HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 20.11.2012, 12 Sa 1303/12

   
Schlagworte: Befristung: Rentenalter
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 12 Sa 1303/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.11.2012
   
Leitsätze: Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die nachträgliche Befristung eines zuvor langjährig unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnisses, nachdem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze erreicht und Anspruch auf gesetzliche Altersrente hat, so ist die Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Parteien das Erreichen der Regelaltersgrenze zum Anlass für die Befristungsvereinbarung nehmen und den nach § 41 Satz 2 SGB VI möglichen Beendigungstermin hinausschieben. Die Gründe für die Zulässigkeit der Vereinbarung von Altersgrenzen bezogen auf das Erreichen der Regelaltersgrenze gelten in einem solchen Falle gleichermaßen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.06.2012, 18 Ca 738/12
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.02.2015, 7 AZR 17/13
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg  

Verkündet

am 20. No­vem­ber 2012

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
12 Sa 1303/12
18 Ca 738/12
Ar­beits­ge­richt Ber­lin  

G.
Ge­richts­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 12. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. No­vem­ber 2012
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. H. als Vor­sit­zen­de
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn F. und Herrn H.
für Recht er­kannt: 

I. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 22.06.2012 - 18 Ca 738/12 - wird auf sei­ne Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Dr. H.  

F.  

H.

 

- 3 -

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses und in die­sem Rah­men um die Fra­ge, ob das langjährig be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis des Klägers auf­grund meh­re­rer, nach Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res ge­schlos­se­ner Ver­ein­ba­run­gen durch Auflösungs­ver­trag oder Be­fris­tungs­ab­re­de ge­en­det hat.

Die Be­klag­te pro­du­ziert vor­wie­gend Stanz- und Zieh­tei­le für die Au­to­mo­bil-, Weißwa­ren- und Elek­tro­in­dus­trie und beschäftigt ca. 100 Ar­beit­neh­mer. Ein Be­triebs­rat ist ge­bil­det. Der am ….. 1945 ge­bo­re­ne Kläger be­gann bei ihr bzw. ih­rer Rechts­vorgänge­rin am 9. März 1989 ein Ar­beits­verhält­nis. Der zwi­schen den Par­tei­en anläss­lich der Ein­stel­lung des Klägers ge­schlos­se­ne Ar­beits­ver­trag ent­hielt kei­ne Re­ge­lung über die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei Er­rei­chen des ge­setz­li­chen Ren­ten­al­ters. Seit der Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res be­zieht der Kläger ge­setz­li­che Al­ters­ren­te.

Nach­dem der Kläger am 21. Ja­nu­ar 2010 sein 65. Le­bens­jahr voll­endet hat­te, un­ter­zeich­ne­ten die Par­tei­en am 22. Ja­nu­ar 2010 ei­ne als „Ergänzung zum Ar­beits­ver­trag vom 10.03.1989“ be­zeich­ne­te Ver­ein­ba­rung, wo­nach der Kläger auch nach Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res bei der Be­klag­ten zu glei­chen Bezügen bei glei­chem Ar­beits­ort und glei­cher Tätig­keits­be­schrei­bung wei­ter beschäftigt wird. Bis zu die­sem Zeit­punkt war der Kläger zu­letzt als Lo­gis­tik­lei­ter mit ei­ner Wo­chen­ar­beits­zeit von 37,5 St­un­den tätig. Ab­sch­ließend heißt es in die­ser Ver­ein­ba­rung: „Die Par­tei­en sind sich ei­nig, dass der am 10.03.1989 ge­schlos­se­ne An­stel­lungs­ver­trag am 31.12.2010 en­det“. Mit Schrei­ben vom 25. Ja­nu­ar 2012 in­for­mier­te die Be­klag­te ih­ren Be­triebs­rat hierüber. Mit Ver­ein­ba­rung vom 10.12.2010 ei­nig­ten sich die Par­tei­en mit im Übri­gen glei­chem Wort­laut wie in der Ver­ein­ba­rung vom 22. Ja­nu­ar 2010 dar­auf, „dass der am 10.03.1989 ge­schlos­se­ne An­stel­lungs­ver­trag am 30.06.2011 en­det“. Wei­ter heißt es in die­sem Schriftstück, dass die Un­terstützung des Klägers bei der Ein­ar­bei­tung ei­nes neu­en Mit­ar­bei­ters für die Über­nah­me sei­ner Auf­ga­ben er­war­tet wer­de und dass die­ses Schrei­ben das Schrei­ben vom 22.01.2010 er­set­ze. Mit im Übri­gen gleich lau­ten­dem Ver­trag vom 27. Ju­ni 2011 ei­nig­ten sich die Par­tei­en dar­auf, „dass der am 10.03.1989 ge­schlos­se­ne An­stel­lungs­ver­trag am 31.07.2011 en­det“ und die­ses Schrei­ben das Schrei­ben vom 10.12.2010 er­set­ze. Am 7. Ju­li 2011 sand­te der Kläger ei­ne e-Mail mit fol­gen­dem In­halt an den Geschäftsführer der Be­klag­ten: „ … be­vor ich mich in der kom­men­den Wo­che für ei­ne Pri­vat­in­sol­venz an­mel­de, möch­te ich

