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Hessisches LSG, Urteil vom 14.03.2013, L 8 KR 102/12
Schlagworte: | Scheinselbständigkeit, Soloselbständiger, Sozialversicherungspflicht, Weisungsrecht, Arbeitnehmer | |
Gericht: | Hessisches Landessozialgericht | |
Aktenzeichen: | L 8 KR 102/12 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 14.03.2013 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Sozialgericht Frankfurt, Urteil vom 20.10.2008, S 18 KR 51/05 Nachgehend Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R |
|
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der den Beigeladenen entstandenen Kosten zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.11.1999 bis 31.08.2003 streitig.
Die Klägerin ist auf dem Dienstleistungssektor tätig, spezialisiert auf den Retailmarkt. Sie betreibt ein Logistikzentrum, in dem Zubehörteile bzw. Produkte im Auftrag der Herstellerfirmen gelagert und von dort an Großmärkte im Bereich Elektrofachhandel und an Warenhäuser ausgeliefert werden. Sie stellt sich als Bindeglied zwischen Herstellern und Retailern (Einzelhändlern und Wiederverkäufern) dar und bietet ein integriertes Vertriebs-, Merchandising- und Logistikkonzept sowie professionelle Unterstützung im Retailmarkt an (siehe Internet-Auftritt der Klägerin unter www.A.de). Die Dienstleistung der Klägerin besteht in der Sicherstellung der bedarfsgerechten Belieferung von Großmärkten und Warenhäusern. Teil des Dienstleistungsangebots der Klägerin ist ein sog. Rackjobbing (Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung). Dieser Service umfasst nach den Angaben der Klägerin auf ihrer Internetseite:
- Dispositions-Service per Fax OCR Erkennung
- Auftragsübertragung per EDI (Electronic Data Interchange)
- Regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/ Outlets
- Regelmäßige Kontrolle der Bestände
- Regalpflege inkl. der Regaloptimierung
- Layouterstellung für die jeweiligen Sortimente inkl. der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Abverkaufszahlen
- Neueinrichtungen, generelle Umbauten
- Fundierte Zahlen für zukünftige Strategien
- Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen
Der Beigeladene zu 1. hatte seit dem 29.01.1992 ein Gewerbe als selbständiger Handelsvertreter angemeldet und mit der Klägerin am 01.11.1999 einen schriftlichen Vertrag abgeschlossen. Darin war Folgendes vereinbart worden: Der Beigeladene zu 1. solle nach § 1 Abs. 1 des Vertrages für die Klägerin als freier Mitarbeiter zur selbständigen Warengestaltung und – darbietung bzw. Merchandising tätig werden. Er erhalte den Auftrag, in den Geschäftsräumen der Kunden der Klägerin folgende Tätigkeiten zu erbringen: Präsentation der Produkte der Klägerin und ihrer Vertragspartner, a) Sortimentüberwachung, b) Warendisposition, c) Warenplatzierung, d) Preisauszeichnung, e) Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten), f) Layout-Prüfungen, g) Inventuren.
Die Einzelheiten der Vertragsausführung wurden einem jeweiligen Einzelauftrag vorbehalten (§ 1 Abs. 2 des Vertrages). In § 1 Abs. 3 des Vertrages war vereinbart, dass der Beigeladene zu 1. die ihm erteilten Aufträge in eigener Verantwortung ausübe, dabei zugleich die Interessen der Klägerin zu berücksichtigen habe, keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens der Klägerin unterliege, jedoch fachliche Vorgaben der Klägerin zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu beachten habe. Nach § 3 des Vertrages war der Beigeladene zu 1. nicht zur persönlichen Auftragserfüllung verpflichtet. Ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt, die Vertragspflichten auch durch Erfüllungsgehilfen, soweit deren fachliche Qualifikation sicher gestellt sei, zu erfüllen. Des Weiteren war bestimmt, dass er das Recht habe, einzelne Aufträge ohne Begründung abzulehnen (§ 4 des Vertrages). Der Beigeladene zu 1. war berechtigt, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden. Sofern es sich dabei um Wettbewerber der Klägerin handelte, bedurfte es der vorherigen Zustimmung der Klägerin (§ 5 des Vertrages). Die Bestimmung des Orts der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sollte in dem jeweiligen Einzelauftrag erfolgen (§ 6 des Vertrages). Laut Vertrag war ein Stundenhonorar in Höhe von 24,00 DM zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer vorgesehen. Dabei war vorgegeben, dass die Abrechnung auf 5 Minuten genau (§ 7 Abs. 1 des Vertrages) und wöchentlich auf einem besonderen Formular zu erfolgen habe. Der Beigeladene zu 1. verpflichtete sich zur Tragung der Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstiger im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit anfallender Kosten (§ 8 des Vertrages). Die Gewährung von Urlaub und Zahlung eines festen Lohns, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstunden bzw. sonstige Sozialleistungen waren vertraglich ausgeschlossen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages). Der Beigeladene zu 1. war vielmehr verpflichtet, während Urlaub und Krankheit