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Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
15.07.2016. Besitzt eine Zeitarbeitsfirma keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, kommt nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher zustande. Diese Regelung soll Leiharbeitnehmer vor unseriösen Personaldienstleistern schützen.
Gesetzlich nicht eindeutig geregelt und daher umstritten ist die Frage, ob diese Rechtsfolge auch dann eintritt, wenn Verleiher und Entleiher einen Scheinwerkvertrag vereinbart haben, so dass der entliehene Arbeitnehmer "auf dem Papier" gar nicht nach den Weisungen des Entleihers arbeiten soll, wenn der Verleiher aber - vorsorglich - eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt.
Am Dienstag dieser Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Frage mit nein entschieden: BAG, Urteil vom 12.07.2016, 9 AZR 352/15 (Pressemeldung des Gerichts).
- Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auf Vorrat für den Fall, dass sich ein Einsatz beim Kunden als Scheinwerkvertrag herausstellt?
- Das Streitfall: Fremdfirmenmitarbeiterin versucht ohne Erfolg, sich bei Daimler hereinzuklagen
- BAG: Bei Scheinwerkverträgen kommt kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande, wenn der Verleiher eine Vorratserlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat
Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auf Vorrat für den Fall, dass sich ein Einsatz beim Kunden als Scheinwerkvertrag herausstellt?
Übernimmt ein Unternehmen einen Werkauftrag, verpflichtet es sich damit gemäß § 631 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) "zur Herstellung des versprochenen Werkes". Das kann die Produktion oder Veränderung einer Sache sein oder auch ein anderer "Erfolg" (§ 631 Abs.2 BGB) wie z.B. eine Transportleistung.
Typisch für einen Werkvertrag ist die Erfolgsbezogenheit der Leistung. Es geht nicht darum, wie lange der Werkunternehmer für seine Leistung braucht oder wie viel Material er dabei einsetzt, sondern um den vertraglich vereinbarten Nutzeffekt für den Auftraggeber.
Demgegenüber steht beim Arbeitsvertrag die Arbeitsleistung im Vordergrund. Die Vertragspflicht des Arbeitnehmers besteht darin, für eine vereinbarte Zeit nach den Weisungen des Arbeitgebers in dessen Betrieb tätig zu sein. Ob die Arbeit erfolgreich oder vergeblich war, ist das Risiko des Arbeitgebers.
Bei der Arbeitnehmerüberlassung fallen Weisungsbefugnis und Arbeitgeberstellung auseinander: Der Vertragsarbeitgeber ist die Zeitarbeitsfirma, aber arbeiten muss der Leiharbeitnehmer im Betrieb und auf Weisung des Entleihers, d.h. des Kunden der Zeitarbeitsfirma.
An dieser Stelle gibt es eine Grauzone zwischen Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung. Realisiert z.B. ein IT-Unternehmen mit seinen Angestellten ein EDV-Projekt im Betrieb eines Kunden, erfüllt es einen Werkvertrag. Oft sind die Arbeitnehmer des IT-Unternehmen aber "für Jahr und Tag" im Betrieb des Kunden tätig, um dort laufende Restaufgaben zu erledigen, und dann sind sie kaum noch von den eigenen Arbeitnehmern des Kunden zu unterscheiden: Sie fügen sich in die Organisation des Kunden ein, nehmen von dessen Führungskräften Arbeitsaufgaben entgegen usw. Im Ergebnis werden sie damit ähnlich wie Leiharbeitnehmer eingesetzt.
Vor diesem Hintergrund sichern sich größere Unternehmen oft gegenüber Dienstleistungsfirmen ab, indem sie von ihnen die Vorlage einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG verlangen. Denn ohne eine solche Erlaubnis kommt es zu einem ungewollten Arbeitgeberwechsel, wenn sich die scheinbare Erfüllung eines "Werkvertrags" durch die Arbeitnehmer des Dienstleisters als Leiharbeit entpuppt. Denn dann greift § 9 Nr.1 AÜG ein, dem zufolge der Arbeitsvertrag zwischen dem (Schein-)Werkunternehmer und seinem (Leih-)Arbeitnehmer unwirksam ist, und es besteht ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und (Schein-)Werkbesteller (§ 10 Abs.1 Satz 1 AÜG).
