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Sozialauswahl und Altersrente
04.07.2017. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) schützt ältere und lange beschäftigte Arbeitnehmer besser vor betriebsbedingten Kündigungen als vergleichbare jüngere Arbeitnehmer mit kürzerer Beschäftigungsdauer.
Dieses Senioritätsprinzip ist allerdings seit Jahren umstritten, weil es sich zulasten jüngerer Arbeitnehmer auswirkt und damit im Verdacht der Altersdiskriminierung steht, nämlich einer Diskriminierung der jüngeren Kollegen.
In einem aktuellen Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass sich das Lebensalter bei betriebsbedingten Entlassungen zulasten älterer Arbeitnehmer auswirkt, wenn diese bereits eine Regelaltersrente beziehen: BAG, Urteil vom 27.04.2017, 2 AZR 67/16.
- Führt ein höheres Alter immer zu einer höheren sozialen Schutzbedürftigkeit im Rahmen der Sozialauswahl?
- Im Streit: 66-jähriger Jurist zieht bei der Sozialauswahl gegenüber jüngeren Arbeitnehmern den Kürzeren und wird daher betriebsbedingt gekündigt
- BAG: Wer Anspruch auf eine Regelaltersrente hat, ist bei der Sozialauswahl im Hinblick auf sein Alter weniger schutzbedürftig als nicht rentenberechtigte jüngere Kollegen
Führt ein höheres Alter immer zu einer höheren sozialen Schutzbedürftigkeit im Rahmen der Sozialauswahl?
Möchte der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen die Belegschaft verkleinern und plant daher den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen, stellt sich die Frage, wer gehen muss und wer bleiben darf. Ab einer Betriebsgröße von elf Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber dabei das KSchG zu Gunsten derjenigen Arbeitnehmer beachten, die schon länger als sechs Monate beschäftigt sind (§ 1 Abs.1 KSchG, § 23 Abs.1 KSchG). Bei der Planung von betriebsbedingten Kündigungen ist in solchen Fällen eine Sozialauswahl vorzunehmen.
Dieses Prinzip ist in § 1 Abs.3 Satz 1 KSchG festgelegt. Danach muss der Arbeitgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer
- die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- das Lebensalter,
- die Unterhaltspflichten und
- eine ggf. bestehende Schwerbehinderung
„ausreichend“ berücksichtigen. Wer gemäß diesen Kriterien sozial schutzbedürftiger als andere Kündigungskandidaten ist, muss von einer betriebsbedingten Kündigung verschont bleiben.
Nach herkömmlichem Verständnis besagt die Pflicht zur Berücksichtigung des Lebensalters, dass Arbeitnehmer umso besser vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt sind, je älter sie sind. Denn mit steigendem Lebensalter wird es im Allgemeinen schwieriger, eine neue Anstellung zu finden. Umstritten ist dabei allerdings, ob die Gleichung „höheres Lebensalter = höhere soziale Schutzbedürftigkeit“ über alle Lebensaltersstufen hinweg („linear“) gilt oder ob man dabei bestimmte Ausnahmen machen muss.
Eine solche Ausnahme wäre z.B. denkbar für Arbeitnehmer im Alter zwischen 20 und 35 Jahren, denn in dieser Altersgruppe haben „ältere“ Arbeitnehmer (also z.B. 35-jährige) kaum schlechtere Arbeitsmarktchancen als „jüngere“ Arbeitnehmer (z.B. 25-jährige). Eine weitere Ausnahme liegt nahe für Arbeitnehmer im Rentenalter. Denn wer eine Regelaltersrente beanspruchen kann oder kurz vor dem Rentenalter ist, braucht sich im Allgemeinen um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt keine allzu gründlichen Gedanken mehr zu machen.
Trotzdem lässt es die herrschende Meinung bisher zu, dass Arbeitgeber ein höheres Lebensalter generell, d.h. über alle Altersstufen hinweg bei der Sozialauswahl zugunsten des Arbeitnehmers bewerten. Auf dieser Linie liegt eine Entscheidung des BAG aus dem Jahre 2015, die es ausdrücklich offengelassen hat, ob ein rentennahes Alter im Rahmen der Sozialauswahl beim Auswahlkriterium „Alter“ zulasten des Arbeitnehmers zu bewerten ist oder nicht (BAG, Urteil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14, S.16 oben, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/204 Kündigung wegen Rente durch den Arbeitgeber).
Für Arbeitnehmer, die Anspruch auf Regelaltersrente haben, hat das BAG nunmehr seine Meinung geändert.
Im Streit: 66-jähriger Jurist zieht bei der Sozialauswahl gegenüber jüngeren Arbeitnehmern den Kürzeren und wird daher betriebsbedingt gekündigt
Im Mai 2014 kündigte ein Arbeitgeberverband, zu dessen Aufgaben die arbeitsrechtliche Beratung und Vertretung seiner Mitgliedsunternehmen gehört, einem 33 Jahre lang beschäftigten Juristen aus betriebsbedingten Gründen mit siebenmonatiger Frist zum Jahresende, da sich zwischen 2009 und 2013 die Anzahl der vom Verband zu führenden Gerichtsverfahren halbiert hatte.
Aus diesem Grund wollte der Verband die verbleibenden arbeitsrechtlichen Fälle künftig nur noch von fünf statt von sechs angestellten Juristen erledigen lassen. Da der Verband regelmäßig 25 Arbeitnehmer beschäftigte, darunter sechs Juristen, musste er das KSchG und damit das Prinzip der Sozialauswahl beachten.