die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherzustellen bzw. im Verhinderungsfall unverzüglich die Klägerin zu informieren (§ 9 Abs. 2 des Vertrages). Eine Haftung des Beigeladenen zu 1. für Schäden, die er bzw. seine Mitarbeiter im Rahmen der vertraglichen Aufgabenerfüllung der Klägerin zufügten, war vereinbart (§ 11 des Vertrages). Nach § 12 Abs. 1 des Vertrages bestätigte der Beigeladene zu 1. der Klägerin, dass er auch für andere Auftraggeber tätig sei und verpflichtete sich zur Mitteilung, falls dies nicht mehr zutreffe und die Klägerin seine einzige Auftraggeberin geworden sei. Weiter oblag es dem Beigeladenen zu 1. nach diesem Vertrag, der Klägerin zu jedem Quartalsende den prozentualen Anteil der anderen Auftraggeber an seinem Gesamtgewinn mitzuteilen. Er verpflichtete sich des Weiteren (§ 12 Abs. 2 und 3 des Vertrages), vor Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Gewerbeanmeldung vorzulegen sowie seine Selbständigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung des Sozialversicherungsträgers nachzuweisen und seine Steuernummer für die Einkommens- und Umsatzsteuer mitzuteilen. In § 13 des Vertrages hieß es, der Beigeladene zu 1. verpflichte sich für den Fall, dass eine "Scheinselbständigkeit" durch den Sozialversicherungsträger oder die Finanzbehörden festgestellt werde, die daraus für die Klägerin resultierenden Nachforderungen unbeschränkt und zeitlich unbefristet auszugleichen. Nach § 14 Abs. 1 des Vertrages bedurften Ergänzungen und Änderungen des Vertrages der Schriftform.
Am 21.02.2003 beantragte der Beigeladene zu 1. bei der Funktionsvorgängerin der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status für die Tätigkeit als Merchandiser und Rackjobber in dem Sinne, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Dabei gab er u.a. an, er sei neben der Klägerin für zwei weitere Auftraggeber tätig; er beschäftige keinen Arbeitnehmer, unterliege keinen Weisungen und sei in seinem unternehmerischen Handeln frei. Auch trage er allein das unternehmerische Risiko.
Die Beklagte hörte die Klägerin zur beabsichtigten Feststellung, der Beigeladene zu 1. sei für diese sozialversicherungspflichtig tätig, an. Die Klägerin legte hierauf einen vom Beigeladenen zu 1. ausgefüllten Fragebogen (ohne Datum) vor. Darin gab dieser an, aus der Tätigkeit für die Klägerin erwirtschafte er 50 % seines Gesamtumsatzes. Er sei für vier weitere Auftraggeber tätig. Er unterhalte außerhalb seiner Wohnung keine Betriebsstätte. Für seine Tätigkeit nutze er seinen Pkw, PC sowie ein eigenes Telefax- und Handygerät. Er habe keine weiteren Investitionen für seine Tätigkeit unternommen. Auch werbe er nicht für seine Tätigkeit.
Die Beklagte stellte mit in der Sache identischen Bescheiden vom 18.08.2003 gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. fest, Letzterer sei aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin sozialversicherungspflichtig.
Dagegen erhob die Klägerin am 17.09.2003 Widerspruch und führte dazu aus, bereits das zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragsverhältnis zeige, dass der Beigeladene zu 1. für sie im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit arbeite. Dies werde auch durch die praktische Umsetzung des Vertrages bestätigt.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 02.01.2005 als unbegründet zurück.
Die Klägerin erhob am 28.01.2005 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie trug vor, der Beigeladene zu 1. sei vom 01.11.1999 bis zum 31.08.2003 für sie tätig gewesen. Ihm habe insbesondere die Präsentation und Disposition der Produkte, die Warenplatzierung, der Regalservice sowie die Layout-Prüfung und Inventur vor Ort in den von ihr betreuten Handelsmärkten oblegen. Er sei in der Festlegung seiner Besuche im Rahmen seines Besuchszyklus völlig frei gewesen. Der Zugang zu seinen Einsatzorten sei lediglich durch die normalen Öffnungszeiten der Handelsmärkte beschränkt gewesen. Auch sei der Beigeladene zu 1. in ihre betriebliche Organisation nicht eingebunden gewesen.
Das Sozialgericht hörte den Beigeladenen zu 1. in der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2008 persönlich an. Dieser gab dabei an, er habe die Aufträge der Klägerin in der Weise erhalten, dass er sich mit dem Bezirksleiter im jeweiligen Markt getroffen habe. Aufträge habe er übernommen, wenn er Zeit gehabt hätte, diese auszuführen. Da er auch andere Auftraggeber gehabt habe, habe er nicht jeden Auftrag der Klägerin übernehmen können. In der streitigen Zeit sei er nicht krank gewesen. Im Krankheitsfall wäre es ihm jedoch möglich gewesen, den Marktleiter anzurufen und mit diesem zu klären, dass die Arbeit erst ein oder zwei Tage später ausgeführt werde. Im Falle einer längeren Verschiebung der Ausführung seiner Tätigkeiten, hätte der Händler diese selbst ausführen müssen. Zu den Umständen der Kündigung des Vertrags mit der Klägerin hat der Beigeladene ausgeführt, er habe zuletzt nur noch ein oder zwei Märkte zu betreuen gehabt. Auch sei die Klägerin der Auffassung gewesen, er habe zu lange gebraucht, um die Arbeiten auszuführen.
