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SG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.10.2008, S 18 KR 51/05
Schlagworte: | Arbeitnehmer, Selbstständiger | |
Gericht: | Sozialgericht Frankfurt am Main | |
Aktenzeichen: | S 18 KR 51/05 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 20.10.2008 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Sozialgericht Frankfurt am Main
Urt. v. 20.10.2008, Az.: S 18 KR 51/05
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 18.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass Herr C. im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin vom 01.11.1999 bis 31.08.2003 nicht abhängig beschäftigt war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen während seiner Tätigkeit für die Klägerin.
Die Klägerin ist ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich Retail Service. Sie fungiert als Bindeglied zwischen Herstellern aus der Computer- und Elektrobranche und den Verkäufern an den Endkunden (sog. Retailer, z.B. Karstadt, MediaMarkt). Die Klägerin bietet z.B. die Vertriebsunterstützung an, die laut Internetauftritt (www.xyz.de) derzeit 40 Mitarbeiter umfasst. Deren Aufgabe ist u.a. die Produktvorstellung, Beratung, Verkauf und Aquise; Betreuung der Kunden; Aufbau und Pflege der Kundenbeziehungen zu bestehenden Kunden. Diesen Mitarbeitern werden die erforderliche Ausstattung sowie ein Firmenwagen gestellt.
Daneben bietet die Klägerin ein sog. Rackjobbing an. Darunter wird die Verkaufsförderung am Verkaufsort verstanden. Dieser Service umfasst bei der Klägerin einen Dispositions-Service; die regelmäßige Betreuung der Retail-Filialen/Outlets; regelmäßige Kontrolle der Bestände; Regalpflege inklusive Regaloptimierung; Layouterstellung für die jeweiligen Sortimente inklusive der dazugehörigen Planung, Umsetzung und Optimierung jeweils nach Absatzzahlen; Neueinrichtungen, generelle Umbauten; fundierte Zahlen für künftige Strategien; Steuerung der Sortimente nach Abverkaufszahlen. Diesen Service bietet die Klägerin mit 130 Servicekräften an.
Die Beigeladene hat seit dem 29.01.1992 ein Gewerbe als selbständiger Handelsvertreter angemeldet.
Am 01.11.1999 schlossen die Klägerin und der Beigeladene einen Rahmenvertrag, wonach der Beigeladene als Auftragnehmer Rackjobbing für die Klägerin als Selbständiger übernehme
"§ 1 Vertragsgegenstand
(1) Der Auftragnehmer wird für den Auftraggeber als freier Mitarbeiter zur selbständigen Warengestaltung und -darbietung bzw. Merchandising tätig. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer insbesondere mit der Ausführung nachstehender Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Kunden des
Auftraggebers:
- 2 -
a) Präsentation der Produkte des Auftraggebers und seiner Vertragspartner
b) Sortimentsüberwachung
c) Warendisposition
d) Warenplazierung
e) Preisauszeichnung
f) Regalservice (Regalaufbauten/Regalumbauten)
g) Layout-Prüfungen
h) Inventuren(2) Die Einzelheiten der Vertragsdurchführung bestimmen sich nach dem jeweiligen Einzelauftrag.
(3) Die ihm erteilten Aufträge führt der Auftragnehmer in eigener
Verantwortung aus. Dabei hat er zugleich auch die Interessen des
Auftraggebers zu berücksichtigen. Der Auftragnehmer unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens des Auftraggebers; er hat jedoch fachliche Vorgaben des Auftraggebers insoweit zu beachten, als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordert.§ 2 Vertragsbeginn und Vertragsbeendigung
Das Vertragsverhältnis beginnt am 01.11.1999 und kann mit einer Frist von 14 Tagen zum Ende eines jeden Monats gekündigt werden. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist jederzeit möglich. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.
§ 3 Keine Höchstpersönlichkeit
Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, jeden Auftrag höchstpersönlich auszuführen. Er kann sich hierzu, soweit der jeweilige Auftrag dies gestattet, auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen, soweit er deren fachliche Qualifikation sicher gestellt hat.
§ 4 Ablehnungsrecht des Auftragnehmers
Der Auftragnehmer hat das Recht, einzelne Aufträge des Auftraggebers ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
§ 5 Verhältnis des Auftragnehmers zu Dritten
Der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Auftraggeber tätig zu werden. Einer vorherigen Zustimmung des Auftraggebers bedarf es hierfür nicht, es sei denn, dass der Auftragnehmer zugleich auch für einen
Wettbewerber des Auftraggebers tätig werden will.§ 6 Tätigkeitsort
Der jeweilige Tätigkeitsort ergibt sich aus dem jeweiligen Einzelauftrag.
