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Hinausschieben der Altersgrenze gemäß § 41 Satz 3 SGB VI
29.05.2017. Im Befristungsrecht gelten bereits seit langen Jahren Sonderregelungen, die die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Arbeitnehmern „erleichtern“ und damit den arbeitsrechtlichen Schutz älterer Arbeitnehmer gegenüber Befristungen verringern.
So ist gemäß § 14 Abs.3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) die Befristung mit Arbeitnehmern ab 52 Jahren ohne Sachgrund bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren rechtlich zulässig (vorausgesetzt der Arbeitnehmer war zuvor einige Monate arbeitslos).
In einer aktuellen Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Bremen Zweifel daran geäußert, ob die weitgehend schrankenlose Möglichkeit von Vertragsbefristungen mit Arbeitnehmern im Rentenalter gemäß § 41 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) europarechtlich zulässig ist: LAG Bremen, Beschluss vom 23.11.2016, 3 Sa 78/16.
- Geht die schrankenlose Befristungsmöglichkeit gemäß § 41 Satz 3 SGB VI zu weit?
- Im Streit: Lehrer vereinbart kurz vor seiner Pensionierung eine halbjährige Vertragsverlängerung und klagt gegen diese Befristung
- LAG Bremen bittet den EuGH um eine Bewertung der Befristungsmöglichkeit gemäß § 41 Satz 3 SGB VI
Geht die schrankenlose Befristungsmöglichkeit gemäß § 41 Satz 3 SGB VI zu weit?
Viele Tarifverträge sehen das automatische Ende des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des Rentenalters vor. Obwohl solche tarifvertraglichen Befristungsregelungen gemäß § 10 Satz 3 Nr.5 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) keine Altersdiskriminierung darstellen, war ihre Zulässigkeit lange Zeit umstritten.
Diesen Streit hat der EuGH 2010 beendet und klargestellt, dass tarifvertragliche „Zwangspensionierungen“ mit dem Europarecht vereinbar sind, d.h. nicht gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstoßen (Urteil vom 12.10.2010, C-45/09 - Rosenbladt, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/217 EuGH erklärt in Tarifverträgen enthaltene Rentenaltersklauseln für rechtens). Seitdem ist anerkannt, dass tarifvertragliche Rentenaltersklauseln eine zulässige Sachgrundbefristung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.6 TzBfG darstellen.
Auf diese EuGH-Rechtsprechung hat der Gesetzgeber reagiert und eine spezielle Befristungsmöglichkeit geschaffen, mit der die Arbeitsvertragsparteien eine tarifvertragliche Rentenalters-Befristung arbeitsvertraglich hinausschieben können. Die Befristungsmöglichkeit gilt seit dem 01.07.2014 und ist in § 41 Satz 3 SGB VI enthalten. Diese Regelung lautet:
„Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.“
Voraussetzung für diese befristete Vertragsverlängerung ist eine tarif- oder arbeitsvertragliche Rentenaltersklausel, die das Arbeitsverhältnis zum Renteneintrittsalter automatisch (aufgrund Befristung) beendet, so dass eine Vereinbarung gemäß § 41 Satz 3 SGB VI den Beendigungszeitpunkt nur hinausschiebt. Ein solches Hinausschieben des Vertragsendes ist aber ihrerseits eine eigenständige (neue) Befristungsvereinbarung, für die der Arbeitgeber keinen Sachgrund gemäß § 14 Abs.1 TzBfG braucht.
Daher stellt sich die Frage, ob § 41 Satz 3 SGB VI mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Richtlinie 1999/70/EG) vereinbar ist.
Denn die Richtlinie bzw. ihr Anhang, die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, sieht in § 5 Abs.1 vor, dass die Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen, um missbräuchliche (Ketten-)Befristungen von Arbeitsverträgen einzudämmen. § 41 Satz 3 SGB VI sieht aber keine einzige der in § 5 Abs.1 Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen gegen den Befristungsmissbrauch vor. Vielmehr setzen die durch § 41 Satz 3 SGB VI ermöglichten Befristungen weder einen sachlichen Grund voraus noch ist die Anzahl der Vertragsverlängerungen begrenzt noch die Gesamtdauer einer Kettenbefristung auf der Grundlage von § 41 Satz 3 SGB VI.
Im Streit: Lehrer vereinbart kurz vor seiner Pensionierung eine halbjährige Vertragsverlängerung und klagt gegen diese Befristung
Im Streitfall hätte ein Lehrer an einer staatlichen Schule gemäß einer Sonderregelung im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) altersbedingt zum 31.01.2015 aus dem Schuldienst bzw. seinem Arbeitsverhältnis ausscheiden müssen (§ 44 TV-L Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte - Nr.4 zu Abschnitt V - Befristung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses).