Das Sozialgericht gab mit Urteil vom 20.10.2008 der Klage statt. Es hob den an die Klägerin gerichteten Bescheid der Beklagten vom 18.08.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12.01.2005 auf und stellte fest, dass der Beigeladene zu 1. im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin vom 01.11.1999 bis zum 31.08.2003 nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte habe zu Unrecht eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV festgestellt. Eine abhängige Beschäftigung sei nach § 7 Abs. 1 SGB IV eine nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dem vorliegenden Vertrag sei der Wille der Vertragsparteien zu entnehmen, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen. Diesem Willen komme indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspreche und durch weitere Aspekte gestützt werde. Der Beigeladene zu 1. habe keinen Weisungs- und Direktionsrechten der Klägerin unterlegen. Er habe keinen Anspruch auf Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehabt. Er sei zur selbständigen Rechnungsstellung verpflichtet gewesen und habe für Schäden gehaftet, die die Klägerin bei der Vertragserfüllung durch ihn erlitten habe. Er habe sich eines Erfüllungsgehilfen bedienen und Aufträge ohne Angabe von Gründen ablehnen können. Entsprechend diesen vertraglichen Regelungen sei auch die tatsächliche Abwicklung und Ausführung der Aufträge erfolgt. Die Vorgabe gewisser Eckpunkte im Rahmen einer Auftragsdurchführung führe nicht zu einer Weisungsgebundenheit im Sinne einer persönlichen Abhängigkeit. Die Gesamtheit der Umstände spreche mehr gegen als für eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin. Er habe im Krankheitsfall nicht die Klägerin, sondern den Marktleiter informiert, um abzuklären, ob die Ausführung des Auftrags um kurze Zeit verschoben werden könne. Auch habe der Beigeladene zu 1. ein Unternehmerrisiko getragen. Er habe eine Stundenvergütung zzgl. Umsatzsteuer erhalten, eine Vergütung im Urlaubsfall- bzw. Krankheitsfall sei nicht vorgesehen gewesen. Sei ein Auftrag entfallen, so habe er einen Honorarausfall erlitten. Dies entspreche dem typischen Bild eines Werk- oder Dienstvertrages (Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 3 KR 2/98 R – juris). Dem unternehmerischen Risiko des Beigeladenen zu 1. habe auch ein Gestaltungsspielraum gegenüber gestanden. Er habe einzelne Aufträge der Klägerin ohne Angabe von Gründen ablehnen dürfen.
Gegen das ihr am 29.12.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.01.2009 Berufung eingelegt. Sie hat zunächst vorgetragen, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin habe der Tätigkeit eines Regalauffüllers entsprochen und damit die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung erfüllt. Sowohl das Landessozialgericht Schleswig-Holstein, als auch das Hessische Landessozialgericht und das Landesssozialgericht Niedersachsen-Bremen hätten solche Tätigkeiten als sozialversicherungspflichtig angesehen. Auch zeigten die Angaben des Beigeladenen zu 1. in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts, dass er bei der zeitlichen Gestaltung der Ausführung seiner Aufträge nicht frei gewesen sei und kein unternehmerisches Risiko getragen habe.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 12.11.2009 auf die neue Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) in dessen Urteilen vom 11.03.2009 (Az.: B 12 R 11/07 R) und 04.06.2009 (B 12 R 6/08 R) zur Unzulässigkeit einer sog. Elementenfeststellung im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV hingewiesen. Im Senatstermin zur mündlichen Verhandlung vom 26.11.2009 haben die damaligen Beteiligten (Klägerin, Beklagte und Beigeladener zu 1.) im Hinblick auf die neue höchstrichterliche Rechtsprechung einvernehmlich die Anordnung des Ruhens des Streitverfahrens beantragt. Sie waren sich darüber einig, dass seitens der Beklagten weitere Ermittlungen notwendig sind und die Klägerin sowie der Beigeladene zu 1. hierfür weitere Unterlagen bereitstellen werden. Der Senat hat hierauf mit Beschluss vom 26.11.2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Die Beklagte hat sodann mit Schriftsatz vom 26.03.2010 mitgeteilt, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1. trotz mehrfacher Aufforderung die benötigten Unterlagen nicht vorgelegt hätten. Mit Schriftsatz vom 11.06.2010 hat sodann die Beklagte die Wiederaufnahme des ruhend gestellten Verfahrens beantragt (worauf das Verfahren das Az.: L 8 KR 167/10 WA erhielt) und zugleich die Durchführung eines Mediationsverfahrens angeregt. Die damaligen weiteren Beteiligten haben sich dem angeschlossen. Hierauf ist mit Beschluss vom 01.11.2010 das erneute Ruhen des Verfahrens zur Durchführung der Mediation angeordnet worden. Der gerichtliche Mediator hat die Akten am 05.03.2012 an den Senat mit der Feststellung zurückgegeben, dass die Mediation ergebnislos verlaufen sei. Hierauf ist das Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen L 8 KR 102/12 fortgeführt worden.
