HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 15/044

Be­fris­te­te Be­schäf­ti­gung im Ren­ten­al­ter

Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters recht­fer­tigt kei­ne Be­fris­tung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 11.02.2015, 7 AZR 17/13
Rentnerpaar auf Parkbank

13.02.2015. Wer das Ren­ten­al­ter er­reicht, schei­det da­mit nicht au­to­ma­tisch aus dem Ar­beits­ver­hält­nis aus, son­dern viel­mehr nur dann, wenn ei­ne Ren­ten­al­ter­sklau­sel dies vor­sieht.

Ist auf das Ar­beits­ver­hält­nis we­der ei­ne ar­beits- noch ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Ren­ten­al­ter­sklau­sel an­zu­wen­den, be­steht das Ar­beits­ver­hält­nis trotz der Ren­ten­be­rech­ti­gung wei­ter fort und kann dann per Auf­he­bungs­ver­trag be­en­det oder per Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung be­fris­tet wer­den. Al­ler­dings ist für ei­ne Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung ein Sach­grund er­for­der­lich. 

Wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor­ges­tern ent­schie­den hat, sind we­der Ren­ten­be­rech­ti­gung noch Ren­ten­be­zug sach­li­che Grün­de für Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung: BAG, Ur­teil vom 11.02.2015, 7 AZR 17/13.

Können Ar­beits­verträge be­fris­tet wer­den, nach­dem der Ar­beit­neh­mer das Re­gel­ren­ten­al­ter er­reicht hat?

Ar­beit­neh­mer dürfen we­gen ih­res we­gen ih­res Al­ters nicht dis­kri­mi­niert wer­den, d.h. sie dürfen nicht schlech­ter be­han­delt wer­den als ver­gleich­ba­re an­de­re Ar­beit­neh­mer, es sei denn, es gibt dafür trif­ti­ge sach­li­che Gründe. Die­ses Prin­zip ist im Eu­ro­pa­recht fest­ge­schrie­ben (Richt­li­nie 2000/78/EG) und auch im deut­schen Ar­beits­recht ver­an­kert, nämlich im All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG), das die Vor­ga­ben der Richt­li­nie 2000/78/EG im we­sent­li­chen wört­lich über­nimmt.

Ob­wohl der Ver­lust von An­stel­lung und Ar­beits­ein­kom­men auf­grund von Ren­ten­al­ter­sklau­seln als al­ters­be­ding­te Schlech­ter­stel­lung der "zwangs­pen­sio­nier­ten" Ar­beit­neh­mer an­ge­se­hen wer­den kann, hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof (EuGH) ta­rif­ver­trag­li­che und ar­beits­ver­trag­li­che Ren­ten­al­ter­sklau­seln als sach­lich ge­recht­fer­tigt und da­mit als eu­ro­pa­recht­lich zulässig ab­ge­seg­net (Ur­teil vom 12.10.2010, C-45/09 - Ro­sen­bladt, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/217 EuGH erklärt in Ta­rif­verträgen ent­hal­te­ne Ren­ten­al­ter­sklau­seln für rech­tens).

Seit­dem be­zwei­feln auch die deut­schen Ar­beits­ge­rich­te nicht mehr, dass die Be­fris­tung von Ar­beits­verträgen auf den Zeit­punkt, in dem der Ar­beit­neh­mer das Ren­ten­al­ter er­reicht, rech­tens bzw. wirk­sam ist. Das ent­spricht auch der Ge­set­zes­la­ge, denn nach § 10 Satz 3 Nr.5 AGG liegt kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung vor im Fal­le ei­ner

„Ver­ein­ba­rung, die die Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses oh­ne Kündi­gung zu ei­nem Zeit­punkt vor­sieht, zu dem der oder die Beschäftig­te ei­ne Ren­te we­gen Al­ters be­an­tra­gen kann“.

