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Heimliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern
19.02.2015. Im Allgemeinen sind Videoaufnahmen von Arbeitnehmern nur rechtens, wenn der Abgefilmte einverstanden ist, denn jeder Mensch hat ein "Recht am eigenen Bild".
Ausnahmsweise ist ein Einverständnis des abgefilmten Arbeitnehmers nicht erforderlich, nämlich dann, wenn der Arbeitgeber anders als durch eine Videoüberwachung Straftaten wie z.B. Ladendiebstähle nicht beweisen kann. Dann kann im Extremfall sogar eine heimliche Videoüberwachung rechtens sein.
In einem heute entschiedenen Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass eine Videoüberwachung krankgeschriebener Arbeitnehmer nur zulässig ist, wenn konkrete Tatsachen den Verdacht begründen, dass der überwachte Arbeitnehmer die Krankheit nur vorgetäuscht hat: BAG, Urteil vom 19.02.2015, 8 AZR 1007/13 (Pressemeldung des Gerichts).
- Darf der Arbeitgeber krankgeschriebene Arbeitnehmer durch eine Detektei überwachen und abfilmen lassen?
- Im Streit: Sekretärin erkrankt kurz nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit über zwei Monate lang
- BAG: Videoüberwachungen krankgeschriebener Arbeitnehmer sind nur zulässig, wenn aufgrund konkreter Tatsachen der Verdacht des Vortäuschens der Krankheit besteht
Darf der Arbeitgeber krankgeschriebene Arbeitnehmer durch eine Detektei überwachen und abfilmen lassen?
Unzulässige Videoaufnahmen anderer Personen verletzen deren Recht am eigenen Bild. Dieses Recht ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das durch das Grundgesetz (GG) geschützt ist, d.h. durch Art.1 Abs.1 GG in Verb. mit Art.2 Abs.1 GG. Selbstverständlich sind diese Rechte auch im Arbeitsverhältnis zu beachten, d.h. sie schützen auch Arbeitnehmer vor allzu kontrollbegierigen Arbeitgebern.
Nach der Rechtsprechung des BAG gilt das (Arbeitnehmer-)Recht am eigenen Bild aber nicht schrankenlos. Wenn schutzwürdige rechtliche Interessen des Arbeitgebers es erfordern, in dieses Recht einzugreifen, und wenn der Eingriff auf das Notwendige beschränkt ist, kann er zulässig sein.
So kann der Arbeitgeber z.B. Verkaufsräume, die für den Kundenverkehr geöffnet sind, zur Verhinderung und Aufdeckung von Ladendiebstählen durch Videokameras überwachen, wenn er auf diese Überwachung hinweist. In diesem Fall müssen es sich auch die angestellten Verkäufer gefallen lassen, bei der Arbeit abgefilmt zu werden. Gibt es einen Betriebsrat, muss dieser der Überwachung zuvor gemäß § 87 Abs.1 Nr.6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zugestimmt haben.
Seit September 2009 findet sich diese BAG-Rechtsprechung in § 32 Abs.1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BSDG) wieder, d.h. der Gesetzgeber hat die Grundsätze der BAG-Rechtsprechung in das BSDG übernommen. Diese Vorschrift lautet:
"Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind."
Vor dem Hintergrund fragt sich, unter welchen Umständen der Arbeitgeber dazu berechtigt ist, einen Privatdetektiv mit der Videoüberwachung eines krankgeschriebenen Arbeitnehmers zu beauftragen, um mit Hilfe der Videoüberwachung Beweise für eine Vortäuschung der Erkrankung zu erlangen.
Im Streit: Sekretärin erkrankt kurz nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit über zwei Monate lang
Die klagende Arbeitnehmerin war bei seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Mitte Dezember 2012 kam es zu einer Meinungsverschiedenheit, weil die Klägerin eine Weisung zur Vorlage von Produktunterlagen nicht so erledigte, wie es der Geschäftsführer erwartet hatte. Ab dem 27.12.2011 war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben, zunächst mit Bronchialerkrankungen, später wegen eines Bandscheibenvorfalls.
Der Arbeitgeber bezweifelte den (telefonisch mitgeteilten) Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Beobachtung der Klägerin. Daraufhin observierte der Detektiv die Klägerin von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen.
Beobachtet wurden u.a. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen.