Bei der Sozialauswahl zog der gekündigte Jurist den Kürzeren, weil er zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits 66 Jahre und sieben Monate alt war und Regelaltersrente bezog; bei Ablauf der Kündigungsfrist war er 67 Jahre. Daher meinte der Verband, er sei aufgrund seines Alters weniger sozial schutzbedürftig als seine deutlich jüngeren Juristenkollegen.
Der gekündigte Jurist erhob Kündigungsschutzklage und hatte damit vor dem Arbeitsgericht Hagen Erfolg (Urteil vom 15.01.2015, 4 Ca 1219/14). Auch das für die Berufung zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm gab ihm Recht, da es ihn aufgrund seiner langen Betriebszugehörigkeit sowie seines hohen Lebensalters im Vergleich zu seinen Juristenkollegen als sozial weniger schutzbedürftig ansah (LAG Hamm, Urteil vom 07.08.2015, 13 Sa 166/15).
BAG: Wer Anspruch auf eine Regelaltersrente hat, ist bei der Sozialauswahl im Hinblick auf sein Alter weniger schutzbedürftig als nicht rentenberechtigte jüngere Kollegen
Das BAG entschied andersherum und gab dem Arbeitgeber Recht, jedenfalls in der Streitfrage, ob die Sozialauswahl in Ordnung war. Zur Begründung heißt es:
Das Alter gehört deshalb zu den vier Kriterien der Sozialauswahl, weil der Gesetzgeber damit den Kündigungsschutz von Arbeitnehmern stärken wollte, deren Chancen auf ein Ersatzeinkommen altersbedingt im Allgemeinen schlechter stehen, so die Erfurter Richter. Unter Berücksichtigung dieser gesetzgeberischen Zwecksetzung ist ein Arbeitnehmer, der Regelaltersrente beziehen kann, im Hinblick auf das Sozialauswahlkriterium des Lebensalters
„als deutlich weniger schutzbedürftig anzusehen als Arbeitnehmer, die noch keinen Anspruch auf eine Altersrente haben. Bei diesen besteht die Gefahr, dass sie durchgehend oder zumindest für größere Zeiträume beschäftigungslos bleiben und damit mittel- bzw. langfristig auf den Bezug von Entgeltersatzleistungen und etwaigen staatlichen Unterstützungsleistungen angewiesen sind (…). Hingegen steht den Arbeitnehmern, die im Kündigungszeitpunkt bereits Anspruch auf eine Regelaltersrente haben oder - wie der Kläger - eine solche sogar beziehen, dauerhaft ein Ersatzeinkommen für das zukünftig entfallende Arbeitseinkommen zur Verfügung.“ (Urteil, S.6)
Fazit: Der hier entschiedene Streitfall ist etwas ungewöhnlich, weil der gekündigte Arbeitnehmer bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine Altersrente bekam. Häufiger sind die Fälle der sog. „Rentennähe“, in denen die entlassenen Arbeitnehmer erst in ein, zwei oder drei Jahren eine Regelaltersrente beanspruchen können.
Da das BAG den Kläger hier im Hinblick auf sein Alter als „deutlich weniger schutzbedürftig “ angesehen hat, könnte man daraus den Schluss ziehen, dass auch rentennahe Arbeitnehmer nach Ansicht des Gerichts bei der Sozialauswahl von ihrem höheren Alter keinen Vorteil mehr haben sollten, möglicherweise deshalb sogar "Minuspunkte" bei der Sozialauswahl bekommen. Gegen eine solche Interpretation des BAG-Urteils spricht allerdings, dass auch rentennahe Arbeitnehmer ein legitimes Interesse an einer Folgebeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber haben können. Und da eine solche Folgebeschäftigung im rentennahen Alter praktisch ausgeschlossen ist, ist das Lebensalter der Rentennahen bei der Sozialauswahl weiterhin zu ihren Gunsten zu berücksichtigen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2017, 2 AZR 67/16
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 07.08.2015, 13 Sa 166/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2013, 8 AZR 838/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialauswahl
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 18/072 Weiterbeschäftigung nach Renteneintrittsalter
- Arbeitsrecht aktuell: 17/143 Hinausschieben der Altersgrenze gemäß § 41 Satz 3 SGB VI
- Arbeitsrecht aktuell: 15/204 Kündigung wegen Rente durch den Arbeitgeber
- Arbeitsrecht aktuell: 15/044 Befristete Beschäftigung im Rentenalter
- Arbeitsrecht aktuell: 13/367 Diskriminierung wegen Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/242 Kündigung und Diskriminierung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/066 Tarifliche Rentenaltersklausel in der Regel zulässig
- Arbeitsrecht aktuell: 10/217 EuGH erklärt in Tarifverträgen enthaltene Rentenaltersklauseln für rechtens
- Arbeitsrecht aktuell: 09/215 Betriebsbedingte Kündigung im Kleinbetrieb nach 40 Jahren
- Arbeitsrecht aktuell: 09/179 Voraussetzung einer Entschädigung bei Diskriminierung
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- Arbeitsrecht aktuell: 06/16 Kündigungsschutz oder Kleinbetrieb?
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Letzte Überarbeitung: 21. März 2018
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