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BAG, Ur­teil vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13

   
Schlagworte: Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeit, Zeitarbeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 51/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.12.2013
   
Leitsätze: Besitzt ein Arbeitgeber die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, kommt zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Lörrach, Urteil vom 24.4.2012 - 2 Ca 384/11
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Kammern Freiburg, Urteil vom 22.11.2012 - 11 Sa 84/12
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 51/13
11 Sa 84/12
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
10. De­zem­ber 2013

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te zu 1., Be­ru­fungs­be­klag­te zu 1. und Re­vi­si­onskläge­rin zu 1.,

Be­klag­te zu 2., Be­ru­fungs­be­klag­te zu 2. und Re­vi­si­onskläge­rin zu 2.,

pp.

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 10. De­zem­ber 2013 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun-
 


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des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Suckow und Klo­se so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Star­ke und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pie­lenz für Recht er­kannt:


1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zu 1. und der Be­klag­ten zu 2. wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg - Kam­mern Frei­burg - vom 22. No­vem­ber 2012 - 11 Sa 84/12 - teil­wei­se auf­ge­ho­ben.

2. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Lörrach vom 24. April 2012 - 2 Ca 384/11 - wird ins­ge­samt zurück­ge­wie­sen.


3. Der Kläger hat die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten noch darüber, ob zwi­schen dem Kläger und der Be­klag­ten zu 1. ein Ar­beits­verhält­nis be­gründet wur­de.


Die Be­klag­te zu 1. be­treibt drei Kli­ni­ken im Land­kreis L, der ihr al­lei­ni­ger Ge­sell­schaf­ter ist. Die Be­klag­te zu 2. ist ei­ne 100 %ige Toch­ter der Be­klag­ten zu 1. Sie verfügt über ei­ne Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung. Ein Großteil ih­rer Ar­beit­neh­mer ist in den Kli­ni­ken der Be­klag­ten zu 1. als Leih­ar­beit­neh­mer beschäftigt. Der Kläger wur­de zum 1. März 2008 von der Be­klag­ten zu 2. als Leih­ar­beit­neh­mer ein­ge­stellt und als IT-Sach­be­ar­bei­ter aus­sch­ließlich bei der Be­klag­ten zu 1. ein­ge­setzt. Seit dem 15. Sep­tem­ber 2010 ist er Mit­glied des bei der Be­klag­ten zu 2. ge­bil­de­ten Be­triebs­rats und seit März 2011 des­sen Vor­sit­zen­der.


Die Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts sind in Be­zug auf ei­nen wei­te­ren Ein­satz des Klägers als Leih­ar­beit­neh­mer bei der Be­klag­ten zu 1. nach dem 31. Ok­to­ber 2011 wi­dersprüchlich. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat im



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Tat­be­stand sei­nes Ur­teils ei­ner­seits aus­drück­lich fest­ge­hal­ten, dass we­gen ei­ner Kündi­gung des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­trags zum 31. Ok­to­ber 2011 ab dem 1. No­vem­ber 2011 kein Ein­satz des Klägers mehr er­folg­te und der Kläger durch die Be­klag­te zu 2. über ei­ne feh­len­de Ein­satzmöglich­keit in­for­miert wur­de. An­de­rer­seits hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te zu 1. ei­ne An­fra­ge der Be­klag­ten zu 2. bezüglich ei­ner Verlänge­rung des Ein­sat­zes des Klägers am 2. Au­gust 2012 ab­leh­nend be­ant­wor­te­te und der Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­trag zwi­schen der Be­klag­ten zu 1. und der Be­klag­ten zu 2. bezüglich des Klägers zum 31. Au­gust 2012 aus­lief. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ergänzend auf das Vor­brin­gen der Be­klag­ten zu 1. und der Be­klag­ten zu 2. in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung Be­zug ge­nom­men. In die­ser ha­ben die Be­klag­ten vor­ge­tra­gen, der Kläger sei der Be­klag­ten zu 1. auch im Jahr 2012 über­las­sen wor­den. Zum Nach­weis die­ses Vor­trags ist die E-Mail-Kor­re­spon­denz zwi­schen dem da­ma­li­gen Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 2. und Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten zu 1. hin­sicht­lich des Ein­sat­zes des Klägers bei der Be­klag­ten zu 1. im Jahr 2012 bei­gefügt wor­den.

Der Kläger hat ge­meint, das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen ihm und der Be­klag­ten zu 2. sei feh­ler­haft. Die­se be­trei­be ver­bo­te­ne Ar­beits­ver­mitt­lung. Er sei der Be­klag­ten zu 1. nicht nur vorüber­ge­hend über­las­sen wor­den mit der Fol­ge, dass zwi­schen die­ser und ihm ein Ar­beits­verhält­nis zu­stan­de ge­kom­men sei.

Der Kläger hat, so­weit für die Re­vi­si­on von Be­deu­tung, be­an­tragt fest­zu­stel­len, dass zwi­schen ihm und der Be­klag­ten zu 1. ein Ar­beits­verhält­nis mit ei­ner Beschäfti­gung als IT-Sach­be­ar­bei­ter be­steht.

Die Be­klag­ten ha­ben zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die An­sicht ver­tre­ten, die Be­klag­te zu 2. ha­be der Be­klag­ten zu 1. den Kläger gemäß den Vor­schrif­ten des AÜG zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fin­gie­re das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen ei­nem Ent­lei­her und ei­nem Leih­ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich bei feh­len­der Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­er­laub­nis des Ver­lei­hers. Ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge für die Be-
 


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gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses exis­tie­re nicht, wenn ein Ver­lei­her wie die Be­klag­te zu 2. ei­ne Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung ha­be.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Klägers hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts teil­wei­se ab­geändert und, so­weit für die Re­vi­si­on von In­ter­es­se, der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit ih­rer Re­vi­si­on be­geh­ren die Be­klag­te zu 1. und die Be­klag­te zu 2. die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils.