 

- 4 -

wis­sen, ob ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung für mich ab­so­lut nicht ge­wollt ist. Mein Vor­schlag wäre, ei­ne Beschäfti­gung in ei­ner 20-St­un­den-Wo­che mit Ab­rech­nung auf St­un­den­ba­sis (mit Stem­pel­kar­te). Da­mit würden 50 % mei­nes Ge­hal­tes für an­de­re Zwe­cke zur Verfügung ste­hen. … Für die Lauf­zeit die­ses Ver­tra­ges schla­ge ich 2 Jah­re vor.“ Am 29. Ju­li 2011 tra­fen die Par­tei­en ei­ne mit „Ergänzung zum An­stel­lungs­ver­trag vom 10.03.1989“ über­schrie­be­ne Ab­spra­che, wo­nach „der am 10.03.1989 ge­schlos­se­ne und nach Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters bis zum 31.07.2011 verlänger­te Ar­beits­ver­trag ab 01.08.2011 mit veränder­ten Kon­di­tio­nen noch­mals wei­ter­geführt wird und am 31.12.2011 en­det“. Die Ar­beits­zeit wur­de un­ter Ver­rin­ge­rung der Vergütung auf 20 Wo­chen­stun­den re­du­ziert. Darüber hin­aus war fest­ge­hal­ten, dass der Kläger wei­ter­hin die Dis­po­si­ti­on un­terstützt und ei­ne noch ein­zu­stel­len­de Er­satz­kraft an­lernt. Sämt­li­che Ver­ein­ba­run­gen wur­den von bei­den Par­tei­en un­ter­zeich­net.

Nach­dem der Kläger von der Be­klag­ten ver­geb­lich sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung über den 31. De­zem­ber 2011 ver­langt hat­te, wen­det er sich mit sei­ner am 12. Ja­nu­ar 2012 beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge ge­gen die Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, bei den ab dem 22. Ja­nu­ar 2010 ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen ha­be es sich nicht um Auf­he­bungs­verträge, son­dern um nachträgli­che Be­fris­tungs­ab­spra­chen ge­han­delt, für die der er­for­der­li­che Sach­grund nicht ge­ge­ben sei. Die Be­klag­te hat ge­meint, sie ha­be mit dem Kläger ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ge­schlos­sen, für den ein Sach­grund nicht er­for­der­lich ge­we­sen sei. Je­den­falls lie­ge ein sol­cher Sach­grund vor, da sie zum ei­nen mit dem Aus­schei­den des Klägers mit Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res ge­rech­net ha­be, was im Rah­men ih­rer Per­so­nal­pla­nung die Ein­ar­bei­tung ei­nes Nach­fol­gers er­for­der­lich ge­macht ha­be und zum an­de­ren die be­fris­te­te Verlänge­rung des Ar­beits­ver­tra­ges auf dem Wunsch des Klägers be­ruht ha­be, was sich aus sei­ner e-Mail vom 7. Ju­li 2011 er­ge­be.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 22. Ju­ni 2012 - 18 Ca 738/12 – die Kla­ge mit dem An­trag fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch Be­fris­tung zum 31. 12. 2011 ge­en­det hat, son­dern darüber hin­aus fort­be­steht, ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, bei den vier ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen hand­le es sich um ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit mehr­fach hin­aus­ge­scho­be­nem End­zeit­punkt, weil die Par­tei­en zu dem Zeit­punkt, zu dem Ar­beits­verhält­nis­se re­gelmäßig kraft ta­rif­li­cher oder ar­beits­ver­trag­li­cher Re­ge­lung ihr En­de fänden, ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­trof­fen hätten. Für ei­nen sol­chen Auf­he­bungs­ver­trag bedürfe es kei­nes

 