Der Senat hat dem Beigeladenen zu 1. aufgegeben, die von ihm im Zeitraum 01.11.1999 bis 31.08.2003 an die Klägerin gerichteten Rechnungen vorzulegen. Dieser hat hierauf mit Schreiben vom 07.08.2012 mitgeteilt, er habe die angeforderten Rechnungskopien und Einsatzlisten vor ein paar Jahren entsorgt. Die Klägerin hat dem Senat auf dessen Aufforderung einen Aktenordner mit Abrechnungsunterlagen zum Beigeladenen zu 1. aus dem Zeitraum November 1999 bis August 2003 übermittelt. Der Aktenordner enthält insbesondere die von dem Beigeladenen zu 1. an die Klägerin gerichteten Rechnungen. Diese weisen für jeden Einsatztag in einem Markt das Besuchsdatum und die Besuchsdauer minutengenau aus.
Nach Auswertung dieser Unterlagen hat die Beklagte mit inhaltlich gleichlautenden an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheiden vom 24.09.2012 (Bl. 344, 346 Gerichtsakte) den Bescheid vom 18.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 dahingehend abgeändert, dass für die in der vom 01.11.1999 bis 31.08.2003 ausgeübten Beschäftigung im Bereich Regalservice bei der A. GmbH Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 SGB XI), der Rentenvericherung (§ 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) besteht. Aus den vorliegenden Unterlagen ergäben sich keine Tatbestände, die die Versicherungsfreiheit begründeten oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung ausschlössen.
Der Senat hat den Beteiligten noch das Protokoll aus dem Erörterungstermin vom 08.03.2012 in dem Parallelrechtsstreit der Klägerin L 8 KR 69/10 WA übermittelt. In jenem Rechtsstreit war ebenfalls der versicherungsrechtliche Status einer Auftragnehmerin der Klägerin, die im Zeitraum 01.11.1999 – 30.04.2003 im Bereich Verkaufsförderung/Regalservice tätig war, streitig. In dem Erörterungstermin wurden die Auftragnehmerin persönlich gehört und ein weiterer Auftragnehmer der Klägerin als Zeuge vernommen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat mit Einverständnis der Beteiligten das hiesige Verfahren sowie zwei weitere Klagen (L 8 KR 69/10 WA, L 8 KR 249/11) der Klägerin gegen Statusfeststellungsbescheide der Beklagten zur Tätigkeit zweier weiterer Auftragnehmer gemeinsam verhandelt. Im Verfahren L 8 KR 69/10 WA hat die Beklagte ihre Berufung gegen das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil zurückgenommen. In dem von der Klägerin geführten Berufungsverfahren L 8 KR 249/11 hat die Beklagte ihre angefochtenen Statusfeststellungsbescheide zurückgenommen und festgestellt, dass der Auftragnehmer der Klägerin in seiner seit dem 01.09.2002 im Bereich Rack-Jobbing, Regalservice, Merchandising ausgeübten Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. In beiden Verfahren hatten die beigeladenen Auftragnehmer der Klägerin Familienmitglieder oder eigene Mitarbeiter eingesetzt, um ihre gegenüber der Klägerin eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.
Die Beklagte beantragt im hiesigen Verfahren,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20.10.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte in Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da diese hierauf in der Terminsmitteilung hingewiesen worden war. Dabei war die Beigeladene zu 3. auch in ihrer Funktion als mögliche Beitragseinzugsstelle, die nach § 1 Abs. 3 SGB XI auch für die Wahrnehmung der Aufgaben der bei ihr eingerichteten Pflegekasse zuständig ist, beigeladen worden.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 18.08.2003 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.01.2005 sind rechtswidrig, denn der Beigeladene zu 1. war in der streitgegenständlichen Zeit vom 01.11.1999 bis 31.08.2003 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis für die Klägerin tätig.
Einer zusätzlichen förmlichen Aufhebung der im Berufungsverfahren ergangenen Bescheide der Beklagten vom 24.09.2012 bedurfte es nicht. Diese sind zwar nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden. Denn in diesen Bescheiden ändert die Beklagte die vorausgegangen Bescheide in der Fassung der Widerspruchsbescheide ab, in denen sie das Element "abhängige Beschäftigung" isoliert festgestellt hatte, und konkretisiert die von ihr im Statusfeststellungsverfahren getroffene Feststellung weiter. Mit den neuen Bescheiden vom 24.09.2012 hat die Beklagte der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11. März 2009 - B 12 R 11/07 R – SozR 4-2400 § 7a Nr. 2 = BSGE 103, 17-27; Urteile vom 4. Juni 2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr. 3 und B 12 KR 8/08 R - USK 2009-72 - juris) Rechnung getragen, nach der eine isolierte Feststellung einer abhängigen Beschäftigung nicht zulässig ist. Die in den Ergänzungsbescheiden getroffene Feststellung geht nicht dahin, dass die Ausgangsbescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide in ihren Grundaussagen zur sozialversicherungsrechtlichen Bewertung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1.) für die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum revidiert werden. Die Bescheide vom 24.09.2012 stellen letztlich nur klar, dass die getroffenen Feststellung, es habe ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, hier in concreto bedeutet, dass für diese Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat (vgl. Hessisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 17. Dezember 2009 - L 8 KR 245/07 - juris; LSG Berlin - Brandenburg, Urteil vom 24. März 2010 - L 9 KR 13/08 - juris; LSG Rheinland - Pfalz, Urteil vom 31. März 2010 - L 6 R 3/09 - juris; Sozialgericht Berlin, Urteil vom 22. April 2010 - S 36 KR 2638/08 - juris). Mit der vom Sozialgericht zu Recht vorgenommenen Aufhebung der Ausgangsbescheide sind die Ergänzungsbescheide der Beklagten vom 24.09.2012, die gerade an diesen vorausgegangenen Bescheiden anknüpfen, gegenstandslos geworden. Dies bedurfte keines förmlichen Ausspruches im Tenor.
