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Massenentlassungsanzeige und Leiharbeitnehmer
09.05.2017. Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine größere Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb von 30 Tagen zu entlassen, könnte es sich um eine Massenentlassung im Sinne von § 17 Abs.1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) handeln.
Dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Arbeitsagentur die geplanten Entlassungen vorab anzuzeigen (Massenentlassungsanzeige).
Ab wann eine Massenentlassung vorliegt, ist zahlenmäßig in § 17 Abs.1 KSchG definiert und hängt von der Betriebsgröße ab. Je größer der Betrieb, desto mehr Entlassungen sind für eine „Massenentlassung“ erforderlich.
In einem aktuellen Urteil hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf die Meinung vertreten, dass Leiharbeitnehmer bei der Feststellung der Arbeitnehmerzahl bzw. Betriebsgröße nicht mitzählen: LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.09.2016, 11 Sa 705/15.
- Gehören Leiharbeitnehmer zu den „Arbeitnehmern“ des Entleiher-Betriebs, wenn dort Massenentlassungen im Sinne von § 17 Abs.1 KSchG bevorstehen?
- Im Streit: Kündigung von zwölf Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 120 eigenen Arbeitnehmern und drei Leiharbeitnehmern
- LAG Düsseldorf: Bei den Schwellenwerten des § 17 Abs.1 KSchG, die eine Massenentlassung definieren, zählen Leiharbeitnehmer nicht mit
Gehören Leiharbeitnehmer zu den „Arbeitnehmern“ des Entleiher-Betriebs, wenn dort Massenentlassungen im Sinne von § 17 Abs.1 KSchG bevorstehen?
Leiharbeitnehmer gehören gemäß § 14 Abs.1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) dem Betrieb ihres Arbeitgebers an, d.h. der Leiharbeitsfirma, und zwar auch während der Zeit ihrer Überlassung an einen Entleiher. Trotz dieser allgemeinen Zuordnung zum Betrieb der Leiharbeitsfirma sind Leiharbeitnehmer faktisch auch in den Betrieb des Entleihers eingegliedert, denn dort müssen sie nach den Weisungen des Entleihers arbeiten. Daher können sie dort zwar nicht in den Betriebsrat gewählt werden (§ 14 Abs.2 Satz 1 AÜG), sind aber wahlberechtigt d.h. ihre Stimme zählt bei der Betriebsratswahl im Entleiher-Betrieb (§ 7 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG), vorausgesetzt, sie sind länger als drei Monate im Entleiher-Betrieb tätig.
In den vergangenen Jahren hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) immer wieder entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei bestimmten arbeitsrechtlichen Schwellenwerten im Entleiher-Betrieb mitzählen. Das ist z.B. der Fall
- bei der Mindestzahl von 21 Arbeitnehmern, von der gemäß § 111 Satz 1 BetrVG das Recht auf Interessenausgleichsverhandlungen und Aufstellung eines Sozialplans abhängt (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 11/204 Interessenausgleich und Sozialplan: Leiharbeitnehmer zählen mit),
- bei der Betriebsgröße von über zehn Arbeitnehmern, die gemäß § 23 Abs.1 KSchG Voraussetzung für die Anwendbarkeit des KSchG ist (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/018 Beim Kündigungsschutz zählen Leiharbeitnehmer mit),
- bei der Feststellung der Betriebsgröße, von der die Anzahl der Mitglieder des Betriebsrats abhängt, und
- bei der Ermittlung der Unternehmensgröße gemäß § 9 Mitbestimmungsgesetz (MitbestG), von der es abhängt, ob die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat als unmittelbare Wahl oder als Delegiertenwahl vorzunehmen ist (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/321 Aufsichtsratswahl und Leiharbeit).
Bislang nicht klar entschieden ist die Frage, ob Leiharbeitnehmer auch dann zu den Arbeitnehmern des Entleiher-Betriebs zu zählen sind, wenn dort eine größere Entlassungswelle ansteht, die je nach Betriebsgröße eine anzeigepflichtige Massenentlassung im Sinne von § 17 Abs.1 KSchG ist. Hier hat auch die zum 01.04.2017 in Kraft getretene Reform des AÜG (Gesetz zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze, vom 21.02.2017, BGBl. I S.258) keine Klarheit gebracht, denn die in § 14 Abs.2 AÜG eingefügten Änderungen betreffen nicht das KSchG.
Im Streit: Kündigung von zwölf Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 120 eigenen Arbeitnehmern und drei Leiharbeitnehmern
Im Streitfall hatte ein Betrieb mit 120 eigenen Arbeitnehmern Ende 2014 innerhalb von 30 Kalendertagen mindestens zwölf Arbeitnehmer entlassen, ohne zuvor der Arbeitsagentur eine bevorstehende Massenentlassung anzuzeigen. Das ist ein Verstoß gegen § 17 Abs.1 Nr.2 KSchG, denn bei der Betriebsgröße zwischen 61 und 499 Arbeitnehmern genügt die bevorstehende Entlassung von zehn Prozent der Belegschaft für eine anzeigepflichtige Massenentlassung, und zwölf Arbeitnehmer von 120 Arbeitnehmern sind exakt zehn Prozent der Belegschaft.