- 5 -

Be­fris­tungs­grun­des. Auch ha­be der Ge­setz­ge­ber in § 41 SGB VI zum Aus­druck ge­bracht, dass die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en für den Zeit­punkt des Be­zugs der Al­ters­ren­te re­gelmäßig die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­ein­ba­ren könn­ten. Die Par­tei­en hätten vor­lie­gend ei­ne Aus­lauf­frist gewählt, die die zu die­sem Zeit­punkt gel­ten­de Kündi­gungs­frist nur un­we­sent­lich über­stie­gen hätte. Mit den nach­fol­gen­den Ver­ein­ba­run­gen sei der Auf­he­bungs­ver­trag le­dig­lich mo­di­fi­ziert wor­den. Al­ler­dings sei selbst dann, wenn man der Auf­fas­sung des Klägers folg­te und ei­ne nachträgli­che Be­fris­tungs­ab­re­de annähme, die Kla­ge un­be­gründet, weil die Be­fris­tung sach­lich ge­recht­fer­tigt sei. Ei­ne auf das 65. Le­bens­jahr ab­stel­len­de ver­trag­li­che Al­ters­gren­zen­ver­ein­ba­rung sei wirk­sam. Dies ergäbe sich auch aus § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG. Vor die­sem Hin­ter­grund sei auch ei­ne Be­fris­tung „65 + 2“ sach­lich ge­recht­fer­tigt.

We­gen der wei­te­ren Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils, Blatt 64 bis 66 der Ak­te, ver­wie­sen.

Ge­gen die­ses, ihm am 28. Ju­ni 2012 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 9. Ju­li 2012 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg ein­ge­gan­ge­ne und am 22. Au­gust 2012 be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers. Er wie­der­holt sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen, ver­neint den Cha­rak­ter ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges und be­strei­tet das Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des für ei­ne Be­fris­tung. Er meint, § 41 SGB VI ha­be ei­ne an­de­re Ziel­rich­tung. Es läge auch kei­ne Be­fris­tung auf die Re­gel­al­ters­gren­ze im Sin­ne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Tz­B­fG vor, denn die Be­fris­tung sei erst nachträglich ver­ein­bart wor­den und nicht auf das Er­rei­chen ei­nes be­stimm­ten Le­bens­al­ters, son­dern auf ei­nen da­von un­abhängi­gen Zeit­punkt ge­rich­tet.

Der Kläger und Be­ru­fungskläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 22. Ju­ni 2012 - 18 Ca 738/12 – ab­zuändern und fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Be­fris­tung zum 31. De­zem­ber 2011 ge­en­det hat, son­dern darüber hin­aus fort­be­steht.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil, geht von der Ver­ein­ba­rung ei­nes sach­grund­los zulässi­gen Auf­he­bungs­ver­tra­ges aus und meint, es hand­le sich je­den­falls um ei­ne in­di­vi­du­ell ver­ein­bar­te Al­ters­gren­ze, die ei­ne Be­en­di­gung nach Er­rei­chen der

 

- 6 -

Re­gel­al­ters­gren­ze vor­se­he und nach den­sel­ben Grundsätzen wie die Be­fris­tung auf das ge­setz­li­che Ren­ten­al­ter zulässig sei. Die Be­en­di­gung sei auch nicht un­abhängig vom Al­ter des Klägers ver­ein­bart wor­den, An­knüpfungs­punkt sei die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res durch den Kläger ge­we­sen. Sch­ließlich lie­ge der Sach­grund für ei­ne Be­fris­tung in der Not­wen­dig­keit ei­ner sach­ge­rech­ten und be­re­chen­ba­ren Per­so­nal­pla­nung so­wie in so­zia­len Erwägun­gen und dem Wunsch des Klägers nach be­fris­te­ter Wei­ter­beschäfti­gung.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf den Tat­be­stand der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung und die Sit­zungs­nie­der­schrif­ten bei­der In­stan­zen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist form- und frist­ge­recht im Sin­ne von §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II.

In der Sa­che hat das Rechts­mit­tel kei­nen Er­folg. Im Er­geb­nis zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Kla­ge ist zwar zulässig, nicht je­doch be­gründet.

1. Die Kla­ge ist zulässig. Nach Kla­ge­an­trag und Kla­ge­be­gründung ver­folgt der Kläger zum ei­nen ei­nen all­ge­mei­nen Fes­testel­lungs­an­trag im Sin­ne von § 256 ZPO, denn er macht gel­tend, das Ar­beits­verhält­nis ha­be ent­ge­gen der von der Be­klag­ten ver­tre­te­nen An­sicht nicht durch ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ge­en­det. Ein sol­ches Kla­ge­be­geh­ren ist mit der all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­kla­ge zu ver­fol­gen. Zum an­de­ren wen­det er sich ge­gen ei­ne aus sei­ner Sicht ver­ein­bar­te Be­fris­tung und meint, hierfür feh­le es am sach­li­chen Grund. Da­mit ver­folgt er ei­ne Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge im Sin­ne von § 17 Tz­B­fG. Für bei­de Kla­ge­anträge hat der Kläger ein Rechts­schutz­in­ter­es­se, weil sich die Be­klag­te der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31. De­zem­ber 2011 berühmt und § 17 Tz­B­fG die frist­ge­rech­te Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge ver­langt.

