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Kündigung mit Auslauffrist bei tariflicher Unkündbarkeit
20.02.2017. Arbeitgeber können auf erhebliche Pflichtverstöße durch eine außerordentliche und fristlos Kündigung reagieren. Ist der Pflichtverstoß nicht ganz so schlimm, kommt eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.
Ein etwas gewundener Mittelweg ist die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist.
Für den Vorteil der Einhaltung der Kündigungsfrist müssen unkündbare Arbeitnehmer aber einen Preis bezahlen. Denn außerordentliche verhaltensbedingte Kündigungen unter Gewährung einer Auslauffrist sind künftig öfter möglich: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2016, 2 AZR 730/15.
- Welchen Wert hat eine tarifliche Unkündbarkeit bei verhaltensbedingten Kündigungen?
- Der Streitfall: Unkündbarer Busfahrer weigert sich beharrlich, an einer digitalen Erfassung seines Fahrverhaltens teilzunehmen
- BAG: Die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung kann bei unkündbaren Arbeitnehmern davon abhängen, dass eine Auslauffrist gewährt wird
Welchen Wert hat eine tarifliche Unkündbarkeit bei verhaltensbedingten Kündigungen?
Wer „unkündbar“ ist, z.B. aufgrund tariflicher Vorschriften, kann dennoch gekündigt werden, nur eben nicht ordentlich bzw. fristgemäß, sondern nur außerordentlich, d.h. bei Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ gemäß § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Vor verhaltensbedingten Kündigungen ist ein unkündbarer Arbeitnehmer daher nicht absolut sicher. Denn wenn er in erheblicher Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, kann sein Arbeitgeber ihm deshalb außerordentlich und fristlos gemäß § 626 BGB kündigen.
Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche und fristlose Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer so erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat, dass dem Arbeitsgeber das Abwarten der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist. Bei unkündbaren Arbeitnehmern kommt es hier auf die Kündigungsfrist an, die der Arbeitgeber beachten müsste, wenn der Arbeitnehmer ordentlich kündbar wäre. Man spricht hier von „fiktiver Kündigungsfrist“.
Im Mai 2015 hat das BAG in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass der Arbeitgeber einen unkündbaren Arbeitnehmer außerordentlich unter Berufung auf § 626 BGB kündigen kann, ohne diese Kündigung als fristlose Kündigung auszusprechen. Er kann also einerseits außerordentlich, andererseits aber unter gleichzeitiger Gewährung einer Auslauffrist kündigen (BAG, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 531/14, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 16/036 Auslauffrist bei außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung).
Denn für die Frage, ob dem Arbeitgeber das Abwarten der Kündigungsfrist zuzumuten ist, kommt es laut BAG nur auf die objektive Rechtslage an, nicht aber darauf, ob der konkrete Arbeitgeber im konkreten Fall aus seiner Sicht mit einer Auslauffrist leben kann.
Auf den ersten Blick scheint dieses Urteil für den Arbeitnehmer günstig zu sein, denn statt einer fristlosen Kündigung bekommt er eine Kündigung mit einer (langen) Auslauffrist. Im Ergebnis führt diese BAG-Rechtsprechung allerdings dazu, dass die ordentliche Unkündbarkeit bei verhaltensbedingten Kündigungen weitgehend wertlos wird. Denn durch die Gewährung einer Auslauffrist belastet die außerordentliche Kündigung den Arbeitnehmer nicht ganz so stark, so dass auch ein „weniger wichtiger Grund“ ausreichend sein kann.
Genau das hat das BAG in seinem Urteil vom 13.05.2015 (2 AZR 531/14) ausdrücklich festgehalten. Denn dort heißt es nämlich, es sei „denkbar“,
„dass ein pflichtwidriges Verhalten, das bei einem Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde, gerade wegen der infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung langen Bindungsdauer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Arbeitgeber iSd. § 626 Abs.1 BGB darstellen kann“. (S.12)
Im Klartext heißt das: In einem Fall, in dem der Arbeitgeber einen ordentlich kündbaren Arbeitnehmer nicht fristlos, sondern nur ordentlich verhaltensbedingt kündigen könnte, kann er einen „Unkündbaren“ außerordentlich auf der Grundlage von § 626 BGB kündigen, muss dann allerdings eine Auslauffrist gewähren, die der fiktiven Kündigungsfrist entspricht.
Diese Aufweichung der Unkündbarkeit hat das BAG nunmehr bestätigt.
