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Benachteiligung wegen Behinderung bei Sozialplanabfindung
20.11.2015. Werden bei größeren Kündigungswellen gemäß einem Sozialplan Abfindungen gezahlt, bekommen Arbeitnehmer, die bereits kurz vor der Rente stehen, meist weniger als jüngere Kollegen.
Da schwerbehinderte Arbeitnehmer früher in Rente gehen können als ihre nicht behinderten Kollegen, können Sozialplanregelungen zur "Rentennähe" dazu führen, dass Schwerbehinderte bei gleichem Alter geringere Abfindungen als vergleichbare nicht behinderte Arbeitnehmer erhalten.
Das ist, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem letzte Woche ergangenen Urteil, eine unzulässige Diskriminierung wegen einer Behinderung, so dass schwerbehinderte Arbeitnehmer eine ebenso hohe Abfindung verlangen können wie vergleichbare nicht behinderte Kollegen: BAG, Urteil vom 17.11.2015, 1 AZR 938/13 (Pressemeldung des Gerichts).
- Dürfen Sozialpläne geringere Abfindungen für schwerbehinderte Arbeitnehmer vorsehen, weil diese früher Altersrente beanspruchen können?
- Im Streit: 40.000,00 EUR Abfindung für "normale Rentennahe" oder nur 10.000,00 EUR wegen einer Sonderregelung zulasten schwerbehinderter Arbeitnehmer?
- BAG: Die vorzeitige Rentenberechtigung wegen einer Schwerbehinderung darf nicht zur Schlechterstellung bei Sozialplan-Abfindungen führen
Dürfen Sozialpläne geringere Abfindungen für schwerbehinderte Arbeitnehmer vorsehen, weil diese früher Altersrente beanspruchen können?
Sozialpläne bzw. die in ihnen vorgesehenen Abfindungen haben den Zweck, künftige finanzielle Nachteile auszugleichen, die den Arbeitnehmern infolge ihrer Entlassung entstehen werden.
Wegen dieser Überbrückungsfunktion sehen viele Sozialpläne vor, dass es zwei verschiedene Berechnungswege für die Ermittlung von Abfindungen gibt: Eine "normale" Abfindungsformel, bei der es auf die Beschäftigungsjahre, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung ankommt, und eine Sonderformel für die "Rentennahen", bei der die vorausliegenden Monate bis zum (frühestmöglichen oder regulären) Rentenbeginn mit der Abfindung überbrückt bzw. finanziell unterstützt werden sollen.
Enthält ein Sozialplan zwei derartige Abfindungsformeln, kann das dazu führen, dass ein 58jähriger Arbeitnehmer eine Abfindung im sechststelligen Bereich erhält, während ein zwei Jahre älterer Kollege mit einem Zehntel dieser Summe "abgespeist" wird, weil er nämlich in absehbarer Zeit (nach Ausschöpfung seines Arbeitslosengeldanspruchs) in Rente gehen kann.
Darin liegt zwar eine altersbedingte Ungleichbehandlung, doch ist diese nach der Rechtsprechung des BAG sachlich gerechtfertigt und stellt daher keine verbotene Altersdiskriminierung dar (so BAG, Urteil vom 26.03.2013, 1 AZR 813/11, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/096 Abfindung für "rentennahe" Arbeitnehmer und Europarecht).
Denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stellt im Anschluss an die EU-Richtlinie 2000/78/EG klar, dass altersbedingte Ungleichbehandlungen rechtens sind, wenn sie „durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt“ sowie „objektiv und angemessen“ sind und wenn die eingesetzten Mittel „angemessen und erforderlich“ sind (§ 10 Satz 1 und 2 AGG).
Und für altersbedingte Abfindungsunterschiede enthält § 10 Satz 3 Nr.6 AGG sogar eine Sonderregelung: Danach dürfen rentennahe Arbeitnehmer, die aufgrund einer Betriebsänderung entlassen werden, von Sozialplanabfindungen völlig (!) ausgenommen werden.
Bleibt die Frage, ob es auch rechtlich zulässig ist, schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber anderen, nicht behinderten Arbeitnehmern beim Thema Sozialplanabfindung schlechter zu stellen.
Dafür spricht die zukunftsbezogene Überbrückungsfunktion von Abfindungen: Wenn es um künftige finanzielle Nachteile geht, dann sind diese eben bei Schwerbehinderten geringer, weil sie gemäß § 236a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) früher in Rente gehen können. In diesem Sinne "konsequent" hat das BAG tatsächlich einmal entschieden (BAG, Urteil vom 11.11.2008, 1 AZR 475/07, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 08/134 Diskriminierung: Abfindungskürzung für Arbeitnehmer im rentennahen Alter).