 

- 7 -

2. Die Kla­ge ist je­doch nicht be­gründet. Zwar han­delt es sich bei den zwi­schen den Par­tei­en nach dem 21. Ja­nu­ar 2010 ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen nicht um Auf­he­bungs­verträge oder um Mo­di­fi­ka­tio­nen ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges, son­dern um die nachträgli­che Be­fris­tung ei­nes zunächst un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges, für die es ei­nes sach­li­chen Grun­des be­darf. Ein sol­cher liegt hier vor.

2.1. Der Kläger stand bei der Be­klag­ten in ei­nem un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis. Der 1989 zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Ar­beits­ver­trag ent­hielt kei­ne auf das Er­rei­chen der Re­gel­al­ters­gren­ze be­zo­ge­ne Be­en­di­gungs­re­ge­lung. Das Er­rei­chen der Re­gel­al­ters­gren­ze führt nicht von selbst zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Mit der am 22. Ja­nu­ar 2010 ge­trof­fe­nen Ab­re­de ha­ben die Par­tei­en da­her die Be­en­di­gung ei­nes un­be­fris­tet be­ste­hen­den Dau­er­ar­beits­verhält­nis­ses zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt ver­ein­bart.

2.2. Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten, der das Ar­beits­ge­richt ge­folgt ist, liegt dar­in kein, durch die nach­fol­gen­den Ab­re­den nur mo­di­fi­zier­ter Auf­he­bungs­ver­trag.

2.2.1. Ein Auf­he­bungs­ver­trag, mit dem die Par­tei­en das vor­zei­ti­ge Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers aus ei­nem Dau­er­ar­beits­verhält­nis re­geln wol­len und der kei­ner ar­beits­ge­richt­li­chen Be­fris­tungs­kon­trol­le un­ter­liegt, ist auf ei­ne als­bal­di­ge Be­en­di­gung der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen ge­rich­tet, was die Par­tei­en durch die Wahl ei­ner zeit­na­hen Be­en­di­gung und wei­te­rer Ver­ein­ba­run­gen über Rech­te und Pflich­ten aus An­lass der vor­zei­ti­gen Ver­trags­be­en­di­gung zum Aus­druck brin­gen (BAG vom 12. Ja­nu­ar 2000 - 7 AZR 48/99 - NZA 2000, 718 m.w.Nw.). Die recht­li­che Ein­ord­nung, ob es sich bei ei­ner Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung um ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag oder ei­ne Ver­ein­ba­rung zur be­fris­te­ten Fort­set­zung ei­nes bis­lang un­be­fris­te­ten Ver­tra­ges han­delt, hat an­hand ei­ner Ge­samtwürdi­gung des Ver­ein­bar­ten zu er­fol­gen, we­der die ver­ein­bar­te Dau­er der Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses al­lein noch die von den Par­tei­en gewähl­te Ver­trags­be­zeich­nung ist ent­schei­dend (BAG vom 15. Fe­bru­ar 2007 - 6 AZR 286/06 - NZA 2007, 614; vom 12. Ja­nu­ar 2000 - 7 AZR 48/99 – a.a.O.).

2.2.2. Die Ge­samt­be­trach­tung der zwi­schen den Par­tei­en nach dem 21. Ja­nu­ar 2010 ge­trof­fe­nen Ab­spra­chen schließt die An­nah­me ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges aus. Hierfür spre­chen so­wohl der Wort­laut der Ver­ein­ba­run­gen als auch der Re­ge­lungs­in­halt so­wie die geübte Pra­xis, den Be­en­di­gungs­zeit­punkt mehr­fach hin­aus­zu­schie­ben.

 

