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BAG zur außerordentlichen Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen
13.08.2014. Wer über Jahre hinweg immer wieder kurz erkrankt und seinen Arbeitgeber dadurch mit Lohnfortzahlungskosten belastet, riskiert eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung.
Häufige Kurzerkrankungen können aber auch ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein und damit unkündbare Arbeitnehmer treffen.
Das geht allerdings nur in extremen Ausnahmefällen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2014, 2 AZR 582/13.
- Wann können unkündbare Arbeitnehmer wegen häufiger Kurzerkrankungen gekündigt werden?
- Der Hamburger Streitfall: Langjährig beschäftigte Friedhofsmitarbeiterin wird trotz Unkündbarkeit krankheitsbedingt gekündigt
- BAG: Häufige Kurzerkrankungen sind ein Dauertatbestand und können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen
Wann können unkündbare Arbeitnehmer wegen häufiger Kurzerkrankungen gekündigt werden?
Für Krankheiten können Arbeitnehmer nichts, Arbeitgeber aber auch nichts. Daher ist seit eh und je in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte anerkannt, dass über Jahre hinweg auftretende häufige Kurzerkrankungen den Arbeitgeber zu einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung berechtigen können.
Auch Arbeitnehmer, die nach über sechsmonatiger Beschäftigung in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern unter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) fallen und daher den sog. allgemeinen Kündigungsschutz genießen, können daher aufgrund häufiger kurzer Erkrankungen ordentlich gekündigt werden.
Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer über einen Zeitraum von drei Jahren vor Ausspruch der Kündigung in jedem Jahr zusammengerechnet deutlich länger als sechs Wochen aufgrund von Kurzerkrankungen ausgefallen ist, d.h. zehn, zwölf oder mehr Wochen pro Jahr. Außerdem muss der Arbeitgeber vor Gericht erhebliche finanzielle und/oder betriebsorganisatorische Folgeprobleme darlegen. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen kommt es dann schließlich auch darauf an, wie lange das Arbeitsverhältnis bestanden hat und wie hart den Arbeitnehmer die Kündigung treffen würde.
Wer aufgrund einer arbeitsvertraglichen oder tariflichen Regelung ordentlich unkündbar ist, sollte vor solchen Kündigungen sicher sein, denn dazu dient ja schließlich die Unkündbarkeit. Allerdings schützen auch Unkündbarkeitsregelungen nicht vor außerordentlichen Kündigungen. Deren Rechtsgrundlage ist nicht § 1 KSchG (wie bei ordentlichen Kündigungen), sondern § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Eine außerordentliche Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen setzt im Wesentlichen voraus,
- dass dem Arbeitgeber die dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, weil das Arbeitsverhältnis infolge extremer Ausfallzeiten "sinnentleert" ist, und
- dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Auslauffrist gewährt, die so lange wie die Kündigungsfrist sein muss, die der Arbeitgeber beachten müsste, wenn der Arbeitnehmer ordentlich kündbar wäre.
Beim ersten Punkt, der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortführung des Arbeitsverhältnisses, reichen die "normalen" Voraussetzungen für eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung nicht aus, um eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung zu stützen. Denn die Unkündbarkeit soll den Schutz des Arbeitnehmers gegenüber Kündigungen ja verstärken.
Fraglich ist daher, wie lange die krankheitsbedingten Ausfallzeiten sein müssen, damit der Arbeitgeber wegen häufiger Kurzerkrankungen eine außerordentliche Kündigung aussprechen kann.
Der Hamburger Streitfall: Langjährig beschäftigte Friedhofsmitarbeiterin wird trotz Unkündbarkeit krankheitsbedingt gekündigt
Im Streitfall ging es um eine über 30 Jahre lang im öffentlichen Dienst beschäftigte und daher ordentlich unkündbare Friedhofsmitarbeiterin. Sie war von 2000 bis 2011 im Durchschnitt pro Jahr über 18 Wochen arbeitsunfähig erkrankt. In den letzten drei Jahren (Frühjahr 2010 bis Frühjahr 2012) war sie allerdings "nur" noch 11,75 Wochen krank.