Die Entscheidung der Beklagten stützt sich auf § 7a SGB IV, wonach bei der Beklagten bzw. ihrer Funktionsvorgängerin eine Entscheidung darüber beantragt werden kann, ob eine Beschäftigung vorliegt, die Voraussetzung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung ist. Die Beklagte ist dabei in ihren Widerspruchsbescheiden, die nahezu 18 Monate nach Beendigung der streitigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ergangen sind, zu Recht davon ausgegangen, dass ein Statusverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch für ein bereits beendetes Auftragsverhältnis noch durchgeführt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2009 – B 12 KR 31/07 R).
Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Vorgaben gilt dabei Folgendes:
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach den Recht der Arbeitsförderung der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV bzw. seit 1.1.1999 § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (eingefügt erst mit Wirkung vom 1.1.1999 durch Art. 1 Nr. 1 Buchst a, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl. I 2000 S. 2) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, wobei angesichts veränderter gesellschaftlicher und technischer Rahmenbedingungen, innerhalb derer eine Erwerbstätigkeit heute ausgeübt wird, das Kriterium der "Weisungsabhängigkeit" deutlich an Konturen verliert. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen (vgl. BAG, Urteil vom 20.01.2010, Az.: 5 AZR 99/09, Rn. 13 zu insoweit identischen Abgrenzungskriterien eines Arbeitsverhältnisses). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. Urteile des BSG vom 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, BSGE 45, 199 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8, vom 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20, vom 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5, vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45 und vom 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
Maßgeblich ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2007 a.a.O.).
Neben dem Vertragsverhältnis ist insbesondere wesentlich, ob sich die zu beurteilende Tätigkeit im Rahmen einer Eingliederung in eine fremd vorgegebene Arbeitsorganisation vollzieht, innerhalb derer die Tätigkeit in einem "übergeordneten Organismus" erbracht wird. Unter Eingliederung kann dabei die "( ) abstrahierte und verstetigte, also institutionalisierte Weisungsunterworfenheit" verstanden werden (vgl. zum Vorstehenden Segebrecht in: Juris PK-SGB IV, § 7 Rz. 103 ff. unter Auswertung der Beiträge von: Bieback, Sozialer Fortschritt 1999, 166; Neumann, NZS 2001, 14). Für eine selbständige Tätigkeit spricht demgegenüber insbesondere, wenn die betreffende Person für ihre Tätigkeit eigenes Kapital, Arbeit, Geld oder sonstige Vermögenswerte mit dem Risiko ihres Verlustes (unentgeltliche Arbeit) einsetzt, ob sie mithin selbst das Unternehmerrisiko zumindest in erheblichem Umfange mit trägt. Ein wesentliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist die Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung. Bei abhängiger Beschäftigung ist die Arbeitsleistung in aller Regel durch den Verpflichteten selbst zu erbringen und die Einschaltung Dritter, also von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen, nicht vorgesehen (§ 613 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -). Im Falle der Arbeitsverhinderung ist es Sache des Geschäftsherrn und nicht des Beschäftigten, für eine Vertretung zu sorgen. Demgegenüber stellt die Möglichkeit, Arbeiten laufend durch eigenes Personal – also nicht höchstpersönlich - erledigen lassen zu können und besonders die mit der Beschäftigung eigener Arbeitnehmer einhergehende Übernahme von Arbeitgeberpflichten einen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit dar. Mit der Einstellung von Personal sind unabhängig von der Auftragslage laufende Ausgaben und wirtschaftliche Verpflichtungen verbunden, die das Risiko in sich bergen, Kapital mit dem Risiko eines Verlustes einzusetzen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung - wie bereits das Sozialgericht - zu der Auffassung gelangt, dass vorliegend die für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Umstände überwiegen. Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung ist zunächst der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. unter dem Datum vom 01.11.1999 abgeschlossene Vertrag. Bei diesem handelt es sich um einen Rahmenvertrag, da sich nach dessen § 1 Abs. 2 die Einzelheiten der Vertragsdurchführung nach dem jeweiligen Einzelauftrag bestimmen, mithin der Vertrag die rechtliche Grundlage für die einzelnen mit jeder Auftragsannahme begründeten Rechtsverhältnisse darstellt. Der Rahmenvertrag enthält überwiegend für eine selbständige Tätigkeit sprechende Regelungen. Dies dokumentiert sich darin, dass der Beigeladene zu 1. mit der Bezeichnung Firma C. aufgeführt und im Weiteren als freier Mitarbeiter bezeichnet wird. Ihm wird das Recht zugestanden, einzelne Aufträge des Auftraggebers ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Auch ist dem Beigeladenen zu 1. in § 5 des Vertrages das Recht eingeräumt worden, auch für dritte Auftraggeber tätig zu werden. Ferner sind Ansprüche des Beigeladenen zu 1., wie sie typischerweise Arbeitnehmern im Rahmen eines Arbeitsvertrages zustehen, ausdrücklich ausgeschlossen worden. Nach § 9 des schriftlichen Vertrages hat der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber keinen Anspruch auf Urlaub, festen Lohn, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstundenvergütungen oder sonstige Leistungen, vielmehr ist dem Auftragnehmer vorgegeben worden, auch bei Urlaub oder Krankheit die ordnungsgemäße Abwicklung des Auftrages sicherzustellen. Für eine Selbständigkeit spricht weiter der in § 1 Abs. 1 sowie § 13 des Vertrages zum Ausdruck kommende Parteiwille der Vertragschließenden, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. eine selbständige in Form der freien Mitarbeiterschaft sein soll. Hinzu kommen die Vorgaben an den Beigeladenen zu 1., die Anmeldung eines selbständigen Gewerbebetriebes beim Gewerberegister und beim zuständigen Finanzamt nachzuweisen sowie gegenüber der Klägerin zu belegen, dass er nicht nur für sie, sondern auch für andere Auftraggeber tätig ist. Auch die Regelung in § 12 Abs. 3 des Vertrages, wonach es dem Beigeladenen zu 1. obliegt, unter anderem ordnungsgemäße Umsatzsteuererklärungen abzugeben sowie für seine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen, stehen mit dem Typus eines herkömmlichen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne eines Arbeitsvertrages nicht in Einklang.
Einem im Vertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingehen zu wollen, kommt – wie bereits das Sozialgericht erkannt hat - jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbständiger Basis hier nur formal vereinbart wurde, sind für den Senat nicht ersichtlich. Der Beigeladene zu 1. hat in seiner persönlichen Anhörung vor dem Sozialgericht ausgeführt, dass er schon vor seiner Tätigkeit für die Klägerin als freier Mitarbeiter selbständig tätig gewesen sei. Er hat weiter ausgeführt, dass er während seiner Tätigkeit für die Klägerin auch noch für die Firma XY. Shopservices und für andere Firmen tätig gewesen sei. Er hat dies im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch belegt durch Überreichung eines Heftes mit Originalunterlagen über seine Tätigkeiten für andere Auftraggeber. Weiter hat der Beigeladene zu 1. glaubhaft dargelegt, dass er wegen seiner Tätigkeit für andere Firmen tatsächlich auch nicht immer jeden ihm von der Klägerin angebotenen Auftrag ausführen konnte und deshalb Auftragsübernahmen abgelehnt hat. Dies belegt, dass es sich insbesondere bei den in § 4 und § 5 des Vertrages vom 01.11.1999 fixierten Vereinbarungen um ernsthaft gewollte und auch praktizierte Regelungen handelte und diese nicht nur zum Zwecke der Erweckung des Anscheins, es sei kein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden, aufgenommen wurden. Dass der Beigeladene zu 1. nicht verpflichtet war, jederzeit für die Erledigung von Aufträgen der Klägerin zur Verfügung zu stehen und nicht nur die theoretische Möglichkeit hatte, Aufträge der Klägerin abzulehnen, sondern dies tatsächlich auch praktiziert hat, spricht gegen seine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin.
Der Beigeladene zu 1. hatte nicht den Status sogenannter Abrufkräfte, die gehalten sind, für einen Betrieb nach dessen Einsatzplänen tätig zu werden. Die Freiheit, Einzelaufträge anzunehmen oder abzulehnen, stellt ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar, sofern dem Auftragnehmer ein nennenswerter Gestaltungsfreiraum verbleibt. Hier kann zumindest festgehalten werden, dass die Klägerin nicht jederzeit über die Arbeitsleistung des Beigeladenen zu 1. verfügen konnte.