- 8 -

2.2.2.1. Mit ih­rer ers­ten Ab­re­de am 22. Ja­nu­ar 2010 ha­ben die Par­tei­en zwar ei­ne „Ergänzung“ zum be­ste­hen­den Ar­beits­ver­trag ver­ein­bart, die For­mu­lie­rung, wo­nach der Kläger „auch nach Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res“ zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen „wei­ter beschäftigt“ wird, lässt al­ler­dings schon dar­auf schließen, dass die Par­tei­en mit die­ser Ver­ein­ba­rung den Ar­beits­ver­trag nicht auf­he­ben, son­dern ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit Er­rei­chen des 65. Le­bens­jah­res ver­hin­dern und ei­ne darüber hin­aus­ge­hen­de Fort­set­zung, wenn auch be­fris­tet, si­cher­stel­len woll­ten. Hierfür spricht, ne­ben dem zi­tier­ten Wort­laut, auch der Vor­trag der Be­klag­ten, wo­nach es in ih­rem Un­ter­neh­men seit je­her so ge­hand­habt wor­den sei, dass die Mit­ar­bei­ter mit Er­rei­chen des ge­setz­li­chen Ren­ten­al­ters aus­schei­den und dass sie die Ein­ar­bei­tung des Mit­ar­bei­ters En­gel durch den Kläger si­cher­stel­len woll­te. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten lässt sich aus ih­rem Schrei­ben an den Be­triebs­rat vom 25. Ja­nu­ar 2010 nichts Ge­gen­tei­li­ges ent­neh­men. Dass die Be­klag­te die Beschäfti­gung des Klägers über des­sen 65. Le­bens­jahr hin­aus zur Pla­nung der Nach­fol­ge benötigt hat, gibt kei­ner­lei An­halts­punk­te dafür, ob die Beschäfti­gung auf der Grund­la­ge ei­ner ge­trof­fe­nen Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung oder auf der Grund­la­ge ei­ner Be­fris­tungs­ab­re­de ge­trof­fen wor­den ist. Im Übri­gen ist die­ses Schrei­ben oh­ne­hin nach Ab­schluss der Ver­ein­ba­rung mit dem Kläger und oh­ne des­sen Mit­wir­kung ver­fasst wor­den.

Hin­zu kommt, dass die Ver­ein­ba­rung kei­ner­lei Ab­wick­lungs­mo­da­litäten re­gelt, wie dies bei Auf­he­bungs­verträgen re­gelmäßig der Fall ist. Letzt­lich über­schrei­tet die ver­ein­bar­te Dau­er der be­fris­te­ten Wei­ter­beschäfti­gung auch die or­dent­li­che Kündi­gungs­frist. Durch die drei nach­fol­gend ge­trof­fe­nen Ab­re­den hat die Ver­trags­dau­er die or­dent­li­che Kündi­gungs­frist so­gar um ein Viel­fa­ches über­schrit­ten, denn schließlich war der Kläger nach Ab­schluss der ers­ten Ver­ein­ba­rung ins­ge­samt fast zwei Jah­re beschäftigt.

2.2.2.2. Selbst wenn die Ver­ein­ba­rung vom 22. Ja­nu­ar 2010 ei­ne Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung ge­we­sen sein soll­te, so können in den nach­fol­gend ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­run­gen am 10. De­zem­ber 2010, 27. Ju­ni 2011 und 29. Ju­li 2011 je­den­falls kei­ne Auf­he­bungs­verträge mehr ge­se­hen wer­den, denn die Auf­he­bung des Ar­beits­ver­tra­ges war be­reits ver­ein­bart und die Be­en­di­gung stand je­weils be­vor. Die wei­te­ren, nach dem 22. Ja­nu­ar 2010 ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen sind da­her nicht auf die Auf­he­bung ei­nes be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern auf die be­fris­te­te Fort­set­zung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­rich­tet, des­sen Re­ge­lun­gen be­reits für sich al­lein zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses geführt hätten. Da­bei mag es sich

 

- 9 -

durch­aus um Mo­di­fi­ka­tio­nen der zu­vor ver­ein­bar­ten Be­en­di­gung ge­han­delt ha­ben. Gleich­wohl ist Ziel­rich­tung die­ser Ver­ein­ba­run­gen nicht mehr die Be­en­di­gung, son­dern die be­fris­te­te Fort­set­zung über den be­reits ver­ein­bar­ten Be­en­di­gungs­ter­min hin­aus. Dies gilt ins­be­son­de­re für den letz­ten und da­mit hier maßgeb­li­chen Ver­trag vom 29. Ju­li 2011, der ganz of­fen­sicht­lich in sei­ner Ziel­rich­tung nicht auf die Auf­he­bung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ge­rich­tet ist. Dort wer­den die Ver­trags­be­din­gun­gen neu ver­ein­bart und die Pflicht des Klägers, die Er­satz­kraft an­zu­ler­nen, wird, an­ders als in dem ers­ten Ver­trag vom 22. Ja­nu­ar 2010, be­son­ders fest­ge­hal­ten. Ist der Ver­trag aber nicht auf die Be­en­di­gung, son­dern auf die be­fris­te­te Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­rich­tet, so be­darf es zu sei­ner Wirk­sam­keit ei­nes sach­li­chen Grun­des im Sin­ne des Be­fris­tungs­kon­troll­rechts (vgl. BAG vom 12. Ja­nu­ar 2000 - 7 AZR 48/99 - NZA 2000, 718 m.w.Nw.). Kei­ne Rol­le spielt da­bei, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers ursprüng­lich un­be­fris­tet war und dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz un­ter­fiel (vgl. nur BAG vom 19. No­vem­ber 2003 - 7 AZR 296/03 - NZA 2004, 1336).