Der Streitfall: Unkündbarer Busfahrer weigert sich beharrlich, an einer digitalen Erfassung seines Fahrverhaltens teilzunehmen
Ein 1956 geborener Busfahrer war seit 1989 bei einem öffentlichen Nahverkehrsunternehmen beschäftigt und tariflich unkündbar. Er weigerte sich in der Zeit von Dezember 2014 bis Ende Februar 2015 beharrlich, d.h. trotz mehrfacher Gespräche und dreier Abmahnungen, an einem automatisierten System der Erfassung seines Fahrverhaltens (RIBAS-System) teilzunehmen. Dazu hätte er einen speziellen Schlüssel verwenden müssen, unterließ das aber immer wieder.
Zu dieser Weigerung hatte er kein Recht, denn die Daten über sein Fahrverhalten wurden anonymisiert erfasst und verarbeitet. Außerdem gab es hierzu eine vom Landesdatenschutzbeauftragten abgesegnete Betriebsvereinbarung.
Mit Schreiben vom 12.03.2015 kündigte der Arbeitgeber nach Anhörung des Betriebsrats außerordentlich zum 13.03.2015 und hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist von sechs Monaten zum 30.09.2015.
Der Busfahrer erhob Kündigungsschutzklage und hatte damit in der ersten Instanz Erfolg (Arbeitsgericht Bochum, Urteil vom 27.05.2015, 5 Ca 24/15). Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschied dagegen, dass die fristlose Kündigung unwirksam, die hilfsweise mit sozialer Auslauffrist ausgesprochene Kündigung dagegen wirksam war (LAG Hamm, Urteil vom 16.10.2015, 17 Sa 1222/15).
BAG: Die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung kann bei unkündbaren Arbeitnehmern davon abhängen, dass eine Auslauffrist gewährt wird
Das BAG segnete das Urteil des LAG Hamm ab, und zwar mit folgender Begründung:
Der Busfahrer hatte es wiederholt und vorsätzlich unterlassen, den anonymisierten RIBAS-Schlüssel zu verwenden. Diese beharrliche Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Leistungspflicht war „an sich“ als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs.1 BGB geeignet.
Auch die Die Interessenabwägung des LAG war in Ordnung, so die Erfurter Richter. Denn dem Arbeitgeber wäre bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer die Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist zumutbar gewesen, und aus diesem Grunde hatte das LAG die fristlose Kündigung ja für unwirksam erklärt.
Daher konnte der Arbeitgeber hier nur eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist aussprechen, wobei es für Interessenabwägung darauf ankam, ob ihm die dauerhafte weitere Beschäftigung des Busfahrers bis zum Renteneintritt zuzumuten war. Das war hier nicht der Fall, und zwar aufgrund der beharrlichen Weigerung des Busfahrers, den RIBAS-Schlüssel zu verwenden.
Das heißt für den Streitfall: Der Arbeitgeber musste den RIBAS-Schlüssel-Boykott zwar für sechs Monate hinnehmen und durfte daher nicht außerordentlich und zugleich fristlos kündigen. Er musste die Weigerungshaltung aber nicht über die sechs Monate hinaus bis zum Renteneintritt dulden und konnte daher außerordentlich unter Gewährung einer sechsmonatigen Auslauffrist kündigen. Dieser Pflichtverstoß hätte bei einem "normalen" bzw. ordentlich kündbaren Busfahrer nur für eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung gereicht.
Fazit: Das BAG hat trotz gegenteiliger Beteuerungen den speziellen Schutz unkündbarer Arbeitnehmer gegenüber verhaltensbedingten Kündigungen weitgehend ausgehebelt. Das zeigt der vorliegende Fall: Hier war letztlich nur eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung "angemessen". Vor einer solchen Kündigung müsste der Busfahrer aber eigentlich aufgrund seiner Unkündbarkeit sicher sein. Trotzdem musste er sie schlucken, nämlich in Gestalt einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung mit notwendiger Auslauffrist.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.11.2016, 2 AZR 730/15
- Landesarbeitsgerichts Hamm, Urteil vom 16.10.2015, 17 Sa 1222/15
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 531/14
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsvereinbarung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsfristen
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Tipps und Tricks: Kündigung durch den Arbeitgeber - Checkliste
- Arbeitsrecht aktuell: 18/211 Häufige Kurzerkrankungen als Grund für eine außerordentliche Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/203 Interessenabwägung bei außerordentlicher Kündigung und Arbeitgeberverhalten
- Arbeitsrecht aktuell: 16/036 Auslauffrist bei außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/287 Verhaltensbedingte Kündigung mit Auslauffrist?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/282 BAG zur außerordentlichen Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen
- Arbeitsrecht aktuell: 14/053 Ordentliche fristgemäße Verdachtskündigung?
Letzte Überarbeitung: 5. Juni 2019
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