Entsprechendes gilt für die in § 3 des Vertrages enthaltene Regelung, der Beigeladene zu 1. sei nicht verpflichtet, jeden Auftrag höchstpersönlich auszuführen und könne Erfüllungsgehilfen einsetzen. Dass die Klägerin tatsächlich ihren Auftragnehmern ermöglichte, die von diesen übernommenen Arbeiten an Dritte zu delegieren, also diese auch Aufträge an andere Gewerbetreibende weitergeben konnten, hat sich in den beiden mit den hiesigen Verfahren mitverhandelten Berufungssachen L 8 KR 249/11 und L 8 KR 69/10 WA bestätigt. Die darin beigeladenen Auftragnehmer hatten Dritte als sogenannte Subunternehmer eingesetzt, um die gegenüber der Klägerin übernommenen Aufgaben in den von ihnen zu betreuenden Märkten und Retailern auszuführen. Sie hatten hierdurch die Möglichkeit, die Differenz zwischen dem ihnen von der Klägerin gewähren Vergütungssatz und dem von ihnen an ihre Subunternehmer bzw. von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer gezahlten Entgelt als unternehmerische Vergütung zu vereinnahmen. Auch wenn aus dem Recht, einen Vertreter zu stellen, nicht (allein) die Selbständigkeit abgeleitet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 38/02 R – Juris, Rz. 33), ist doch für die abhängige Beschäftigung die persönliche Dienstleistung die Regel. Dementsprechend kann die Befugnis, übernommene Tätigkeiten durch Dritte ausführen zu lassen, als gewichtiges Argument für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit gelten (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.08.2007 – L 11 (8) R 196/05; Segebrecht, a.a.O., § 7 Rz. 117, Stichwort Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals; andere Auffassung: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.03.2012, L 1 KR 118/09 – Juris, Rz. 31 f.). Allein der Umstand, dass es dem Beigeladenen zu 1., anders als den Auftragnehmern der Klägerin in den Parallelverfahren L 8 KR 69/10 WA und L 8 KR 249/11, mangels Auftragsvolumen nicht gelungen ist, Aufträge an andere Gewerbetreibende weiterzugeben, spricht nicht dafür, der ihm durch § 3 des Vertrages vom 01.11.1999 eingeräumten Delegationsbefugnis den bloßen Charakter einer Formalberechtigung zuzuweisen und diese nicht als Indiz für eine selbständige Tätigkeit zu werten.
Bei den von dem Beigeladenen zu 1. übernommenen Aufgaben handelte es sich, wie sich aus § 1 des Vertrages vom 01.11.1999 entnehmen lässt, nicht um klassische Regalauffülltätigkeiten, die typischerweise in abhängiger Beschäftigung ausgeführt werden, weil sie keine oder nur wenig Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheiten eröffnen und regelmäßig von einer Einbindung in fremde Betriebsabläufe geprägt sind. Dementsprechend kann nicht von einem reinen Outsourcing hergebrachter Arbeitnehmertätigkeiten ausgegangen werden. Die Aufgaben der Auftragnehmer der Klägerin erschöpften sich nicht in der Vornahme von Preisauszeichnungen und der Auffüllung von vorgegebenen Regalplätzen nach erfolgtem Warenabverkauf. Im Gegensatz zu reinen Regalauffüllern oblag es den Auftragnehmern der Klägerin zusätzlich, über die Präsentation der Produkte der Vertragspartner der Klägerin zu entscheiden und dementsprechend Layout-Prüfungen durchzuführen und gegebenenfalls Neugestaltungen der Regalaufstellung vorzunehmen. Die klassische Tätigkeit des bloßen Regalauffüllers wurde durch gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente ergänzt. Diese Entwicklung ist neuen Warenabsatzstrategien geschuldet, die die Rechtsbeziehungen zwischen den Herstellern der Waren und den Märkten, die deren Waren anbieten, verändern. Insbesondere Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten sind dazu übergegangen, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern zu überlassen. Die neuere Entwicklung, auf die das Geschäftsmodell der Klägerin aufbaut, geht dahin, dass die Warenproduzenten mit einzelnen Verbrauchermärkten vertraglich festlegen, welche Verkaufs- bzw. Regalflächen ihnen von dem jeweiligen Retailer zur Verfügung gestellt werden. Die Warenproduzenten setzen sodann gehäuft spezielle Dienstleister, zu denen auch die Klägerin gehört, ein, um ihre Waren zeitnah und umsatzoptimiert in den Märkten mit den ausgewählten Regalflächen zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren (vgl. die Darstellung dieser neueren Warenabsatzformen im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichtes vom 08.01.2009 – L 5 R 80/08). Damit obliegt es den von der Klägerin eingesetzten Auftragnehmern, zusätzlich zu dem Bestücken von Regalflächen auch die Warendarstellung/Warenpräsentation zu prüfen und gegebenenfalls mit dem Ziel steigender Umsätze zu optimieren. Der Aufgabenkreis wird somit um gewisse gestalterische Elemente erweitert und von dem mechanischen Ein- oder Ausräumen von Produkten abgehoben. Dass die in § 1 des Vertrages vom 01.11.1999 aufgeführten (gehobenen) Tätigkeiten von den einzelnen Auftragnehmern bzw. den von diesen eingesetzten Erfüllungsgehilfen auch tatsächlich zu erbringen sind, hat die in dem Parallelrechtsstreit der Klägerin L 8 KR 69/10 WA durchgeführte Anhörung der dortigen Beigeladenen zu 1. und die durchgeführte Zeugenvernehmung bestätigt.
Aus der Ausgestaltung der aufgezeigten neuen Formen des Warenabsatzes ergibt sich folgerichtig, dass die Auftragnehmer der Klägerin die von ihnen übernommenen Tätigkeiten in einem zeitlichen Rahmen, der durch den Warenwirtschaftsturnus und den regelmäßigen Warenabverkauf bestimmt ist, erfüllen müssen und dass die Tätigkeit zwangsläufig in den zu betreuenden Verbrauchermärkten zu erbringen ist. Diese Rahmenbedingungen lassen jedoch nach Überzeugung des Senats nicht per se auf eine abhängige Beschäftigung schließen. Sie sind der Natur der Tätigkeit geschuldet und nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin.
