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Wann sind Regalauffüller Arbeitnehmer und wann Selbständige?
24.06.2016. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern ist mit Kündigungsschutz und Sozialabgabenpflicht verbunden. Als Vermeidungsstrategien für "kostenbewusste" Arbeitgeber bieten sich vor allem Leiharbeit und der Einsatz von (Schein-)Werkverträgen an.
Wer auf Soloselbständige setzt, riskiert allerdings, nachträglich zur Kasse gebeten zu werden, wenn sich nämlich herausstellt, dass der freie Dienstvertragsnehmer in Wahrheit ein Scheinselbständiger war.
In einem aktuellen Fall hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass ein nach Arbeitszeit bezahlter Regaleinräumer bzw. "Rack Jobber" ein versicherungspflichtiger Beschäftigter sein kann, auch wenn in einem Rahmenvertrag alles säuberlich festgeschrieben ist, was nach der Rechtsprechung für eine freie bzw. selbständige Tätigkeit spricht: BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R.
- Rack Jobbing, Merchandising und Regalauffüllen kann man als Arbeitnehmer und als (Solo-)Selbständiger machen
- Im Streit: Knapp vierjährige Arbeit als Regalauffüller gegen stundenweise Bezahlung
- BSG: Übernimmt ein Regalbefüller zusätzliche Aufgaben mit höherer Verantwortung, spricht das allein noch nicht gegen eine Beschäftigung mit Beitragspflicht zur Sozialversicherung
Rack Jobbing, Merchandising und Regalauffüllen kann man als Arbeitnehmer und als (Solo-)Selbständiger machen
§ 7 Abs.1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) definiert die zur Sozialversicherungspflicht führende "Beschäftigung" als "nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Anhaltspunkte dafür sind, so das Gesetz weiter, "eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers".
Auf der Grundlage dieser Vorschrift prüfen die Sozialgerichte vor allem, ob der Auftragnehmer selbst über das Wann, Wo und Wie seiner Arbeit entscheiden kann oder ob er dabei Weisungen seines Auftraggebers unterliegt. Außerdem kommt es darauf an, ob er seine eigenen Betriebsmittel benutzt oder die des Auftraggebers. Wichtig ist auch, ob der Auftragnehmer unternehmerische Risiken trägt und dementsprechende Chancen hat, was vor allem dann der Fall ist, wenn er durch Investitionen und/oder persönliches Geschick mehr verdienen und/oder einen eigenständigen Kundenstamm aufbauen kann.
Im Wesentlichen wenden die Sozialgerichte damit ähnliche Checklisten an wie die Arbeitsgerichte, wenn sie zwischen Arbeitsverhältnissen und freier Mitarbeit unterscheiden müssen. Schwierig wird die Anwendung solcher Checklisten, wenn neue Berufsbilder zu beurteilen sind. Einige dieser neuen Berufe sind in den letzten Jahren an der Schnittstelle zwischen Groß- und Einzelhandel entstanden.
Je nachdem, ob dabei anspruchsvolle oder weniger anspruchsvolle Tätigkeiten im Vordergrund stehen, spricht man von Rack Jobbing, Merchandising, Produktplatzierung oder auch schlicht von Regalbefüllung. Und je nachdem, ob diese Arbeiten eher frei oder eher weisungsgebunden ausgeübt werden, liegt eine selbständige Tätigkeit oder ein Beschäftigungsverhältnis vor.
Im März 2015 entschied das BSG in einem Rack-Jobber-Fall, dass kein Beschäftigungsverhältnis gegeben war. Hier musste eine Vertriebskraft in Verbrauchermärkten Original-Handy-Zubehör zum Verkauf platzieren, wobei sie auch für Bestellung und Retouren zuständig war und mit den Markt-Abteilungsleitern Verhandlungen zu führen hatte. Der Rack Jobber verfügte über eine eigene Büroeinrichtung und wurde teils nach der Anzahl der besuchten Märkte, teils nach Umsatz bezahlt (BSG, Urteil vom 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R).
Im November 2015 hatte das BSG wieder über einen Rack-Jobber-Fall zu entscheiden und kam zu einem anderen Ergebnis.
Im Streit: Knapp vierjährige Arbeit als Regalauffüller gegen stundenweise Bezahlung
Im Streitfall war ein Regalbefüller von November 1999 bis August 2003 für einen Handelsdienstleister tätig, und zwar vor Ort in den Läden der Kunden seines Auftraggebers. Über das Ein- und Ausräumen von Produkten hinaus war er angeblich auch mit einigen anspruchsvolleren Tätigkeiten betraut, die allerdings ziemlich "nah dran" an den Regalen blieben. So sollte er "Layout-Prüfungen" vornehmen und - falls nötig - die Regalaufstellungen neu gestalten. Bezahlt wurde er allein nach seinem Zeitaufwand.