2.3. Für die Be­fris­tungs­ab­re­de liegt ein sach­li­cher Grund im Sin­ne von § 14 Tz­B­fG vor, das Ar­beits­verhält­nis hat auf­grund rechts­wirk­sa­mer Be­fris­tungs­ab­re­de am 31. De­zem­ber 2011 sein En­de ge­fun­den.

2.3.1. Ge­gen­stand der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge ist aus­sch­ließlich die letz­te zwi­schen den Par­tei­en ge­trof­fe­ne Be­fris­tungs­ab­re­de vom 29. Ju­li 2011 zum 31. De­zem­ber 2011. Denn nur die­se hat der Kläger in­ner­halb der ge­setz­li­chen Frist an­ge­grif­fen, § 17 Tz­B­fG, und nur die­se hat er aus­weis­lich sei­nes Kla­ge­an­trags zum Ge­gen­stand sei­ner Kla­ge ge­macht.

2.3.2. Die­se Be­fris­tungs­ab­re­de er­weist sich als rechts­wirk­sam. Die Be­fris­tung ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Tz­B­fG aus in der Per­son des Klägers lie­gen­den Gründen ge­recht­fer­tigt.

2.3.2.1. In der Recht­spre­chung ist an­er­kannt, dass die Ver­ein­ba­rung von Al­ters­gren­zen, mit de­ren Er­rei­chen das Ar­beits­verhält­nis au­to­ma­tisch en­den soll, als ein in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­der Sach­grund im Sin­ne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Tz­B­fG sein kann. Ei­ne Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den Zeit­punkt des Er­rei­chens des Re­gel­ren­ten­al­ters ist sach­lich ge­recht­fer­tigt, wenn der Ar­beit­neh­mer nach dem Ver­trags­in­halt und der Ver­trags­dau­er ei­ne Al­ters­ver­sor­gung in der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung er­wer­ben kann oder bei Ver­trags­schluss be­reits

 

- 10 -

die für den Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te er­for­der­li­che ren­ten­recht­li­che War­te­zeit erfüllt hat. Ist der Ar­beit­neh­mer zum Zeit­punkt der Be­fris­tungs­ab­spra­che durch den Be­zug ei­ner ge­setz­li­chen Al­ters­ren­te wirt­schaft­lich ab­ge­si­chert, steht dem In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers an ei­ner zeit­lich be­grenz­ten wei­te­ren Beschäfti­gung das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers ge­genüber, recht­zei­tig ge­eig­ne­ten Nach­wuchs ein­zu­stel­len oder be­reits beschäftig­te Ar­beit­neh­mer fördern zu können. Die­sem In­ter­es­se gebührt re­gelmäßig der Vor­rang (BAG vom 18. Ju­ni 2008 - 7 AZR 116/07 - NZA 2008, 1302; vom 27. Ju­li 2005 - 7 AZR 443/04 - NZA 2006, 37; vom 19. No­vem­ber 2003 - 7 AZR 296/03 – a. a. O., jew. m.w.Nw.).

2.3.2.2. Un­ter die­sen Ge­sichts­punk­ten er­weist sich auch die zwi­schen den Par­tei­en ge­trof­fe­ne Be­fris­tungs­ab­re­de als wirk­sam. Zwar ist die Be­fris­tung nicht auf das Er­rei­chen des ge­setz­li­chen Ren­ten­al­ters ver­ein­bart, zum Zeit­punkt der Ver­ein­ba­rung am 22. Ja­nu­ar 2010 und al­ler nach­fol­gen­den Be­fris­tungs­ab­re­den hat­te der am 21. Ja­nu­ar 1945 ge­bo­re­ne Kläger sein 65. Le­bens­jahr be­reits voll­endet und da­mit gemäß § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI die Re­gel­al­ters­gren­ze er­reicht. An­lass für die von den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Be­fris­tungs­ab­re­den war aber auch hier das Er­rei­chen der ge­setz­li­chen Re­gel­al­ters­gren­ze. Al­le zwi­schen den Par­tei­en nach dem 21. Ja­nu­ar 2010 ge­trof­fe­nen Be­fris­tungs­ab­spra­chen, auch die hier maßgeb­li­che vom 29. Ju­li 2011, neh­men Be­zug auf die­sen Um­stand und le­gen im Ein­gangs­satz fest, dass der Kläger „auch nach Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res“ bei der Be­klag­ten wei­ter beschäftigt wer­den soll.

