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Kündigung einer Pflegekraft wegen Misshandlung
08.09.2020. Bei der Pflege älterer Menschen muss besondere Rücksicht auf ihre Rechte und Bedürfnisse genommen werden. Körperliche Misshandlungen sind tabu und können eine Kündigung einer Pflegekraft rechtfertigen.
Ob dann eine außerordentliche oder nur eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zulässig ist, muss durch eine Interessensabwägung im Einzelfall entschieden werden.
In einem einschlägigen Streitfall bewertete das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern eine fristgemäße Kündigung als zulässig: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.11.2019, 5 Sa 97/19.
- Körperliche Gewalt gegen Pflegebedürftige als Kündigungsgrund
- Im Streit: Festhalten eines demenzkranken Pflegebedürftigen zum Duschen trotz heftiger Gegenwehr
- LAG Mecklenburg-Vorpommern: Die Misshandlung eines Heimbewohners kann eine verhaltensbedingte Kündigung der Pflegekraft rechtfertigen
Körperliche Gewalt gegen Pflegebedürftige als Kündigungsgrund
Arbeitgeber können gemäß § 626 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus wichtigem Grund fristlos kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen. Vom Arbeitnehmer während der Arbeit begangene Körperverletzungen sind im Allgemeinen ein solcher wichtiger Grund. Ob eine Körperverletzung als Kündigungsgrund auch im Einzelfall schwerwiegend genug für eine fristlose Kündigung ist, muss durch eine umfassende Interessenabwägung geklärt werden.
Körperverletzungen können außerdem eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Sie ist gegenüber einer fristlosen Kündigung das mildere Mittel. Wenn Arbeitnehmer länger als sechs Monate in einem Betrieb mit über zehn Arbeitnehmern beschäftigt und daher durch das Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) geschützt sind (§ 1 Abs.1, § 23 Abs.1 KSchG), kann der Arbeitgeber allerdings auch auf eine Körperverletzung nicht in allen Fällen mit einer ordentlichen (verhaltensbedingten) Kündigung reagieren.
Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen einer im Dienst begangenen Körperverletzung muss vielmehr „sozial gerechtfertigt“ sein und damit § 1 Abs.2 KSchG entsprechen. Hier kommt es auf die Verhältnismäßigkeit der Kündigung an, d.h. es stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber statt mit einer Kündigung auch mit einem milderen Mittel reagieren könnte, z.B. mit einer Abmahnung oder Versetzung.
In einem aktuellen Fall des LAG Mecklenburg-Vorpommern kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Pflegekraft wegen eines körperlichen Übergriffs zulasten eines Pflegebedürftigen zurecht fristgemäß gekündigt worden war.
Im Streit: Festhalten eines demenzkranken Pflegebedürftigen zum Duschen trotz heftiger Gegenwehr
Eine knapp 25 Jahre in einer Pflege- und Senioreneinrichtung beschäftigte Altenpflegehelferin wollte im Januar 2017 einen 73-jährigen Pflegebedürftigen waschen. Er litt an hochgradiger Demenz und wurde durch eine bestellte Betreuerin, seine Lebensgefährtin, vertreten. Er hatte eingenässt und war seit mehreren Tagen nicht mehr gewaschen und rasiert worden, da er die Körperpflege immer wieder abgelehnt hatte.
Nachdem der Pflegebedürftige der Pflegekraft zunächst freiwillig ins Bad gefolgt war und sich auf einen Duschstuhl gesetzt hatte, lehnte er das Einseifen und Abduschen durch lautes Schreien, Spucken und Treten ab. Die Pflegehelferin setzte sich darüber hinweg, indem sie einen Kollegen herbeirief, der den Pflegebedürftigen festhielt, während die Pflegehelferin den Pflegebedürftigen (weiter) duschte und wusch. Ob sich die Pflegehelferin an dem Festhalten beteiligte, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls hatte die Betreuerin nicht darin eingewilligt, Zwangsmittel zum Zwecke der Körperpflege einzusetzen.
Aufgrund dieses Vorfalls, der vom Heimdirektor bemerkt und beendet worden war, wurde die Pflegekraft nach einem vorherigen Personalgespräch sowie nach Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) fristlos und hilfsweise ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt. Die Pflegekraft erhob Kündigungsschutzklage, die allerdings vom Arbeitsgericht Stralsund abgewiesen wurde (Urteil vom 04.01.2019, 2 Ca 46/17). Dagegen legte sie Berufung zum LAG Mecklenburg-Vorpommern ein.