Dem­zu­fol­ge ist ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung, der zu­fol­ge das Ar­beits­verhält­nis mit Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters en­den soll, als sach­lich ge­recht­fer­tig­te Be­fris­tung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.6 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) an­zu­se­hen.

Frag­lich ist al­ler­dings, ob aus die­sen Gründen auch ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung wirk­sam ist, mit der ein zu­vor be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis nachträglich be­fris­tet wird, d.h. nach­dem der Ar­beit­neh­mer die Re­gel­al­ters­gren­ze in der Ren­ten­ver­si­che­rung er­reicht und An­spruch auf ge­setz­li­che Al­ters­ren­te hat. Oh­ne ei­ne sol­che Be­fris­tung würde das Ar­beits­verhält­nis in sol­chen Fällen wei­ter fort­be­ste­hen, so dass die Be­fris­tung hier auf den ers­ten Blick ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag recht ähn­lich sieht.

Für die Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Be­fris­tung spricht, dass die vom EuGH ak­zep­tier­ten Sach­gründe für ei­ne Ren­ten­al­ter­sklau­sel (Ab­si­che­rung durch Ren­ten­ansprüche, Nachrücken jünge­rer Ar­beit­neh­mer auf frei­wer­den­den Ar­beitsplätzen) im Prin­zip auch hier be­ste­hen. Da­ge­gen spricht al­ler­dings, dass das endgülti­ge Aus­schei­den mit dem Ren­ten­al­ter und die (im­mer er­neut?) be­fris­te­te Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses nach Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters ver­schie­de­ne Din­ge sind.

Die­se Streit­fra­ge hat das BAG vor­ges­tern ent­schie­den.

Im Streit: Be­fris­te­te Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit Ar­beit­neh­mer im Ren­ten­al­ter

Ge­klagt hat­te ein am 21.01.1945 ge­bo­re­ner Ar­beit­neh­mer, der seit Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res am 21.01.2010 Al­ters­ren­te be­zog. Er war bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber langjährig beschäftigt, und zwar auf der Grund­la­ge ei­nes Ar­beits­ver­trags, der kei­ne Klau­sel über die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters ent­hielt.

Am 22.01.2010 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en, dass das Ar­beits­verhält­nis am 31.12.2010 en­den soll­te. Die­ser Ver­trag wur­de zwei­mal verlängert. Nach­dem der Ar­beit­neh­mer um ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung ge­be­ten hat­te, ver­ein­bar­ten die Par­tei­en zu­letzt am 29.07.2011, dass der Ar­beits­ver­trag ab dem 01.08.2011 mit veränder­ten Kon­di­tio­nen wei­ter­geführt wer­de und am 31.12.2011 en­den soll­te. Im Ver­trag war ver­ein­bart, dass der Ar­beit­neh­mer ei­ne (noch ein­zu­stel­len­de) Er­satz­kraft ein­ar­bei­ten soll­te.

Nach­dem der Ar­beit­ge­ber zu ei­ner wei­te­ren Verlänge­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht mehr be­reit war, er­hob der Ar­beit­neh­mer Ent­fris­tungs­kla­ge, d.h. er klag­te auf die Fest­stel­lung, dass sein Ar­beits­verhält­nis nicht durch die Be­fris­tung am 31.12.2011 ge­en­det hat. Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 22.06.2012, 18 Ca 738/12) und auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg mein­te, die Be­fris­tung sei wirk­sam (Ur­teil vom 20.11.2012, 12 Sa 1303/12).

Ein Auf­he­bungs­ver­trag lag hier nach An­sicht des LAG nicht vor, da die Be­fris­tungs­ver­ein­ba­run­gen mehr­fach hin­ter­ein­an­der ge­schal­tet wa­ren und der Schwer­punkt die­ser Ver­ein­ba­run­gen in der Ge­stal­tung bzw. Fortführung und nicht in der (ein­ma­li­gen) Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­stand. Hier gab es aber we­gen des be­reits er­reich­ten Ren­ten­al­ters, so das LAG, ei­nen Sach­grund für die Be­fris­tung, der "in der Per­son des Ar­beit­neh­mers" lag (§ 14 Abs.1 Nr.6 Tz­B­fG).