§ 7 Vergütung/Abrechnung
(1) Der Auftragnehmer erhält für seine nach § 1 des Vertrages erbrachte Tätigkeit ein Stundenhonorar in Höhe von DM 24,00 zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Die Berechnung des Honorars durch den Auftragnehmer erfolgt auf 5 Minuten genau.
(2) Die Auftragserfüllung ist vom Auftragnehmer wöchentlich auf besonderen Formularen nachzuweisen. Die Rechnungsstellung erfolgt monatlich durch den Auftragnehmer bis zum 3. Werktag des Folgemonats; die Umsatzsteuer ist zu allen Rechnungsposten auszuweisen.
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§ 8 Kosten und Aufwendungen des Auftragnehmers
Soweit Kosten für Bürobetrieb, technische Vorrichtungen und sonstiges im Rahmen der Auftragstätigkeit anfallen, sind diese vom Auftragnehmer zu tragen.
§ 9 Keine Sozialleistungen
(1) Der Auftragnehmer hat gegenüber dem Auftraggeber keinen Anspruch auf Urlaub, festen Lohn, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Überstundenvergütung oder sonstige Sozialleistungen.
(2) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, auch bei Urlaub oder Krankheit die ordnungsgemäße Abwicklung des Auftrags sicherzustellen. Ist die
ordnungsgemäße Abwicklung des Auftrags durch den Auftragnehmer gefährdet, hat dieser den Auftraggeber unverzüglich zu informieren.§ 10 Verschwiegenheitsklausel und Rückgabe von Unterlagen
(1) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, über ihm bekannt gewordene
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Auftraggebers auch über die
Vertragslaufzeit hinaus Stillschweigen gegenüber Dritten und Mitarbeitern des Auftraggebers, sofern diese nicht aufgrund ihrer Funktion zur Entgegennahme derartiger Mitteilungen befugt sind, zu wahren.(2) Sämtliche Unterlagen, die dem Auftragnehmer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit übergeben werden, sind nach Beendigung des Vertrages unverzüglich zurückzugeben. Dem Auftragnehmer steht hieran kein Zurückbehaltungsrecht zu.
§ 11 Haftung
Der Auftragnehmer haftet dem Auftrageber für Schäden, die er im Rahmen der Auftragstätigkeit dem Auftraggeber zufügt, in vollem Umfange. Der
Auftragnehmer haftet für das Verschulden seiner Mitarbeiter gemäß § 278 BGB.§ 12 Bestätigungen/Nachweise des Auftraggebers
(1) Der Auftragnehmer bestätigt, dass er neben dem Auftraggeber dieses Vertrages auch für andere Auftraggeber tätig ist. Der Auftragnehmer wird den Auftraggeber dieses Vertrages unverzüglich benachrichtigen, wenn er nicht auch noch für andere Auftraggeber tätig ist, d.h. der Auftraggeber dieses Vertrages einziger Auftraggeber des Auftragnehmers wird. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, den Auftraggeber zu jedem Quartalsende des Kalenderjahres schriftlich und ohne weitere Aufforderung über die Zahl der weiteren
Auftraggeber und den auf diese Auftraggeber entfallenden prozentualen Anteil seinen Gesamtgewinns zum Berichtigungszeitpunkt zu informieren.(2) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, vor Beginn seiner Tätigkeit den Status als selbständiger Gewerbetreibender durch Einsendung einer Kopie des Gewerbescheins nachzuweisen, sowie die BfA-Bescheinigung.
(3) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die Anmeldung seines selbständigen Gewerbebetriebes beim zuständigen Finanzamt nachzuweisen und dem Auftraggeber die erteilte Steuernummer für Einkommens- und Umsatzsteuer mitzuteilen. Der Auftragnehmer ist als selbständiger Gewerbetreibender verpflichtet, für seine Einkünfte aus diesem Vertrag eine ordnungsgemäße Einkommens- und Umsatzsteuererklärung sowie für seine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen.
Dem Auftraggeber steht Zurückbehaltungsrecht für sämtliche Zahlungen bis zur Mitteilung der erhaltenen Steuernummer zu.
§ 13 Selbständigkeit
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(1) Der Auftragnehmer ist selbständig. Sollte durch die Sozialträger oder die Finanzbehörde eine "Scheinselbständigkeit" festgestellt werden, verpflichtet sich der Auftragnehmer uneingeschränkt und zeitlich befristet, sämtlich hieraus resultierenden Nachforderungen, die vorrangig bei dem Auftraggeber eingefordert werden, auszugleichen.
§ 14 Schlußbestimmungen
(1) Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht. Änderungen und/oder Ergänzungen bedürfen der Schriftform.
Dies gilt auch für einen Verzicht auf die Schriftform.
(2) Gerichtsstand ist B-Stadt.