Die Klägerin hielt Observation und Videoaufnahmen für rechtswidrig und klagte auf 10.500,00 EUR Schmerzensgeld. Mit dieser Klage hatte sie in der ersten Instanz keinen Erfolg (Arbeitsgerichts Münster, Urteil vom 11.01.2013, 4 Ca 455/12), konnte aber in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm immerhin 1.000,00 EUR erstreiten (LAG Hamm, Urteil vom 11.07.2013, 11 Sa 312/13).
BAG: Videoüberwachungen krankgeschriebener Arbeitnehmer sind nur zulässig, wenn aufgrund konkreter Tatsachen der Verdacht des Vortäuschens der Krankheit besteht
Das BAG wies sowohl die Revision des Arbeitgebers als auch die Revision der Arbeitnehmerin, die ein höheres Schmerzensgeld haben wollte, zurück. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Sowohl die Observation der Klägerin als auch die heimlichen Aufnahmen waren rechtswidrig, so das BAG, denn der Arbeitgeber hatte hier im Streitfall keinen berechtigten Anlass zur Überwachung.
Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hatte, kann sich ein solcher Anlass daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer seine Krankschreibung im Streit "ankündigt" und/oder dass er anstrengende (Erwerbs-)Tätigkeiten verrichtet, die mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unvereinbar sind. Dann ist der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach der Rechtsprechung erschüttert.
Davon konnte hier aber keine Rede sein. Der Beweiswert der ärztlichen Krankschreibungen war nämlich weder dadurch zweifelhaft, dass sie von verschiedenen Ärzten stammten, noch durch die Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war, so die Erfurter Richter.
Das LAG Rheinland-Pfalz hatte in einem ähnlichen Fall, in dem ein krankgeschriebener Arbeitnehmer seinem Vater in einer Autowaschanlage beim Wagenwaschen geholfen hatte und dabei von einem Vorgesetzten per Handy fotografiert worden war, die Anfertigung der Handy-Fotos für rechtens angesehen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.07.2013, 10 SaGa 3/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 13/202 Arbeitnehmer fotografieren - geht das?). Allerdings konnte man in diesem Fall argumentieren, dass der Beweiswert der Krankschreibung durch die körperlich anstrengende Wagenwäsche (möglicherweise) erschüttert war, und dass die Fotos im öffentlichen Raum (Waschanlage) gemacht worden waren.
In dem vom BAG entschiedenen Fall sprach dagegen rein gar nichts dafür, dass sich die Arbeitnehmerin die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen möglicherweise durch falsche Angaben erschlichen haben könnte oder dass der Beweiswert der Krankschreibungen aus anderen Gründen erschüttert sein könnte. Der Arbeitgeber hatte hier ohne Anlass mit Hilfe eines Detektivs in der Privatsphäre der Klägerin "herumschnüffeln" wollen, und das ist unzulässig.
Fazit: Hin und wieder werden Arbeitgeber von dem unguten Gefühl geplagt, dass ihnen Gefälligkeitsatteste vorgelegt werden. Beruht der Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit aber nicht auf konkreten Tatsachen, ist die (Video-)Überwachung des krankgeschriebenen Arbeitnehmers durch eine Detektei unzulässig und löst einen Anspruch auf Geldentschädigung („Schmerzensgeld“) aus. Die hier vom LAG Hamm zugesprochenen und vom BAG abgesegneten 1.000,00 EUR lagen dabei eher am unteren Ende der im Streitfall vertretbaren Entschädigungssummen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2015, 8 AZR 1007/13 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2015, 8 AZR 1007/13
- Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11.07.2013, 11 Sa 312/13
- Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.07.2013, 10 SaGa 3/13
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 25.10.2010, 7 Sa 1586/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Datenschutz im Arbeitsrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Haftung des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
- Arbeitsrecht aktuell: 18/207 Löschungspflicht bei Videoüberwachung von Arbeitnehmern
- Arbeitsrecht aktuell: 18/023 Kündigung wegen heimlicher Aufnahme eines Personalgesprächs
- Arbeitsrecht aktuell: 17/236 Arbeitnehmerüberwachung durch einen Detektiv
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- Arbeitsrecht aktuell: 17/192 Kündigung wegen falscher Angabe von Arbeitszeiten
- Arbeitsrecht aktuell: 17/123 Beweislast bei Krankheit von mehr als sechs Wochen
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- Arbeitsrecht aktuell: 13/202 Arbeitnehmer fotografieren - geht das?
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- Arbeitsrecht aktuell: 08/114 Berufung des Arbeitgebers auf rechtswidrig erlangte Erkenntnisse im Arbeitsgerichtsprozess
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 5. Juni 2020
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