BAG: Das Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters al­lein recht­fer­tigt kei­ne Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem ren­ten­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mer

Das BAG ent­schied den Fall im Prin­zip zu­guns­ten des kla­gen­den Rent­ners, ver­wies den Rechts­streit aber zurück an das LAG, da noch nicht klar war, ob es mögli­cher­wei­se sach­li­che Gründe für die strei­ti­ge Be­fris­tung gab oder nicht. Den Ren­ten­be­zug als sol­chen be­wer­te­te das BAG als nicht aus­rei­chen­den Sach­grund für ei­ne Be­fris­tung. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es:

Der Be­zug von ge­setz­li­cher Al­ters­ren­te al­lein recht­fer­tigt die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses aus in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­den Gründen (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.6 Tz­B­fG) nicht. Er­for­der­lich ist in die­sem Fall viel­mehr zusätz­lich, so die Er­fur­ter Rich­ter, dass die Be­fris­tung ei­ner kon­kre­ten Nach­wuchs­pla­nung der Be­klag­ten dien­te. Hier­zu hat­te das LAG bis­lang kei­ne tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen, so dass der Fall vor dem LAG wei­ter ver­han­delt wer­den muss.

Dem BAG ist zu­zu­stim­men, denn die bloße Tat­sa­che, dass ein langjährig un­be­fris­tet beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer zum Ren­ten­be­zug be­rech­tigt ist, gibt dem Ar­beit­ge­ber kei­nen Frei­brief zur nachträgli­chen Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Es ist nicht nach­voll­zieh­bar, war­um in ei­nem sol­chen Fall ein in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­der Sach­grund im Sin­ne von § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.6 Tz­B­fG vor­lie­gen soll­te. Denn wenn der Ar­beit­ge­ber mit der wei­te­ren Beschäfti­gung ei­nes in das Ren­ten­al­ter ge­kom­me­nen Ar­beit­neh­mers ein­ver­stan­den ist, soll­te er ihn auch eben­so be­han­deln wie je­den an­de­ren bzw. wie jünge­re Ar­beit­neh­mer.

Dar­an ändert auch die seit Ju­li 2014 gel­ten­de Re­ge­lung des § 41 Satz 3 Sechs­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB VI) nichts. Die­se Vor­schrift enthält zwar ei­nen ge­setz­li­chen Sach­grund für die be­fris­te­te Fort­set­zung von Ar­beits­verhält­nis­sen mit Rent­nern, gilt al­ler­dings nur für den Fall, dass der Ar­beits­ver­trag oder ein an­wend­ba­rer Ta­rif­ver­trag ei­ne Ren­ten­al­ter­sklau­sel enthält. Gilt da­ge­gen wie hier im Streit­fall kei­ne sol­che Ren­ten­al­ter­sklau­sel, greift auch § 41 Satz 3 SGB VI nicht ein. Die­se Vor­schrift lau­tet:

"Sieht ei­ne Ver­ein­ba­rung die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Er­rei­chen der Re­gel­al­ters­gren­ze vor, können die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en durch Ver­ein­ba­rung während des Ar­beits­verhält­nis­ses den Be­en­di­gungs­zeit­punkt, ge­ge­be­nen­falls auch mehr­fach, hin­aus­schie­ben."

Fa­zit: We­der Ren­ten­be­zug noch Ren­ten­be­rech­ti­gung ei­nes langjährig un­be­fris­tet beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers ge­ben dem Ar­beit­ge­ber ei­nen Frei­brief für Be­fris­tungs­ver­ein­ba­run­gen, die dem Ar­beits­verhält­nis des Ren­ten­be­rech­tig­ten den recht­li­chen Be­stands­schutz neh­men.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 31. Dezember 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.0 von 5 Sternen (7 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de