Die die Be­fris­tung auf das ge­setz­li­che Ren­ten­al­ter recht­fer­ti­gen­den Gründe gel­ten im vor­lie­gen­den Fall glei­cher­maßen. Auch hier han­delt es sich um ei­nen durch die ge­setz­li­che Al­ters­ren­te wirt­schaft­lich ab­ge­si­cher­ten Ar­beit­neh­mer, der be­reits ein lan­ges Be­rufs­le­ben hin­ter sich hat, des­sen In­ter­es­se an der Fortführung sei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit al­ler Vor­aus­sicht nach nur noch für ei­ne be­grenz­te Zeit be­steht und der ty­pi­scher­wei­se von der An­wen­dung der Al­ters­gren­zen­re­ge­lun­gen durch sei­nen Ar­beit­ge­ber Vor­tei­le hat­te, weil da­durch auch sei­ne Ein­stel­lungs- und Auf­stiegs­chan­cen ver­bes­sert wor­den sind (vgl. BAG vom 27. Ju­li 2005 - 7 AZR 443/04 – a. a. O.). Auch im vor­lie­gen­den Fall ist das Bedürf­nis des Ar­beit­ge­bers nach ei­ner sach­ge­rech­ten und be­re­chen­ba­ren Per­so­nal- und Nach­wuchs­pla­nung ge­genüber zu stel­len. Der in § 41 S. 2 SGB VI und in § 8 Abs. 3 ATG zum Aus­druck kom­men­de Rechts­ge­dan­ke gilt auch hier.

 

- 11 -

Ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Be­fris­tungs­ab­re­den, die zeit­lich be­reits vor Be­zug der ge­setz­li­chen Re­gel­al­ters­ren­te ei­ne auf die­sen Zeit­punkt ab­stel­len­de Be­en­di­gung zum In­halt ha­ben, im Ver­gleich zu den Be­fris­tungs­ab­spra­chen, die nach Ein­tritt in das ge­setz­li­che Ren­ten­al­ter ge­trof­fen wer­den und ei­ne darüber hin­aus­ge­hen­de be­fris­te­te Beschäfti­gung ver­ein­ba­ren, ist sach­lich nicht ge­recht­fer­tigt. Die In­ter­es­sen des durch den Be­zug der Al­ters­ren­te wirt­schaft­lich ab­ge­si­cher­ten Klägers ste­hen vor­lie­gend glei­cher­maßen den zu­vor be­schrie­be­nen In­ter­es­sen der Be­klag­ten nach.

2.3.2.3. Un­er­heb­lich ist, ob sich der Kläger zum Zeit­punkt der letz­ten Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung in der Ver­brau­cher­insol­venz be­fun­den hat. Die aus­rei­chen­de wirt­schaft­li­che Ab­si­che­rung ist ge­ne­ra­li­sie­rend zu be­ur­tei­len (BAG vom 8. De­zem­ber 2010 - 7 AZR 438/09 - NZA 2011, 586; vom 27. Ju­li 2005 - 7 AZR 443/04 – a. a. O.). Aus­ge­hend von dem Um­stand, dass es auf den Zeit­punkt der Al­ters­gren­zen­ver­ein­ba­rung an­kommt und der Ar­beit­ge­ber bei frühzei­ti­ger Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung nicht pro­gnos­ti­zie­ren kann, in wel­chen wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­sen sich der Ar­beit­neh­mer bei Er­rei­chen der ge­setz­li­chen Al­ters­gren­ze be­fin­den wird (vgl. BAG vom 27. Ju­li 2005 - 7 AZR 443/04 – a. a. O.) kann es auch dann, wenn die Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung erst nach Er­rei­chen der ge­setz­li­chen Re­gel­al­ters­gren­ze ge­trof­fen wird, nicht auf die persönli­chen Verhält­nis­se des Ar­beit­neh­mers an­kom­men, wenn die­ser die War­te­zeit erfüllt hat und die ge­setz­li­che Re­gel­al­ters­ren­te gemäß §§ 35, 235 SGB VI be­zieht. An die Stel­le der Ar­beits­vergütung tritt der dau­er­haf­te Be­zug von Leis­tun­gen aus der Al­ters­ver­sor­gung. Die­se An­bin­dung ist Teil des Sach­grun­des (BAG vom 18. Ju­ni 2008 - 7 AZR 116/07 - a. a. O.). Hin­zu kommt, dass dem Ar­beit­ge­ber die persönli­chen und wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se des Ar­beit­neh­mers nicht zwin­gend be­kannt sind und er auch kei­nen An­spruch auf ent­spre­chen­de Aus­kunft hat. Der Ar­beit­ge­ber kann die­se Verhält­nis­se re­gelmäßig auch nicht be­ur­tei­len, denn sie hängen von vie­len Fak­to­ren ab wie bei­spiels­wei­se Le­bens­wan­del, Kre­dit­ver­pflich­tun­gen oder Un­ter­halts­pflich­ten. Be­zieht der Ar­beit­neh­mer ge­setz­li­che Re­gel­al­ters­ren­te, so wird das im Ar­beits­verhält­nis zur Exis­tenz­si­che­rung bis­lang ge­zahl­te Ent­gelt nun­mehr durch die ge­setz­li­che Ren­ten­zah­lung ab­gelöst. Das ver­fas­sungs­recht­li­che Un­ter­maßver­bot er­for­dert kei­ne am in­di­vi­du­el­len Le­bens­stan­dard des Ar­beit­neh­mers und sei­nen sub­jek­ti­ven Bedürf­nis­sen ori­en­tier­te Al­ters­ver­sor­gung (BAG vom 27. Ju­li 2005 - 7 AZR 443/04 – a. a. O.).