Ent­schei­dungs­gründe


Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist be­gründet und führt zur Wie­der­her­stel­lung des kla­ge­ab­wei­sen­den Ur­teils des Ar­beits­ge­richts. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat rechts­feh­ler­haft das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Kläger und der Be­klag­ten zu 1. fest­ge­stellt.


I. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers hat ei­ne nach § 1 Abs. 2 AÜG zu ver­mu­ten­de Ar­beits­ver­mitt­lung nicht mehr zur Fol­ge, dass ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Leih­ar­beit­neh­mer und dem Ent­lei­her be­gründet wird (ausführ­lich da­zu BAG 28. Ju­ni 2000 - 7 AZR 100/99 - zu III der Gründe, BA­GE 95, 165; eben­so BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 22).


II. Ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen der Be­klag­ten zu 1. und dem Kläger ist we­der gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG noch in ent­spre­chen­der An­wen­dung die­ser Vor­schrift kraft Ge­set­zes zu­stan­de ge­kom­men. Dies gilt un­abhängig da­von, ob die Be­klag­te zu 2. den Kläger der Be­klag­ten zu 1. nach dem 31. Ok­to­ber 2011 nicht mehr zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen hat oder der Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­trag zwi­schen der Be­klag­ten zu 1. und der Be­klag­ten zu 2. bezüglich des Klägers erst zum 31. Au­gust 2012 aus­lief. Trotz der wi­dersprüchli­chen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts zur Dau­er der Über­las­sung des Klägers an die Be­klag­te zu 1. ist die Sa­che da­mit zur End­ent­schei­dung reif, so­dass der Rechts­streit nicht an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).



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1. So­fern der Kläger, der zum 1. März 2008 von der Be­klag­ten zu 2. ein­ge­stellt und als Leih­ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich bei der Be­klag­ten zu 1. ein­ge­setzt wur­de, ab dem 1. No­vem­ber 2011 der Be­klag­ten zu 1. nicht mehr über­las­sen wur­de, kam kein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen ihm und der Be­klag­ten zu 1. nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zu­stan­de. Kein Streit be­steht darüber, dass die Be­klag­te zu 2. während der ge­sam­ten Dau­er der Über­las­sung des Klägers an die Be­klag­te zu 1. bis zum 31. Ok­to­ber 2011 die nach § 1 AÜG er­for­der­li­che Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung hat­te. Da­mit la­gen die Vor­aus­set­zun­gen für die Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen der Be­klag­ten zu 1. und dem Kläger un­ge­ach­tet der Dau­er des Ein­sat­zes des Klägers bei der Be­klag­ten zu 1. nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG nicht vor. Des­halb ist es un­er­heb­lich, ob es sich bei die­sem Ein­satz um ei­ne noch oder ei­ne nicht mehr vorüber­ge­hen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG han­del­te.

a) Der Ge­setz­ge­ber ver­zich­te­te bis zum 30. No­vem­ber 2011 be­wusst dar­auf, die Dau­er der Ar­beit­neh­merüber­las­sung zeit­lich zu be­gren­zen. Das er­gibt sich aus der Neu­kon­zep­ti­on des Rechts der Ar­beit­neh­merüber­las­sung durch das Ers­te Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2002 (BGBl. I S. 4607, im Fol­gen­den: Ers­tes Dienst­leis­tungs­ge­setz). Während das AÜG in der bis zum 31. De­zem­ber 2002 gel­ten­den Fas­sung in § 3 Abs. 1 Nr. 6 noch ei­ne Höchstüber­las­sungs­dau­er von 24 auf­ein­an­der­fol­gen­den Mo­na­ten vor­sah, wur­de die­se Be­stim­mung durch Art. 6 Nr. 3 Buchst. b des Ers­ten Dienst­leis­tungs­ge­set­zes auf­ge­ho­ben. Da­mit war klar, dass künf­tig ei­ne zeit­lich un­be­schränk­te Über­las­sung von Ar­beit­neh­mern zulässig sein soll­te (ein­ge­hend da­zu BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 24).


b) Al­ler­dings hat der Ge­setz­ge­ber durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a Dop­pel­buchst. bb des Ers­ten Ge­set­zes zur Ände­rung des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­set­zes - Ver­hin­de­rung von Miss­brauch der Ar­beit­neh­merüber­las­sung vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 642, im Fol­gen­den: Miss­brauchs­ver­hin­de­rungs­ge­setz) als § 1 Abs. 1 Satz 2 ei­ne Re­ge­lung in das AÜG ein­gefügt, wo­nach die Über­las­sung von Ar­beit­neh­mern an Ent­lei­her vorüber­ge­hend er­folgt. Die­se Be-
 


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stim­mung trat nach Art. 2 Abs. 1 des Miss­brauchs­ver­hin­de­rungs­ge­set­zes je­doch erst am 1. De­zem­ber 2011 und da­mit nach dem 31. Ok­to­ber 2011 in Kraft. Ent­ge­gen der An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts wirkt die Neu­re­ge­lung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht zurück. Das folgt schon aus dem Re­ge­lungs­zweck des Art. 2 Miss­brauchs­ver­hin­de­rungs­ge­setz. Während zahl­rei­che Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes nach sei­nem Art. 2 Abs. 2 be­reits am Tag nach sei­ner Verkündung im Bun­des­ge­setz­blatt am 29. April 2011 und da­mit am 30. April 2011 in Kraft tra­ten, war dies gemäß Art. 2 Abs. 1 Miss­brauchs­ver­hin­de­rungs­ge­setz bei § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG und an­de­ren Vor­schrif­ten erst am 1. De­zem­ber 2011 der Fall. Da­durch soll­te den Ver­lei­hern und Ent­lei­hern aus­rei­chend Zeit ge­ge­ben wer­den, ih­re Ver­ein­ba­run­gen und sons­ti­gen Re­ge­lun­gen bei Be­darf an die neue Rechts­la­ge an­zu­pas­sen (vgl. Be­gründung des Re­gE BT-Drucks. 17/4804 S. 11).