Der Arbeitgeber kündigte im März 2012 außerordentlich unter Gewährung einer Auslauffrist bis zum 30.09.2012.
Vor dem Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 09.11.2012, 14 Ca 214/12) und vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg hatte die Arbeitnehmerin mit ihrer Kündigungsschutzklage aus formaljuristischen Gründen Erfolg (LAG Hamburg, Urteil vom 16.04.2013, 2 Sa 107/12).
Denn beide Gerichte meinten, der Arbeitgeber hätte sich, nachdem er sich einmal vom Vorliegen des krankheitsbedingten Kündigungsgrundes überzeugt hatte, länger als zwei Wochen mit dem Ausspruch der Kündigung Zeit gelassen und daher gegen § 626 Abs.2 BGB verstoßen.
BAG: Häufige Kurzerkrankungen sind ein Dauertatbestand und können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen
Auch in Erfurt vor dem BAG zog der Arbeitgeber den Kürzeren, wobei das BAG allerdings zu seinen Gunsten klarstellte, dass häufige Kurzerkrankungen bzw. die darauf gestützte negative Prognose künftiger Erkrankungen einen Dauertatbestand bilden, d.h. einen Kündigungsgrund, der den Arbeitgeber ohne den Zeitdruck der Zweiwochenfrist des § 626 Abs.2 BGB zur Kündigung berechtigt.
Allerdings lag hier nach Ansicht des BAG kein "wichtiger Grund" für eine außerordentliche Kündigung vor.
Denn erstens war die Klägerin in den letzten drei Jahren vor Ausspruch der Kündigung nicht mehr über 18 Wochen, sondern nur noch 11,75 Wochen krank gewesen, so dass man auf dieser Grundlage nicht prognostizieren konnte, dass die Arbeitnehmerin künftig (wieder) über 18 Wochen pro Jahr fehlen würde.
Und zweitens wären sogar die vom Arbeitgeber zugrunde gelegten 18 Wochen Krankheit pro Jahr kein ausreichender Grund für eine außerordentliche Kündigung, so das BAG. Denn von einer völligen "Sinnentleerung" des Arbeitsverhältnisses, bei der der Arbeitgeber nur noch Zahlmeister ist, kann auch dann nicht die Rede sein, wenn der (unkündbare!) Arbeitnehmer etwa ein Drittel des Jahres krank ist.
Fazit: Unkündbarkeit heißt, dass man vor Kündigungen des Arbeitgebers sicher ist. Ausgenommen sind Extremfälle wie z.B. eine Betriebsschließung oder eine Straftat des Arbeitnehmers.
Ein solcher Extremfall liegt bei häufigen Kurzerkrankungen nicht schon dann vor, wenn ein unkündbarer Arbeitnehmer etwa eine Drittel des Jahres infolge von Kurzerkrankungen ausfällt. Denn auch dann kann ihn der Arbeitgeber für eine beträchtliche Zeit des Jahres vertragsgemäß beschäftigen, so dass das Arbeitsverhältnis nicht "sinnentleert" ist.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2014, 2 AZR 582/13
- Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 16.04.2013, 2 Sa 107/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Krankheit
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Krankheitsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 18/214 Krankheitsbedingte Kündigung als Diskriminierung wegen einer Behinderung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/211 Häufige Kurzerkrankungen als Grund für eine außerordentliche Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/203 Interessenabwägung bei außerordentlicher Kündigung und Arbeitgeberverhalten
- Arbeitsrecht aktuell: 17/055 Kündigung mit Auslauffrist bei tariflicher Unkündbarkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 16/036 Auslauffrist bei außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/287 Verhaltensbedingte Kündigung mit Auslauffrist?
Letzte Überarbeitung: 31. August 2018
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