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Interessenabwägung bei außerordentlicher Kündigung und Arbeitgeberverhalten
17.08.2018. Eine außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sollte man sich gut überlegen.
Ist der Entschluss aber einmal getroffen, muss man ihn auch konsequent durchgeführen.
Arbeitgeber, die dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung als Alternative eine monatelange Auslauffrist bei Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz anbieten, riskieren die Unwirksamkeit ihrer Kündigung, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.06.2018, 15 Sa 214/18.
- Welche Bedeutung hat die Gewährung einer Auslauffrist für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung?
- Der Streitfall: Seit 14 Monaten im öffentlichen Dienst beschäftigte Angestellte trägt mehrfach einen zu frühen Arbeitsbeginn in ihre Arbeitsdokumentation ein
- LAG Berlin-Brandenburg: Bei der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen von § 626 BGB ist auch das Verhalten des Arbeitgebers zu bewerten
Welche Bedeutung hat die Gewährung einer Auslauffrist für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung?
Eine außerordentliche Kündigung auf der Grundlage von § 626 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) setzt einen „wichtigen Grund“ voraus, der dem kündigenden Vertragspartner unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (bzw. bis zum vereinbarten Vertragsende) unzumutbar macht.
Das bedeutet nach der Rechtsprechung bei außerordentlichen Kündigungen aus verhaltensbedingten Gründen,
- dass der gekündigte Vertragspartner einen Pflichtverstoß begangen haben muss, der im Allgemeinen einen ausreichend schweren („wichtigen“) Grund zur sofortigen Vertragsbeendigung darstellt („Kündigungsgrund an sich“), und
- dass weiterhin das Beendigungsinteresse des kündigenden Vertragspartners das Fortsetzungsinteresse des gekündigten Vertragspartners überwiegt, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind („Interessenabwägung“).
In den vergangenen Jahren hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mehrfach klargestellt, dass der Arbeitgeber bei der außerordentlichen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers aus verhaltensbedingten Gründen nicht immer gezwungen ist, die Kündigung fristlos auszusprechen.
Vielmehr besteht nach Ansicht des BAG die Möglichkeit, eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung mit einer Auslauffrist zu kombinieren (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/055 Kündigung mit Auslauffrist bei tariflicher Unkündbarkeit und in Arbeitsrecht aktuell: 16/036 Auslauffrist bei außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung). Eine solche Auslauffrist kann mehrere Monate lang sein.
Denn, so das BAG: Die Frage, ob ein Pflichtverstoß im Allgemeinen einen „wichtigen Grund“ zur sofortigen Vertragsbeendigung darstellt oder nicht, ist rein objektiv zu beurteilen, d.h. hier kommt es auf die subjektiven Bewertungen des kündigenden Vertragspartners nicht an. Gewährt der Arbeitgeber daher bei einer außerordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen dem Arbeitnehmer eine Auslauffrist, verhält er sich nicht widersprüchlich und verzichtet auch nicht auf sein Kündigungsrecht gemäß § 626 BGB.
Das gilt sogar dann, wenn der Arbeitgeber den außerordentlich gekündigten Arbeitnehmer noch mehrere Monate lang beschäftigt, z.B. aus sozialen Gründen oder weil er keine Ersatzkraft hat. Auch dann kann die Weiterbeschäftigung „objektiv unzumutbar“ im Sinne von § 626 BGB sein (BAG, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 531/14, S.8).
Fraglich ist allerdings, ob die Bereitschaft des Arbeitgebers zur Gewährung einer vorübergehenden Vertragsverlängerung nicht wenigstens im Rahmen der Interessenabwägung für den Arbeitnehmer spricht, d.h. bei der zweiten Stufe der rechtlichen Überprüfung einer außerordentlichen Kündigung.
Der Streitfall: Seit 14 Monaten im öffentlichen Dienst beschäftigte Angestellte trägt mehrfach einen zu frühen Arbeitsbeginn in ihre Arbeitsdokumentation ein
Geklagt hatte eine seit Mitte 2016 im öffentlichen Dienst tätige Tarifangestellte, die im Oktober 2017 aus wichtigem Grunde außerordentlich und fristlos gekündigt worden war. Zur Begründung der Kündigung warf der Arbeitgeber der Angestellten Arbeitszeitbetrug vor bzw. stützte sich auf den dringenden Verdacht eines Arbeitszeitbetruges.
Denn die Klägerin hatte an vier Tagen im August und September 2017 ihren Arbeitsbeginn um insgesamt 135 Minuten zu früh in der entsprechenden Excel-Tabelle angegeben. Damit hatte sie ihre tatsächlichen Arbeitszeiten zulasten des Arbeitgebers frisiert bzw. falsch dokumentiert.