(3) Auf dieses Vertragsverhältnis sowie auf Ansprüche, die aus diesem Vertragsverhältnis erwachsen, ist ausschließlich deutsches Recht anzuwenden.
(4) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, dann wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt."
Der Beigeladene beantragte am 21.02.2003 bei der Beklagten die Feststellung, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorliege. Er gab an, als Merchandiser, Rackjobber zu arbeiten und nannte insgesamt drei Auftraggeber. Er entscheide selber, welche Aufträge er übernehme und trage das unternehmerische Risiko allein.
Im Rahmen der mit Schriftsatz vom 11.03.2003 durchgeführten Anhörung legte die Klägerin neben dem Vertrag vom 01.11.1999 einen Fragebogen vor, den der Beigeladene ausgefüllt hatte. Danach erzielte dieser 50 % seiner Einnahmen aus dem Vertragsverhältnis zur Klägerin.
Jeweils mit Bescheid vom 18.08.2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen fest, dass der Beigeladene eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ausübe und deshalb Sozialversicherungspflicht gegeben sei. Den dagegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2005 zurück.
Am 28.01.2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 aufzuheben und festzustellen, dass Herr C. im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin vom 01.11.1999 bis 31.08.2003 nicht versicherungspflichtig im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene gibt im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen an, dass er nicht immer alle Aufträge der Klägerin habe ausführen können, da er auch noch für andere Firmen tätig gewesen sei. Bei kurzzeitiger Krankheit habe er den Marktleiter informiert und geklärt, dass die Arbeit ein bis zwei Tage später ausgeführt werde. Zur Kündigung des Vertrages sei es gekommen, weil es zu wenig Märte für ihn gegeben habe und er nach Auffassung der Klägerin zu langsam gearbeitet habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 18.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 beschwert im Sinn des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte hat in dem von dem Beigeladenen eingeleiteten Antragsverfahren (§ 7a SGB IV) auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände (vgl. § 7a Abs. 2 SGB IV) zu Unrecht festgestellt, dass der Beigeladene in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Klägerin steht.
Nach Auffassung der Kammer überwiegen hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin nach den Gesamtumständen die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit, so dass eine abhängige Beschäftigung nicht vorliegt.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. (BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R).
Sofern die tatsächliche Ausgestaltung einer Tätigkeit in etwa gleichermaßen für eine abhängige Beschäftigung wie für eine selbständige Tätigkeit spricht, ist dem in den vertraglichen Vereinbarungen zum Ausdruck kommenden übereinstimmenden Willen der Vertragspartnern eine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen (BSG, Urteil vom 12.10.19979, 12 RK 24/78 - juris). Es gibt keinen Grundsatz dahingehend, in Zweifelsfällen eher eine abhängige als eine selbständige Tätigkeit anzunehmen (BSG, Urteil vom 24.10.1978, 12 RK 58/76 - juris).
Das Gesamtbild der Arbeitsleistung bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist.
Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. (BSG, Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R - juris, Rdnr.17)
Dem im Vertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, kommt dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R - juris; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW - Urteil vom 22.02.2007, L 16 KR 11/05).
Die rahmenvertragliche Abrede vom 01.11.1999 spricht als starkes Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Aus diesem ergibt sich, dass die Beteiligten, wie auch in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, keine abhängige Beschäftigung begründen wollten. Der Beigeladene unterliegt nach § 1 Abs. 3 des Vertrages keinem Weisungs- und Direktionsrecht der Klägerin. Er hat keinen Anspruch auf Urlaub und erhält keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 9 Abs. 1). Der Beigeladene ist zur selbständigen Rechnungsstellung verpflichtet. Er haftet für Schäden, die er im Rahmen der Auftragstätigkeit der Klägerin zufügt, in vollem Umfang (§ 11). Der Beigeladene hat auch während Urlaub oder Krankheit für eine ordnungsgemäße Auftragserfüllung zu sorgen (§ 9 Abs. 2). Er kann sich Erfüllungsgehilfen bedienen (§ 3); muss die Aufträge also nicht selber
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ausführen. Auch kann er Aufträge ohne Angabe von Gründen ablehnen (§ 4). Darüber hinaus spricht die zweiwöchige Kündigungsfrist (§ 2) aufgrund ihrer Kürze auch gegen eine abhängige Beschäftigung. Eine Vergütung erhält der Beigeladene nur für ausgeführte Aufträge. Sofern die Klägerin keine Aufträge zu vergeben hat, erhält der Beigeladene kein Ausfallhonorar.
