbeitsvertraglich verpflichtet, die im Bereich der evangelischen Kirche geltenden arbeitsrechtlichen Regeln zu befolgen.
Von Ende März 2006 bis Ende Januar 2009 war sie in Elternzeit, danach arbeitsunfähig krank. Nach über einem Jahr, im April 2010, kam sie auf den Arbeitgeber zu und bot ihm schriftlich ihre Arbeitsleistung an. Dabei teilte sie mit, dass sie aus religiösen Gründen während der Arbeit ein Kopftuch tragen wolle. Das Krankenhaus nahm die Arbeitsleistung daraufhin nicht an und zahlte auch keinen Lohn.
Die Krankenschwester zog vor das Arbeitsgericht Bochum und klagte ihren Lohn für die Zeit von Ende August 2010 bis Ende Januar 2011 ein, immerhin 15.314,16 EUR. Das Arbeitsgericht Bochum gab ihr Recht, weil es der Ansicht war, die Krankenschwester hätte ihre Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten, so dass der Arbeitgeber im Annahmeverzug war und daher gemäß § 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Lohn trotz unterbliebener Arbeitsleistung zahlen müsse (Urteil vom 31.03.2011, 3 Ca 2843/10).
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm als Berufungsgericht entschied andersherum und wies die Klage ab (LAG Hamm, Urteil vom 17.02.2012, 18 Sa 867/11). Seiner Meinung nach war die Vorgabe des Krankenhauses, während der Arbeit kein Kopftuch zu tragen, von den kirchenrechtlichen Regelungen gedeckt, und diese Regelungen wiederum waren aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen wirksam bzw. zu beachten. Nach diesen Regelungen müssen nichtchristliche Arbeitnehmer zwar nicht das Christentum vertreten, sich aber ihm gegenüber neutral verhalten.
BAG: Kirchliche Einrichtungen können ihren Arbeitnehmerinnen "regelmäßig" das Tragen eines islamischen Kopftuchs verbieten
Das BAG schloss sich der Meinung des LAG an und stellte in seiner Pressemeldung heraus, dass kirchliche Arbeitgeber ihren Arbeitnehmerinnen "regelmäßig" das Tragen eines islamischen Kopftuchs verbieten können.
Denn wer als Arbeitnehmer einer christlichen Einrichtung ein Kopftuch als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben trägt und damit eine vom Christentum abweichende Religionszugehörigkeit kundgibt, verstößt im Allgemeinen gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, sich gegenüber der Religion seines Arbeitgebers neutral zu verhalten, so das BAG.
Obwohl die Erfurter Richter damit die Rechtsansichten der Krankenschwester zurückgewiesen haben, hoben sie das Urteil des LAG Hamm trotzdem auf und verwiesen den Rechtsstreit an das LAG zurück.
Denn nach Ansicht des BAG musste noch geklärt werden, ob der Arbeitgeber hier im Streitfall "der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist". Dazu müsste die Kirche einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen des Krankenhausträgers haben, und ob das der Fall ist oder nicht, hat LAG jetzt aufzuklären.
Damit schließt das BAG an seine Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) an, der zufolge die nur formale Mitgliedschaft eines Arbeitgebers im Diakonischen Werk noch keine ausreichende "institutionelle Verbindung" von Kirche und Arbeitgeber darstellt, um den Arbeitgeber bzw. seinen Betrieb gemäß § 118 Abs.2 BetrVG von der betrieblichen Mitbestimmung auszunehmen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 09/078 Betriebsräte bei Mitgliedern des Diakonischen Werkes).
Außerdem hatte die Krankenschwester nach langer Krankheit angeboten, ihre Arbeit auf der Grundlage eines vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans aufzunehmen, und daher war nicht klar, ob sie gesundheitlich überhaupt in der Lage war zu arbeiten. Auch das muss das LAG jetzt prüfen.
Fazit: Angesichts der Gründe für die Aufhebung und Zurückverweisung des LAG-Urteils sind die Aussagen des BAG zum Recht kirchlicher Arbeitgeber, Kopftücher am Arbeitsplatz zu verbieten, offenbar nicht entscheidungstragend. Trotzdem war es den Erfurter Richtern anscheinend wichtig, hier einmal einen Pflock einzuschlagen.
Bis auf weiteres ist damit geklärt, dass symbolische Bekenntnisse zum moslemischen Glauben bei der Arbeit in einer kirchlichen Einrichtung verboten sind bzw. vom Arbeitgeber untersagt werden können.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2014, 5 AZR 611/12 (Pressemeldung des Gerichts)
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.02.2012, 18 Sa 867/11
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
- Handbuch Arbeitsrecht: Annahmeverzug des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Religion oder Weltanschauung
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 19/031 Kopftuchverbot 2019 erneut vor dem EuGH
- Arbeitsrecht aktuell: 17/076 Kopftuchverbot am Arbeitsplatz kann rechtens sein
- Arbeitsrecht aktuell: 16/125 Diskriminierung wegen Kopftuchs in Berlin?
- Arbeitsrecht aktuell: 16/094 Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche bei der Bewerbung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/068 Karlsruhe kippt Kopftuchverbot an Schulen
- Arbeitsrecht aktuell: 14/338 Gleichbehandlung bei der Dienstkleidung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/162 Kleiderordnung und Outfit-Vorgaben per Betriebsvereinbarung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/115 Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus Glaubensgründen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/084 Fristlose Kündigung eines Call-Center-Agents wegen Grußformel "Jesus hat Sie lieb"
- Arbeitsrecht aktuell: 11/055 Abmahnung: Die Ausübung ihrer Religion am Arbeitsplatz ist Erziehern untersagt
- Arbeitsrecht aktuell: 10/119 Religiöse Überzeugung vs. Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 09/151 Abmahnung wegen islamischer Baskenmütze in der Schule rechtens
- Arbeitsrecht aktuell: 09/072 Verweigerung des Transports von Alkohol aus religiösen Gründen
- Arbeitsrecht aktuell: 08/080 Kopftuchverbot bei den Cellitinnen zur Heiligen Maria
- Arbeitsrecht aktuell: 08/066 Abmahnung wegen Tragens einer „islamischen Baskenmütze“
- Arbeitsrecht aktuell: 02/05 Kopftuch ist kein Kündigungsgrund
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die hier streitigen Fragen anders entschieden, d.h. in dem Sinne, dass muslimische Lehrerinnen und Erzieherinnen in staatlichen Schulen und Kindergärten ein Kopftuch tragen und auf diese Weise ihre Zugehörigkeit zum Islam zum Ausdruck bringen dürfen. Nähere Informationen zu dem Urteil des BVerfG finden Sie hier:
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10
- Arbeitsrecht aktuell: 15/068 Karlsruhe kippt Kopftuchverbot an Schulen
Letzte Überarbeitung: 7. Februar 2019
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |
Bewertung:
HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.
Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw.
bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig.
Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.
© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de