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Sozialpläne dürfen niedrigere Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer vorsehen
06.03.2009. Ende letzten Jahres informierten wir über ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), dessen Inhalt zunächst nur über eine gerichtliche Pressemeldung bekannt war (Arbeitsrecht aktuell: 08/134 Diskriminierung: Abfindungskürzung für Arbeitnehmer im rentennahen Alter).
Gestritten wurde in diesem Fall darüber, ob es eine verbotene Altersidiskriminierung ist, wenn sog. rentennahe Arbeitnehmer bei der Festsetzung von Sozialplanabfindungen schlechter gestellt werden als Kollegen, die einige Jahre jünger sind.
Nach Ansicht des BAG liegt eine Diskriminierung hier nicht vor. Inzwischen hat das BAG seine Entscheidungsgründe publiziert (BAG, Urteil vom 11.11.2008, 1 AZR 475/07). Sie werden hier kurz besprochen.
- Weniger Abfindung nach einem Sozialplan für 63jährige als für 57jährige?
- Der Streitfall: 60jähriger bekommt weniger Sozialplanabfindung als geringfügig jüngere Kollegen
- BAG: Sozialpläne haben eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion
- Fazit: Arbeitgeber und Betriebsräte können frei entscheiden, ob rentennahe Arbeitnehmern geringere Abfindungen erhalten sollen
Weniger Abfindung nach einem Sozialplan für 63jährige als für 57jährige?
Bei einer Betriebsänderung, etwa der Schließung einer Niederlassung, kann der Betriebsrat die Aufstellung eines Sozialplanes erzwingen. Damit sollen Nachteile ausgeglichen oder abgemildert werden, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung für die Zukunft entstehen. Typischerweise geschieht dies in Form von Abfindungen.
Häufig sollen danach Arbeitnehmer, die kurz vor der Rente stehen, eine niedrigere Abfindung erhalten. Welche Abfindung an welchen Arbeitnehmer ausgezahlt wird, können Betriebsrat und Arbeitgeber an sich frei entscheiden. Doch dürfen sie Arbeitnehmer gemäß § 75 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unter anderem nicht wegen ihres Alters ohne sachlichen Grund benachteiligen, da dies eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters wäre.
Fraglich ist, ob die Vereinbarung in Sozialplänen, dass rentennahe Arbeitnehmer eine niedrigere Abfindung auf der Grundlage einer ungünstigeren Berechnungsformel erhalten, eine Diskriminierung aufgrund des Alters im Hinblick auf das AGG darstellen.
Der Streitfall: 60jähriger bekommt weniger Sozialplanabfindung als geringfügig jüngere Kollegen
Im vorliegenden Fall kündigte die Arbeitgeberin den schwerbehinderten Kläger, einen langjährig beschäftigten Baumaschinenführer, aus betriebsbedingten Gründen, nämlich wegen der Schließung einer ihrer Niederlassungen. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt gerade 60 Jahre alt geworden und zur vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente berechtigt. Nachdem er in der ersten Hälfte des Jahres 2006 zunächst Arbeitslosengeld I in Anspruch genommen hatte, bezog er seit August 2006 vorgezogene Altersrente mit einem Abschlag von 7,5 %. Ab Dezember 2008 hat der Kläger Anspruch auf ungeminderte Altersrente.
Ein aufgrund der Niederlassungsschließung auf den Kläger anzuwendende Sozialplan sieht vor, dass Arbeitnehmer, die in unmittelbarem Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente (gesetzlich oder gleichgestellt) mit Abschlägen haben, für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme einer solchen Altersrente zum Ausgleich der Rentenkürzung eine Abfindungspauschale in Höhe von 160,00 EUR, höchstens jedoch 9.600,00 EUR brutto erhalten sollen.
Während die normale (Regel-)Abfindung für den Kläger aufgrund der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, seines Alters, seiner Schwerbehinderung und seines Monatseinkommens fast 52.000 EUR betragen hätte, erhielt der Kläger von der Beklagten unter Hinweis auf die Sonderregelung für Abfindungen vorzeitig rentenberechtigter Arbeitnehmer eine Abfindung von nur 5.600,00 EUR.
Das Arbeitsgericht wies die Klage durch Urteil vom 22.12.2006 (11 Ca 2183/06) ab. Auch die beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln eingelegte Berufung blieb erfolglos, d.h. das LAG bestätigte die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht (LAG Köln, Urteil vom 04.07.2007, 14 Sa 201/07).
BAG: Sozialpläne haben eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion
Das BAG wies die Revision des Arbeitnehmers ebenfalls zurück.
Nach seiner Ansicht dürfen die Betriebsparteien in Sozialplänen für Arbeitnehmer, die Anspruch auf vorgezogenen Altersrente hätten, geringere Abfindungsansprüche vorsehen. Weder der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch die Verbote der Alters- oder Behindertendiskriminierung gebieten eine andere Beurteilung, so das BAG.
Denn Sozialpläne haben nach der Rechtsprechung des BAG eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion, d.h. sie sollten die künftigen Nachteile ausgleichen, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen könnten. Da Sozialpläne, falls möglich, schon vor der Betriebsänderung geschlossen werden sollten, sei es unumgänglich, den Betriebsparteien bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Nachteile einen erheblichen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Dieser gestatte eine pauschalisierende und typisierende Betrachtung.