Fraglich ist, ob eine solche "vorsorgliche" Absicherung rechtlich überhaupt zulässig ist. Denn mit einer in der Schublade bereit liegenden Vorratserlaubnis können Arbeitgeber, die es darauf anlegen, umso besser das AÜG umgehen. Außerdem ist eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung gesetzeswidrig, denn damit verstößt die Zeitarbeitsfirma gegen ihre Nachweispflichten gemäß § 11 Abs.1 AÜG und gemäß § 2 Abs.1 Nachweisgesetz (NachwG).
Das Streitfall: Fremdfirmenmitarbeiterin versucht ohne Erfolg, sich bei Daimler hereinzuklagen
Geklagt hatte eine technische Zeichnerin, die von Februar 2004 bis Ende Dezember 2013 bei der Daimler AG als CAD-Konstrukteurin gearbeitet hatte, allerdings nicht als Daimler-Angestellte, sondern als Arbeitnehmerin einer Fremdfirma. Diese wiederum hatte mit Daimler einen "Werkvertrag" abgeschlossen und sich darin zur Erbringung von CAD-Konstruktionsleistungen verpflichtet. Die Konstruktionsfirma besaß eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Nachdem ihr Vertragsarbeitgeber sie Ende 2013 nicht länger beschäftigen wollte, verklagte sie die Daimler AG auf die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses. Dabei berief sie sich unter anderem darauf, dass sie faktisch als Leiharbeitnehmerin eingesetzt worden war, allerdings nicht auf der Grundlage eines dementsprechenden Arbeitsvertrags. Bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung können sich Verleiher und Entleiher nicht auf eine Vorratserlaubnis berufen, so ihr Argument.
Das Arbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 12.08.2014, 5 Ca 751/14) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg folgten dieser Argumentation nicht und wiesen die Klage ab (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2015, 6 Sa 78/14). Ob hier überhaupt ein echter Werkvertrag oder eine verdeckte Leiharbeit vorlag, ließ das LAG offen, da auch im Falle einer verdeckten Leiharbeit die vorliegende Erlaubnis zu beachten war.
Dabei grenzte sich das LAG ausdrücklich von einer gegenteiligen Entscheidung einer anderen Kammer des LAG aus dem Jahre 2014 ab (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2014, 4 Sa 41/14, wir berichteten über dieses Urteil in Arbeitsrecht aktuell: 15/003 Missbrauch von Scheinwerkverträgen).
BAG: Bei Scheinwerkverträgen kommt kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande, wenn der Verleiher eine Vorratserlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat
Auch in Erfurt hatte die Arbeitnehmerin keinen Erfolg. Sie zog damit in allen drei Instanzen den Kürzeren. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Besitzt ein Arbeitgeber die Erlaubnis zur Arbeitsüberlassung gemäß § 1 Abs.1 Satz 1 AÜG, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers nicht als Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Werkvertrag bezeichnet wird, d.h. wenn eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt.
Denn diese gravierende Rechtsfolge ordnet § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG in Verbindung mit § 9 Nr.1 AÜG ausschließlich für den Fall an, dass eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fehlt. Eine sinngemäße ("analoge") Anwendung dieser Vorschriften auf Fälle einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung bei gleichzeitig vorliegender Erlaubnis ist nicht möglich, so die Erfurter Richter.
Diese Position entspricht einem BAG-Urteil aus dem Jahre 2013, mit dem das BAG klargestellt hatte, dass § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG nicht auf den Fall anzuwenden ist, dass der Verleiher einem Kunden Leiharbeitnehmer in gesetzeswidriger Weise dauerhaft überlässt. Auch dies ist zwar ein Gesetzesverstoß, führt aber nicht dazu, dass die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung entfällt (BAG, Urteil vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/364 Dauerhafte Leiharbeit lässt die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht entfallen).
Fazit: Werden Leiharbeitnehmer auf der Grundlage von Scheinwerkverträgen beim Entleiher eingesetzt, besitzt der Verleiher aber eine Vorratserlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher nicht zustande.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016, 9 AZR 352/15 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016, 9 AZR 352/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2015, 6 Sa 78/14
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2014, 4 Sa 41/14
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014, 3 Sa 33/14
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 2. November 2020
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