Der Fall wäre demzufolge glasklar, hätte der Arbeitgeber nicht zusätzlich zu den 120 eigenen Arbeitnehmern einige Leiharbeitnehmer beschäftigt, nämlich etwa drei. Er berief sich demzufolge darauf, dass die maßgebliche Betriebsgröße hier 123 Arbeitnehmer betrug, so dass die streitigen zwölf Entlassungen knapp unterhalb der Schwelle der anzeigepflichtigen Massenentlassung blieben.
Eine der gekündigten Arbeitnehmerinnen erhob Kündigungsschutzklage und berief sich vor Gericht unter anderem darauf, dass die Kündigung wegen Verstoß gegen § 17 Abs.1 Nr.2 KSchG unwirksam sei, denn eine Missachtung der Anzeigepflicht führt als Gesetzesverstoß gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Unwirksamkeit der Kündigung. Mit dieser Argumentation hatte sie in der ersten Instanz kein Glück, denn das Arbeitsgericht wies ihre Kündigungsschutzklage ab (Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 11.06.2015, 1 Ca 3390/14).
LAG Düsseldorf: Bei den Schwellenwerten des § 17 Abs.1 KSchG, die eine Massenentlassung definieren, zählen Leiharbeitnehmer nicht mit
Das LAG entschied andersherum und gab der Kündigungsschutzklage statt. Aus seiner Sicht lag hier eine anzeigepflichtige Massenentlassung vor, denn die Leiharbeitnehmer, auf die der Arbeitgeber sich berufen hatte, zählten aus Sicht des LAG bei der Betriebsgröße im Sinne von § 17 Abs.1 Nr.2 KSchG nicht mit.
Zur Begründung beruft sich das LAG auf den Zweck der Anzeigepflicht bei Massenentlassungen. Hier geht es erstens darum, die Arbeitsverwaltung möglichst früh über einen bevorstehenden Anstieg der örtlichen Arbeitslosigkeit zu informieren, zweitens sollen die betroffenen Arbeitnehmer kündigungsschutzrechtlich besser abgesichert sein, und drittens sollen auch die Betriebsräte durch das Konsultationsverfahren (§ 17 Abs.2 KSchG) besser in der Lage sein, ihre Mitwirkungsrechte wahrzunehmen.
Alle diese drei Zwecke sind nach Ansicht des LAG unabhängig davon, ob im Betrieb Leiharbeitnehmer eingesetzt werden oder nicht.
Denn erstens führt eine größere Kündigungswelle im Entleiher-Betrieb nicht zur Entlassung der dort eingesetzten Leiharbeitnehmer, denn diese sind ja gar nicht Arbeitnehmer des Entleihers, sondern der Zeitarbeitsfirma. Werden sie im Entleiher-Betrieb nicht mehr benötigt, heißt das noch nicht, dass sie auch von ihrem Vertragsarbeitgeber (der Zeitarbeitsfirma) gekündigt werden. Eine Massenentlassungsanzeige soll aber die Arbeitsagentur frühzeitig "vorwarnen", wenn viele Arbeitnehmer in kurzer Zeit arbeitslos werden.
Zweitens geht eine größere Kündigungswelle im Entleiher-Betrieb auch an den einzelnen dort eingesetzten Leiharbeitnehmern vorbei. Auch die die durch § 17 Abs.1 KSchG (neben einer frühen Information der Arbeitsverwaltung) bezweckte Verbesserung des Kündigungsschutzes der betroffenen Arbeitnehmer ist daher kein Grund dafür, Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten dieser Vorschrift mitzuzählen.
Und drittens ist auch dem Betriebsrat des Entleiher-Betriebs nicht geholfen, wenn Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung anzeigepflichtiger Massenentlassungen mitzählen, da sie ja ihre Anstellung bei der Zeitarbeitsfirma behalten. Ihre Einbeziehung in Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan ist daher nicht erforderlich.
Fazit: Ob eine anzeigepflichtige Massenentlassung vorliegt oder nicht, beurteilt sich auf der Grundlage der im Betrieb beschäftigten Stammarbeitnehmer, d.h. Leiharbeitnehmer zählen hier nicht mit. So jedenfalls das LAG Düsseldorf, das die Revision zum BAG zugelassen hat. Da der Arbeitgeber dieses Rechtsmittel eingelegt hat, wird demnächst das BAG über diese Frage entscheiden müssen (Aktenzeichen des BAG: 2 AZR 90/17).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.09.2016, 11 Sa 705/15
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit, Zeitarbeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Interessenausgleich
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Massenentlassung
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) über den Fall entschieden und die Frage, ob Leiharbeitnehmer bei der Feststellung einer Massenentlassung mitzählen, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Nähere Informationen über diese Entscheidung des BAG finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.11.2017, 2 AZR 90/17 (A)
- Arbeitsrecht aktuell: 17/290 Schwellenwerte bei Massenentlassungen und Zeitarbeit
Letzte Überarbeitung: 13. November 2020
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