Dagegen spricht allerdings ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahre 2012. In dieser Entscheidung hat der EuGH herausgestellt, dass die Möglichkeit einer vorgezogenen Rente aufgrund einer Behinderung gerade kein sachlicher Grund dafür ist, schwerbehinderten Arbeitnehmern geringere Abfindungen zu zahlen (EuGH, Urteil vom 06.12.2012, C-152/11, Odar gg. Baxter - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell 12/392 Sozialplan-Abfindung bei Behinderung).
Zu dieser Frage musste jetzt auch das BAG Stellung nehmen.
Im Streit: 40.000,00 EUR Abfindung für "normale Rentennahe" oder nur 10.000,00 EUR wegen einer Sonderregelung zulasten schwerbehinderter Arbeitnehmer?
In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es um eine Sozialplan, der Abfindungen für betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer enthielt, und um einen 1950 geborenen, schwerbehinderten Arbeitnehmer, der seine Abfindung von 11.000,00 EUR als diskriminierend ansah und daher auf Zahlung einer weiteren Abfindung klagte.
Die normale Formelberechnung gemäß dem Sozialplan beruhte im Wesentlichen auf dem Bruttomonatslohn und der Betriebszugehörigkeit der entlassenen Arbeitnehmer. Danach hätte der Kläger eigentlich 64.558,00 EUR Abfindung erhalten müssen, doch war dieser Betrag für rentennahe Arbeitnehmer auf maximal 40.000,00 EUR begrenzt. Und da der Kläger im rentennahen Alter war, hätte er sich wahrscheinlich mit den 40.000,00 EUR Abfindung zufrieden gegeben.
Doch noch nicht einmal diesen Betrag zahlte ihm der Arbeitgeber aus. Denn nach einer im Sozialplan enthaltenen Sonderregelung waren Arbeitnehmer, die wegen einer Schwerbehinderung bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Rente beanspruchen konnten, von der individuellen Abfindungsberechnung von vornherein ausgenommen. Diese Arbeitnehmer sollten nach dem Sozialplan nur eine Abfindungspauschale von 10.000,00 EUR bekommen sowie einen Zusatzbetrag von 1.000,00 EUR wegen ihrer Schwerbehinderung.
Das Arbeitsgericht Köln verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung weiterer 30.000,00 EUR, weil es die Sonderregelung für schwerbehinderten Arbeitnehmer als rechtswidrig ansah (Urteil vom 05.02.2013, 13 Ca 5641/12), und in diesem Sinne hat auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden (LAG Köln, Urteil vom 19.11.2013, 12 Sa 692/13).
BAG: Die vorzeitige Rentenberechtigung wegen einer Schwerbehinderung darf nicht zur Schlechterstellung bei Sozialplan-Abfindungen führen
Auch die das BAG gab dem Arbeitnehmer recht. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Unterscheidet ein Sozialplan für die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen, müssen die Diskriminierungsverbote des AGG beachtet werden. Das hatten Arbeitgeber und Betriebsrat hier nicht beachtet, denn die Sonderregelung über die Abfindungspauschale von 10.000,00 EUR beinhaltete eine unmittelbare Benachteiligung schwerbehinderter Arbeitnehmer, die ohne diese Regelung eine höhere Abfindung beanspruchen könnten. Daher durfte diese Sonderregelung gemäß § 7 Abs.2 AGG nicht zulasten der schwerbehinderten Arbeitnehmer angewandt werden, so die Erfurter Richter.
Fazit: Obwohl das BAG es in der Pressemeldung nicht unmissverständlich sagt, geht es davon aus, dass schwerbehinderte und nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer als vergleichbar anzusehen sind, obwohl Schwerbehinderte früher in Rente gehen können. Diese besondere, für Schwerbehinderte günstige Rentenberechtigung spielt demgemäß beim Thema Abfindung keine Rolle, womit sich das BAG letztlich dem EuGH-Urteil vom 06.12.2012 in Sachen Odar gg. Baxter (C-152/11) angeschlossen hat.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2015, 1 AZR 938/13 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2015, 1 AZR 938/13
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 19.11.2013, 12 Sa 692/13
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.12.2012, C-152/11 - Odar gg. Baxter
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18.11.2010, C-356/09 - Kleist
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 12.10.2010, C-499/08 - Andersen
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2013, 1 AZR 813/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.11.2008, 1 AZR 475/07
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 12. August 2020
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