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ARBEITSRECHT AKTUELL // 18/023

Kün­di­gung we­gen heim­li­cher Auf­nah­me ei­nes Per­so­nal­ge­sprächs

Wer ein Per­so­nal­ge­spräch heim­lich mit­schnei­det, muss mit ei­ner frist­lo­sen Kün­di­gung rech­nen: Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.08.2017, 6 Sa 137/17
Diktiergerät, Smartphone mit Aufnahmefunktion, heimliches mitschneiden

25.01.2018. Ver­let­zun­gen des Per­sön­lich­keits­rechts der Ar­beit­neh­mer durch den Ar­beit­ge­ber mit­hil­fe von Über­wa­chungs­ka­me­ras oder Späh­soft­ware füh­ren im­mer wie­der zu ar­beits­ge­richt­li­chen Strei­tig­kei­ten.

Über sol­che Fäl­le be­rich­te­ten wir zu­letzt in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/274 Drei­jäh­ri­ge Kün­di­gungs­frist ist un­wirk­sam, in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/214 Ver­let­zung der Pri­vat­sphä­re am Ar­beits­platz und in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/201 Ar­beit­neh­mer-Über­wa­chung mit Key­log­ger.

Aber auch Ar­beit­neh­mer kön­nen sich durch die Ver­let­zung des Per­sön­lich­keits­rechts von Kol­le­gen und Vor­ge­setz­ten ins Un­recht set­zen und ris­kie­ren in gra­vie­ren­den Fäl­len ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung, wie ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) zeigt: Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 23.08.2017, 6 Sa 137/17.

Heim­li­che Ton­auf­nah­me ei­nes Per­so­nal­gesprächs durch den Ar­beit­neh­mer als Kündi­gungs­grund

Gemäß § 626 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) kann das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich aus wich­ti­gem Grun­de so­wie frist­los, d.h. oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn dem kündi­gen­den Ver­trags­part­ner (Ar­beit­ge­ber oder Ar­beit­neh­mer) die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Da­bei kommt es nicht nur auf das Vor­lie­gen ei­nes Kündi­gungs­grun­des an, der im All­ge­mei­nen für ei­ne frist­lo­se Ver­trags­be­en­di­gung aus­rei­chend ist, son­dern auch dar­auf, ob un­ter Abwägung al­ler Umstände des Ein­zel­falls das In­ter­es­se des kündi­gen­den Ver­trags­part­ners an ei­ner so­for­ti­gen Ver­trags­be­en­di­gung das In­ter­es­se des Gekündig­ten an ei­ner Ver­trags­fort­set­zung über­wiegt.

Wer oh­ne Wis­sen und Ein­verständ­nis sei­nes Gesprächs­part­ners ein Gespräch heim­lich auf­zeich­net, ver­letzt da­mit in er­heb­li­cher Wei­se das Persönlich­keits­recht des Gesprächs­part­ners. Denn zum Persönlich­keits­recht, das durch Art.2 Abs.1 Grund­ge­setz (GG) in Verb. mit Art.1 Abs.2 GG geschützt ist, gehört auch das Recht am ge­spro­che­nen Wort. Auf­grund die­ses Rechts kann je­der selbst darüber be­stim­men, ob sei­ne Wor­te auf­ge­nom­men wer­den sol­len, wer dies tun darf und ob, wann und von wem sei­ne auf­ge­nom­me­ne Stim­me wie­der ab­ge­spielt wer­den darf. Da­her ist es auch gemäß § 201 Abs.1 Nr.1 Straf­ge­setz­buch (StGB) straf­bar, das nichtöffent­lich ge­spro­che­ne Wort ei­nes an­de­ren un­be­fugt auf ei­nen Tonträger auf­zu­neh­men.

Vor die­sem Hin­ter­grund ist klar,

  • dass Ar­beit­neh­mer mit der heim­li­chen Auf­nah­me ei­nes Per­so­nal­gesprächs in er­heb­li­cher Wei­se ge­gen ih­re ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­s­toßen, und
  • dass ein sol­cher Pflicht­ver­s­toß im All­ge­mei­nen („an sich“) ein wich­ti­ger Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung gemäß § 626 Abs.1 BGB ist.

Frag­lich ist trotz­dem in je­dem Ein­zel­fall, ob ein sol­cher Pflicht­ver­s­toß bei Abwägung al­ler Umstände ei­ne frist­lo­se Kündi­gung recht­fer­tigt.

Der Streit­fall: Or­dent­lich unkünd­ba­rer Ar­beit­neh­mer be­lei­digt Kol­le­gen und nimmt ein des­halb geführ­tes Per­so­nal­gespräch heim­lich mit sei­nem Han­dy auf

In dem vom Hes­si­schen LAG ent­schie­de­nen Fall ging es um ei­nen mehr als 26 Jah­re lang im öffent­li­chen Dienst beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer, der auf­grund ta­rif­ver­trag­li­cher Vor­schrif­ten or­dent­lich unkünd­bar war.