Der Tätigkeit des Regalbefüllers lag ein umfangreicher Rahmenvertrag zugrunde, der juristisch fachkundig auf eine angeblich freie Mitarbeit getrimmt war. Dem Rahmenvertrag zufolge war er an Weisungen nicht gebunden und musste nicht persönlich arbeiten, sondern konnte Hilfskräfte einsetzen (wozu es aber nie kam). Außerdem konnte er auch für andere Auftraggeber arbeiten, musste im Falle von Urlaub oder Krankheit für eine Ersatzkraft sorgen usw. Der Rahmenvertrag stellte vorsorglich klar, dass Einzelheiten der Vertragsausführung dem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten seien.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 20.10.2008, S 18 KR 51/05) und das Hessische Landessozialgericht (LSG) entschieden, dass hier ein Fall von freier Mitarbeit vorlag (Urteil vom 14.03.2013, L 8 KR 102/12). Dabei argumentierte das LSG vor allem mit den Regelungen des Rahmenvertrags, die es als ernst gemeint ansah.
BSG: Übernimmt ein Regalbefüller zusätzliche Aufgaben mit höherer Verantwortung, spricht das allein noch nicht gegen eine Beschäftigung mit Beitragspflicht zur Sozialversicherung
Das BSG hob Urteil des LSG auf und verwies den Fall dorthin zurück, damit das LSG den Sachverhalt weiter aufklären kann. Mit der Begründung des LSG war das BSG nicht einverstanden, vor allem nicht damit, dass das LSG den Rahmenvertrag für so wichtig ansah.
Denn bei der Abgrenzung von freier Tätigkeit und Beschäftigung kommt es nicht auf einen Rahmenvertrag, sondern auf die Einzelaufträge an, so das BSG unter Verweis auf seine bisherige ständige Rechtsprechung (z.B. BSG, Urteil vom 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R). Demzufolge müssen die Gerichte prüfen, ob Weisungsabhängigkeit und Eingliederung bei den Einzelaufträgen vorliegen.
Denn aus dem Rahmenvertrag selbst, so die Kasseler Richter, folgten hier keine Arbeits- und Vergütungspflichten, so dass es auch nicht für eine freie Mitarbeit sprach, wenn der Regalbefüller laut Rahmenvertrag "frei" entscheiden konnte, ob er einen Einzelauftrag annehmen wollte oder nicht. Diese Freiheit entspricht der Freiheit desjenigen, der eine Festanstellung als Arbeitnehmer sucht.
Auch die "Aufwertung" der Tätigkeiten des Regalbefüllers im Rahmenvertrag mit (angeblichen) zusätzlichen Aufgaben sprachen hier nach Ansicht des BSG nicht gegen eine abhängige Beschäftigung. Denn auch Führungskräfte und leitende Angestellte können bekanntlich Arbeitnehmer sein. Daher können zusätzliche "verantwortungsvollere" Aufgaben nur dann in Richtung Selbständigkeit zeigen, wenn auch die Bezahlung von den Arbeitserfolgen abhängig ist (was hier nicht der Fall war).
Weiterhin stellt das BSG klar, dass die im Rahmenvertrag festgeschriebene rechtliche Möglichkeit, eigene Mitarbeiter einzusetzen, hier nur theoretisch bestand, da es dazu viel zu wenig zu tun gab. Die Substitutionsmöglichkeit war daher nicht "prägend" für die Tätigkeit des Rack Jobbers hier im Streitfall.
Zum Schluss gibt das BSG noch einen wichtigen Hinweis zu dem Hauptindizien für eine freie unternehmerische Tätigkeit, nämlich zum Unternehmerrisiko und zu der Möglichkeit einer freien Zeiteinteilung: Sind diese Merkmale nur abstrakt in einem Vertrag festgeschrieben, haben sie keine oder nur eine geringe Indizwirkung für eine freie Tätigkeit. Anders ist es dann, wenn Risiko und zeitliche Freiheit dem Auftragnehmer echte Chancen bieten, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen.
Fazit: Ob "Rack Jobber", "Merchandiser" oder Regaleinräumer - die Frage der selbständigen oder abhängigen Tätigkeit hängt weder von der Berufsbezeichnung noch von den Buchstaben eines juristisch optimierten Rahmenvertrags ab, sondern von den konkreten Einzelaufträgen, die abzuarbeiten sind. Hier wiederum hat das BSG die Messlatte für eine freie bzw. nicht versicherungspflichtige Tätigkeit zurecht ziemlich hoch gehängt.
Nähere Informationen zu finden Sie hier:
- Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R
- Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R ("Rack Jobbing")
- Bundessozialgericht, Urteil vom 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R ("telefonische Gesprächspartnerin)
- Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 14.03.2013, L 8 KR 102/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsverhältnis
- Handbuch Arbeitsrecht: Scheinselbständigkeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialversicherungsbeitrag, SV-Beitrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialversicherungspflicht
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
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Letzte Überarbeitung: 2. September 2019
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