c) Die Richt­li­nie 2008/104/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 19. No­vem­ber 2008 über Leih­ar­beit (ABl. EU L 327 vom 5. De­zem­ber 2008 S. 9, im Fol­gen­den: Leih­ar­beits­richt­li­nie) ge­bie­tet kein an­de­res Er­geb­nis (BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 25). Zwar geht die­se Richt­li­nie in Art. 1 Abs. 1 so­wie Art. 3 Abs. 1 Buchst. b bis e da­von aus, dass Leih­ar­beit­neh­mer dem ent­lei­hen­den Un­ter­neh­men über­las­sen wer­den, um dort „vorüber­ge­hend“ zu ar­bei­ten. Den Mit­glied­staa­ten wur­de in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Leih­ar­beits­richt­li­nie je­doch ei­ne Um­set­zungs­frist bis zum 5. De­zem­ber 2011 ein­geräumt. Ei­ne zeit­lich un­be­schränk­te Über­las­sung von Ar­beit­neh­mern war da­her je­den­falls bis zu die­sem Zeit­punkt uni­ons­rechts­kon­form.

2. Auch dann, wenn der Kläger der Be­klag­ten zu 1. von der Be­klag­ten zu 2. nicht nur bis zum 31. Ok­to­ber 2011, son­dern auch da­nach noch bis Au­gust 2012 als Leih­ar­beit­neh­mer zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen wur­de, wofür die E-Mail-Kor­re­spon­denz zwi­schen dem da­ma­li­gen Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 2. und Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten zu 1. hin­sicht­lich des Ein­sat­zes des Klägers bei der Be­klag­ten zu 1. im Jahr 2012 spricht, muss nicht ent­schie­den wer­den, ob bei ei­nem sol­chen wei­te­ren Ein­satz des Klägers bei der Be­klag­ten zu 1. ei­ne noch oder ei­ne nicht mehr vorüber­ge­hen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung iSv.
 


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§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG (zur mögli­chen Aus­le­gung des Be­griffs „vorüber­ge­hend“: vgl. BAG 10. Ju­li 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 53 mwN) an­zu­neh­men wäre.


a) Dies folgt al­ler­dings nicht schon aus dem sog. Kon­zern­pri­vi­leg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG, dem­zu­fol­ge das AÜG mit Aus­nah­me des § 1b Satz 1, des § 16 Abs. 1 Nr. 1b und Abs. 2 bis 5 so­wie der §§ 17 und 18 nicht auf die Ar­beit­neh­merüber­las­sung zwi­schen Kon­zern­un­ter­neh­men iSd. § 18 AktG an­zu­wen­den ist, wenn der Ar­beit­neh­mer nicht zum Zweck der Über­las­sung ein­ge­stellt und beschäftigt wird. Die Be­klag­te zu 2. hat den Kläger aus­weis­lich des Ar­beits­ver­trags zum Zweck der Über­las­sung ein­ge­stellt, so­dass die Vor­aus­set­zun­gen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG nicht erfüllt sind.


b) Ein Ver­s­toß ge­gen das Ver­bot der nicht nur vorüber­ge­hen­den Ar­beit­neh­merüber­las­sung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG (zu die­sem Ver­bot: vgl. BAG 10. Ju­li 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 32 mwN) führt ent­ge­gen der An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht zum Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Leih­ar­beit­neh­mer, wenn der Ver­lei­her die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG er­for­der­li­che Er­laub­nis hat, sei­ne Ar­beit­neh­mer Drit­ten zur Ar­beits­leis­tung zu über­las­sen.


aa) Frei­lich soll nach ei­ner in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur ver­tre­te­nen Auf­fas­sung an­ge­sichts der Neu­re­ge­lun­gen des Miss­brauchs­ver­hin­de­rungs­ge­set­zes bei ei­ner nicht nur vorüber­ge­hen­den Ar­beit­neh­merüber­las­sung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in un­mit­tel­ba­rer, ana­lo­ger oder richt­li­ni­en­kon­for­mer An­wen­dung des § 10 AÜG ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Leih­ar­beit­neh­mer und dem Ent­lei­her zu­stan­de kom­men (vgl. LAG Ber­lin-Bran­den­burg 9. Ja­nu­ar 2013 - 15 Sa 1635/12 - LA­GE AÜG § 10 Nr. 8; Brors AuR 2013, 108, 113; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 15. Aufl. § 120 Rn. 12c; Ul­ber/J. Ul­ber AÜG 4. Aufl. § 1 Rn. 231d; ErfK/Wank 14. Aufl. § 1 AÜG Rn. 37d; wohl auch Zim­mer AuR 2012, 422, 425). Zu Recht ist je­doch ein an­de­rer Teil der Recht­spre­chung und des Schrift­tums der An­sicht, dass ei­ne nicht vorüber­ge­hen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht zur Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Leih­ar­beit­neh­mer führt (LAG Düssel­dorf 21. Ju­ni 2013 - 10 Sa 1747/12 -; LAG Ber­lin-Bran­den­burg


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16. April 2013 - 16 Sa 1637/12 - so­wie 16. Ok­to­ber 2012 - 7 Sa 1182/12 -; Bis­sels ju­ris­PR-ArbR 32/2013 Anm. 3; Bo­em­ke/Lembke AÜG 3. Aufl. § 1 Rn. 115; Gie­sen FA 2012, 66, 68; Ha­mann RdA 2011, 321, 327; ders. ju­ris­PR-ArbR 10/2013 Anm. 1; Kiel­kow­ski/Kran­nich ju­ris­PR-ArbR 46/2013 Anm. 2; Kran­nich/Si­mon BB 2012, 1414, 1418).

bb) Be­sitzt ein Ar­beit­ge­ber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG er­for­der­li­che Er­laub­nis, als Ver­lei­her Drit­ten Ar­beit­neh­mer im Rah­men sei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit zur Ar­beits­leis­tung zu über­las­sen, hin­dert dies ei­ne un­mit­tel­ba­re An­wen­dung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Dies gilt auch, wenn der Ein­satz des Leih­ar­beit­neh­mers ent­ge­gen der Re­ge­lung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorüber­ge­hend er­folgt.