Jedenfalls bei typisierender Betrachtung handele es sich bei der Annahme, rentenberechtigte oder rentennahe Arbeitnehmer seien im Regelfall wirtschaftliche stärker abgesichert als rentenferne Arbeitnehmer, nicht um eine realitätsferne Beurteilung, sondern um einen den Betriebsparteien im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums zustehende tatsächliche Einschätzung.
Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die gesetzlichen Diskriminierungsverbote seien bei der Einschätzung der den Arbeitnehmern entstehenden wirtschaftlichen Nachteile unbeachtlich. Es handele sich insoweit um eine tatsächliche Beurteilung, nicht um normative Gestaltung. Die Betriebsparteien dürften deshalb bei der Abschätzung der den Arbeitnehmern aus der Betriebsänderung entstehenden Nachteile auch berücksichtigen, ob diese bei bestimmten Personengruppen schon durch sozialversicherungsrechtliche Ansprüche gemildert würden.
Den Betriebsparteien sei die durch die Rentennähe gegebene finanzielle Besserstellung von Arbeitnehmern vorgegeben, so dass sie diese nach § 112 BetrVG auch bei der Sozialplangestaltung berücksichtigen dürften. Der Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien beträfe die Frage, ob, in welchem Umfang und wie sie die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile ausglichen oder abmilderten.
Die Betriebsparteien hätten in dem vorliegenden Sozialplan zahlreiche Gruppen und Untergruppen gebildet. Nur die Unvereinbarkeit der Gruppenbildung mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder den Diskriminierungsverboten könne überhaupt einen Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung mit im Sozialplan besser gestellten Gruppen begründen Diese Gruppenbildung verstoße aber nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die geringere Abfindung für rentennahe Arbeitnehmer beruhe nämlich auf der Erkenntnis, dass diese durch die Rentenzahlung typischerweise wesentlich geringere wirtschaftliche Nachteile erleiden als diejenigen, die keinen solchen Anspruch hätten. Auch die Einschätzung, dass Arbeitnehmer, die unmittelbar nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Rente bezögen, weniger wirtschaftliche Nachteile erlitten als diejenigen, die vor Bezug der Rente zunächst Arbeitslosengeld erhielten, bewege sich innerhalb des Einschätzungsspielraumes. Das gleiche gelte für die Beurteilung bezüglich der Arbeitnehmer, die wie der Kläger Abschläge bei einer vorgezogenen Rente hinnehmen müssten.
Im Übrigen manifestiere sich bei Arbeitnehmern, die bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses kurz vor oder kurz nach Vollendung des 60. Lebensjahres stünden und deswegen gerade noch oder gerade nicht mehr Anspruch auf die höhere Abfindung hätten, das Problem jeder Stichtagsregelung. Mit Stichtagsregelungen seien häufig Härten verbunden. Diese müssten im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden, wenn sich, so wie hier, die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar sei und das auch auf die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zuträfe.
Schließlich stellen die getroffenen Regelungen, so das BAG, auch keine Diskriminierung nach dem AGG aufgrund der Behinderung des Klägers dar. Aus den oben genannten Gründen bestehe ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung.
Fazit: Arbeitgeber und Betriebsräte können frei entscheiden, ob rentennahe Arbeitnehmern geringere Abfindungen erhalten sollen
Das Bundesarbeitsgericht hat zurecht klargestellt, dass die Betriebsparteien in Sozialplänen für rentennahe Arbeitnehmer niedrigere Abfindungen vereinbaren können.
Dies ergibt sich nicht nur aus der bisherigen Rechtsprechung des BAG zum Ermessenspielraum der Betriebspartner bei der Gestaltung von Sozialplänen, sondern seit Inkrafttreten des AGG auch aus dessen § 10 Satz 3 Nr.6. Hierin ist nämlich ausdrücklich die Berechtigung von Arbeitgeber und Betriebsrat anerkannt, rentennahe Arbeitnehmer gänzlich (!) von der Berechtigung zum Bezug einer Sozialplanabfindung auszunehmen.
Auch die Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) kann kaum in Zweifel gezogen werden, da deren Art. 6 recht ähnliche, in § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG teilweise nur wiederholte Erlaubnisse für eine altersbedingte Ungleichbehandlung im Erwerbsleben enthält.
Letztlich erleiden Arbeitnehmer in rentennahem Alter typischerweise weniger Nachteile als jüngere Arbeitnehmer. Dass es je nach Ausgestaltung des Sozialplans zu Härten kommen kann, da eine geringe Altersdifferenz zu erheblichen Unterschieden bei den Abfindungsansprüchen führt, ist nach Ansicht des BAG hinzunehmen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.11.2008, 1 AZR 475/07
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.07.2007, 14 Sa 201/07
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Diskriminierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Diskriminierung - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialplan
- Arbeitsrecht aktuell: 20/056 Einigungsstelle kann Rentennahe von Sozialplanleistungen ausschließen
- Arbeitsrecht aktuell: 15/327 Benachteiligung wegen Behinderung bei Sozialplanabfindung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/084 Sozialplan und befristete Arbeitsverträge
- Arbeitsrecht aktuell: 12/392 Sozialplan-Abfindung bei Behinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/235 Abfindung und Rente
- Arbeitsrecht aktuell: 11/087 Abfindung: Diskriminierung durch Staffelung nach Altersgruppen?
- Arbeitsrecht aktuell: 08/134 Abfindungskürzung für Arbeitnehmer im rentennahen Alter ist keine Diskriminierung
Letzte Überarbeitung: 4. Mai 2020
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