Diese vertraglichen Regelungen entsprechen nach den Feststellungen des Gerichts auch der tatsächlichen Ausführung und Abwicklung der Aufträge.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz hat der Beigeladene fachliche Vorgaben der Klägerin insoweit zu beachten, als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordert. Dies spricht jedoch nicht für eine persönliche Abhängigkeit. Daraus ergibt sich kein Weisungsrecht der Klägerin hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags vorgegeben sind, begründet noch keine Weisungsgebundenheit im Sinne einer persönlichen Abhängigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R). Der Beigeladene ist zwar durch die im jeweiligen Einzelfall vorgegebenen Eckpunkte des Auftrags eingeschränkt. Die Festlegung der Eckpunkte ist jedoch nicht Ausdruck eines Weisungsrechts der Klägerin, sondern bildet die notwendige Konkretisierung des jeweiligen Einzelauftrags. Weisungsfrei sind solche Tätigkeiten, bei denen zwar die Ziele der Tätigkeit vorgegeben werden, jedoch die Art und Weise, wie diese erreicht werden, der eigenen Entscheidung überlassen blieben. Auch Selbständige können in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt sein, allerdings nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln und Normen, die die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit mehr in generell-abstrakter Weise umschreiben (BSG, Urteil vom 27.03.1980, 12 RK 26/79 - juris).
Auch der Umstand, dass der Beigeladene "unter dem Dach" des Rahmenvertrags jeweils gesonderte und "von Fall zu Fall" vereinbarte Tätigkeiten im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ausgeübt hat, zwingt bei einer Tätigkeit, die sowohl im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen als auch im Rahmen freier Dienstverhältnisse ausgeübt werde kann, nicht zu der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses (BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R - juris).
Aufgrund der gesamten Umstände spricht mehr gegen eine Eingliederung des Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin. Es bestand zwar zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin ein Rahmenvertrag. Dieser führte jedoch nicht dazu, dass der Beigeladene derart in den Betrieb der Klägerin eingebunden war, dass diese über den Beigeladenen und dessen zeitlichen Arbeitseinsatz verfügen konnte. Dies spricht gegen eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1999, B 3 KR 2/98 R - juris). Der zeitliche Einsatz des Beigeladenen hing vielmehr davon ab, ob der Beigeladene in jedem Einzelfall einen Auftrag annahm oder nicht. Nach seinen Angaben kam es vor, dass er einzelne Aufträge der Klägerin nicht annehmen konnte, weil er auch noch für andere Firmen tätig war.
Gegen eine Eingliederung spricht auch, dass der Beigeladene im Krankheitsfall dies nicht der Klägerin mitteilte, sondern mit dem jeweiligen Marktleiter eine Verschiebung der Auftragserledigung vereinbarte. Es war somit Aufgabe des Beigeladenen, im Verhinderungsfall die Ausführung des Auftrags sicherzustellen, bzw. dessen Verschiebung zu regeln. Die Klägerin selbst wurde darüber nicht informiert.
Im Gegensatz dazu trug in dem am 18.10.2007 vom Hessischen Landessozialgericht (L 8 KR 78/05) entschiedenen Fall der Auftraggeber das Risiko der Verhinderung des Auftragnehmers, da der dortige Auftragnehmer sich im Verhinderungsfall nur beim Auftraggeber abgemeldet hat und es diesem überließ, für die Abwicklung des Auftrags zu sorgen.
Der Beigeladene trug zudem auch ein Unternehmensrisiko. Zum Unternehmensrisiko gehört auch ein Einkommensrisiko (BSG, Urteil vom 12.10.1979, 12 RK 24/78). Der Beigeladene hat nach dem Rahmenvertrag eine Vergütung auf Stundenbasis zzgl. Umsatzsteuer erhalten. Eine Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall war nicht vorgesehen. Entfiel ein Auftrag der Klägerin, so wurde kein Ausfallhonorar gezahlt. Dies entspricht dem typischen Bild eines Werk- oder Dienstvertrages, bei dem der Vergütungsanspruch erst dann entsteht, wenn das Werk hergestellt ist oder die Dienste tatsächlich geleistet wurden (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1999, B 3 KR 2/98 R - juris).
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Allerdings enthält das Bestehen eines Unternehmensrisikos nur dann einen Hinweis auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, wenn mit diesem Risiko größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft verbunden ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.10.1979, 12 RK 24/78- juris). Solche Freiheiten hatte der Beigeladene. Er konnte zum einen einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen ablehnen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Allein hieraus kann zwar noch nicht auf die Verrichtung einer selbständigen Tätigkeit geschlossen werden (vgl. LSG Berlin, Breithaupt 1987, 345). Es ist aber ein Indiz dafür, dass dem Beigeladenen jeweils ein Gestaltungsspielraum verblieb (LSG NRW, Urteil vom 08.08.2007, L 11(8) R 196/05 - juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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