(1) § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fin­giert das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus­sch­ließlich bei Feh­len ei­ner Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­er­laub­nis des Ver­lei­hers. Nach die­ser Vor­schrift gilt ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen Ent­lei­her und Leih­ar­beit­neh­mer zu dem zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Ver­lei­her für den Be­ginn der Tätig­keit vor­ge­se­he­nen Zeit­punkt als zu­stan­de ge­kom­men, wenn der Ver­trag zwi­schen Ver­lei­her und Leih­ar­beit­neh­mer nach § 9 Nr. 1 AÜG un­wirk­sam ist. Gemäß § 9 Nr. 1 AÜG sind Verträge zwi­schen Ver­lei­hern und Ent­lei­hern so­wie zwi­schen Ver­lei­hern und Leih­ar­beit­neh­mern un­wirk­sam, wenn der Ver­lei­her nicht die nach § 1 AÜG er­for­der­li­che Er­laub­nis hat. Dar­an fehlt es. Die Be­klag­te zu 2. verfügte über die Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung.


(2) Ei­ne ei­nem Ver­lei­her vor dem 1. De­zem­ber 2011 er­teil­te Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung nach § 1 AÜG war auch nicht auf die vorüber­ge­hen­de Über­las­sung von Ar­beit­neh­mern be­schränkt (aA LAG Ber­lin-Bran­den­burg 9. Ja­nu­ar 2013 - 15 Sa 1635/12 - zu II 1.2.1 der Gründe, LA­GE AÜG § 10 Nr. 8; Guss­sen FA 2013, 134, 136; wie hier im Er­geb­nis Ha­mann ju­ris­PR-ArbR 10/2013 Anm. 1). Da bis zum 30. No­vem­ber 2011 ei­ne zeit­lich un­be­schränk­te Über­las­sung von Ar­beit­neh­mern an ei­nen Ent­lei­her nach dem AÜG zulässig war, um­fass­te ei­ne vor dem 1. De­zem­ber 2011 er­teil­te Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung auch ei­ne nicht nur vorüber­ge­hen­de Über­las­sung von
 


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Leih­ar­beit­neh­mern. Das Miss­brauchs­ver­hin­de­rungs­ge­setz enthält kei­ne Re­ge­lun­gen, die vor dem 1. De­zem­ber 2011 er­teil­te Er­laub­nis­se zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung be­schränken. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AÜG kann die Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung nur mit Wir­kung für die Zu­kunft wi­der­ru­fen wer­den, wenn die Er­laub­nis­behörde auf­grund ei­ner geänder­ten Rechts­la­ge be­rech­tigt wäre, die Er­laub­nis zu ver­sa­gen. Dar­aus wird deut­lich, dass ei­ne geänder­te Rechts­la­ge nicht per se die Un­wirk­sam­keit ei­ner Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung be­wirkt oder die Er­laub­nis ein­schränkt.

cc) Ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Kläger und der Be­klag­ten zu 1. wur­de auch nicht in ana­lo­ger An­wen­dung des § 10 Abs. 1 AÜG be­gründet.


(1) Zur wort­sinnüber­stei­gen­den Ge­set­zes­an­wen­dung durch Ana­lo­gie be­darf es ei­ner be­son­de­ren Le­gi­ti­ma­ti­on. Die ana­lo­ge An­wen­dung ei­ner Norm setzt vor­aus, dass ei­ne vom Ge­setz­ge­ber un­be­ab­sich­tigt ge­las­se­ne Lücke vor-liegt und die­se Plan­wid­rig­keit auf­grund kon­kre­ter Umstände po­si­tiv fest­ge­stellt wer­den kann. An­dern­falls könn­te je­des Schwei­gen des Ge­setz­ge­bers - al­so der Nor­mal­fall, wenn er et­was nicht re­geln will - als plan­wid­ri­ge Lücke auf­ge­fasst und die­se im We­ge der Ana­lo­gie von den Ge­rich­ten aus­gefüllt wer­den (BAG 13. De­zem­ber 2006 - 10 AZR 674/05 - Rn. 13 mwN, BA­GE 120, 352). Ana­lo­ge Ge­set­zes­an­wen­dung er­for­dert darüber hin­aus, dass der ge­setz­lich un­ge­re­gel­te Fall nach Maßga­be des Gleich­heits­sat­zes und zur Ver­mei­dung von Wer­tungs­wi­dersprüchen nach der glei­chen Rechts­fol­ge ver­langt wie die ge­set­zessprach­lich er­fass­ten Fälle (BAG 21. Fe­bru­ar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 20 mwN). Rich­ter­li­che Rechts­fort­bil­dung darf nicht da­zu führen, dass ein Ge­richt sei­ne ei­ge­ne ma­te­ri­el­le Ge­rech­tig­keits­vor­stel­lung an die Stel­le der­je­ni­gen des Ge­setz­ge­bers setzt. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG wird die Staats­ge­walt vom Vol­ke in Wah­len und Ab­stim­mun­gen und durch be­son­de­re Or­ga­ne der Ge­setz­ge­bung, der voll­zie­hen­den Ge­walt und der Recht­spre­chung aus­geübt. Die Auf­ga­be der Recht­spre­chung be­schränkt sich dar­auf, den vom Ge­setz­ge­ber fest­ge­leg­ten Sinn und Zweck ei­nes Ge­set­zes auch un­ter ge­wan­del­ten Be­din­gun­gen möglichst zu­verlässig zur Gel­tung zu brin­gen oder ei­ne plan­wid­ri­ge Re­ge­lungslücke mit den an­er­kann­ten Aus­le­gungs­me­tho­den zu füllen. Ei­ne In­ter­pre-
 


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ta­ti­on, die als rich­ter­li­che Rechts­fort­bil­dung den Wort­laut des Ge­set­zes hint­an­stellt und sich über den klar er­kenn­ba­ren Wil­len des Ge­setz­ge­bers hin­weg­setzt, greift un­zulässig in die Kom­pe­ten­zen des de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten Ge­setz­ge­bers ein (BVerfG 11. Ju­li 2012 - 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08 - Rn. 75, BVerfGE 132, 99).