In der Anhörung zu dem Vorgang, die der Arbeitgeber am 19.10.2017 durchführte, wurden neben einer außerordentlichen Kündigung auch verschiedene andere Möglichkeiten einer fristgemäßen Vertragsbeendigung zum 31.12.2017 erörtert, die der Arbeitgeber der Angestellten vorschlug.
Konkret brachte der Arbeitgeber drei Möglichkeiten ins Spiel, nämlich eine Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz, eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Dienstposten oder eine Freistellung von der Arbeit. Konkreter wurden diese Möglichkeiten nicht besprochen, weil die Arbeitnehmerin eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2017 ablehnte.
Daraufhin sprach der Arbeitgeber am 27.10.2017 eine außerordentliche Kündigung aus, gegen die die Angestellte Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsrecht Potsdam erhob. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab (Urteil vom 20.12.2017, 8 Ca 1544/17).
LAG Berlin-Brandenburg: Bei der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen von § 626 BGB ist auch das Verhalten des Arbeitgebers zu bewerten
In der Berufung vor dem LAG Berlin-Brandenburg hatte die Klägerin Erfolg, denn das LAG erklärte die Kündigung für unwirksam. Zur Begründung heißt es in dem Urteil:
Bei der umfassenden Interessenabwägung Rahmen von § 626 BGB ist nicht nur die Schwere des vom Arbeitnehmer begangenen Pflichtverstoßes, die Dauer der Beschäftigung, der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses und der Vertrauensverlust auf Seiten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, sondern auch das eigene Verhalten des Arbeitgebers, so das LAG unter Berufung auf eine ältere Entscheidung des BAG (BAG, Urteil vom 06.02.1997, 2 AZR 51/96).
Nimmt der Arbeitgeber einen Pflichtverstoß des Arbeitnehmers nicht zum Anlass, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen, sondern gewährt er eine soziale Auslauffrist von der Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist, und zwar in der Absicht, den Arbeitnehmer innerhalb der Auslauffrist auch tatsächlich zu beschäftigen, dann lässt ein solches Verhalten im Normalfall den Schluss zu, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar war, so das LAG. Das aber wiederum fällt dem Arbeitgeber juristisch auf die Füße. Denn dann besteht kein wichtiger Grund mehr für eine außerordentliche Kündigung.
Übertragen auf den vorliegenden Fall heißt dass laut LAG: Da der Arbeitgeber in dem Personalgespräch am 19.10.2017 eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (am 31.12.2017) in Betracht gezogen hatte, kann nicht angenommen werden, dass das Verhalten der Arbeitnehmerin so gravierend war, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar war. Allein deswegen, so das LAG, war die umstrittene außerordentliche Kündigung unwirksam.
Kritisch ist anzumerken, dass die Entscheidung des LAG nicht gut zu der aktuellen BAG-Rechtsprechung passt, so dass das LAG die Revision hätte zulassen sollen. In dem o.g. BAG-Urteil aus dem Jahr 2015 heißt es nämlich ausdrücklich:
„Ob die Gewährung einer Auslauffrist zu der Annahme berechtigt, dem Arbeitgeber sei die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumindest bis zum Ablauf der Frist auch objektiv zumutbar, ist unabhängig davon und nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (…). Für sich genommen erlaubt die Gewährung einer Auslauffrist, auf die das Landesarbeitsgericht allein abgestellt hat, einen solchen Schluss nicht.“ (BAG, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 531/14, S.8)
Fazit: Die Gewährung einer Auslauffrist und sogar entsprechende Diskussionen im Vorfeld (!) einer möglichen außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung sind für Arbeitgeber ein heißes Eisen.
Auch wenn das BAG juristisch scharfsinnig zwischen objektiver Zumutbarkeit einer fristgemäßen Vertragsbeendigung und den subjektiven Gründen des Arbeitgebers für die Gewährung einer Auslauffrist unterscheidet, lässt sich eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung praktisch meist nur darstellen, wenn sie auch fristlos ausgesprochen wird.
Arbeitgeber sollten daher Auslauffristen nur im Rahmen hilfsweise ausgesprochener (weiterer) Kündigungserklärungen gewähren. Außerdem sollten Arbeitnehmer für die Dauer von Auslauffristen von der Arbeit freigestellt werden. Angesichts des hier besprochenen Urteils sollten Arbeitgeber eine Weiterarbeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz auch im Vorfeld einer möglichen Kündigung ausdrücklich ausschließen, d.h. bei der Ausgestaltung von Aufhebungs- oder Abwicklungsvertragsangeboten sowie bei Personalgesprächen über mögliche einvernehmliche Regelungen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.06.2018, 15 Sa 214/18
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 531/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 343/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2001, 2 AZR 605/00
- Handbuch Arbeitsrecht: Abwicklungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
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Letzte Überarbeitung: 8. Januar 2021
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