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Altersdiskriminierung beim Übergang in den Ruhestand
31.10.2013. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass Rentenaltersklauseln mit dem Europarecht vereinbar sind, d.h. keine verbotene Altersdiskriminierung der "zwangspensionierten" Arbeitnehmer und Beamten sind.
Andererseits nimmt der EuGH den Wunsch rentennaher Arbeitnehmer, noch einige Jahre weiter erwerbstätig zu sein, sehr ernst. Wenn der Arbeitgeber oder der Staat entlassene Arbeitnehmer mit Übergangsregelungen bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle unterstützt, dürfen rentennahe Arbeitnehmer davon nicht ausgenommen werden.
Diese Linie hat der Gerichtshof in einer Entscheidung vom September 2013 bestätigt: EuGH, Urteil vom 26.09.2013, Rechtssache C-546/11 (Dansk Jurist).
- Können rentennahe Arbeitnehmer nach betriebsbedingten Entlassungen von Übergangsleistungen ausgenommen werden, die der Suche nach einer Folgebeschäftigung dienen?
- Der Fall des EuGH: Dänischer Beamter ist pensionsberechtigt, aber nicht pensionsverpflichtet und möchte nach Stellenstreichung gerne weiter arbeiten
- EuGH: Beamte können trotz Pensionsberechtigung gehaltsersetzende Übergangsleistungen beanspruchen, wenn sie nicht in Rente gehen wollen
Können rentennahe Arbeitnehmer nach betriebsbedingten Entlassungen von Übergangsleistungen ausgenommen werden, die der Suche nach einer Folgebeschäftigung dienen?
Das Europarecht verbietet altersbedingte Ungleichbehandlungen im Beruf (Regel), wenn sie nicht sachlich gerechtfertigt sind (Ausnahme). Das Verbot der altersbedingten Benachteiligungen ergibt sich aus Art.1, Art.2 Abs.1 und Art.3 Abs.1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000, die altersbedingte Schlechterstellungen unter bestimmten sachlichen Voraussetzungen ausdrücklich erlaubt (Art.4 Abs.1, Art.6).
Auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) daher vor, dass altersbedingte Schlechterstellungen zulässig sind, wenn sie „durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt“ sowie „objektiv und angemessen“ und wenn die Mittel zur Erreichung eines solchen Ziels „angemessen und erforderlich“ sind, § 10 Satz 1 und 2 AGG.
Der EuGH hat vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren klargestellt, dass es keine verbotene, sondern eine sachlich gerechtfertigte Benachteiligung älterer Arbeitnehmer und Beamter ist, wenn diese infolge von gesetzlichen, tariflichen oder arbeitsvertraglichen Rentenaltersklauseln "zwangspensioniert" werden (EuGH, Urteil vom 12.10.2010, C-45/09 - Rosenbladt gg. Oellerking, wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell: 10/217 EuGH erklärt in Tarifverträgen enthaltene Rentenaltersklauseln für rechtens).
Außerdem hat der Gerichtshof auch akzeptiert, dass Sozialpläne geringere Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer vorsehen können, weil diese von einer betriebsbedingten Entlassung nicht mehr so hart getroffen werden wie jüngere Arbeitnehmer. Denn die jüngeren müssen noch eine längere Wegstrecke bis zur Berentung zurücklegen (EuGH, Urteil vom 06.12.2012, C-152/11 - Odar gg. Baxter, Rn.43 ff., wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell: 12/392 Sozialplan-Abfindung bei Behinderung).
Andererseits hat der EuGH immer wieder betont, dass Übergangsleistungen, die entlassenen Arbeitnehmern bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung helfen sollen, älteren Arbeitnehmern nicht einfach mit Verweis auf ihre Rentennähe verweigert werden dürfen.
Denn auch wenn man "nur" noch einige Jahre arbeiten möchte, ist dieser Wunsch legitim und von der Richtlinie 2000/78/EG geschützt (EuGH, Urteil vom 12.10.2010, C-499/08 - Ingeniørforeningen, wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell: 11/004 Auch rentennahe Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Abfindungszahlung).
In einer aktuellen, einen dänische Streitfall betreffenden Entscheidung hat der EuGH bestätigt, dass der Wunsch älterer Arbeitnehmer und Beamter, trotz ihres vorgerückten Alters weiter arbeiten zu wollen, ernst zu nehmen ist: EuGH, Urteil vom 26.09.2013, Rechtssache C-546/11 (Dansk Jurist).
Der Fall des EuGH: Dänischer Beamter ist pensionsberechtigt, aber nicht pensionsverpflichtet und möchte nach Stellenstreichung gerne weiter arbeiten
In dem aus Dänemark stammenden Streitfall ging es um einen aus betrieblichen Gründen entlassenen Beamten, Herrn Toftgaard. Er war Leiter einer Kreisverwaltung, bis er wegen der Streichung seiner Stelle zum Jahresende 2006 entlassen wurde.
Da er zum Entlassungszeitpunkt schon 65 Jahre alt war, erhielt er kein sog. Freistellungsgehalt. Dieses wird betriebsbedingt entlassenen dänischen Beamten drei Jahre lang gezahlt. Während dieser Zeit müssen sich die Beamten bereit halten, eine anderweitige Stelle anzutreten, wenn ihr Dienstherr das von ihnen verlangt. Nach den dänischen Regelungen zum Freistellungsgehalt wird dieses Beamten ab Alter 65 nicht mehr gezahlt, da sie pensionsberechtigt sind.