(2) Für ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung der Rechts­fol­ge des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG für den Fall der nicht nur vorüber­ge­hen­den Ar­beit­neh­merüber­las­sung fehlt es be­reits an ei­ner plan­wid­ri­gen Re­ge­lungslücke. Der Ge­setz­ge­ber des Miss­brauchs­ver­hin­de­rungs­ge­set­zes hat be­wusst da­von ab­ge­se­hen zu re­geln, dass ei­ne nicht nur vorüber­ge­hen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Leih­ar­beit­neh­mer be­wirkt. Dies zeigt die Ent­wick­lungs­ge­schich­te des AÜG.


(a) Das Ge­setz ent­hielt be­reits in sei­ner bis zum 31. De­zem­ber 2002 gel­ten­den Fas­sung das Ver­bot der dau­er­haf­ten Über­las­sung von Ar­beit­neh­mern. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG in der bis zum 31. De­zem­ber 2002 gel­ten­den Fas­sung war die Er­laub­nis zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung oder ih­re Verlänge­rung zu ver­sa­gen, wenn Tat­sa­chen die An­nah­me recht­fer­tig­ten, dass der An­trag­stel­ler ei­nem Ent­lei­her den­sel­ben Leih­ar­beit­neh­mer länger als 24 auf­ein­an­der­fol­gen­de Mo­na­te überlässt, wo­bei der Zeit­raum ei­ner un­mit­tel­bar vor­an­ge­hen­den Über­las­sung durch ei­nen an­de­ren Ver­lei­her an den­sel­ben Ent­lei­her an­zu­rech­nen war. § 13 AÜG in der bis zum 31. März 1997 gel­ten­den Fas­sung be­stimm­te, dass bei ei­ner un­zulässi­gen Ar­beits­ver­mitt­lung die ar­beits­recht­li­chen Ansprüche des Ar­beit­neh­mers ge­gen den Ar­beit­ge­ber nicht aus­ge­schlos­sen wer­den konn­ten. Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts han­del­te es sich bei die­ser Vor­schrift um ei­ne § 10 Abs. 1 AÜG ergänzen­de Re­ge­lung. Dies hat­te zur Fol­ge, dass bei ei­ner als un­er­laub­te Ar­beits­ver­mitt­lung an­zu­se­hen­den Über­las­sung kraft Ge­set­zes ein Ar­beits­verhält­nis mit dem Beschäfti­gungs­un­ter­neh­men be­gründet wur­de (vgl. BAG 28. Ju­ni 2000 - 7 AZR 100/99 - zu II 1 der Gründe mwN, BA­GE 95, 165; 10. Fe­bru­ar 1977 - 2 ABR 80/76 - zu II 2 b der Gründe, BA­GE 29, 7). Al­ler­dings wur­de § 13 AÜG in der bis


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zum 31. März 1997 gel­ten­den Fas­sung durch Art. 63 Nr. 9 des Ar­beitsförde­rungs-Re­form­ge­set­zes vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) mit Wir­kung zum 1. April 1997 er­satz­los auf­ge­ho­ben. In den Fällen der nach § 1 Abs. 2 AÜG zu ver­mu­ten­den Ar­beits­ver­mitt­lung und da­mit auch bei ei­ner Über­schrei­tung der bis zum 31. De­zem­ber 2002 in § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG ge­re­gel­ten Über­las­sungs­dau­er von höchs­tens 24 Mo­na­ten gab es so­mit kei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge mehr für das Ent­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Leih­ar­beit­neh­mer (grund­le­gend BAG 28. Ju­ni 2000 - 7 AZR 100/99 - zu III der Gründe, BA­GE 95, 165; eben­so 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 22).

(b) Der Ge­setz­ge­ber hat mit der Re­ge­lung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, nach der die Über­las­sung von Ar­beit­neh­mern an Ent­lei­her vorüber­ge­hend er­folgt, ei­ne nicht nur vorüber­ge­hen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung wie­der ver­bo­ten (vgl. BAG 10. Ju­li 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 32), oh­ne in ei­ner § 13 AÜG in der bis zum 31. März 1997 gel­ten­den Fas­sung nach­ge­bil­de­ten Be­stim­mung oder in ei­ner an­de­ren Vor­schrift zu re­geln, dass ei­ne nicht nur vorüber­ge­hen­de Über­las­sung des Leih­ar­beit­neh­mers an ei­nen Ent­lei­her das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses be­wirkt. Dies zeigt, dass er in­so­weit kei­ne Ände­rung der seit dem 1. April 1997 gel­ten­den Rechts­la­ge und da­mit kein Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Leih­ar­beit­neh­mer bei ei­ner nicht nur vorüber­ge­hen­den Ar­beit­neh­merüber­las­sung woll­te (vgl. Gie­sen FA 2012, 66, 69).

(c) Ein un­be­wuss­tes, ver­se­hent­li­ches Un­ter­las­sen des Ge­setz­ge­bers, ei­ne nicht nur vorüber­ge­hen­de Ar­beit­neh­merüber­las­sung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG hin­sicht­lich der Rechts­fol­ge der Ar­beit­neh­merüber­las­sung bei Feh­len ei­ner Er­laub­nis des Ver­lei­hers gleich­zu­stel­len, liegt nicht vor. Der Ge­setz­ge­ber wur­de während des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens zum Miss­brauchs­ver­hin­de­rungs­ge­setz wie­der­holt aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Ent­wurf des Ge­set­zes die Rechts­fol­ge der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ent­hielt. Dies wird aus der öffent­li­chen Anhörung von Sach­verständi­gen durch den Aus­schuss für Ar­beit und So­zia­les des Bun­des­tags in sei­ner 56. Sit­zung am 21. März 2011 und dem ent­spre­chen­den Be­richt (vgl. BT-Drucks. 17/5238 S. 9) deut­lich.

