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Ab­fin­dung und Ren­te

So­zi­al­plä­ne dür­fen die Ab­fin­dung bei be­vor­ste­hen­der Ren­te kür­zen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 29.09.2011, 7 Sa 323/11
Auktionshammer bzw. Gerichtshammer auf Geldscheinen Im ren­ten­na­hen Al­ter darf die Ab­fin­dung et­was ge­rin­ger aus­fal­len
24.11.2011. Nicht je­der, der durch ei­ne be­triebs­be­ding­te Kün­di­gung sei­nen Ar­beits­platz ver­liert, kann ei­ne Ab­fin­dung be­an­spru­chen. Meist er­gibt sich der An­spruch auf die Ab­fin­dung erst als Er­geb­nis von er­folg­rei­chen Ver­hand­lun­gen über die Wirk­sam­keit der Kün­di­gung - nach dem Mus­ter "Kün­di­gungs­schutz ge­gen Geld". Oder ein Ab­fin­dungs­an­spruch folgt aus ei­nem So­zi­al­plan.

Er­gibt sich die Ab­fin­dung aus ei­nem So­zi­al­plan, gu­cken die kurz vor der Ren­te ste­hen­den Ent­las­se­nen aber meist in die Röh­re. Denn da sie oh­ne­hin dem­nächst auf­grund ih­res Al­ters aus dem Ar­beits­ver­hält­nis aus­schei­den und ei­ne Ren­te be­zie­hen wür­den, se­hen So­zi­al­plä­ne für sie meist ei­ne deut­lich ge­rin­ge­re Ab­fin­dung vor - wenn über­haupt. Be­trof­fe­ne se­hen das als Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ih­res Al­ters an, kön­nen sich da­mit aber vor Ge­richt nur sel­ten durch­set­zen.

Denn So­zi­al­plä­ne kön­nen die den An­spruch auf ei­ne Ab­fin­dung kür­zen, wenn der Ent­las­se­ne dem­nächst ei­ne Ren­te be­zie­hen kann. Die­se Recht­spre­chung hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nie­der­sach­sen vor kur­zem be­stä­tigt (Ur­teil vom 29.09.2011, 7 Sa 323/11).

Ab­fin­dung trotz kurz be­vor­ste­hen­der Ren­te - oder ge­ra­de des­halb?

Wer kurz vor der (Al­ters-)Ren­te steht, ist älter als die meis­ten sei­ner Kol­le­gen, die aber nach den meis­ten So­zi­alplänen ei­ne höhe­re Ab­fin­dung er­hal­ten. Das ist ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung der älte­ren Ar­beit­neh­mer we­gen ih­res Al­ters. Al­ler­dings ist die­se Schlech­ter­stel­lung rech­tens, wenn sie „durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt“ und „ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen“ ist und wenn auch die Mit­tel zur Zie­leer­rei­chung "an­ge­mes­sen und er­for­der­lich“ sind (§ 10 Sätze 1 und 2 All­ge­mei­nes Gleich­be­hand­lungs­ge­setz - AGG).

Als "le­gi­ti­mes Ziel" gilt in der Recht­spre­chung, dass älte­re Ar­beit­neh­mer in­fol­ge der kurz be­vor­ste­hen­den Ren­te von der Kündi­gung nicht so hart ge­trof­fen wer­den wie die jünge­ren. Und ge­nau das steht auch in § 10 Satz 3 Nr.6 AGG: Da­nach können Ar­beit­neh­mer von den Leis­tun­gen ei­nes So­zi­al­plans so­gar ganz aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn sie auf­grund der na­he be­vor­ste­hen­den Ren­ten­be­rech­ti­gung wirt­schaft­lich ab­ge­si­chert sind.

Al­ler­dings muss ja nicht je­der Ren­ten­be­rech­tig­te auch in Ren­te ge­hen. Auch ein "Me­thu­sa­lem" mit 65 Jah­ren kann ja, Ren­te hin Ren­te her, wei­ter ar­bei­ten, und dann wäre ei­ne Ab­fin­dung als fi­nan­zi­el­le Über­brückung bis zum nächs­ten Job sinn­voll. Und über­haupt - ist ei­ne Ab­fin­dung nicht auch ei­ne Dan­keschön für die Le­bens­leis­tung, die der ent­las­se­ne für sei­nen Ar­beit­ge­ber er­bracht hat?

LAG Nie­der­sach­sen: Für Ar­beit­neh­mer, die kurz vor der Ren­te ste­hen, können So­zi­alpläne ei­ne Mi­ni-Ab­fin­dung vor­se­hen

Ein Phar­ma­un­ter­neh­men zahl­te be­triebs­be­dingt gekündig­ten Ar­beit­neh­mern Ab­fin­dun­gen auf Grund­la­ge ei­nes So­zi­al­plans. Die­ser sah für Ar­beit­neh­mer zwi­schen 51-59 die höchs­te Ab­fin­dung vor (bis zu 200.000 EUR), für Ar­beit­neh­mer ab 62 aber nur noch ei­ne Trost­pflas­ter-Ab­fin­dung von zwei Mo­nats­gehältern. Ein 64jähri­ger er­hielt 10.650,00 EUR Ab­fin­dung - statt 123.000,00 EUR, die er be­kom­men hätte, wenn die Ab­fin­dungs­for­mel der 51 bis 59jähri­gen auf ihn an­wend­bar wäre. Er fühl­te sich dis­kri­mi­niert und klag­te die Dif­fe­renz ein.

Oh­ne Er­folg - denn das LAG wies sei­ne Kla­ge ab wie schon zu­vor das Ar­beits­ge­richt Göttin­gen (Ur­teil vom 09.02.2011, 4 Ca 363/10). Denn So­zi­alpläne wer­den nicht von den Ar­beits­ge­rich­ten ge­macht, son­dern von Ar­beit­ge­bern und Be­triebsräten. Und die ha­ben da­bei ei­nen großen Ge­stal­tungs­spiel­raum. Sie dürfen da­her Ar­beit­neh­mer, die kurz vor der Ren­te ste­hen, schlech­ter be­han­deln als Jünge­re, da Jünge­re meist noch länger ar­bei­ten müssen und da­her von ei­ner Kündi­gung härter ge­trof­fen wer­den.

Fa­zit: Wer mit ei­ner eher klei­nen Ab­fin­dung ent­las­sen wird, weil er demnächst ei­ne Ren­te be­zie­hen kann, schaut meist auf die Ver­gan­gen­heit und sieht sei­ne Le­bens­leis­tung un­fair be­wer­tet. Auch Stich­tags­re­ge­lun­gen können hart sein ("wäre ich zwei Wo­chen jünger, würde ich 50.000 EUR mehr Ab­fin­dung be­kom­men."). Al­les Jam­mern hilft aber recht­lich nichts. Denn die So­zi­alpläne nach dem Mot­to "Je näher die Ren­te, des­to klei­ner die Ab­fin­dung" sind zulässig. Al­len­falls der Vor­trag, dass man wei­ter ar­bei­ten möch­te, könn­te die Ge­rich­te in­fol­ge des EuGH-Ur­teils in Sa­chen An­der­sen zum Nach­den­ken ver­an­las­sen.

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Letzte Überarbeitung: 4. Mai 2020

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