 

- 12 -

Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass der Kläger die Vor­aus­set­zun­gen nach § 235 Abs. 1 SGB VI erfüllt und seit Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res ge­setz­li­che Al­ters­ren­te be­zieht.

2.3.2.4. Mit die­sem Er­geb­nis ist kei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung des Klägers ver­bun­den. § 10 Nr. 5 AGG erklärt die Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses oh­ne Kündi­gung zu dem Zeit­punkt, zu dem der Beschäftig­te ei­ne Ren­te we­gen Al­ters be­an­tra­gen kann, für ei­ne zulässi­ge un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters. Uni­ons­recht­li­che Be­den­ken be­ste­hen in­so­weit nicht (vgl. BAG vom 21. Sep­tem­ber 2011 - 7 AZR 134/10 - NZA 2012, 271; EuGH vom 12. Ok­to­ber 2010 - C-45/09 - NZA 2010, 1167: Ro­sen­bladt; vgl. auch BAG vom 15. Fe­bru­ar 2012 - 7 AZR 946/07 - NZA 2012).

2.3.3. Die Be­fris­tung er­weist sich auch un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­samt­umstände nicht als miss­bräuch­lich. Die Be­schränkung der Kon­trol­le auf die zu­letzt ge­schlos­se­ne Be­fris­tungs­ab­re­de schließt es zwar nicht aus, dass bei der Prüfung der Rechts­wirk­sam­keit die­ser Be­fris­tung, ins­be­son­de­re bei der un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände vor­zu­neh­men­den Miss­brauchs­kon­trol­le, auch die vor­an­ge­gan­ge­nen be­fris­te­ten Verträge zu berück­sich­ti­gen sind (BAG vom 18. Ju­li 2012 - 7 AZR 783/10 - DB 2012, 2634). Vor­lie­gend sind je­doch al­le an den un­be­fris­te­ten Ver­trag an­knüpfen­den Be­fris­tungs­ab­re­den erst ab­ge­schlos­sen wor­den, nach­dem der Kläger be­reits An­spruch auf ge­setz­li­che Re­gel­al­ters­ren­te hat­te. Al­le ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen neh­men hier­auf aus­drück­lich Be­zug.

2.3.4. Ist die zwi­schen den Par­tei­en ge­trof­fe­ne Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung da­mit be­reits aus den dar­ge­leg­ten Gründen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 6 Tz­B­fG sach­lich ge­recht­fer­tigt, so kann da­hin­ste­hen, ob sich die Be­fris­tung auch aus an­de­ren Gründen als wirk­sam er­weist, bei­spiels­wei­se ob sie zur so­zia­len Über­brückung oder auf Wunsch des Klägers er­folgt sein könn­te.

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Ver­bin­dung mit § 97 ZPO. Der Kläger und Be­ru­fungskläger hat die Kos­ten des er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen.

 

- 13 -

IV.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von dem Kläger bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,
Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt
(Post­adres­se: 99113 Er­furt),

Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de. 

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als sol­che sind außer Rechts­anwälten nur fol­gen­de Stel­len zu­ge­las­sen, die zu­dem durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln müssen:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

 

- 14 -

Für die Be­klag­te ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i. S. d. § 46 c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.

Dr. H.  

F.  

H.

Hin­weis der Geschäfts­stel­le
Das Bun­des­ar­beits­ge­richt bit­tet, sämt­li­che Schriftsätze in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 12 Sa 1303/12