Der Senat übersieht nicht, dass vorliegend durchaus auch Anknüpfungspunkte vorhanden sind, welche für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. sprechen. Dies gilt insbesondere für den Vergütungsmodus, der ein Stundenhonorar und eine auf fünf Minuten genaue Abrechnung vorsieht. Hiermit im Zusammenhang steht, dass sich der Beigeladene zu 1. seine jeweiligen Tätigkeitszeiten in den einzelnen von der Klägerin betreuten Märkten von den Marktleitern bzw. deren Vertretern bestätigen lassen musste. Allerdings relativiert sich dieser Umstand dadurch, dass auch viele Selbständige ihre Tätigkeit nach Stundensätzen abrechnen insoweit Aufzeichnungen über ihren zeitlichen Einsatz vorlegen. Davon, dass der Beigeladene zu 1. keinerlei Einfluss auf die Höhe seiner Vergütung – sieht man von der Ausweitung seiner Tätigkeitszeiten ab – nehmen konnte, kann nach Überzeugung des Senates nicht ausgegangen werden. Er hatte jedenfalls die Möglichkeit, durch die Auswahl der von ihm zu betreuenden Märkte in autonomer Entscheidung seinen Zeiteinsatz im Hinblick auf Anfahrtszeiten so zu steuern, dass eine Optimierung seiner Vergütung eintreten konnte.
Der Beigeladene zu 1. zählt damit als sog. Solo-Selbständiger zu der soziologisch ausgemachten Gruppe der kleinen Selbständigen (vgl. hierzu und im Folgenden ausführlich Waltermann, Welche arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen empfehlen sich im Hinblick auf die Zunahme Kleiner Selbständigkeit, RdA 2010, 162 ff.; die Abhandlung Waltermanns ist der ausgegliederte Teil des von ihm für den 68. Deutschen Juristentag erstatteten Gutachtens zum Verhandlungsthema "Abschied vom Normalarbeitsverhältnis? – Welche arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen empfehlen sich im Hinblick auf die Zunahme neuer Beschäftigungsformen und die wachsende Diskontinuität von Erwerbsbiographien;" weitere instruktive Analysen zum Thema Neue Selbständigkeit finden sich bei: Ruland, ZRP 2009, 165, 167; Kreikebohm, NZS 2010, 184, 186; direkt mit dem Gutachten von Waltermann setzen sich auseinander: Giesen, NZS 2010, 473, 478; Joussen, JZ 2010, 812, 819). Der Unterschied dieser Selbständigkeitsformen beim Vergleich mit den klassischen Spielarten der Selbständigkeit besteht darin, dass ihre Akteure überwiegend im Dienstleistungssektor und dabei im Wesentlichen ohne Einsatz sächlicher Produktionsmittel tätig sind. Ein guter Teil dieser kleinen Selbständigen hat keinen oder nur einen kleinen eigenen ausdifferenzierten Kundenkreis. Er ist regelhaft nur für einen oder zwei Auftraggeber tätig und damit nur bedingt "marktorientiert".
Häufig werden – wie vorliegend - Vertragsgestaltungen mit den Auftraggebern gewählt, die sich an den Typus von Dienst- und Werkverträgen, Geschäftsbesorgungs- oder Auftragsbeziehungen anlehnen. Aus rein rechtlicher Sicht besteht dann Weisungsunabhängigkeit und keine persönliche Unterordnung im Verhältnis zum Auftraggeber. Indessen sind so als kleine Selbständige auftretende Auftragnehmer vielfach von nur ein oder zwei Vertragsparteien wirtschaftlich in einer Weise abhängig, wie dies bei einem Arbeitnehmer im Verhältnis zu dessen Arbeitgeber vorzufinden ist. Die wirtschaftliche und soziale Situation der kleinen Selbständigen ähnelt damit in vielerlei Hinsicht der von Personen, die in abhängiger Beschäftigung stehen (vgl. Waltermann, a.a.O. S. 167). Es ist jedoch Sache des Gesetzgebers, dieser vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit der kleinen Selbständigen Rechnung zu tragen und sie gegebenenfalls in die Sozialversicherung (gegebenenfalls in einzelne Zweige der Sozialversicherung) einzubeziehen. Nach geltendem Rentenversicherungsrecht sind Solo-Selbständige, die nicht den Berufgruppen des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 - 8 SGB IV unterfallen, nach Nr. 9 dieser Vorschrift nur dann versicherungspflichtig, wenn sie auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (Buchst. b; zum Vorschlag, dieses Tatbestandsmerkmal zu streichen s. Waltermann a.a.O., S. 170). Da der Beigeladene zu 1. in dem streitgegenständlichen Zeitraum für mehrere Auftraggeber selbständig tätig war, sind auch diese Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keine eigenen Anträge gestellt und das Verfahren nicht besonders gefördert haben (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Zulassung der Revision stützt sich auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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