Er be­schimpf­te im No­vem­ber 2015 Ar­beits­kol­le­gen per E-Mail mit den Wor­ten „Low-Per­for­mer-Bur­nout“ und „fau­le Mistkäfer“ und er­hielt da­her ei­ne Ab­mah­nung. Zwei wei­te­re Ab­mah­nun­gen er­hielt er im März 2016, weil er im Fe­bru­ar 2016 zwei Kol­le­gin­nen als "fau­le Schwei­ne" und "Low-Per­for­mer" be­zeich­net und ei­ne Kol­le­gin be­droht ha­ben soll.

Auf­grund die­ser Vorfälle wur­de er bis auf wei­te­res frei­ge­stellt und es wur­de am 17.03.2016 ein Per­so­nal­gespräch durch­geführt, an dem ne­ben dem Ar­beit­neh­mer drei Führungs­kräfte, ei­ne Per­so­nal­re­fe­ren­tin und ein Be­triebs­rats­mit­glied teil­nah­men. Wie sich später auf­grund ei­ner E-Mail des Ar­beit­neh­mers vom 30.05.2016 her­aus­stell­te, hat­te er die­ses Per­so­nal­gespräch mit sei­nem Han­dy auf­ge­zeich­net, oh­ne sei­ne Gesprächs­part­ner darüber vor­ab in­for­miert zu ha­ben. Al­ler­dings lag das Han­dy während des Gesprächs of­fen auf dem Tisch.

Dar­auf­hin erklärte der Ar­beit­ge­ber in­ner­halb der Zwei­wo­chen­frist des § 626 Abs.2 BGB und nach vor­he­ri­ger Anhörung des Be­triebs­rats ei­ne außer­or­dent­li­che und frist­lo­se, hilfs­wei­se ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit ei­ner Aus­lau­f­rist von sechs Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de. Da­ge­gen er­hob der Ar­beit­neh­mer Kündi­gungs­schutz­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main, al­ler­dings oh­ne Er­folg (Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main, Ur­teil vom 22.11.2016, 18 Ca 4002/16).

Hes­si­sches LAG: Kündi­gung rech­tens, da kei­ne Recht­fer­ti­gungs- oder Ent­schul­di­gungs­gründe vor­la­gen und das Ar­beits­verhält­nis be­reits be­las­tet war

Auch vor dem LAG hat­te der Kläger kei­nen Er­folg. Das LAG wies sei­ne Be­ru­fung zurück.

Da­bei wa­ren die Pflicht­ver­let­zung durch die heim­li­che Auf­nah­me des Gesprächs und da­mit der „Kündi­gungs­grund an sich“ un­strei­tig, da sich dies aus ei­ner E-Mail des Klägers vom 30.05.2016 er­gab. In­fol­ge­des­sen kon­zen­trier­te sich das LAG auf mögli­che Recht­fer­ti­gungs- und/oder Ent­schul­di­gungs­gründe und auf die um­fas­sen­de In­ter­es­sen­abwägung.

Die vom Kläger vor­ge­brach­ten Recht­fer­ti­gun­gen bzw. Ent­schul­di­gun­gen ließ das Ge­richt nicht gel­ten. Dass das Han­dy of­fen auf dem Tisch lag, änder­te nichts an der Heim­lich­keit der Auf­nah­me des Gesprächs, denn die Gesprächs­part­ner wuss­ten ja nichts da­von, dass die Au­di­o­funk­ti­on des Geräts ak­ti­viert war.

Und auch dann, wenn die Frei­stel­lung von der Ar­beit nicht rech­tens ge­we­sen sein soll­te, gab dies dem (an­walt­lich be­ra­te­nen bzw. ver­tre­te­nen) Kläger nicht das Recht, ein u.a. darüber geführ­tes Per­so­nal­gespräch heim­lich auf­zu­zeich­nen. Sch­ließlich konn­te er sich auch da­mit nicht ent­schul­di­gen, dass ihm an­geb­lich die Rechts­wid­rig­keit ei­nes Ver­hal­tens nicht be­kannt ge­we­sen war, denn hier hätte er sich, so das Ge­richt, durch ei­nen An­ruf bei sei­nem Rechts­an­walt vor­her kun­dig ma­chen müssen.

Bei der In­ter­es­sen­abwägung fiel zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers ins Ge­wicht, dass das Ar­beits­verhält­nis in­fol­ge der be­lei­di­gen­den E-Mail vom No­vem­ber 2015 be­reits er­heb­lich vor­be­las­tet war.

Fa­zit: Lan­ge beschäftig­te und da­her ta­rif­lich unkünd­ba­re Ar­beit­neh­mer in großen Un­ter­neh­men und im öffent­li­chen Dienst müssen sich vor der Fehl­einschätzung hüten, dass ih­nen „kei­ner mehr was kann“.

Wer Ar­beits­kol­le­gen per E-Mail (!) und da­mit in nach­weis­ba­rer Form als „fau­le Mistkäfer“ (!) be­lei­digt, gefähr­det da­mit auch nach langjähri­ger Beschäfti­gung den Be­stand sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses. Dann kann ei­ne wei­te­re er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung, wie hier im Streit­fall das heim­li­che Mit­schnei­den ei­nes Per­so­nal­gesprächs, das Fass zum Über­lau­fen brin­gen und ei­ne frist­lo­se Kündi­gung zur Fol­ge ha­ben.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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