LAG Mecklenburg-Vorpommern: Die Misshandlung eines Heimbewohners kann eine verhaltensbedingte Kündigung der Pflegekraft rechtfertigen
Die Berufung hatte nur teilweise Erfolg. Das LAG bewertete die fristlose Kündigung für unwirksam. Allerdings hatte die ordentliche Kündigung, die zu Ende August 2017 ausgesprochen worden war, weiterhin Bestand. Damit hatte die Pflegehelferin ihr Arbeitsverhältnis letztlich doch verloren, wenn auch nicht mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung heißt es in dem Urteil:
Die Misshandlung von Heimbewohnern kann im Allgemeinen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Die Heimunterbringung kranker oder gebrechlicher Menschen schränkt weder ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit noch ihr Persönlichkeitsrecht ein. Ihre Rechte und Bedürfnisse sind vielmehr zu wahren und zu fördern, wie sich aus § 2 Abs.1 Nr.1 und Nr.2 Heimgesetz (HeimG) ergibt. Dabei ist körperliche Gewalt im Allgemeinen unzulässig. Ob Zwangsmittel im Ausnahmefall angewandt werden dürfen, müssen „die zuständigen Ärzte, Betreuer und staatlichen Institutionen“ entscheiden (Urteil, Rn.53).
Diese Grundsätze hatte die Pflegekraft nicht beachtet, da sie körperliche Gewalt gegen einen demenzkranken Heimbewohner einsetzte. Das Waschen und Rasieren geschah gegen seinen klar erkennbaren Willen. Dabei bestand keine akute Gefahr für den Betroffenen oder andere Heimbewohner, so dass ein sofortiges Einschreiten nicht erforderlich war (Urteil, Rn.54). Angesichts der beträchtlichen Dauer des Waschens und Duschens lag hier auch keine bloße Bagatelle vor. Der körperliche Zwang, so das LAG, war weder auf einen kurzen Augenblick beschränkt "noch bewegte er sich im niederschwelligen Bereich“ (Urteil, Rn.56).
Andererseits sprach zugunsten der Pflegekraft, dass die Übergriffe nicht als Gewaltexzess zu bewerten waren. Außerdem bestand das Arbeitsverhältnis bereits seit 25 Jahren und damit sehr lange. Im Ergebnis bedeutete das, dass die fristlose Kündigung unverhältnismäßig war (Urteil, Rn.60). Gleichzeitig war die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu Ende August 2017 allerdings wirksam (Urteil, Rn.62-66).
Fazit: Pflegekräfte in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen tragen eine besondere Verantwortung gegenüber Patienten und Pflegebedürftigen. Viele pflegerischen Handlungen, z.B. das Setzen einer Spritze oder auch „nur“ das Schneiden von Haaren oder Fingernägeln, sind rechtlich als (strafbare) Körperverletzungen zu bewerten, wenn es keine wirksame Einwilligung des Patienten bzw. Pflegebedürftigen gibt. Um derartige Vorwürfe von vornherein zu vermeiden, sollten Pflegekräfte Grenzüberschreitungen in diesem Bereich auch im eigenen rechtlichen Interesse strikt vermeiden.
Lehnen Pflegebedürftige wie hier im Streitfall Maßnahmen der Körperpflege ab, z.B. das Waschen, Duschen, Rasieren oder Nagelschneiden, haben Pflegekräfte erst einmal keine andere Möglichkeit, als die Ablehnung in der Pflegedokumentation zu vermerken. Ob dann im nächsten Schritt Zwangsmittel im Ausnahmefall eingesetzt werden können, müssen die Pflegebedürftigen oder ihre Betreuer zusammen mit anderen Personen und Stellen entscheiden.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.11.2019, 5 Sa 97/19
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung - Kündigungsgründe
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsfristen
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Tipps und Tricks: Kündigung durch den Arbeitgeber - Checkliste
- Musterschreiben: Anhörung des Betriebsrats zu einer fristlosen Kündigung
- Musterschreiben: Fristlose Kündigung
- Musterschreiben: Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/091 Sittenwidrigkeit und Treuwidrigkeit einer Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/071 Fristlose Kündigung wegen rassistischer Äußerungen
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Letzte Überarbeitung: 16. November 2021
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