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Der Deut­sche Ge­werk­schafts­bund führ­te in sei­ner schrift­li­chen Stel­lung­nah­me (Aus­schuss­druck­sa­che 17(11)431 S. 47) ua. aus, es sei be­dau­er­lich, dass, an­ders als im Re­fe­ren­ten­ent­wurf vor­ge­se­hen, ei­ne nicht nur vorüber­ge­hen­de Über­las­sung nicht mehr aus­drück­lich als Ar­beits­ver­mitt­lung ko­di­fi­ziert wer­de. Dies soll­te wie­der auf­ge­nom­men und zu­gleich klar­ge­stellt wer­den, dass - wie in § 10 AÜG - mit der ver­mu­te­ten Ver­mitt­lung ein Ar­beits­verhält­nis zu­stan­de kom­me. Zu­dem feh­le jeg­li­che Sank­ti­on bei ei­nem Ver­s­toß, wie es Art. 10 der Leih­ar­beits­richt­li­nie for­de­re. Auch der Sach­verständi­ge Prof. Düwell wies in sei­ner Stel­lung­nah­me (Aus­schuss­druck­sa­che 17(11)431 S. 57) dar­auf hin, dass im Ent­wurf so­wohl die für die ge­richt­li­che Miss­brauchs­kon­trol­le not­wen­di­gen Maßstäbe als auch die Grund­la­gen für ei­ne An­nah­me ei­ner ar­beits­recht­li­chen Rechts­fol­ge fehl­ten. Er schlug vor, wie im Re­fe­ren­ten­ent­wurf vor­ge­se­hen soll­te die nicht nur vorüber­ge­hen­de Über­las­sung aus­drück­lich als Ar­beits­ver­mitt­lung be­zeich­net und in § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG auch für die ver­mu­te­te Ver­mitt­lung ein Ar­beits­verhält­nis zum Ent­lei­her fin­giert wer­den, weil ei­ne sol­che Re­ge­lung Sa­che des Ge­setz­ge­bers sei. So­lan­ge die po­si­ti­ve ge­setz­li­che Grund­la­ge feh­le, bestünden ver­fas­sungs­recht­li­che Be­den­ken, richter­recht­lich ein­zu­grei­fen. Es feh­le jeg­li­che Sank­ti­on für Verstöße, wie sie Art. 10 der Leih­ar­beits­richt­li­nie aus­drück­lich for­de­re. Dass der Ge­setz­ge­ber die­sen deut­li­chen For­de­run­gen nicht nach­ge­kom­men ist, zwingt zu der An­nah­me, dass er ab­sicht­lich von der ver­lang­ten Sank­ti­on ab­ge­se­hen hat. Die­se Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers ist von den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen zu ach­ten.


(3) Ei­ner ana­lo­gen An­wen­dung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG steht darüber hin­aus ent­ge­gen, dass die Si­tua­ti­on ei­nes nicht nur vorüber­ge­hend über­las­se­nen Leih­ar­beit­neh­mers mit der Si­tua­ti­on ei­nes oh­ne Er­laub­nis über­las­se­nen Ar­beit­neh­mers, für den § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Ar­beits­verhält­nis mit dem Ent­lei­her fin­giert, nicht ver­gleich­bar ist (vgl. BAG 28. Ju­ni 2000 - 7 AZR 100/99 - zu III 2 der Gründe, BA­GE 95, 165).

(a) Die Be­stim­mung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist er­for­der­lich, weil bei Feh­len der nach § 1 AÜG er­for­der­li­chen Er­laub­nis der Ver­trag des Leih­ar­beit­neh­mers mit dem Ver­lei­her nach § 9 Nr. 1 AÜG un­wirk­sam ist. Da­mit der Ar-
 


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beit­neh­mer in die­sem Fall über­haupt in ei­nem Ar­beits­verhält­nis steht, fin­giert § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein sol­ches zum Ent­lei­her. Das AÜG re­gelt dem­ge­genüber nicht, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Leih­ar­beit­neh­mer und dem Ver­lei­her un­wirk­sam ist oder be­en­det wird, wenn der Leih­ar­beit­neh­mer vom Ver­lei­her nicht nur vorüber­ge­hend über­las­sen wird.


(b) Die Aus­wechs­lung des Ar­beit­ge­bers wäre auch ver­fas­sungs­recht­lich be­denk­lich. Es ist ei­ne Viel­zahl von Kon­stel­la­tio­nen denk­bar, in de­nen Leih­ar­beit­neh­mer trotz ei­nes Ver­s­toßes ge­gen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG an ih­rem Ar­beits­verhält­nis zum Ver­lei­her fest­hal­ten und kein Ar­beits­verhält­nis mit dem Ent­lei­her ein­ge­hen wol­len. Dies kann ins­be­son­de­re der Fall sein, wenn nur im Be­trieb des Ver­lei­hers gemäß § 23 Abs. 1 KSchG die Vor­schrif­ten die­ses Ge­set­zes An­wen­dung fin­den, dort ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung kraft Ver­ein­ba­rung oder kraft Ge­set­zes aus­ge­schlos­sen ist, beim Ver­lei­her die Ar­beits­be­din­gun­gen für den Leih­ar­beit­neh­mer bes­ser sind als beim Ent­lei­her oder sich das Un­ter­neh­men des Ent­lei­hers in wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten be­fin­det. Der Ent­zug des vom Leih­ar­beit­neh­mer gewähl­ten Ar­beit­ge­bers durch Ge­setz stell­te ei­nen Ein­griff in sei­ne durch Art. 12 GG geschütz­te Rechts­po­si­ti­on dar. Die Frei­heit, ein Ar­beits­verhält­nis ein­zu­ge­hen oder dies zu un­ter­las­sen, ist Aus­druck der durch Art. 12 GG geschütz­ten Ver­trags­frei­heit (vgl. BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 69, 76, BVerfGE 128, 157). In die­se wird ein­ge­grif­fen, wenn oh­ne die zu ei­nem Ver­trags­schluss er­for­der­li­chen bei­der­sei­ti­gen übe­rein­stim­men­den Wil­lens­erklärun­gen oder gar ge­gen den Wil­len ei­ner oder auch bei­der Par­tei­en kraft Ge­set­zes ein Ar­beits­verhält­nis be­gründet wer­den soll. Die Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers zu ei­nem sol­chen Ein­griff muss im Ge­setz ei­nen hin­rei­chen­den Aus­druck fin­den (vgl. BAG 2. Ju­ni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 33; 28. Ju­ni 2000 - 7 AZR 100/99 - zu III 1 a der Gründe, BA­GE 95, 165). Im Übri­gen trifft den Ge­setz­ge­ber, wenn er es zulässt, dass der Ar­beit­ge­ber oh­ne Zu­stim­mung des Ar­beit­neh­mers aus­ge­wech­selt wird, grundsätz­lich ei­ne Schutz­pflicht, die nicht nur das In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers am Er­halt sei­nes Ar­beits­plat­zes trotz Ar­beit­ge­ber­wech­sels, son­dern auch sei­ne pri­vat­au­to­no­me Ent­schei­dung über die Per­son des Ver­trags­part­ners be­ach­ten muss (vgl. BVerfG 25. Ja­nu­ar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 73 mwN, aaO). Die
 