Die Altersgrenze für den obligatorischen Eintritt von Beamten in den Ruhestand war zu dem Zeitpunkt, als Herr Toftgaard entlassen wurde, auf 70 Jahre festgesetzt. Da er damals 65 Jahre alt war, war er demzufolge zwar berechtigt, aber nicht dazu verpflichtet, in den Ruhestand zu treten.
Das wollte er nicht und teilte seinen Wunsch nach einer weiteren Beschäftigung seinem Dienstherrn mit, verbunden mit der Aufforderung, ihm das Freistellungsgehalt zu zahlen. Der Dienstherr weigerte sich, und die Sache ging vor Gericht.
Das in mit dem Fall befasste dänische Gericht, der Højesteret, legte dem EuGH u.a. die Frage vor, ob die Rechtfertigungsgründe für Altersgrenzen, die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG genannt werden, nur für die hier genannten Fälle der Altersrente oder der Invaliditätsleistungen gelten, ober ob sich Arbeitgeber auch bei anderen betrieblichen Sozialleistungen auf diese Vorschrift berufen können (was dem Dienstherrn Herrn Toftgaards geholfen hätte, denn er verteidigte die Altersgrenze 65 für die die Sozialleistung "Freistellungsgehalt").
EuGH: Beamte können trotz Pensionsberechtigung gehaltsersetzende Übergangsleistungen beanspruchen, wenn sie nicht in Rente gehen wollen
Der EuGH folgt in seinem Urteil in vollem Umfang den Entscheidungsvorschlägen der Generalanwältin J. Kokott und stellt zunächst klar, dass die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG geregelte Ausnahmebefugnis, bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Altersgrenzen für den Bezug von Altersrente und Invaliditätsleistungen festzulegen, wirklich nur für diese beiden speziellen Leistungen gilt.
Denn Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ist eine Ausnahmevorschrift, und Ausnahmevorschriften sind eng auszulegen, so der EuGH.
Da die Richtlinie 2000/78/EG und das in ihr enthaltene Verbot der Altersdiskriminierung gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a) der Richtlinie auch in Bezug auf die „Entlassungsbedingungen“ gilt, war die hier vorliegende altersbedingte Schlechterstellung des Klägers, d.h. sein Ausschluss vom Bezug eines dreijährigen Freistellungsgehalts, auf der Grundlage des allgemeinen Rechtfertigungsgrundes für (altersbedingte) Ungleichbehandlungen zu überprüfen (Art.2 Abs.2 der Richtlinie und Art. 6 Abs.1 der Richtlinie) .
Nach Art. 6 Abs.1 der Richtlinie stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters keine Diskriminierung dar,
- wenn sie "objektiv und angemessen" ist,
- wenn sie im Rahmen des nationalen Rechts durch ein "legitimes Ziel", worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist, und
- wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels "angemessen und erforderlich" sind.
Die ersten beiden Voraussetzungen einer sachlich gerechtfertigten altersbedingten Schlechterstellung sah der Gerichtshof hier als erwiesen an. Denn der dänische Staat wollte mit der Altersgrenze erreichen, dass das Freistellungsgehalt nur solchen Beamten gewährt wird, die diesen Schutz brauchen, und das ist bei pensionsberechtigten Beamten nicht der Fall. Das bewertete der EuGH als ein "legitimes Ziel" und die streitige Altersgrenze 65 als einen "objektiven und angemessenen" Weg, dieses Ziel zu erreichen.
Allerdings meinte der Gerichtshof, dass die dänische Regelung über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgeht und daher nicht "angemessen" ist. Denn die Altersgrenze 65 läuft darauf hinaus, arbeitswilligen Beamten das Freistellungsgehalt allein deshalb vorzuenthalten, weil sie altersbedingt eine Altersrente beanspruchen können.
Und da die trotz eines Pensionsanspruchs arbeitswilligen dänischen Beamten weitere Rentenanwartschaften erwerben können, wäre der generelle Ausschluss aller 65jährigen oder älteren Beamten vom Freistellungsgehalt und der damit verbundenen weiteren Erwerbsmöglichkeiten nicht angemessen.
Hier hätte der dänische Staat nach Ansicht des EuGH auch weniger belastende Regelungen treffen können, um einen Leistungsmissbrauch durch Beamte zu verhindern, die zwar das Freistellungsgehalt mitnehmen wollen, aber nicht dazu bereit sind, eine anderweitige Stelle anzutreten.
Fazit: Das vorliegende Urteil zeigt erneut, dass der Wunsch rentennaher (oder sogar rentenberechtigter) Arbeitnehmer, weiter zu arbeiten, bei der Überprüfung von sozialen Überbrückungsleistungen aus Anlass betriebsbedingter Entlassungen ernst zu nehmen ist.
Zwar dürfen Sozialplanabfindungen für "Rentennahe" geringer ausfallen als für jüngere Arbeitnehmer, doch wäre es bei europarechtlich gebotener Auslegung von § 10 Satz 1, Satz 2 und Satz 3 Nr.1 AGG unzulässig, Arbeitnehmer, die vorgezogene Altersrente beanspruchen können, z.B. von einer Transfergesellschaft auszunehmen. Denn das wäre eine altersdiskriminierende Verweigerung des (weiteren) "Zugangs zur Beschäftigung".
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.09.2013, Rechtssache C-546/11 (Dansk Jurist)
- Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 07.02.12, Rs. C-546/11 (Dansk Jurist)
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- Arbeitsrecht aktuell: 10/217 EuGH erklärt in Tarifverträgen enthaltene Rentenaltersklauseln für rechtens
Letzte Überarbeitung: 31. Dezember 2018
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