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Auslauffrist bei außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung
31.01.2016. Eine außerordentlichen Kündigung wird meist fristlos ausgesprochen, kann aber auch mit einer Auslauffrist verbunden werden. Auslauffristen sind sogar zu gewähren, wenn unkündbare Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen gekündigt werden, z.B. wegen einer Betriebsschließung.
Fraglich und umstritten ist, ob Auslauffristen auch mit einer außerordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen kombiniert werden können. Das wäre dann eine etwas widersprüchliche "fristlose Kündigung plus Fristgewährung".
Mitte 2014 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg die Meinung vertreten, dass eine solche Vorgehensweise nicht zulässig ist (Urteil vom 25.06.2014, 4 Sa 35/14 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/287 Verhaltensbedingte Kündigung mit Auslauffrist?). Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) dieses LAG-Urteil aufgehoben und andersherum entschieden: BAG, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 531/14.
- Außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung eines Unkündbaren plus Auslauffrist - geht das?
- Im Streit: Unkündbare Arbeitnehmerin soll einer Vorgesetzten eine Ohrfeige angedroht haben und wird außerordentlich gekündigt, aber mit langer Auslauffrist
- BAG: Auch bei einer außerordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen kann eine Auslauffrist gewährt werden
Außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung eines Unkündbaren plus Auslauffrist - geht das?
Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) können gemäß § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist außerordentlich kündigen,
"wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann."
Nach der Rechtsprechung ist diese Vorschrift in zwei Schritten anzuwenden bzw. zu prüfen:
Erstens fragt sich, ob eine Vertragsstörung vorliegt, die "an sich" bzw. im Allgemeinen so schwerwiegend ist, dass einen "vernünftigen" Vertragspartner das Abwarten der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Gilt gar keine Kündigungsfrist, weil der zu kündigende Vertragspartner unkündbar ist, ist auf die "fiktive" Kündigungsfrist abzustellen, die ohne Unkündbarkeit gelten würde.
Falls diese Frage mit ja zu beantworten ist, fragt sich zweitens, ob das Beendigungsinteresse des Kündigenden dem Interesse des anderen Vertragspartners an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorgeht, d.h. es ist eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall vorzunehmen.
Spricht ein Arbeitgeber unter Berufung auf § 626 BGB wegen eines (angeblichen) schwerwiegenden Pflichtverstoßes des Arbeitnehmers eine außerordentliche und fristlose Kündigung aus, fällt er damit vielleicht vor Gericht auf die Nase, aber er verhält sich konsequent: Er ist empört und möchte den gekündigten Arbeitnehmer nicht einen Tag länger im Betrieb sehen, und daher kündigt er fristlos.
Anders und reichlich merkwürdig verhält sich dagegen ein Arbeitgeber, der in einem vergleichbaren Fall ebenfalls eine außerordentliche Kündigung ausspricht, dabei aber eine mehrmonatige Auslauffrist im Umfang der ordentlichen Kündigungsfrist gewährt. Dann fragt sich, ob die o.g. erste Wirksamkeitsvoraussetzung einer außerordentliche Kündigung noch gegeben ist, nämlich die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
An dieser Stelle hat das LAG Baden-Württemberg wie erwähnt nicht mitgemacht, d.h. es hat die Kombination von außerordentlicher Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen plus (mehrmonatige) Auslauffrist als widersprüchlich und daher generell unzulässig bewertet (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2014, 4 Sa 35/14 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/287 Verhaltensbedingte Kündigung mit Auslauffrist?).
Zu diesem Schritt sah sich das LAG ermuntert durch eine Entscheidung des BAG aus dem Jahre 2012, mit der das BAG in diese Richtung gehende Überlegungen angestellt hat (BAG, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 343/11) und sich damit von einer älteren Entscheidung aus dem Jahre 2001 distanziert hat (BAG, Urteil vom 15.11.2001, 2 AZR 605/00), ohne diese allerdings definitiv aufzugeben.
Im Streit: Unkündbare Arbeitnehmerin soll einer Vorgesetzten eine Ohrfeige angedroht haben und wird außerordentlich gekündigt, aber mit langer Auslauffrist
Geklagt hatte eine langjährig beschäftigte und gemäß § 34 Abs.2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ordentlich unkündbare Reinigungskraft eines Krankenhauses.
Sie hatte im September 2013 einer Vorgesetzten angeblich eine Ohrfeige angedroht und wurde daraufhin noch im September außerordentlich gekündigt, allerdings "mit sozialer Auslauffrist zum Ablauf des 31.03.2014“.
Die gekündigte Reinigungskraft erhob vor dem Arbeitsgericht Stuttgart Kündigungsschutzklage und hatte dort Erfolg (Urteil vom 30.01.2014, 10 Ca 1737/13). Auch das in der Berufung zuständige LAG Baden-Württemberg entschied zugunsten der Klägerin (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2014, 4 Sa 35/14).
Dabei argumentierte das LAG wie erwähnt, dass eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen generell ausgeschlossen sei (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/287 Verhaltensbedingte Kündigung mit Auslauffrist?). Außerdem hielt es dem Arbeitgeber vor, er selbst habe ja den Kündigungsvorfall nicht als ganz so erheblich bewertet, da er ja eine sechsmonatige Auslauffrist gewährte.