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Si­cher­stel­lung der frei­en Wahl des Ar­beits­plat­zes durch den Ar­beit­neh­mer, wenn ein an­de­rer als der von ihm gewähl­te in die Po­si­ti­on des Ar­beit­ge­bers einrücken soll, zB durch ein Zu­stim­mungs­er­for­der­nis oder Wi­der­spruchs­recht des Ar­beit­neh­mers (vgl. Düwell ZESAR 2011, 449, 455), ob­liegt grundsätz­lich dem Ge­setz­ge­ber. Vor­schrif­ten, die die freie Wahl des Ar­beits­plat­zes durch den Ar­beit­neh­mer bei ei­ner nicht nur vorüber­ge­hen­den Über­las­sung an ei­nen Ent­lei­her gewähr­leis­ten, feh­len im AÜG völlig.


dd) Die Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Leih­ar­beit­neh­mer folgt im Fal­le ei­ner nicht nur vorüber­ge­hen­den Ar­beit­neh­merüber­las­sung auch nicht aus ei­ner uni­ons­rechts­kon­for­men Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des AÜG.


(1) Die Leih­ar­beits­richt­li­nie gibt die Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen dem Ent­lei­her und dem Leih­ar­beit­neh­mer als Rechts­fol­ge ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Ver­bot ei­nes nicht nur vorüber­ge­hen­den Ein­sat­zes ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers bei ei­nem Ent­lei­her nicht vor. Gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Leih­ar­beits­richt­li­nie le­gen die Mit­glied­staa­ten die Sank­tio­nen fest, die im Fal­le ei­nes Ver­s­toßes ge­gen die ein­zel­staat­li­chen Vor­schrif­ten zur Um­set­zung die­ser Richt­li­nie An­wen­dung fin­den, und tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, um de­ren Durchführung zu gewähr­leis­ten. Die Sank­tio­nen müssen nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Leih­ar­beits­richt­li­nie wirk­sam, an­ge­mes­sen und ab­schre­ckend sein. Die Leih­ar­beits­richt­li­nie sieht da­mit kei­ne ei­ge­nen Sank­tio­nen vor, son­dern überlässt de­ren Aus­wahl den Mit­glied­staa­ten. Die­se Re­ge­lungs­tech­nik fin­det sich eben­falls in an­de­ren Richt­li­ni­en. So ver­pflich­tet Art. 17 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. EG L 303 vom 2. De­zem­ber 2000 S. 16) die Mit­glied­staa­ten eben­so wie Art. 10 der Leih­ar­beits­richt­li­nie, die Sank­tio­nen fest­zu­le­gen, die bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die ein­zel­staat­li­chen Vor­schrif­ten zur Um­set­zung der Richt­li­nie zu verhängen sind. Die Sank­tio­nen müssen auch hier wirk­sam, verhält­nismäßig und ab­schre­ckend sein. § 15 Abs. 6 AGG be­stimmt, dass ein Ver­s­toß des Ar­beit­ge­bers ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 AGG


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kei­nen An­spruch auf Be­gründung ei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses be­gründet. Die Re­ge­lung in § 15 Abs. 6 AGG verstößt nicht ge­gen Uni­ons­recht (vgl. EuGH 10. April 1984 - C-14/83 - [von Col­son und Ka­mann] Slg. 1984, 1891; vgl. auch MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 15 AGG Rn. 43). Die­ser Vor­schrift wird über ih­ren un­mit­tel­ba­ren An­wen­dungs­be­reich hin­aus ei­ne all­ge­mei­ne Wer­tent­schei­dung ent­nom­men, wo­nach trotz Dis­kri­mi­nie­rung im Ar­beits­recht kein Ver­trags­part­ner auf­ge­drängt wer­den darf (Däubler/Bertz­bach/Dei­nert AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 129). Die Recht­spre­chung hat § 15 Abs. 6 AGG zur Füllung ei­ner Re­ge­lungslücke im Rah­men von § 612a BGB ana­log an­ge­wandt (vgl. BAG 21. Sep­tem­ber 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 44 f.).


