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Missbrauch von Scheinwerkverträgen
02.01.2015. Unternehmen, die Leiharbeiter einsetzen, müssen sicherstellen, dass die Zeitarbeitsfirma eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat.
Denn andernfalls hat man als Entleiher die Leiharbeitnehmer "an der Backe", d.h. ein gesetzlich begründetes Arbeitsverhältnis mit den (illegal) entliehenen Arbeitnehmern.
Aber gilt das auch dann, wenn Verleiher und Entleiher einen Scheinwerkvertrag vereinbart haben, demzufolge die Arbeitnehmer "auf dem Papier" gar nicht in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sein sollen, und wenn sich der Verleiher vorsorglich eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat erteilen lassen?
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg meint ja: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2014, 4 Sa 41/14.
- Arbeitnehmerüberlassung, Werkverträge und Scheinwerkverträge
- Der Streitfall: Entwicklungsingenieur arbeitet jahrelang im Rahmen von Scheinwerkverträgen
- LAG Baden-Württemberg: Ein Arbeitsverhältnis mit einem Entleiher kommt bei Scheinwerkverträgen auch zustande, wenn der Verleiher eine (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hat
Arbeitnehmerüberlassung, Werkverträge und Scheinwerkverträge
Bei der Arbeitnehmerüberlassung arbeiten die entliehenen Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers unter dessen Anleitung, d.h. der Entleiher übt das Weisungsrecht aus. Demzufolge hat der Betriebsrat des entleihenden Betriebs ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und ist auch in vielen Fragen zuständig für die entliehenen Arbeitnehmer. Diese können entweder den Lohn vergleichbarer Arbeitnehmer im entleihenden Betrieb verlangen ("equal pay") oder aber zumindest den Tariflohn für Leiharbeitnehmer.
Bei (echten) Werkverträgen steuert dagegen der Werkunternehmer als Fremdunternehmen den Einsatz seiner Arbeitnehmer in dem Betrieb des Auftraggebers. Nicht etwa der Auftraggeber, sondern der Werkunternehmer übt daher das Weisungsrecht aus. Die Arbeitnehmer des Werkunternehmers sind keine Leiharbeitnehmer, und deren Tätigkeit im Betrieb des Auftraggebers geht dessen Betriebsrat im Prinzip nichts an. Insbesondere besteht kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 BetrVG.
Vor diesem Hintergrund entscheiden sich immer mehr Unternehmen für "smarte" Werkverträge anstatt für Leiharbeit. Das ist allerdings dann nicht mehr smart, sondern schlicht illegal, wenn die Arbeitnehmer des angeblichen Werkunternehmers in den Betrieb des angeblichen Werkbestellers eingegliedert und auf dessen Weisungen hin tätig sind, d.h. wie Leiharbeitnehmer eingesetzt werden. Dann liegt kein Werkvertrag, sondern ein Scheinwerkvertrag vor. In Wahrheit handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung, die hinter dem falschen Schein eines Werkvertrags verborgen wird.
Diese Arbeitnehmerüberlassung hätte im Normalfall eines Scheinwerkvertrags gemäß § 9 Nr.1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Folge, dass der Arbeitsvertrag zwischen (Schein-)Werkunternehmer und (Leih-)Arbeitnehmer unwirksam ist, weil der (Schein-)Werkunternehmer normalerweise keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt. Und das wiederum führt dazu, dass kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher (= Scheinwerkbesteller) entsteht (§ 10 Abs.1 Satz 1 AÜG).
Fraglich ist, ob diese gesetzliche Rechtsfolge (= Entstehen eines Arbeitsvertrags zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer) auch dann eingreift, wenn der Schein-Werkunternehmer eine vorsorglich beantragte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung in der Tasche hat.
Der Streitfall: Entwicklungsingenieur arbeitet jahrelang im Rahmen von Scheinwerkverträgen
Im Streitfall ging es um einen Entwicklungsingenieur, der bei der Firma EvoBus GmbH in Mannheim seit Mai 2011 durchgehend in derselben Abteilung auf demselben Arbeitsplatz arbeitete. Dabei war er voll betrieblich eingegliedert und unterstand im Hinblick auf die zu erbringenden Arbeitsleistungen dem Weisungsrecht der EvoBus GmbH.
Die EvoBus GmbH allerdings hatte weder einen Arbeitsvertrag mit dem Ingenieur abgeschlossen noch hatte sie den Ingenieur als Leiharbeitnehmer von einem Zeitarbeitsunternehmen entliehen. Vielmehr hatte sie nacheinander mit drei verschiedenen Drittfirmen Scheinwerkverträge abgeschlossen, in deren Rahmen der Ingenieur bei EvoBus GmbH eingesetzt wurde. Diese drei Drittfirmen waren nacheinander Vertragsarbeitgeber des Ingenieurs.
Der Entwicklungsingenieur verklagte die EvoBus GmbH vor dem Arbeitsgericht Stuttgart auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses, weil er meinte, § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG könnte auch auf Scheinwerkverträge angewandt werden.