BAG: Auch bei einer außerordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen kann eine Auslauffrist gewährt werden
Das BAG hob das LAG-Urteil auf, weil es die Kernaussage des LAG nicht unterschreiben wollte. Dabei verwies es Angelegenheit zurück zum LAG. Denn da das LAG die Verbindung von außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung und Auslauffrist als generell unzulässig ansah, hatte es nicht geklärt, ob das Verhalten der Reinigungskraft als "wichtiger Grund" im Sinne von § 626 BGB angesehen werden kann oder nicht, d.h. ob darauf überhaupt eine außerordentliche Kündigung gestützt werden kann.
Anders als das LAG sind die Erfurter Richter der Meinung, dass der Arbeitgeber eine außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung aussprechen und zugleich eine Auslauffrist gewähren kann.
Denn die Frage der Zumutbarkeit des Abwartens der Kündigungsfrist ist, so das BAG, rein objektiv zu beurteilen, d.h. aus der Sicht eines "verständigen" bzw. vernünftigen Arbeitgebers. Der konkrete Arbeitgeber, der sich zu einer solchen Kündigung entscheidet, kann daher durchaus eine Auslauffrist einräumen, zum Beispiel aus sozialen Gründen oder weil er keine Ersatzkraft hat.
Bei der Gelegenheit stellt das BAG weitergehend klar, dass es seine Aussage aus dem Jahre 2001 weiter aufrechterhält (BAG, Urteil vom 15.11.2001, 2 AZR 605/00), dass nämlich in seltenen Fällen auch einmal die Unkündbarkeit eines Arbeitnehmers zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Sinne von § 626 BGB und damit zum Vorliegen eines "wichtigen Grundes" führen kann.
Fazit: Bei einer außerordentlichen Kündigung eines unkündbaren Arbeitnehmers aus verhaltensbedingten Gründen (oder bei einer Verdachtskündigung) kommt es bei der Frage der Kündigungsgrundes "an sich" allein darauf an, ob einem "objektiven" Arbeitgeber die Einhaltung einer (fiktiven, d.h. ohne Unkündbarkeit geltenden) Kündigungsfrist zugemutet werden kann oder nicht. Bei Unzumutbarkeit der vorübergehenden Weiterbeschäftigung in diesem (= rein objektiven) Sinn kann der Arbeitgeber außerordentlich kündigen und hat dann die Wahl zwischen
- einer außerordentlichen fristlosen Kündigung und
- einer außerordentliche Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist.
Praktisch gesehen sollte eine Auslauffrist bei verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigungen nur dann gewährt werden, wenn eine solche Kündigung hilfsweise (als "Notnagel") neben einer in erster Linie erklärten fristlosen Kündigung ausgesprochen wird. Denn die Unterscheidung zwischen einer "objektiven" Zumutbarkeit des Abwartens der Kündigungsfrist und den subjektiven Gründe für den konkreten Arbeitgeber, eine Auslauffrist zu gewähren, ist ziemlich theoretisch. Bei einer isoliert erklärten außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist können klagende Arbeitnehmer mit Aussicht auf Erfolg argumentieren, dass es auch einem "objektiven" und "vernünftigen" Arbeitgeber zumutbar gewesen wäre, die (fiktive) Kündigungsfrist einzuhalten.
Und das wiederum heißt: Arbeitgeber, die einen tariflich oder vertraglich unkündbaren Arbeitnehmer aus verhaltensbedingten Kündigung kündigen wollen, sollten im Regelfall vier Kündigungen aussprechen, nämlich
- eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen des aus Arbeitgebersicht erwiesenen schweren Pflichtverstoßes (außerordentliche fristlose Tatkündigung),
- hilfsweise: eine außerordentliche fristlose Kündigung (nach Anhörung des Arbeitnehmers) wegen des aus Arbeitgebersicht bestehenden dringenden Verdachts eines schweren Pflichtverstoßes (außerordentliche fristlose Verdachtskündigung),
- hilfsweise: eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist entsprechend der fiktiven Kündigungsfrist wegen des aus Arbeitgebersicht erwiesenen schweren Pflichtverstoßes (außerordentliche Tatkündigung mit Auslauffrist),
- höchst hilfsweise: eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist (entsprechend der fiktiven Kündigungsfrist und nach Anhörung des Arbeitnehmers) wegen des aus Arbeitgebersicht bestehenden dringenden Verdachts eines schweren Pflichtverstoßes (außerordentliche Verdachtskündigung mit Auslauffrist).
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 531/14
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2014, 4 Sa 35/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 343/11
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2001, 2 AZR 605/00
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Personenbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 19/160 Kündigung wegen Verdachts der Geldunterschlagung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/211 Häufige Kurzerkrankungen als Grund für eine außerordentliche Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/203 Interessenabwägung bei außerordentlicher Kündigung und Arbeitgeberverhalten
- Arbeitsrecht aktuell: 17/055 Kündigung mit Auslauffrist bei tariflicher Unkündbarkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 14/287 Verhaltensbedingte Kündigung mit Auslauffrist?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/282 BAG zur außerordentlichen Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen
- Arbeitsrecht aktuell: 14/053 Ordentliche fristgemäße Verdachtskündigung?
Letzte Überarbeitung: 8. Juli 2019
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