(2) An­ge­sichts der Viel­zahl mögli­cher Verstöße ge­gen Vor­schrif­ten des AÜG durch Ver­lei­her und Ent­lei­her so­wie mögli­cher Sank­tio­nen ist die Aus­wahl wirk­sa­mer, an­ge­mes­se­ner und ab­schre­cken­der Sank­tio­nen nicht Auf­ga­be der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen, son­dern Sa­che des Ge­setz­ge­bers. So kom­men ne­ben der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zB auch die Nor­mie­rung von Ord­nungs­wid­rig­keitstat­beständen und die Fest­set­zung von Geld­bußen (vgl. § 16 AÜG) oder der Ent­zug der Er­laub­nis des Ver­lei­hers zur Ar­beit­neh­merüber­las­sung in Be­tracht. Dies gilt auch dann, wenn die Leih­ar­beits­richt­li­nie bezüglich ei­ner nicht nur vorüber­ge­hen­den Über­las­sung ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers an ei­nen Ent­lei­her (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. b bis e der Leih­ar­beits­richt­li­nie) man­gels ei­ner wirk­sa­men, an­ge­mes­se­nen und ab­schre­cken­den Sank­ti­on un­zu­rei­chend um­ge­setzt wor­den sein soll­te (zum Recht des Be­triebs­rats, bei ei­ner be­ab­sich­tig­ten mehr als vorüber­ge­hen­den Beschäfti­gung die Zu­stim­mung nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 Be­trVG zu ver­wei­gern: vgl. BAG 10. Ju­li 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 48 ff.). Die Gren­ze zulässi­ger Rechts­fort­bil­dung ist je­den­falls dann über­schrit­ten, wenn sich aus der na­tio­na­len Rechts­ord­nung nicht ein­deu­tig er­gibt, dass zur Um­set­zung der uni­ons­recht­li­chen Ver­pflich­tung zur Fest­set­zung ef­fek­ti­ver Sank­tio­nen nur ei­ne be­stimm­te Rechts­fol­ge in Be­tracht kommt. Sol­che ein­deu­ti­gen An­halts­punk­te las­sen sich der deut­schen Rechts­ord­nung nicht ent­neh­men.
 


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ee) Die Ge­sell­schaf­ter­stel­lung des Land­krei­ses L führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Zwar kann sich der Ein­zel­ne in Fällen, in de­nen die Be­stim­mun­gen ei­ner Richt­li­nie in­halt­lich un­be­dingt und hin­rei­chend kon­kret sind, vor na­tio­na­len Ge­rich­ten ge­genüber ei­nem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber auf die­se Be­stim­mun­gen be­ru­fen, wenn die Richt­li­nie nicht frist­gemäß oder nur un­zuläng­lich in das na­tio­na­le Recht um­ge­setzt wur­de (vgl. EuGH 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 bis C¬403/01 - [Pfeif­fer ua.] Rn. 103, Slg. 2004, I-8835). Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Be­klag­te zu 1. und die Be­klag­te zu 2. als öffent­li­che Ar­beit­ge­ber im Sin­ne die­ser Recht­spre­chung an­zu­se­hen sind (vgl. da­zu EuGH 24. Ja­nu­ar 2012 - C-282/10 - [Do­m­in­guez] Rn. 38 f. mwN). Denn die Leih­ar­beits­richt­li­nie gibt die Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen Ent­lei­her und Leih­ar­beit­neh­mer als Rechts­fol­ge ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Ver­bot ei­nes nicht nur vorüber­ge­hen­den Ein­sat­zes ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers bei ei­nem Ent­lei­her nicht vor.


III. Auch un­ter dem Ge­sichts­punkt des Rechts­miss­brauchs ist zwi­schen der Be­klag­ten zu 1. und dem Kläger kein Ar­beits­verhält­nis zu­stan­de ge­kom­men.


1. So­fern der Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­trag zwi­schen den Be­klag­ten zum 31. Ok­to­ber 2011 en­de­te und der Kläger da­nach bei der Be­klag­ten zu 1. nicht mehr ein­ge­setzt wur­de, wur­de kein Ar­beits­verhält­nis nach dem Grund­satz von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) be­gründet. Ein Miss­brauch der Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten des Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­set­zes in der bis zum 30. No­vem­ber 2011 gel­ten­den Fas­sung lag eben­so we­nig vor wie ein Fall des in­sti­tu­tio­nel­len Rechts­miss­brauchs, der das Zu­stan­de­kom­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­bie­tet (ein­ge­hend BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 26 ff.).


2. Soll­te der Kläger der Be­klag­ten zu 1. auch noch nach dem 30. No­vem­ber 2011 nicht nur vorüber­ge­hend als Leih­ar­beit­neh­mer über­las­sen wor­den sein, fehlt es an den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Rechts­miss­brauchs. Der Grund­satz von Treu und Glau­ben als Ge­bot der Red­lich­keit und all­ge­mei­ne Schran­ke der Rechts­ausübung be­grenzt so­wohl sub­jek­ti­ve Rech­te als auch Rechts­in­sti­tu-



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te und Nor­men. Rechts­miss­brauch setzt vor­aus, dass ein Ver­trags­part­ner ei­ne an sich recht­lich zulässi­ge Ge­stal­tung in ei­ner mit Treu und Glau­ben un­ver­ein­ba­ren Wei­se nur da­zu ver­wen­det, sich zum Nach­teil des an­de­ren Ver­trags­part­ners Vor­tei­le zu ver­schaf­fen, die nach dem Zweck der Norm oder des Rechts­in­sti­tuts nicht vor­ge­se­hen sind (BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 27). Ab dem 1. De­zem­ber 2011 han­del­te es sich bei ei­ner nicht nur vorüber­ge­hen­den Ar­beit­neh­merüber­las­sung nicht mehr um ei­ne recht­lich zulässi­ge Ge­stal­tung. Ein mehr als vorüber­ge­hen­der Ein­satz ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers bei ei­nem Ent­lei­her ist seit­dem ver­bo­ten (vgl. hier­zu BAG 10. Ju­li 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 32 mwN). Ent­lei­her und Ver­lei­her, die sich über die nicht nur vorüber­ge­hen­de Über­las­sung ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers ei­ni­gen, miss­brau­chen da­mit kein Recht, son­dern ver­s­toßen ge­gen ein ge­setz­li­ches Ver­bot. Hat sich der Ge­setz­ge­ber aber ent­schie­den, ei­nen sol­chen Ver­s­toß nicht mit der Sank­ti­on der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zum Ent­lei­her zu ver­se­hen, darf die­se Rechts­fol­ge nicht über § 242 BGB her­bei­geführt wer­den. Dies würde be­deu­ten, sich über den klar er­kenn­ba­ren Wil­len des Ge­setz­ge­bers hin­weg­zu­set­zen und un­zulässig in die Kom­pe­ten­zen des de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten Ge­setz­ge­bers ein­zu­grei­fen.


IV. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.


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