Mit dieser Klage hatte er allerdings vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg, weil die EvoBus GmbH darauf verwies, dass alle drei Drittfirmen eine Erlaubnis zu Arbeitnehmerüberlassung hatten. Diese Erlaubnis besaßen die drei Firmen - zumindest im Falle des Klägers - rein vorsorglich, denn ein Einsatz des Klägers als Leiharbeitnehmers war nirgends vereinbart, weder in dessen Arbeitsvertrag noch in dem Vertrag mit der EvoBus GmbH (Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 08.04.2014, 16 Ca 8713/13).
LAG Baden-Württemberg: Ein Arbeitsverhältnis mit einem Entleiher kommt bei Scheinwerkverträgen auch zustande, wenn der Verleiher eine (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hat
Vor dem LAG Baden-Württemberg konnte der Ingenieur dagegen gewinnen. Das LAG stellte fest, dass zwischen ihm und der EvoBus GmbH ein Arbeitsverhältnis bestand. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des Gerichts:
Es ist ein widersprüchliches Verhalten der Drittfirmen und der beklagten Fa. EvoBus GmbH, sich im Nachhinein auf eine Arbeitnehmerüberlassung und auf die bestehende (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der drei Schein-Werkunternehmen zu berufen, so das LAG. Denn Verleiher und Entleiher haben sich während der gesamten Vertragslaufzeiten gerade außerhalb des AÜG stellen wollen und somit bewusst den mit dem AÜG verbundenen Sozialschutz des Klägers verhindern wollen.
Da sich die Verleiher demzufolge nach Ansicht des LAG nicht auf ihre Arbeitnehmerüberlassungserlaubnisse berufen durften, waren die Arbeitsverträge zwischen den drei Verleihern und dem Ingenieur nichtig. Daher galt ein Arbeitsvertrag zwischen ihm und der beklagten EvoBus GmbH als zustande gekommen, so das LAG. Obwohl das LAG dies nicht ausdrücklich sagt, ist die Rechtsgrundlage seiner Meinung nach offenbar § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG.
Kritisch ist anzumerken, dass der hier vom LAG herangezogene § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG auf einen sehr speziellen Fall zugeschnitten ist, nämlich auf die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags zwischen Zeitarbeitsfirma und Leiharbeitnehmer aufgrund fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 9 Nr.1 AÜG.
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) daher erst vor kurzem entschieden hat, ist § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG nicht auf den Fall anzuwenden, dass der Verleiher einem Kunden Leiharbeitnehmer in gesetzeswidriger Weise dauerhaft überlässt, denn ein solcher Gesetzesverstoß führt als solcher noch nicht dazu, dass die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung entfällt (BAG, Urteil vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/364 Dauerhafte Leiharbeit lässt die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht entfallen).
Unter Berufung auf diese BAG-Rechtsprechung hat daher eine andere Kammer des LAG Baden-Württemberg wenige Wochen später andersherum entschieden, d.h. einen Scheinwerkvertrag als nicht ausreichend für einen Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Schein-Auftraggeber angesehen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014, 3 Sa 33/14).
Fazit: Das zugunsten des Ingenieurs ergangene Urteil des LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2014 (4 Sa 41/14) ist vielleicht in diesem Einzelfall angemessen (denn hier hatten drei verschiedene Vertragsarbeitgeber den Ingenieur während kurzer Zeit hin und her geschoben), lässt sich aber kaum verallgemeinern.
Schließlich muss man auch bedenken, dass die Grenze zwischen echten Werkverträgen und Leiharbeit oft fließend ist, z.B. bei länger dauernden technischen Großaufträgen, die ein Werkunternehmen im Hause eines Kunden durchführt. Dass die beauftragten Unternehmen hier oft vorsorgliche Erlaubnisse zur Arbeitnehmerüberlassung in der Schublade haben, ist noch kein Grund, ihnen einen Werkvertrags-Missbrauch vorzuwerfen. In solchen Fällen stünden sich die Arbeitnehmer oft auch gar nicht besser, wenn man ihnen ein Arbeitgeberwechsel aufzwingen würde.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2014, 4 Sa 41/14
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014, 3 Sa 33/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 17/020 Verlängerung von befristeten Verträgen bei der Zeitarbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 16/295 Kurzfristiger Einsatz von Leiharbeit bremst Mitbestimmung aus
- Arbeitsrecht aktuell: 16/224 Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/198 Wann sind Regalauffüller Arbeitnehmer und wann Selbständige?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/009 Leiharbeit auf Stammarbeitsplätzen ist rechtens
- Arbeitsrecht aktuell: 13/364 Dauerhafte Leiharbeit lässt die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht entfallen
- Arbeitsrecht aktuell: 13/276 Arbeitsvertrag oder Werkvertrag?
- Arbeitsrecht aktuell: 13/263 Scheinwerkverträge bei der Heinrich-Böll-Stiftung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/225 Scheinwerkvertrag und Scheinselbständigkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 13/210 Betriebsrat kann Dauer-Leiharbeit verhindern
- Arbeitsrecht aktuell: 12/390 Kein Einsatz von Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen
- Arbeitsrecht aktuell: 12/349 Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/170 Betriebsrat muss bei Leiharbeit die Namen aller Leiharbeiter kennen
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das LAG Baden-Württemberg seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des LAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 13. November 2020
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