Im Februar 2014 beantragte er seine Weiterbeschäftigung über die Regelaltersgrenze hinaus bis zum Ende des Schuljahres 2015/2016, woraufhin die Schulverwaltung mit ihm im Oktober 2014 folgende Vereinbarung traf:
„Zwischen ..., vertreten durch ... und Herrn H. J. geboren am ...1949 wird folgende Vereinbarung nach § 41 Satz 3 SGB VI i.V.m. § 30 Abs.1 Satz 1 TV-L geschlossen: Die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses (…) gemäß § 44 Nr. 4 TV-L wird bis zum 31. Juli 2015 hinausgeschoben. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf dieses Datums, ohne dass es einer Kündigung bedarf. [...j“
Noch vor dem 31.07.2015 beantragte der Lehrer eine weitere befristete Vertragsverlängerung, zu der die Schulverwaltung allerdings nicht bereit war. Daraufhin erhob er gegen die Befristung zum 31.07.2015 Befristungskontrollklage und verklagte seinen (Ex-)Arbeitgeber außerdem auf Zahlung des Annahmeverzugslohns für die Zeit nach dem 31.07.2015.
LAG Bremen bittet den EuGH um eine Bewertung der Befristungsmöglichkeit gemäß § 41 Satz 3 SGB VI
Das LAG Bremen setzte den Rechtsstreit aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob es mit § 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar ist, dass § 41 Satz 3 SGB VI ohne weitere Voraussetzungen die zeitlich unbegrenzte befristete Verlängerung von Arbeitsverhältnissen erlaubt, weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat.
Grundlage dieser Frage ist die Einschätzung des LAG, dass § 41 Satz 3 SGB VI den Anforderungen der Rahmenvereinbarung bzw. der Richtlinie nicht gerecht wird, weil § 41 Satz 3 SGB VI keinerlei Beschränkungen der Befristungsmöglichkeiten vorsieht.
Außerdem möchte das LAG Bremen vom EuGH wissen, ob unbegrenzte Befristungsmöglichkeiten von der Art, wie sie in § 41 Satz 3 SGB VI enthalten sind, möglicherweise gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen, d.h. gegen Art.1, Art.2 Abs.1 und Art.6 Abs.1 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG). Auch ein solcher Verstoß gegen europäisches Recht ist hier denkbar, da Arbeitgeber auf der Grundlage von § 41 Satz 3 SGB VI mit Arbeitnehmern im Rentenalter rechtlich unbegrenzte (Ketten-)Befristungen vereinbaren können, die mit jüngeren Arbeitnehmern rechtlich unzulässig wären.
Fazit: Das Erreichen des Rentenalters allein rechtfertigt keine Befristung, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) Anfang 2015 entschieden hat (Urteil vom 11.02.2015, 7 AZR 17/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/044 Befristete Beschäftigung im Rentenalter), und auch die Kündigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitnehmer Altersrente beantragen könnte, ist altersdiskriminierend und daher unwirksam (BAG, Urteil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/204 Kündigung wegen Rente durch den Arbeitgeber).
Da nun auch die Befristungsmöglichkeit gemäß § 41 Satz 3 SGB VI juristisch wackelt, ist Arbeitgebern zu raten, Befristungen mit Arbeitnehmern im Rentenalter nur unter denselben Voraussetzungen zu vereinbaren wie mit jüngeren Arbeitnehmern, d.h. auf Grundlage von § 14 Abs.1 TzBfG (als Sachgrundbefristung) oder auf der Grundlage von § 14 Abs.2 TzBfG (bei Neueinstellungen).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Bremen, Beschluss vom 23.11.2016, 3 Sa 78/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.02.2015, 7 AZR 17/13
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 12.10.2010, C-45/09 - Rosenbladt gg. Oellerking
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 18/312 Altersbefristung bei Arbeitsverträgen mit Rentnern rechtens
- Arbeitsrecht aktuell: 18/219 Befristung bei der Stufenzuordnung gemäß TVöD
- Arbeitsrecht aktuell: 18/072 Weiterbeschäftigung nach Renteneintrittsalter
- Arbeitsrecht aktuell: 17/180 EuGH bestätigt Altersgrenze von 65 Jahren für Verkehrspiloten
- Arbeitsrecht aktuell: 17/177 Sozialauswahl und Altersrente
- Arbeitsrecht aktuell: 16/119 Altersgrenze 65 für Piloten
- Arbeitsrecht aktuell: 15/204 Kündigung wegen Rente durch den Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 15/044 Befristete Beschäftigung im Rentenalter
- Arbeitsrecht aktuell: 13/314 Altersdiskriminierung beim Übergang in den Ruhestand
- Arbeitsrecht aktuell: 13/055 Entlassung mit 65 aufgrund Betriebsvereinbarung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/212 Altersgrenze bei der Polizei: Beim SEK ist mit 42 Jahren Schluss
- Arbeitsrecht aktuell: 11/198 Altersgrenze für hessische Beamte ist keine Altersdiskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/178 EuGH kippt Altersgrenze 60 für Lufthansa-Piloten
- Arbeitsrecht aktuell: 11/072 EuGH: Altersgrenze 68 bei Professoren rechtens
- Arbeitsrecht aktuell: 11/066 Tarifliche Rentenaltersklausel in der Regel zulässig
- Arbeitsrecht aktuell: 10/217 EuGH erklärt in Tarifverträgen enthaltene Rentenaltersklauseln für rechtens
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) über den Fall entschieden und die umstrittene Verlängerungsmöglichkeit europarechtlich abgesegnet. Information zu dem Urteil des EuGH finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 28.02.2018, C-46/17 (John)
- Arbeitsrecht aktuell: 18/072 Weiterbeschäftigung nach Renteneintrittsalter
Letzte Überarbeitung: 30. Dezember 2018
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